Solche Schulen werden in unseren Medien gefeiert, und Eltern und Schülerinnen und Schüler fragen sich: Warum gibt es nicht mehr solcher Schulen auch in unserer Stadt oder unserer Gemeinde?
Alle diese Leuchttürme unter den Schulen haben eines gemeinsam: Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Schülerinnen und Schüler haben gemeinsam beschlossen, Bildung und Erziehung in ihrem Verantwortungsbereich deutlich zu verbessern, damit die Zukunftschancen der Kinder und Jugendlichen steigen.
Die letzte PISA-Untersuchung von 2003 hat erstmals solche Schulen untersucht und sie „Aktive Schulen“ genannt. Aktive Schulen schaffen es, vorzügliche Ergebnisse zu erzielen, und zwar unabhängig von Ausstattung und Personalressourcen. Die Landesregierung ist aufgrund der PISAErgebnisse, der Erfahrungen aus anderen Ländern und auch aufgrund der Erfahrungen aus anderen Arbeitsbereichen fest davon überzeugt, dass die
Qualität schulischer Arbeit am besten und am nachhaltigsten verbessert werden kann, wenn wir unseren Schulen zutrauen, die Verantwortung für die Qualität selbst zu übernehmen, wenn wir ihnen den Freiraum für eigene Gestaltung eröffnen und ihnen zugleich Beratung und Unterstützung von außen anbieten.
Eigenverantwortlichkeit ist die beste, sachgerechteste und nachhaltigste Antwort auf PISA - oder, um es plakativ zu sagen: Eigenverantwortliche Schulen sind bessere Schulen als staatlich überreglementierte.
Die Grundidee ist - wie wir alle wissen - ja auch keineswegs neu. Lassen Sie mich das Thema in einen historischen, landespolitischen Kontext setzen. Seit bald 30 Jahren wird diese Idee parteiübergreifend zumindest gedanklich bewegt, beginnend mit Werner Remmers und seiner Idee einer erlassfreien Schule bis hin zu den Vorstellungen von Renate Jürgens-Pieper - die bekanntermaßen der SPD angehört von einer selbständigen Schule. Allerdings war diesen beiden - wie anderen Kultusministern in Niedersachsen - die Zeit wohl nicht gegeben, ihre Ideen auch konzeptionell zu bündeln,
zu einem umsetzungsfähigen Paket zu schnüren und die Umsetzung mit Augenmaß, aber auch mit Nachdruck anzugehen. Dazu hat erst diese Landesregierung den entscheidenden Impuls gegeben.
Dazu trägt insbesondere das Gesetzesvorhaben der Landesregierung bei, das wir heute ins parlamentarische Beratungsverfahren einbringen.
So können wir uns endlich auf die konkrete Umsetzung der Eigenverantwortlichen Schule konzentrieren.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich die Vorarbeit zu diesem Thema würdigen, die meine Amtsvorgängerin bzw. das von ihr damals geführte Kultusministerium erbracht hat. Darauf konnte ein Stück weit aufgebaut werden.
Nicht ohne Grund haben sich auch die heutigen Oppositionsparteien mit ihren bereits vorliegenden Gesetzentwürfen auf den Weg zur Eigenverantwortlichen Schule gemacht. Bei allem Respekt vor Unterschieden im Detail, über die dieses Haus ja noch ausführlich debattieren wird: Legt man die Gesetzentwürfe nebeneinander, so stellt man einen großen Konsens im Hinblick auf die grobe Richtung hin zu mehr Eigenverantwortung in unseren Schulen fest.
Deshalb sage ich auch: Es ist bei diesem Thema nicht der Zeitpunkt für das übliche parlamentarische Nein der Oppositionsfraktionen. Es ist vielmehr den nachhaltigen Versuch wert, vielleicht sogar gemeinsam eine Schulgesetzänderung zu verabschieden, die den politischen Grundkonsens in dieser Frage dokumentiert und den Schulen unter Umständen sogar mit den Stimmen des gesamten Parlaments die zukünftige Entwicklungsrichtung der nächsten Jahrzehnte vorgibt.
