Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Tagesordnungspunkt 20: Zweite Beratung: Förderung der Mädchen- und Jungenhilfe in Niedersachsen gezielt weiterentwickeln Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2315 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Drs. 15/2819

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Ich erteile Frau Groskurt das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich hatte ich mich auf heute gefreut,

(Zurufe von der CDU und von der FDP: Wir uns auch!)

da ich gehofft hatte, wir würden den Antrag gemeinsam verabschieden. Ich hatte mich auch deshalb gefreut, da dadurch die Förderung der Mädchen- und Jungenhilfe in Niedersachsen gezielt weiterentwickelt worden wäre, im lückenlosen Anschluss an das im Dezember 2005 ausgelaufene Projekt „Lebensweltbezogene Mädchenarbeit“.

Diese Hoffnung war auch sehr berechtigt, da Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP und auch Herr Minister Schünemann, in der Sitzung am 10. November 2005, in der unser Antrag zum ersten Mal beraten wurde, eindeutig signalisierten, dass Sie ihn befürworten und Interesse an einem gemeinsamen Weg hätten. Ich zitiere Gabriele Jakob:

„Durch den Dialog mit den zahlreichen Trägern der Jugendhilfe wurde aber auch deutlich, dass Mädchenarbeit ebenso wie die Arbeit mit Jungen innerhalb der Jugendhilfe strukturell kaum verankert ist. Im KJHG werden die Förderung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und der Abbau bzw. die Vermeidung von Benachteiligungen als zentrale Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe bezeichnet.... Deshalb begrüßt und unterstützt die CDU-Fraktion, dass auch für die nächsten drei Jahre Haushaltsmittel für diesen wichtigen Bereich zur Verfügung stehen.“

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Gesine Meißner sagte:

„Meiner Meinung nach muss man beides machen. Man muss sowohl Jungen als auch die Mädchen in ihrer Unterschiedlichkeit fördern.“

Minister Schünemann erklärte:

„Nach der Bestandsaufnahme und den Ergebnissen des Förderprogramms ‚Lebensweltbezogene Mädchenarbeit‘, das zum Jahresende auslaufen wird, besteht ein großes Interesse an einer Perspektiventwicklung für eine geschlechtergerechte Kinderund Jugendhilfe in Niedersachsen.“

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Ja! Das ist ein kluger Mann!)

- Warum macht er das dann nicht, wenn er es schon sagt?

Dann passierte allerdings erst einmal gar nichts. Auf unsere mehrmalige Nachfrage kam der Antrag dann auf die Tagesordnung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. Er wur

de wieder zurückgestellt, da aus dem Ministerium die zuständige Fachfrau nicht anwesend war und die Vertreterin keine Antwort auf unsere Fragen geben konnte.

Als dann der Antrag endlich im Ausschuss beraten werden konnte, haben Sie ihn zu meiner großen Enttäuschung und zur großen Enttäuschung der SPD-Fraktion ohne große inhaltliche Beratung abgelehnt. Inhaltliche Beratung war auch nicht mehr angesagt, da das Ministerium an Ihnen vorbei schon gehandelt und das Geld festgesetzt hatte, und zwar für Mediatorenausbildungen. Ein bisschen haben Sie uns ja Leid getan, dass das Ministerium Sie so ausgetrickst hat. Aber wirklich Leid, meine Damen und Herren, tun uns die Jungen und Mädchen.

(Beifall bei der SPD)

Zu deren Nachteil ist im Ministerium eine Stelle geschaffen worden, und zwar zur reinen Selbstversorgung. Es ist total unnötig, eine Multiplikatorenschulung in dem Umfang aufzubauen und eine zusätzliche Verwaltungsstelle zu schaffen. Das Geld kann und soll direkt in die Mädchen- und Jungenarbeit fließen; denn die Erfahrungen aus dem Projekt „Lebensweltbezogene Mädchenarbeit“ können lückenlos genutzt werden und in Verbindung mit den Erfahrungen aus der Jungenarbeit zu einer Fachstelle für Mädchen- und Jungenhilfe werden.

