Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses seine Zustimmung geben und damit den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP in der Drucksache 2320 annehmen möchte, den bitte ich nunmehr um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und einigen Gegenstimmen ist der Beschlussempfehlung gefolgt.
Nun rufe ich Nr. 2 der Beschlussempfehlung auf. Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 1965 ablehnen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses in Nr. 2 gefolgt.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, teile ich Ihnen mit, dass wir für morgen eine neue Tagesordnung bekommen werden. Für den Fall, dass die eine oder der andere eine Hotelreservierung absagen möchte, mache ich darauf aufmerksam, dass nach den neuesten Berechnungen das voraussichtliche Ende der morgigen Sitzung um 17.45 Uhr sein wird.
Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung: Dem humanitären Anliegen des Zuwanderungsgesetzes auch in Niedersachsen Rechnung tragen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2722
Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: Echte Härtefallkommission einrichten Abschiebestopp anordnen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2727
Bevor ich zur Einbringung des Antrags der SPDFraktion Frau Kollegin Merk das Wort erteile, fordere ich erst ein wenig Ruhe ein. Oder wollen wir für fünf Minuten unterbrechen? - Das will offensichtlich niemand, da nun Ruhe eingekehrt ist. Frau Kollegin Merk, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der nicht mehr zu ertragenden Härte im Umgang mit Härtefällen durch die CDU/FDPKoalition und den niedersächsischen Innenminister in den letzten Monaten hielt es die SPD-Fraktion für dringend geboten, einen Antrag mit folgenden Forderungen einzubringen:
erstens Verbesserung des Härtefallverfahrens, zweitens aktiver Einsatz der Landesregierung für eine bundeseinheitliche Altfallregelung, drittens Abschaffung der Kettenduldungen und viertens Erlass eines vorläufigen Abschiebestopps für Langzeitgeduldete, bis eine Bleiberechtsregelung erfolgt ist, nachdem auch das Bundesinnenministerium erst für den Herbst eine solche Regelung angekündigt hat.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat in der letzten Woche eine Anhörung der in Flüchtlingsfragen relevanten Organisationen und Institu
Erstens. Die Mehrheit der in den Petitionen behandelten Fälle sind so genannte Altfälle, die Menschen betreffen, die seit als mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland leben und integriert sind. Sie dürfen nicht in das Härtefallschema gepresst werden; vielmehr benötigen sie eine Bleiberechtsregelung. Deshalb brauchen wir jetzt einen vorläufigen Abschiebestopp, damit die Nachteile für diese große Personengruppe nicht noch größer werden.
Zweitens. Die Mehrheit ist auch nicht dafür verantwortlich zu machen, dass die Verfahren so lange gedauert haben. Vielmehr leitet sich daraus ein echter Handlungsbedarf des Rechtsstaates ab, nämlich die Schaffung einer Bleiberechtsregelung.
Daher erwarten wir Ihren Einsatz, verehrter Herr Minister. Härtefälle sind tragische und schicksalhafte Einzelfälle, für die eine Härtefallregelung die einzig richtige Antwort ist. Die Meinung der beratenden Härtefallgruppe ist in allen angerufenen Fällen von der CDU/FDP-Mehrheit übergangen worden. Dies mache ich so deutlich, damit hier keine Geschichtsklitterung entsteht. Hier wird gesagt, es sei ein parteipolitischen Streit gewesen.
Nein, meine Damen und Herren, es war keine parteipolitische Frage, sondern die inhumane Art und Weise des Umgangs mit den Fällen.
Ich bin auch über Folgendes froh: Kirchen und Wohlfahrtsverbände, die Sie weiß Gott nicht der SPD zuordnen können, haben Ihnen klar und deutlich ins Stammbuch geschrieben, nämlich dass Sie in diesem Punkt bisher komplett versagt haben.
Dass dem so ist, kann man daran erkennen, mit welcher Geschwindigkeit Sie nun plötzlich nach vorne treten.
Meine Damen und Herren, wir haben zu den Härtefällen bis jetzt ein Drama in fünf Akten erlebt. Erster Akt: Alles macht der Petitionsausschuss. Dies haben wir noch bis vor kurzem gehört. Zweiter Akt: Die Beratergruppe soll doch helfen. Dritter Akt: Die Beratergruppe für Härtefälle ist an der Härte der Mehrheit von CDU und FDP gescheitert. Vierter Akt: Es gibt eine Härtefallkommission unter verschärften Bedingungen. Den fünften Akt schreiben wir - dessen bin ich mir sicher - gerade jetzt.
Man kann sagen: Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. - Soll aber eine Besserung eintreten, muss der von der Koalition angekündigte neue Weg einer Härtefallkommission näher unter die Lupe genommen werden. Wer gestern noch geglaubt hat, man könne sich nun getrost zurücklehnen, da nun alles erreicht worden sei - so wird es in der Öffentlichkeit ja erklärt -, sieht sich schnell eines Besseren belehrt oder, anders ausgedrückt, schlicht getäuscht. Dies werde ich jetzt in einer ersten Analyse in wenigen Punkten darlegen. Es geht mir um die von Ihnen uns bekannt gemachten Ausschlussgründe.
Erstens. Während alle Fraktionen bisher gemeinsam festgelegt hatten, dass bei Familien mit mehreren Kindern im Einzelfall der Bezug von ergänzender Sozialhilfe kein Ausschlussgrund sein kann, schließen Sie jetzt solche Familien vom Bleiberecht aus. Stattdessen machen Sie die Entscheidung komplett von der Bereitschaft anderer zur Übernahme sämtlicher Lebenshaltungskosten abhängig.