Dies ist uns z. B. mit dem Entschließungsantrag zur Durchführung des Modellversuchs ProReKo gelungen. Die 19 berufsbildenden Schulen im Modellversuch arbeiten schon heute mit veränderten Schulverfassungen ohne Gesamtkonferenzen, erledigen ihr Personalgeschäft weitgehend eigenständig, verwalten ein Budget und gestalten den Unterricht in großer Eigenverantwortung.
Ich gebe unumwunden zu, dass ich damals die ganze Dimension und Schubkraft von ProReKo noch nicht gesehen habe. Heute bin ich froh, als damaliger Oppositionspolitiker den Modellversuch mit auf den Weg gebracht zu haben. Wir alle sind Nutznießer dieses - ich darf sagen - geglückten Schulversuchs.
Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich fest davon überzeugt: Ein Grundkonsens aller politischen Kräfte in Kernfragen kann der Entwicklung des Schulwesens nur gut tun.
Meine Damen und Herren, wir wollen mit dem heute in die parlamentarische Beratung eingebrachten Gesetzentwurf konsequent den Weg von einer überregulierten Schule hin zur Eigenverantwortlichen Schule gehen. Dabei bleibt die Eigenverantwortliche Schule in Niedersachsen selbstverständlich staatlich verantwortet und beaufsich
tigt. Sie wird aber künftig im Rahmen der Vorgaben von Schulgesetz, Grundsatzerlassen, Bildungsstandards und ihr übertragenen Befugnissen ihre eigenen schulischen und unterrichtlichen Profile entwickeln, Personal auswählen und führen, eigene Wege zur Erreichung der Unterrichtsziele und Abschlüsse gehen und auf der Basis regelmäßiger Qualitätskontrollen eigenverantwortliche Wege zur Verbesserung ihrer Arbeit suchen.
Die niedersächsischen Schulen, meine Damen und Herren, sollen im Rahmen der Zielvorgaben möglichst viele Freiheiten bei der konkreten Gestaltung von Bildung und Erziehung ihrer jeweiligen Schülerschaft erhalten. Das sind nicht nur leere Worte. Konkret nehme ich in Aussicht, sechs Erlasse komplett zurückzuziehen und 30 in die Verfügungsgewalt der Schulen zu überweisen.
Letzteres bedeutet, dass die Schulen zu diesen Erlassen Stellung nehmen müssen. Sie können sie entweder für sich fortbestehen lassen oder ganz oder teilweise verändern. Über ihr Verhalten zu den Erlassen besteht eine Berichtspflicht gegenüber der Landesschulbehörde, aber keine Genehmigungspflicht. In diesen Erlassen kann es allerdings einzelne Regelungen geben, die aus rechtlichen oder anderen Gründen weiterhin einer landesweiten einheitlichen Vorgabe bedürfen.
Zusätzlich werden weitere 13 Erlasse, u. a. so genannte Grundsatzerlasse, in meinem Haus bis zum 1. August 2007 auf die Frage hin überprüft, welche Teile von ihnen den Schulen zur eigenen Gestaltung überlassen werden können. Die Erlasse müssen als ganze jedoch in Kraft bleiben, weil sie die Arbeit in einer bestimmten Schulform oder einem Fach grundsätzlich regeln. An diese Grundsatzerlasse sind die Schulen im Prinzip gebunden.
Diese deutliche Deregulierung will ich ab 1. August dieses Jahres in den Schulen des Kooperationsprojektes mit der Bertelsmann-Stiftung und den eben schon genannten ProReKo-Schulen erproben, um sie dann - gegebenenfalls modifiziert, möglichst sogar noch erweitert - mit In-Kraft-Treten der Schulgesetznovelle zum 1. August 2007 für alle Schulen wirksam zu machen.
Damit machen wir einen großen Schritt nach vorn und lösen das bereits ein, was die Opposition hier anlässlich der Parlamentsdebatte zu ihren Gesetzentwürfen im Februar gefordert hat. Es ist allerdings nicht geboten, eine solche Deregulierung im Gesetz zu verankern. Deregulierung muss man einfach machen.
