Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Heute ist das Lager Erstaufnahmestelle für Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge. Seit In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes im Jahre 2005 müssen auch die Angehörigen eines deutschstämmigen Aussiedlers vor ihrer Einreise nach Deutschland einen Sprachtest bestehen. Das hat jetzt zu einer deutlichen Verringerung der Zuzugszahlen geführt. In den ersten Monaten dieses Jahres trafen nur noch 1 500 Spätaussiedler in Friedland ein. Das entspricht ungefähr einem Sechstel der Zahl aus dem Vorjahreszeitraum. Mit einem weiteren Rückgang der Zahlen ist zu rechnen.

Angesichts dieser Entwicklung kann die bisherige Funktion des Lagers nicht künstlich und auch nicht auf dem Rücken von Spätaussiedlern aufrechterhalten werden. Menschen werden gezwungen, sich länger als unbedingt notwendig in Gemeinschaftsunterkünften aufzuhalten - mit all den negativen Begleiterscheinungen und Belastungen, die ein solcher Aufenthalt mit sich bringt.

(Unruhe)

Frau Langhans, einen Moment, bitte! - So ist es hervorragend.

Sie haben das Wort, Frau Langhans.

Meine Damen und Herren, mit dem Angebot von Willkommenskursen soll dieser längere Aufenthalt schöngeredet werden. Allerdings stellt die Landesregierung keine Mittel zur Verfügung, um die Lebensverhältnisse der im Lager lebenden Spätaus

siedler insgesamt zu verbessern. Es wird einmal mehr deutlich: Ihre Willkommenskurse dienen mitnichten einer freundlichen Aufnahme von Spätaussiedlern, sondern einzig und allein der besseren Auslastung des Grenzdurchgangslagers Friedland.

Auch der Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Herr Götz, ist sich nicht zu schade, die belastende Situation eines künstlich verlängerten Aufenthalts in Kauf zu nehmen und die Sicherung des Lagers in Friedland als einen besonderen Erfolg seiner Aktivitäten zu bezeichnen.

Meine Damen und Herren, wir bleiben dabei: Die frühzeitige dezentrale Unterbringung in den Gemeinden ist integrationspolitisch der richtige und einzige Weg.

Meine Damen und Herren, Ihre Doppelmoral wird aber auch noch an einem anderen Punkt deutlich. Es ist notwendig, sich in diesem Zusammenhang noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass sich insbesondere der Innenminister Schünemann dafür stark gemacht hat, den Zuzug von Spätaussiedlern zu begrenzen. Für Familienangehörige - ich habe schon darauf hingewiesen - gilt laut Zuwanderungsgesetz: Wer den Sprachtest nicht besteht, der kann nur nach ausländerrechtlichen Bestimmungen einreisen. Das galt bisher auch für Schwieger- und Stiefkinder von Spätaussiedlern. Trotzdem dürfen sie aufgrund einer Übereinkunft mit den Ländern gemeinsam im Familienverbund einreisen.

Diese Regelung jetzt auch für Familienangehörige zu übernehmen, stieß auf erbitterten Widerstand der unionsgeführten Länder und allen voran von Herrn Schünemann. In dem Streit, der dadurch entstand, hat er auch ganz schnell die Notbremse gezogen und die pauschale Zustimmung zur Visumserteilung für Stief- und Schwiegerkinder zurückgezogen. An dieser Stelle zeigt sich wieder einmal das wahre Gesicht. Dann helfen auch keine Willkommenkurse mehr.

Auch die Absicht der Bundesregierung, auf Vorschlag des niedersächsischen Innenministers den Nachzug von Ehegatten nur noch ab dem 21. Lebensjahr und mit vorhandenen Deutschkenntnissen zuzulassen, spricht eine deutliche Sprache. So wird die Situation in Friedland auf Dauer nicht gesichert.

Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, sich rechtzeitig gemeinsam mit der Gemeinde Friedland

über ein verändertes Nutzungskonzept zu verständigen, um nicht weitere Arbeitsplätze zu verlieren und die vorhandenen möglichst zu sichern. Die einfache Forderung aus den Reihen der FDP, das Lager insgesamt zu schließen, greift allerdings zu kurz und wird dem hohen symbolischen Wert Friedlands nicht gerecht.

