Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

(Beifall bei der CDU)

Zu Ihrer Information weise ich darauf hin, dass wir § 15 a EGZPO in der Tat noch nicht aufgegriffen haben. Den Grund dafür hat Herr Professor Zielke bereits angesprochen. § 15 a EGZPO ist evaluiert worden, und die Ergebnisse sind, wie ebenfalls zu Recht betont worden ist, zweifelsohne nicht so positiv, wie es vielleicht von dem einen oder anderen erwartet wurde. In der Folge dieser Evaluation

sind die Länder übereinstimmend zu der Auffassung gelangt, dass § 15 a EGZPO zu ändern ist. An seiner Änderung arbeitet eine länderübergreifende Arbeitsgruppe. An dieser Stelle komme ich wieder auf Herrn Professor Dr. Zielke zurück, der wiederum Recht gehabt hat, als er ausgeführt hat, es mache keinen Sinn, schon jetzt, also während der Phase der Überarbeitung des § 15 a EGZPO, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das eine Halbwertszeit von allenfalls einem Jahr hätte und dann wieder überarbeitet werden müsste. So stelle ich mir eine sinnvolle Gesetzgebung nicht vor. Deshalb werden wir die Vorschläge zur Novellierung des § 15 a EGZPO abwarten und dann initiativ werden. Im Rechtsausschuss werden wir darüber sehr intensiv beraten können, worauf ich mich schon jetzt freue.

Heute geht es um den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion zur gerichtsnahen Mediation. Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass dieser Entschließungsantrag bei mir in der letzten Woche ein Wechselbad der Gefühle ausgelöst hat, was bei Ihren Initiativen sonst relativ selten geschieht. In diesem Fall aber war es ein solches Wechselbad zwischen Freude und Verärgerung, aber auch ein bisschen Verwunderung, Frau Grote. Gefreut habe ich mich darüber, dass Sie sich dieses Themas angenommen haben. Ich halte es ebenfalls für wichtig, weil es mir justizpolitisch sehr am Herzen liegt und auch Bestandteil der großen Justizreform ist, die auf der Ebene der Länder und des Bundes diskutiert wird. Die gerichtsnahe Mediation ist ein Teil der konsensualen Streitbeilegung, meine Damen und Herren. Einvernehmliche Konfliktlösungen gehören zu den wichtigen Zielen der niedersächsischen Justizpolitik.

Meine Verärgerung geht auf einen anderen Grund zurück. Herr Zielke hat bereits darauf hingewiesen, dass der Antrag in gewisser Weise tendenziös sei. Ich bin der Auffassung, dass Sie schlicht Ihre Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht haben. Sie haben sich nicht ernsthaft mit dem Thema gerichtsnahe Mediation beschäftigt, sondern eine Zusammenfassung aus der Veröffentlichung des arpos-Instituts zum Projektabschlussbericht genommen

(Heike Bockmann [SPD]: Na und?)

und sie zu einem Entschließungsantrag durchgemischt. So einfach ist es aber nicht. Man kann nicht einfach Bruchstücke irgendwie zusammenmischen, sondern man muss das erst einmal inhalt

lich bedenken, wenn man zu einem zielgerichteten Antrag kommen will.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich verweise auf zwei Versäumnisse: Erstens nehmen Sie in Ihrem Entschließungsantrag auf einen Beschluss der Justizministerkonferenz vom Herbst 2004 Bezug. Für den Projektabschlussbericht war diese Bezugnahme zwar in Ordnung; sie ist es aber nicht mehr für den heutigen Entschließungsantrag. Der Projektabschlussbericht wurde im Februar 2005 gefertigt. Mittlerweile gibt es allerdings eine neue Beschlusslage; denn der Beschluss von 2004 ist insofern überholt, als er aktualisiert und konkretisiert wurde. Im Juni 2005 hat die Justizministerkonferenz einstimmig festgehalten:

„Die gerichtsinterne Mediation kann als Übergangslösung ein lohnender Weg sein, um konsensuale Streitbeilegung zu fördern.“

Die gerichtsnahe Mediation, meine Damen und Herren, hat definitiv Vorbildcharakter für die außergerichtliche, vorprozessuale Mediation und die konsensuale Streitbeilegung insgesamt. An der Beschlussempfehlung war Niedersachsen maßgeblich beteiligt. Wir haben - das erwähne ich nebenbei - in der Arbeitsgruppe zur Förderung der konsensualen Streitbeilegung bundesweit die Federführung, ebenso bei der Umsetzung des Beschlusses der Justizministerkonferenz.