Außerdem können Sie die Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen nutzen. Das Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration fördert eine Fachstelle für Mädchen- und Jungenarbeit. Diese Fachstelle ist ebenfalls aus einem Projekt speziell für Mädchenarbeit entstanden. Das Projekt für Mädchenarbeit, das seit 1998 durchgeführt wurde, wurde 2005 um das Handlungsfeld der spezifischen Förderung von Jungen erweitert.

Anliegen der Fachstelle ist, durch gezielte Angebote zur Verbesserung der Chancengleichheit für Mädchen und Jungen beizutragen und diese in der Vielfalt ihrer Lebensentwürfe und -vorstellungen zu fordern und zu unterstützen. Besonderes Kennzeichen der Fachstelle ist die enge Verknüpfung der Säulen Mädchen- und Jungenarbeit sowie Gender Mainstreaming unter einem Dach. Genau das möchten wir - und Sie auch. Aber vielleicht wissen Sie das noch gar nicht, und das Ministerium hat Ihnen auch das wieder nicht erzählt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP.

Im Internetauftritt der Fachstelle in NordrheinWestfalen kann man nachlesen: Das Projekt stößt darüber hinaus auf breites Interesse. Anfragen und Gespräche gab es u. a. aus dem niedersächsischen Sozialministerium.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da Sie nun wissen, wo Sie sich klug machen können, nämlich bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen, können Sie doch nun der Einrichtung einer gemeinsamen Fachstelle für Mädchenund Jungenarbeit in Niedersachsen zustimmen.

Wenn Sie unseren Antrag ablehnen, heißt das, dass Sie die Förderung der Mädchen- und Jungenhilfe in Niedersachsen nicht gezielt weiterentwickeln wollen. Können Sie das mit Ihrem christlichen und liberalen Gewissen vereinbaren?

Sie zeigen sich in der Öffentlichkeit betroffen, bedauern Gewalt, bedauern ungenügende Schulabschlüsse und bedauern fehlende Perspektiven, tun aber nichts, um dem entgegenzuwirken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Reinhold Coenen [CDU]: Das stimmt nicht! - Gegenruf von Mi- chael Albers [SPD]: Sie bauen sogar noch ab!)

Es wäre für unsere Mädchen und Jungen in Niedersachsen fatal, wenn die berechtigten Forderungen nach kontinuierlicher Mädchen- und Jungenarbeit von Ihnen nicht ernst genommen würden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, lassen Sie uns die Erfahrungen aus dem auch von Ihnen anerkannten Projekt „Lebensweltbezogene Mädchenarbeit“ nutzen und mit einer Fachstelle für Mädchen- und Jungenarbeit weiterentwickeln. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt hat die Kollegin Gabriele Jakob von der CDUFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle hier im Hause sind uns darüber einig, dass das Förderprogramm „Lebensweltbezogene Mädchenarbeit“, das Ende 2005 nach

14 Jahren beendet worden ist, gezeigt hat - ich sage es heute noch einmal -, wie wichtig der Dialog zwischen den Beteiligten auf allen Ebenen war. Es stimmt: Wir können davon ausgehen, dass viele Impulse und Anstöße ohne das Programm nicht zustande gekommen wären.

