Protokoll der Sitzung vom 16.05.2006

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich bis heute immer gefragt, ob es wirklich so naive Menschen geben kann, die glauben, dass man durch ein Gesetz Toleranz herstellen kann. Bisher dachte ich, die gibt es nicht. Heute habe ich zwei kennen gelernt.

(Beifall bei der FDP)

Wenn das wirklich so wäre, wenn man also durch ein Gesetz Toleranz und Akzeptanz herstellen könnte, dann frage ich mich, warum Sie nur einige mögliche Gruppen aufgezählt haben, die diskriminiert werden. Beispielweise - das haben wir Ihnen auch schon beim letzten Mal vorgeworfen - haben Sie völlig vergessen, Familien mit aufzuzählen. Auch die werden nämlich diskriminiert, beispielsweise wenn es darum geht, eine Wohnung zu mieten, Reisen zu machen oder auch einmal mit der gesamten Familie ins Restaurant zu gehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das heißt also, wenn ich Sie richtig verstanden habe: Sie sind gegen Familien.

Stattdessen haben Sie den Punkt Weltanschauung mit aufgenommen, und das kann durchaus dazu führen, dass Rechtsradikale, die bisher im Hinterzimmer getagt haben, sich jetzt einklagen, um vorn im Festsaal tagen zu können. Aber das ist das Gegenteil von Akzeptanz und Toleranz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zwei Tagesordnungspunkte zuvor haben wir Ihren Freiheitsbegriff kennen gelernt, Frau Helmhold. Dabei ging es um Bürokratie. Sie haben gesagt: Wir können per Gesetz Dinge festlegen, und die Menschen werden schon damit zufrieden sein.

Ich will Ihnen sagen: Die moderne Form der Unfreiheit in der heutigen Zeit ist nun einmal die Bürokratie. Deswegen kann man sich sehr gut für die Freiheit einsetzen, indem man die Bürokratie bekämpft, und das sollten wir beim Antidiskriminierungsgesetz gemeinsam tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Heister-Neumann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der von der FDP beantragten Aktuellen Stunde lautet: „Wirklich mehr Freiheit wagen: ‚Antidiskriminierungsgesetz‘ stoppen!“ Zunächst dazu die frohe Botschaft, Herr Dr. Rösler: Das Antidiskriminierungsgesetz wurde gestoppt, nämlich das Antidiskriminierungsgesetz der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es gibt es in dieser Form nicht. Wir diskutieren heute über das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, meine Damen und Herren.

Und jetzt kommen wir zu der betrüblichen Botschaft.

(Heiterkeit bei der CDU)

Die betrübliche Botschaft ist tatsächlich die, dass auch mit diesem Gesetz leider Gottes das EU-Recht nicht 1 : 1 umgesetzt wurde, sondern dass auch hier draufgesattelt wurde.

Es ist von Herrn Dr. Rösler und auch von Herrn Dr. Biester ausgeführt worden, in welchen Bereichen dieser Gesetzentwurf nicht unseren Vorstellungen entspricht. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine EU-Richtlinie handelt, die eben umgesetzt werden muss, meine Damen und Herren. Aber es ist noch nicht darauf hingewiesen worden - und das wollte ich an dieser Stelle dann doch noch einmal sagen -, dass es der ehemaligen Bundesregierung seit 2000 nicht gelungen ist, diese EU-Richtlinie tatsächlich in nationales Recht umzusetzen. Das schafft jetzt erst die neue Bundesregierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind mit den Vorstellungen, die von der Koalition, vom Koalitionsausschuss entwickelt wurden, und mit der erzielten Verständigung nicht zu 100 % einverstanden. Das muss man ganz deutlich sagen. Wir werden uns bemühen, im Bundesrat in einer Ab

stimmung mit den B-Ländern und - das würde mich freuen; dies sage ich an dieser Stelle ganz deutlich in die Richtung der SPD - mit Unterstützung der A-Länder doch noch zu einer kritischen Stellungnahme bezüglich dieses Gleichbehandlungsgesetzes in Richtung mehr 1 : 1-Umsetzung der EU-Richtlinie zu kommen. Das müssen wir allerdings schnell machen. Dann haben wir ein ausgewogenes Verhältnis, was die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland und die Verhinderung von Diskriminierung in unserem Lande anbelangt, jedenfalls in dem gebotenen Maße.

Meine Damen und Herren, wenn die ehemalige Bundesregierung schon bei der Einbringung der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU in der EU dafür Sorge getragen hätte, dass das Ganze schmaler angelegt worden wäre, dann bräuchten wir uns heute hierüber nicht mehr zu unterhalten. Das wäre sehr viel sinnvoller gewesen, und wir wären sehr viel schneller zu einem Ergebnis gekommen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Punkt nicht vor. Damit ist der Tagesordnungspunkt 8 a erledigt.