Und überhaupt, meine Damen und Herren von der FDP: Keinen Zahn im Mund, aber La Paloma pfeifen. Öffentlich in der Presse kann man ja vieles fordern, was dem liberalen Gewissen entgegenkommt - ob es das Bleiberecht oder die Kritik an den Fußfesseln für islamische Gewalttäter ist. Aber immer dann, wenn es zum Schwur kommt, verstecken Sie sich mit fadenscheinigen Erklärungen hinter dem breiten Rücken Ihres Koalitionspartners.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, man darf gespannt sein, wie Sie es mit diesem Antrag halten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Götz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Landesbeauftragter für Heimatvertriebene und Spätaussiedler freue ich mich, dass auch die Damen und Herren aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für den Erhalt des Grenzdurchgangslagers Friedland eintreten. Friedland spiegelt die Nachkriegsgeschichte Deutschlands wider und ist untrennbar mit ihr verbunden.

Das wird angesichts der in den zurückliegenden Jahren aufgenommenen Menschen deutlich: von der Aufnahme von Flüchtlingen und Spätheimkehrern nach dem Krieg und in den 50er-Jahren über die „Boat People“ bis zu den Spätaussiedlern immer stand Friedland für einen Neuanfang in Freiheit. Aber Friedland ist mehr. Friedland hat jahrzehntelang Erfahrung mit der Aufnahme von Mitmenschen, aber auch mit ihrer Integration. In den letzten Jahren ist eine Infrastruktur zur Aufnahme von Spätaussiedlern und jüdischen Zu

wanderern geschaffen worden, die eine kompetente und engagierte Aufnahme unserer Neubürger aus dem russischsprachigen Raum sicherstellt.

Es trifft zu, dass seit zwei Jahren die Zahl der zu uns kommenden Spätaussiedler stark rückläufig war. Im Jahr 2004 kamen 59 000 und im Jahr 2005 35 500 Spätaussiedler und Familienangehörige über Friedland nach Deutschland.

Ebenfalls trifft es zu, dass die Zahlen Anfang dieses Jahres noch einmal gesunken sind. Neben saisonalen Schwankungen ist dies auf die Neuregelung im Zuwanderungsgesetz zurückzuführen. Aufgrund der bislang schon rückläufigen Zahlen hat das Ministerium für Inneres und Sport im Rahmen der Maßnahmen zur Verwaltungsmodernisierung auch die Stellenkapazitäten im Grenzdurchgangslager Friedland angepasst. Insgesamt sind 55, später weitere 10 Stellen mit kw-Vermerk versehen worden. Eine große Zahl dieser Stellen konnte bereits eingespart werden.

Parallel dazu wurden dem Grenzdurchgangslager Friedland im Zuge der Auflösung der Bezirksregierungen verschiedene zusätzliche Aufgaben übertragen. Gleichwohl bieten die rückläufigen Zahlen - wie Herr Minister Schünemann bereits gegenüber der Presse erklärt hat - die Möglichkeit, einen Teil des Integrationskurses für Spätaussiedler in Friedland durchzuführen und damit u. a. auch die vorhandenen Kapazitäten zu nutzen. Daher begrüße ich, dass Herr Minister Schünemann das Grenzdurchgangslager Friedland stufenweise zu einem Integrationszentrum ausbauen und Teile der Integrationskurse für die Spätaussiedler in Friedland durchführen will.

(Beifall bei der CDU)

Durch den sofortigen Beginn der Integrationskurse unmittelbar nach dem Abschluss des Erstaufnahmeverfahrens werden die Spätaussiedler bei der Verbesserung ihrer Kenntnisse der deutschen Sprache qualifiziert und wirkungsvoll unterstützt.

Meine Damen und Herren, der Besuch der Integrationskurse im Umfang von 200 bis 300 Stunden würde bedeuten, dass die Familien, statt wie bisher zwei bis drei Wochen, zwei bis drei Monate in Friedland bleiben werden. Daher ist es selbstverständlich, dass die Unterbringungssituation angepasst werden muss. Dies soll für die räumliche Unterbringung Schritt für Schritt erfolgen.

Die Durchführung von Teilen des Integrationskurses in Friedland bietet erhebliche Vorteile für den Integrationsprozess. Wie Sie wissen, werden die Spätaussiedler auf Wohnorte in ganz Niedersachsen verteilt. Die geringe Zahl der Zuwanderer führt vor allem außerhalb der Ballungsgebiete häufig zu langen Wartezeiten, bis genügend Teilnehmer für einen Integrationskurs zusammenkommen.