In diesem Zusammenhang darf ich auch darauf hinweisen, dass es im Rahmen meines Geschäftsbereichs zwar insgesamt etwas mehr als 190 gültige Erlasse und Verordnungen gibt, von denen sich aber nur etwa 100 auf die konkrete Gestaltung der pädagogischen Arbeit in der Schule beziehen. Das ist ja das Thema, um das es hier geht. Damit umfasst die vorliegende Deregulierungsliste bald 50 % der einschlägigen Erlasse. Meinetwegen ist das Ende der Fahnenstange damit noch nicht erreicht, meine Damen und Herren; denn ich fordere die Eltern, die Schulträger und die Lehrerverbände auf, mir noch mehr Erlasse zu nennen, die entfallen, entschlackt oder in die Verantwortung der Schulen gegeben werden können.
Auch die Träger der Schulentwicklungsplanung werden wir entlasten, indem wir sie von ihrer Pflicht zur Fortschreibung der Schulentwicklungspläne zum 1. Januar 2007 befreien.
Nach Vorliegen der Ergebnisse der Arbeit der Modellkommunen werde ich Vorschläge zur Änderung oder Abschaffung der verpflichtenden Schulentwicklungsplanung unterbreiten.
Meine Damen und Herren, für uns gehört zur Eigenverantwortlichkeit allerdings immer auch dazu, dass die Eigenverantwortlichen Schulen neue Formen der Unterstützung erhalten und in ihren Ergebnissen auch von außen überprüft werden. Dies erfolgt durch die Entwicklung einer Kultur von Vergleichsarbeiten,
durch Abschlussprüfungen mit landesweit einheitlichen Aufgabenstellungen - z. B. das Zentralabitur und durch die Schulinspektion, die bereits aufgebaut und einsatzbereit ist.
Die Schulinspektion soll als Partner und auf Augenhöhe in die Schulen kommen. Sie soll nicht etwa als obrigkeitsstaatliches Druckinstrument empfunden werden. Sie hat sich im Übrigen in den ersten Monaten ihrer Arbeit schon viel Vertrauen und Anerkennung der Schulen erworben.
Ich fasse zusammen: Unterstützte Eigenverantwortlichkeit und regelmäßige Überprüfung der Ergebnisse - das ist der niedersächsische Weg, um unsere Schulen an die Leistungsspitze in Deutschland zu bringen.
Meine Damen und Herren, mit der Schulgesetznovelle wollen wir nun den notwendigen rechtlichen Rahmen zur landesweiten Einführung der Eigenverantwortlichen Schule in Niedersachsen schaffen. Dazu gehören zwei wesentliche Elemente:
Unverzichtbarer Kernbaustein der Eigenverantwortlichen Schule ist die Qualitätsentwicklung; denn die Eigenverantwortliche Schule zielt auf die Zukunftssicherung der Schülerinnen und Schüler ab. Wie schon im Schulgesetz von 2003 angelegt, werden die Schulen mit der Änderung des Schulgesetzes zukünftig verpflichtet, regelmäßig eine systematische und umfassende Überprüfung ihrer Qualität vorzunehmen. Diese Überprüfung ist die Basis für die daraus von der Schule abzuleitenden gezielten und fundierten Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung.
Qualitätsmanagement beschränkt sich also keineswegs nur auf die Messung von Schulleistungen, sondern es initiiert und steuert Entwicklungsprozesse, es kontrolliert Entwicklungen, es macht die unterschiedlichen Leistungen im Zusammenhang sichtbar und dient damit der internen und externen Überzeugungsarbeit.
Der damit intendierte umfassende und systematische Qualitätsentwicklungsprozess führt zur lernenden Schule. Das heißt, die Schule lernt ständig dazu, und alle Maßnahmen und die Prozesse werden ständig verbessert.
Um Qualität zu entwickeln, braucht man zur Konkretisierung der staatlichen Zielvorgaben klare, auf die Gegebenheiten der jeweiligen Schule bezogene Ziele. Die Schulen geben sich deshalb künftig ein Schulprogramm. Sie werden festlegen, was sie im Hinblick auf den Erwerb von Kompetenzen tun,