Und was macht das Gleichbehandlungsgesetz? Es will dafür sorgen, dass dieser elementare Rechtssatz eben nicht nur auf dem Papier besteht, sondern tatsächlich Einzug in unser Alltagsleben hält. Darum geht es!
Das Verbot der Diskriminierung gilt jeweils nur für Massengeschäfte des täglichen Lebens. Das Gesetz gilt nicht dort, wo der persönliche Nähebereich im Vordergrund steht. Leider ist es notwendig, das Verbot der Diskriminierung in einem Gesetz zu regeln, und leider ist es notwendig, den Betroffenen Mittel des Rechtsschutzes in die Hand zu geben.
Herr Rösler, in Betrieben gibt es ja schon eine Reihe von Vereinbarungen, die in genau diese Richtung gehen. Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung werden zum Teil seit fünf oder zehn Jahren angewendet. Ich kann Ihnen berichten: Da gibt es keine bürokratischen Monster und keine Überbürokratie, wie Sie meinen.
hen. Dieses kann nur zwei Gründe haben: Entweder sind Sie der Ansicht, dass Diskriminierungen aus bestimmten Gründen akzeptabel sind - das wäre ein Skandal -, oder Sie sind der Auffassung, dass es in Deutschland keine Diskriminierung aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen gibt; das wäre wohl sehr naiv.
Herr Wulff, von Ihnen hätten wir eigentlich erwartet, dass Sie Gesetze der neuen Bundesregierung unterstützen, anstatt sie hinter dem Rücken unserer Bundeskanzlerin ebenfalls als Monstrum zu beschimpfen.
(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - Bernd Althusmann [CDU]: Das Protokoll schicken wir weiter!)
Frau Präsidentin, mein letzter Satz. - Frau Merkel hat ja damit gedroht, dass es bald Ordnungsrufe geben wird. Ich hoffe nicht, dass Herr Wulff der Erste ist, der einen solchen bekommt. - Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Lebhafter Beifall bei der SPD - Wolf- gang Jüttner [SPD] - zur CDU -: Ihr verzichtet jetzt auf eure Redezeit, oder? - Unruhe)
Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat - wenn es etwas ruhiger geworden ist Frau Helmhold das Wort. - Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland bekommt endlich ein Gleichbehandlungsgesetz. Und das ist auch gut so. In der großen Koalition hat sich endlich die Vernunft durchgesetzt. Nur die FDP wütet immer weiter. Ich frage mich, meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion: Gegen wen eigentlich? Gegen den von Ihnen getragenen Ministerpräsidenten Wulff, der in seiner typischen Art vorher die einen Backen aufgeblasen
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Lachen bei der CDU - Bernd Althusmann [CDU]: Das war jetzt aber unerhört!)
Oder wüten Sie gegen das gebrochene Wahlversprechen der CDU, EU-Richtlinien nur 1 : 1 umzusetzen? Oder machen Sie die Aktuelle Stunde nur deshalb, weil letzte Woche das Thema Gegenstand Ihrer Aktuellen Stunde im Bundestag war und man von Herrn Westerwelle so trefflich Redepassagen übernehmen kann?
(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE] - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Haben Sie die Rede von Westerwelle gelesen?)
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz, das die Grünen bereits 2005 im Bundestag eingebracht haben, werden vier EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung umgesetzt. Der Kollege Lenz hat das eben noch einmal erläutert. Den von Diskriminierung Betroffenen wird jetzt endlich ermöglicht, rechtlich durchzusetzen, dass sie nicht diskriminiert werden.
Zum Teil und aus gutem Grund geht das Vorhaben der Bundesregierung über die Brüsseler Vorgaben hinaus. Das finden nun die angeblichen Freiheitskämpfer zum Heulen und Zähneklappern. Aber bleiben Sie doch einmal auf dem Teppich. Im Arbeitsrecht werden die Vorgaben 1 : 1 umgesetzt, und im Zivilrecht werden alle Diskriminierungsgründe aus dem Arbeitsrecht in den Schutzbereich einbezogen. Das ist auch völlig richtig so.
Allerdings ist der private Bereich ausgeschlossen. Beispielsweise muss sich ein Vermieter, der seine Einliegerwohnung vermietet, keinesfalls dem Antidiskriminierungsgesetz unterwerfen. Aber Sie tun so, als stünde der Untergang des Abendlandes unmittelbar bevor. Mal ehrlich und sachlich: Es wäre doch aberwitzig, meine Damen und Herren, wenn man einem Diskothekenbesucher wegen seiner Hautfarbe den Besuch nicht verweigern dürfte, aber gleichzeitig Behinderten den Besuch eines Restaurants verboten werden dürfte, und zwar straffrei. Das ist doch wohl kaum vorstellbar.
Sie stellen die Aktuelle Stunde unter das Motto „Wirklich mehr Freiheit wagen“. Das finde ich schon etwas merkwürdig; denn, meine Damen und Herren von der FDP, zur Freiheit gehört auch die Verantwortung. Wer die Betroffenen nicht vor Diskriminierung schützen will, der muss sich vorwerfen lassen, dass er gleichzeitig straflose Diskriminierung weiterhin erlauben will. So einfach ist das am Ende, wenn man es weiter denkt.
Von welcher Freiheit reden Sie denn eigentlich? Reden Sie von der Freiheit des Gastwirtes, behinderte Menschen nicht zu bedienen? Reden Sie von der Freiheit einer Bank, einem 70-Jährigen keinen Kredit mehr zu geben? Reden Sie von der Freiheit der Arbeitgeber, Frauen bei gleicher Arbeit durchschnittlich 30 % weniger Lohn zu bezahlen als Männern? Oder reden Sie davon, dass Lebensversicherungsgesellschaften Homosexuellen pauschal Verträge verweigern können? - Meine Damen und Herren, das kann es doch nicht sein. Ihr Freiheitsbegriff ist mir zu einseitig.