Dabei wissen Sie aus den vielen uns vorliegenden Fällen genau - dies ist belegbar -, dass weitgehend wegen der Nachrangigkeit der Arbeitsvermittlung über viele Jahre keine Arbeitserlaubnisse an die Ausländerinnen und Ausländer erteilt wurden, obwohl sie sich intensiv darum bemüht haben und vielfach auch einen Arbeitgeber nachweisen konnten. Damit wird der Härtefall - das ist das, was Sie vorschlagen - in die Beliebigkeit anderer, in die Almosensituation gebracht. Nur wenn andere das ganze Leben dieser Familien zu finanzieren bereit sind, kann nach Ihrem Vorschlag ein Altfall überhaupt eintreten.
Zweitens. Sie schließen eine Anerkennung als Härtefall bei fehlenden Arbeitsbemühungen aus. Das ist zu allgemein formuliert.
- Hören Sie zu. - Aber wir kennen die vielen Fälle, bei denen noch minderjährige Frauen, junge Mädchen schwanger geworden sind, keine Berufsausbildung hatten, sie auch niemals bekamen, aber alles an Erziehungsleistung für ihr Kind erbracht haben. Im Fall dieser Frauen, dieser jungen Leute verstoßen Sie mit Ihrem allgemeinen Grundsatz in eklatanter Weise gegen unsere Verfassung, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Sie diese Frauen - -
- Genau um die geht es. Es geht um die vielen Frauen. Das haben Sie bewiesen. Sie haben sie abgelehnt. Diese wollen Sie noch härter behandeln als je zuvor. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Drittens. Es wird aber noch interessanter. Sie schließen eine Anerkennung als Härtefall bei fehlenden deutschen Sprachkenntnissen aus. Wieder ist der Ausschluss viel zu allgemein. Wollen Sie etwa eine Familie von der Anerkennung als Härtefall ausschließen, weil die Ehefrau zu wenige Deutschkenntnisse hat - meist sind die Frauen davon betroffen -, weil sie keinen Sprachkurs bekommen hat, weil sie die Kinder erzogen hat, weil sie keine Arbeit bekommen hat oder weil sie gar Analphabetin ist? Wollen Sie das wirklich tun? - Ich spreche hier nämlich nichts Ungewöhnliches an. Wer die ganze Zeit im Petitionsausschuss war, hat genau diese Fälle täglich erlebt. Über die reden wir, und es gilt, über diese Fälle eine Entscheidung zu treffen.
Viertens. Sie schließen die Anerkennung als Härtefall auch dann aus, wenn ein Rückführungstermin feststeht oder Abschiebehaft angeordnet ist.
Härtefällen zu tun. Da können Sie sehr wohl anders verfahren. Eines ist jedenfalls klar: Wir haben doch den Fall von Frau Kameli gehabt, die man in letzter Minute aus dem Flugzeug heraus hat retten können. Wir haben oft erst im Petitionsausschuss entdeckt, dass es sich um Härtefälle handelt. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Sie können diese Personen nicht ausschließen, nur weil sie in Haft gekommen sind.
Fünftens. Ganz unklar ist die Frage, weshalb die Anerkennung als ein Härtefall dann ausgeschlossen werden soll, wenn eine Petition vorliegt. Wir verstehen, dass beides nicht gleichzeitig behandelt werden kann. Das ist selbstverständlich. Oft stellt sich aber, wie auch sonst, erst im Petitionsausschuss heraus, dass es sich um einen Härtefall handeln könnte. Es muss doch wohl möglich sein, dass ein solcher Fall entsprechend an die Härtefallkommission weitergegeben wird. Wenn Sie selbst - wie auch in der sonstigen Bundesrepublik Deutschland - keine einzige Definition schaffen und vorlegen können, was denn ein Härtefall ist, wie soll denn dann ein Petent, gar vielleicht ein nicht von einem Anwalt vertretener Ausländer, eine Definition so genau kennen, dass er weiß, an wen er sich wenden soll? - Sie überfordern sich, uns und alle Petenten, meine Damen und Herren.
Ganz besonders pikant - das darf ich noch anmerken -: Uns liegen von immerhin 14 Bundesländern Härtefallkommissionsregelungen vor. Es hätte doch wohl nahe gelegen, dass Sie sich mit diesen zunächst befasst hätten und geprüft hätten, wie die Praxis aussieht.
- Wenn Sie das getan haben - das war ein sehr interessanter Zuruf -, dann kann ich nur sagen: Für Sie wird es noch peinlicher; denn Sie hätten sehr wohl feststellen können, dass ein großer Teil der Regelungen in den einzelnen Bundesländern zu Härtefällen Kannvorschriften sind, d. h. man kann durchaus von der Grundregel abweichen. Auch das tun Sie nicht, meine Damen und Herren.
offensichtlich nicht begreifen wollen oder nicht in der Lage sind, ordentlich mit Härtefällen umzugehen. Sie haben hierbei die Kirchen getäuscht, Sie täuschen die Wohlfahrtsverbände, Sie täuschen die Öffentlichkeit. Aber eines lassen wir Ihnen nicht durchgehen, nämlich dass Sie glauben, alle hier im Lande täuschen zu können. Mit uns können Sie das nicht machen.