Wir kommen zu

b) Der niedersächsische Weg zur Einbürgerung - Vorbild für Deutschland - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/2879

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Kollege Rolfes. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Innenministerkonferenz in Garmisch-Partenkirchen kann man nun wirklich sagen: Der niedersächsische Weg zur Einbürgerung ist Vorbild für Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Innenministerkonferenz des Bundes hat vor zwei Wochen in Garmisch-Partenkirchen erstmals grundsätzliche Einigung über bundesweit einheitliche Einbürgerungs

standards erzielt. Und bei aller Bescheidenheit, die uns als Mehrheitsfraktion zu Eigen ist

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- zweifelt das einer an? das wundert mich -, darf ich doch an dieser Stelle zuerst einmal unserem Innenminister herzlich danken,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

der mit seinen besonnenen Vorschlägen maßgeblich an dem Leitfaden mitgearbeitet hat, woran sich dann letztlich alle orientiert haben.

Treffender als die niedersächsischen Zeitungen kann man die Ergebnisse von der Zugspitze nicht kommentieren.

„Mit Ihren Vorstellungen schießen die Innenminister keinesfalls über das Ziel hinaus. Sie formulieren eigentlich Selbstverständlichkeiten, und wer will da widersprechen? Das ist ein faires Angebot.“

So die Nordwest-Zeitung. Oder:

„Ja, der Staat darf mehr fordern, wenn er die Stabilität des Gemeinwesens erhalten will.“

Das war die Braunschweiger Zeitung. Meine Damen und Herren, dem ist eigentlich nichts weiter hinzuzufügen. Einheitliche Standards sind der einzig richtige Weg; denn der Neubürger wird schließlich nicht Neubürger Niedersachsens oder Hessens, nicht Bayerns oder des Saarlandes, sondern er wird in die Bundesrepublik Deutschland eingebürgert. Von daher sind die einheitlichen Leitlinien eigentlich selbstverständliche Voraussetzung. Die getroffenen Leitlinien fordern einiges, aber sie schikanieren niemanden. Die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft ist schließlich mehr als die Erteilung eines Gewerbescheines.

Noch im Februar allerdings wurden die niedersächsischen Vorschläge zu einheitlichen Standards heftigst kritisiert. Es war wieder einmal der Innenminister Schleswig-Holsteins, Herr Stegner, der den Einbürgerungskurs für abwegig und undenkbar hielt.

Ich darf einmal zitieren:

„Die Grünen haben zu lange argumentiert: Deutschland muss aufge

mischt werden, deswegen wollen wir Einwanderung. ‚Liebe Ausländer, lasst uns nicht allein mit den Deutschen‘,“

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wo ha- ben Sie das denn gelesen?)

„lautete der Spruch - als ob die Einwanderer hierher gekommen wären, um die Deutschen vor sich selbst zu retten. Die Grünen haben die Einwanderer idealisiert. Alle Asylbewerber waren Verfolgte. Das Asylrecht war Einwanderungsrecht. Außerdem haben wir zu spät die deutsche Sprache als zentrales Integrationsproblem erkannt.“

Das habe nicht ich gesagt, sondern das war Daniel Cohn-Bendit in einem Interview des Stern. Ich glaube, er ist Vorsitzender der Regenbogenfraktion oder der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament. Meine Damen und Herren, wo er Recht hat, hat er Recht.

Ich darf darauf verweisen, dass der Innenminister am 23. März 2006 einen Brief an seine Kolleginnen und Kollegen geschrieben hat, in dem er auf die Deutschkenntnisse eingeht: Die Deutschkenntnisse umfassen mündliche und schriftliche Fähigkeiten auf dem Stand B 1 des Zertifikates „Deutsch als Fremdsprache“. Ausnahmen sollten wie bisher usw. - Darüber hinaus geht es um staatsbürgerliche Kenntnisse, Kenntnisse über Staatsform, Landeskunde, Geschichte und die Werteordnung. Er hat weiter ausgeführt:

„Wer deutscher Staatsbürger werden will, muss die wesentlichen Grundlagen und Inhalte unseres Staates, unseres Landes und unserer Werteordnung kennen.“

Dann kam die Frage der Straffreiheit.

Wenn man sich durchliest, was die Innenministerkonferenz verabschiedet hat, stellt man fest, dass sich das praktisch wortgleich an dem Brief orientiert, in dem der niedersächsische Innenminister seine Vorschläge gemacht hat. Dort steht natürlich: Beherrschen der deutschen Sprache, orientiert am Sprachniveau B 1. Dort steht natürlich: höhere Anforderungen an Rechtstreue. - Sein Vorschlag wurde genau so umgesetzt. Dort steht natürlich: Einbürgerungswillige werden in allen Ländern Ein

bürgerungskurse mit bundeseinheitlichen Standards und Inhalten angeboten bekommen. Sie sind selbst dafür verantwortlich, diese Kurse zu belegen. Die geforderten Kenntnisse müssen insbesondere die Themenfelder - - - Das sind exakt die, die man dem Brief entnehmen kann wie Loyalitätserklärung und Ausschluss verfassungsfeindlicher Bestrebungen. All das, was hier immer wieder vorgeschlagen wurde und was zum Teil auf erbitterten Widerstand gestoßen ist, ist jetzt vereinbart worden. Ich kann nur hoffen, dass diese Vereinbarungen in Gesetzesform umgesetzt werden.