Der Vorschlag der Damen und Herren der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Spätaussiedler gleich nach dem Eintreffen auf die Kommunen zu verteilen, hätte zwangsläufig zur Folge, dass sich der Prozess der Eingliederung des Spätaussiedlers in unsere Gesellschaft verzögert. Es ist festzustellen, dass die Durchführung der Integrationskurse im Grenzdurchgangslager Friedland die Integrationschancen der Spätaussiedler verbessert und gleichzeitig zu einer wirtschaftlichen Nutzung der in Friedland bestehenden Einrichtungen führt.

Mit den Amtskollegen auf Bundesebene, mit Herrn Staatssekretär Dr. Bergner, habe ich dieses Thema erörtert. Wir sind erfreulicherweise auf offene Ohren gestoßen. Ich erhoffe mir davon eine Unterstützung des Vorstoßes von Minister Uwe Schünemann beim Bundesinnenminister Dr. Schäuble.

Die Idee, in Friedland eine zeitgenössische Dokumentation oder, wie die Damen und Herren der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorschlagen, eine Erinnerungsstätte vorzusehen, ist nicht neu.

Ich fasse zusammen: Friedland wird weiterhin als die einzige Erstaufnahmeeinrichtung für Spätaussiedler benötigt. Die von Minister Schünemann angestrebte Durchführung der Integrationskurse in Friedland führt zu einer deutlichen Verbesserung der Integration der Spätaussiedler.

(Beifall bei der CDU)

Mit dem Projekt werden die vorhandenen Ressourcen im Grenzdurchgangslager Friedland wirtschaftlich ausgelastet und die im Wesentlichen vom Bund finanzierten Arbeitsplätze in Südniedersachsen gesichert.

Ich würde mich freuen, wenn die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Bemühungen, das Grenzdurchgangslager Friedland mit weiteren Integrationsaufgaben zu betrauen, auch im Interesse der Verbesserung der Integration der zu uns kommenden Spätaussiedler und jüdischen Zuwanderer unterstützen würde. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Abgeordnete Bachmann hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wissen, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion wie auch der Landesrechnungshof der Funktion des Regierungsbeauftragten für Spätaussiedler mehr als skeptisch gegenüberstehen. Dass wir das zu Recht tun, hat Kollege Götz eben unter Beweis gestellt.

Herr Kollege Götz, es geht nicht darum, Sie in irgendeiner Weise zu verfolgen, sondern es geht darum, die Funktion eines Regierungsbeauftragten und die eines Parlamentariers feinsäuberlich zu trennen.

Sie haben Ihre Rede begonnen als Landesbeauftragter für Spätaussiedler. Das ist eine Funktion, die Sie im Auftrag der Landesregierung wahrnehmen. Hier im Parlament können Sie aber nur als Abgeordneter sprechen und eben nicht in dieser Funktion.

(Zurufe von der CDU)

Ansonsten müsste in logischer Konsequenz auch Frau Erpenbeck hier in Zukunft das Wort bekommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Halten Sie die Kleiderordnung ein!

Zu Wort gemeldet hat sich nun die Abgeordnete Rübke von der SPD-Fraktion. Frau Rübke, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Zweifelsfrei sind die Zuzugszahlen der Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen auf einem zahlenmäßig niedrigen Niveau angekommen. Aber das ist 60 Jahre nach Kriegsende normal und nicht verwunderlich. Aber immerhin leben in Russland noch ca. 600 000 Deutschstämmige und in Kasachstan noch ca. 230 000. Wie viele davon nach

Deutschland ausreisen wollen bzw. können, weiß niemand. Dazu liegen auch nach der Reise des Innenministeriums nach Kasachstan keine konkreten Zahlen vor.

Aber was auch ich nach dieser Reise sagen kann, ist: Zurzeit wollen immer weniger aussiedeln, und das nicht nur, weil die Hürden höher gehängt wurden, sondern weil sich die Lebensverhältnisse positiver entwickeln. Sollte sich dieses aber wieder umdrehen, werden von heute auf morgen all diejenigen, die bereits jetzt einen gültigen Ausreiseoder Aufnahmeschein besitzen, sich in den Bus Richtung Friedland setzen.

Dass Herr Bode von der FDP messerscharf argumentiert, Friedland kann geschlossen werden, und die wenigen können sofort dezentral untergebracht werden, ist eine trügerische Erkenntnis aus seiner Teilnahme an dieser Reise.

(Zuruf von der SPD: Er war auch da- bei?)