Sie reden nur von der Freiheit der Besitzenden. Sie meinen eine Ellenbogenfreiheit, meine Damen und Herren.
Unser Freiheitsbegriff ist sehr umfassend. Vertragsfreiheit gilt immer für alle. Wenn Sie davon reden, Vertragsfreiheit einzuschränken, dann verkennen Sie die Tatsachen. Denn sie funktioniert nur, wenn beide Partner bei einem Vertrag auf gleicher Augenhöhe agieren können. Genau dazu dient dieses Gesetz. Das nenne ich nicht weniger Freiheit, sondern mehr Freiheit.
Eines zum Schluss: Sie fordern hier Ihren Koalitionspartner ein bisschen scheinheilig dazu auf, doch gemeinsam gegen dieses Gesetz vorzugehen. Ich hätte es konsequent gefunden, wenn Sie heute einen Entschließungsantrag vorgelegt hätten. Dann hätten wir gesehen, was Ihr Koalitionspartner in Niedersachsen dazu sagt. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe sehr große Sympathie für die Vertragsfreiheit - ein Grundsatz, der unser gesamtes Zivilrecht durchzieht. Ich habe ebenfalls großen Respekt vor unseren Gerichten, die auch ohne ein Gleichbehandlungsgesetz durchaus in der Lage sind, Artikel 3 des Grundgesetzes auch im Zivilrecht Geltung zu verschaffen. Frau Helmhold, die Welt in Deutschland ist nicht so, wie Sie sie hier schildern, sondern die Welt ist eine völlig andere.
Aber richtig ist: Es gibt eine EU-Richtlinie. Wir sind verpflichtet, diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Richtig ist auch, dass inzwischen ein Feststellungsurteil des Europäischen Gerichtshofs vorliegt, in dem festgestellt wird, dass wir diese Verpflichtungen bisher nicht erfüllt haben. Deutschland droht also Schaden, wenn wir ein solches Gesetz nicht auf den Weg bringen.
Das Thema ist nicht neu. Rot-Grün hatte uns ja schon einmal ein Antidiskriminierungsgesetz präsentiert. Das haben wir alle gemeinsam - jedenfalls die rechte Seite des Hauses - heftig kritisiert - auch mit einem Entschließungsantrag im Plenum.
Unsere politische Forderung war damals: Wenn wir schon die EU-Richtlinie umsetzen müssen, dann 1 : 1, aber bitte nicht zusätzlich noch Bürokratie und noch zusätzlich Regelungen draufsatteln.
Das sind die politischen Rahmenhandlungen, und danach hat sich auch eine Regierung im Gegensatz zu einer Opposition auszurichten. Bei dem jetzigen Gesetzentwurf haben, meine ich, beide Seiten - sowohl die SPD auf der einen Seite wie auch die CDU auf der anderen Seite - nachgeben müssen.
Ich will so einige Sätze einmal sagen, was wir aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf von Rot-Grün immerhin verhindert haben: Das war diese Missgeburt einer verschuldensunabhängigen Haftung, und das war diese sehr problematische Beweislastumkehr, dass man also nicht beweisen muss, diskriminiert worden zu sein, sondern dass der
Arbeitgeber oder der Vertragspartner beweisen muss, dass er nicht diskriminiert hat. Wir haben ferner eine Ausschlussfrist von drei Monaten eingeführt, innerhalb der diese Diskriminierung geltend gemacht werden muss, was immerhin dazu führt, dass die Notwendigkeit der Dokumentation, die ja sonst in der Tat erhebliche zusätzliche Bürokratie mit sich bringen würde, durch die Ausschlussfrist nicht mehr in dem Maße gegeben ist. Wir haben - und das muss man der politischen Ehrlichkeit halber sagen - das Verbandsklagerecht nicht verhindern können, was uns sehr stört, dass also auch gegen den Willen eines Betroffenen ein Betriebsrat oder eine Gewerkschaft klagen kann. Ich frage mich, was für ein Selbstverständnis eigentlich dahinter steht, wenn man letzten Endes sagt: Du musst es gar nicht selber tun, sondern sogar gegen deinen Willen machen wir uns zum Hüter deiner Rechte!
Und wir haben nicht verhindern können, dass die Richtlinie im Bereich des Zivilrechtes über das, was die EU geboten hat, hinausgeht.
Meine Damen und Herren, wären die Mehrheiten im Bund andere, dann würde auch dieses Gleichbehandlungsgesetz nicht verabschiedet werden.
Aber die Mehrheiten sind, wie sie sind, und deshalb wird das Gesetz in dieser Form verabschiedet werden. Aber allein die Tatsache, dass wir in Berlin eine große Koalition haben, verhindert ja nicht, dass wir eine andere Meinung haben können. Wir hier müssen nicht plötzlich alles das, was Berlin dort macht und was wir früher anders gesehen haben, automatisch gut finden.
Was hier passiert, ist reale Politik. Wir müssen uns den Gegebenheiten, die da sind - das sind die Mehrheitsverhältnisse und die Vorgaben der EU -, stellen. Danach müssen wir unser Handeln ausrichten, auch wenn es sicherlich vielen von uns nicht in dem Maße gefällt, wie es möglicherweise Grüne und SPD glauben.
Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat sich noch einmal Herr Dr. Rösler zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich bis heute immer gefragt, ob es wirklich so naive Menschen geben kann, die glauben, dass man durch ein Gesetz Toleranz herstellen kann. Bisher dachte ich, die gibt es nicht. Heute habe ich zwei kennen gelernt.