Wir mussten aber auch feststellen - auch von Fachleuten wurde dies kritisch angemerkt -, dass sich viele Projekte neben der Kinder- und Jugendhilfe entwickelt haben. Wir wissen, es ist kaum gelungen, sie strukturell in der Kinder- und Jugendhilfe zu verankern. Ein „Weiter so!“ ist also nicht sinnvoll. Deshalb werden wir das ablehnen und dem Antrag nicht folgen, meine Damen und Herren von der SPD.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nachdem das Programm nun ausgelaufen ist, stellt sich die Frage nach der zukünftigen Entwicklung und wie es nun weitergehen soll. Im Sozialausschuss wurde uns das neue Konzept der Landesregierung „Gender Mainstreaming in der niedersächsischen Jugendpflegeund Jugendhilfeplanung“ vorgestellt. Mit der Anwendung von Gender Mainstreaming in der Jugendhilfe soll vor allem der in § 9 Abs. 3 KJHG geforderten Berücksichtigung unterschiedlicher Lebenslagen von Mädchen und Jungen Rechnung getragen werden. Wir wissen, nicht erkannte Unterschiede führen dazu, dass scheinbar neutrale Maßnahmen bestehende Unterschiede noch verstärken. Unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit müssen wir in der Kinderund Jugendhilfe grundsätzlich danach fragen, wie sich die Maßnahmen auf Jungen und Mädchen auswirken.

Mit dem Konzept Gender Mainstreaming wird die Chancengleichheit für Jungen und für Mädchen weiter verbessert. Deshalb ist der Ansatz in dem neuen Konzept so wichtig, die Führungskräfte für dieses Thema zu sensibilisieren, um sie als Multiplikatoren zu gewinnen.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen mehr Akzeptanz in den Kommunen finden, um Benachteiligungen von Jungen und Mädchen bei allen neuen Maßnahmen von vornherein auszuschließen. Da die Fachleute direkt und unmittelbar mit den Problemlagen konfrontiert sind, kann Gender Mainstreaming die Lebensbedingungen junger Frauen und Männer, Mädchen und Jungen nachhaltig verändern. Die CDUFraktion unterstützt dieses neue Anliegen der Lan

desregierung ausdrücklich. Wir begrüßen, dass auch für die nächsten drei Jahre Haushaltsmittel für diesen wichtigen Bereich zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren von der SPD, nun zu Ihrem Antrag. Sie fordern in der Überschrift Ihres Antrages, die Förderung der Mädchen- und Jungenhilfe in Niedersachsen gezielt weiterzuentwickeln. Dem trägt das neue Konzept Rechnung. Ähnliches gilt für die im Antrag geforderte verstärkte Fort- und Weiterbildung. Auch diese kann im Bereich Gender Mainstreaming mit dem neuen Konzept gut geleistet werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Erfüllung Ihrer weiteren Forderung nach einer Fachstelle für Mädchen- und Jungenarbeit in Niedersachsen - das wissen Sie - sind keine Mittel im Haushalt vorhanden. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass Sie bei den Haushaltsberatungen dafür zusätzliche Mittel beantragt haben. Insofern müssen wir Ihre Forderung ablehnen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Es waren ja Mittel da!)

Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der SPD, enthält noch eine Menge weiterer Forderungen, die in den Kommunen, die für die Jugendhilfe zuständig sind, sicherlich umgesetzt werden können und auch bereits umgesetzt werden. Vielleicht sagen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen einmal Bescheid. Wir in der Stadt Hannover praktizieren das, was Sie fordern, zum Teil schon. Sagen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen, wie es geht; dann wird es auch gemacht. Wir müssen hier auch verdeutlichen, dass Landespolitik nur Hilfestellung leisten kann. Für die Jugendhilfe selber und für die Jugendhilfeplanung sind die Kommunen zuständig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das wissen Sie. Die Kommunen müssen die Regelungen nach dem KJHG umsetzen. Das sage ich, damit dies klar ist.

Die Landesregierung und die Fraktionen von CDU und FDP werden diesen Prozess weiter begleiten und neue und andere Wege beschreiten. Unser Ziel ist es, Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen auf allen Ebenen und in allen Bereichen zu fördern und Gender Mainstreaming in der Jugendhilfe und Jugendhilfeplanung in Niedersachsen flächende

ckend einzuführen. Wir schauen nicht auf andere Länder, sondern gehen einen niedersächsischen Weg. Davon versprechen wir uns sehr viel. Aus diesem Grunde werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion ist Gesine Meißner schon unterwegs. Ich erteile ihr das Wort.