(Beifall bei der CDU)

In Zukunft möchte ich verstärkt auch die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte einbinden. Meine Vorstellung ist, dass die Gerichte mit externen freiberuflichen Mediatoren kooperieren und so die außergerichtliche Streitschlichtung fördern.

Ihr zweites Versäumnis halte ich für ein ganz gravierendes: Sie haben bei der Abfassung des Entschließungsantrages offenbar schlicht übersehen, dass die Mediation bislang nirgends gesetzlich verankert ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für ein Pilotprojekt, das quasi unter Laborbedingungen stattfindet, ist dies in Ordnung. Etwas anderes gilt aber im Echtbetrieb, und zwar schon deshalb, weil die Kolleginnen und Kollegen, die Mediation vor Ort anbieten, einen Anspruch auf Rechtssicherheit in diesem

Bereich haben. Dementsprechend mahnt die juristisch-ökonomische Begleitforschung legislatorische Konsequenzen an. Am vergangenen Samstag war der höchstrangige Vertreter der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland bei unserem 3. Konfliktmanagementkongress hier in Hannover zu Gast. Herr Professor Dr. Hirsch, seines Zeichens Präsident des Bundesgerichtshofs, hat in seinem Festvortrag auf unserem Kongress die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung der gerichtsnahen Mediation ausdrücklich formuliert. Diese Notwendigkeit ist mir bewusst. Daher haben wir schon direkt nach dem Vorliegen der Ergebnisse der Begleitforschung im März dieses Jahres reagiert und die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre der übrigen Bundesländer zu einem Meinungsaustausch eingeladen, an dem auch das Bundesjustizministerium beteiligt wird. Das nächste Zusammentreffen ist für September geplant. Dann sollen die Möglichkeiten legislatorischer Konsequenzen diskutiert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande sind alternative Formen der Streitbeilegung unverzichtbar. Sie können zeitnah und kostengünstig zu einer tragfähigen und nachhaltigen Lösung führen, die beiden Streitparteien gerecht wird, weil sie an der Erarbeitung eines Lösungsvorschlags unmittelbar beteiligt gewesen sind. Solche Formen des Konfliktmanagements gilt es daher auf einer breiten Basis zu erschließen. Daran arbeiten wir intensiv seit geraumer Zeit. Ich hoffe, dass wir auf diesem Weg gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Bockmann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Zielrichtung sind wir uns wohl einig. Genau deshalb hat die SPD-Fraktion diesen Antrag heute dem hohen Hause auf den Tisch gelegt. Das Projekt besteht seit September 2002, jetzt ist Juli 2006. Da sich seit knapp vier Jahren im Wesentlichen nichts verändert hat, wollen wir Motor sein. Bei anderen Themen wie der Justizreform gibt es riesige Aktionen, und es werden Arbeits

leistungen bis zum Gehtnichtmehr investiert. Hier ist bei einem Erfolgsprojekt, das unter dem Strich Fälle von einem Landgericht in Niedersachsen einsparen könnte, ein Stillstand eingetreten.

(Beifall bei der SPD - Joachim Alb- recht [CDU]: Haben Sie eben nicht zugehört?)

Dieser inhaltlich gute und auch finanzielle Vorteil wäre das Ergebnis einer sinnvollen Reform in Niedersachsen.

(Zustimmung von Heidrun Merk [SPD])

Da es hier aber lediglich Diskussionsrunden und Beschlüsse von Arbeitsgruppen gibt und bei allen anderen Kleckerproblemen eine Bundesratsinitiative gestartet wird, sind wir der Auffassung, dass sich eine solche Initiative hier lohnen würde. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat sich Frau Justizministerin HeisterNeumann noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön!

In Niedersachsen wird überhaupt nicht gekleckert, sondern in diesem justizpolitischen Bereich wird in jedem Fall geklotzt. Mediation und außergerichtliche Streitschlichtung sind Bestandteil der Justizreform, um das einmal ganz deutlich zu sagen. Ich habe eben darauf hingewiesen, wer sowohl bei der Erarbeitung als auch bei der Umsetzung der Vorschläge die Federführung hat. Frau Bockmann, die ZPO muss in der Tat durch den Bund geändert werden. Gleiches gilt auch für viele andere Dinge im Rahmen der Justizreform. Wir erarbeiten die Grundlage und würden uns freuen, wenn unsere Bundesjustizministerin nicht immer nur reagieren, sondern vielleicht auch einmal von sich aus agieren würde.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratungen.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Es wird empfohlen, dass der Antrag im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen beraten werden soll. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Behindertengleichstellungsgesetz jetzt! Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3014

Zur Einbringung hat sich der Herr Kollege Schwarz von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Schwarz!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie von den Koalitionsfraktionen haben es geschafft, Ihrer bundesweit beispiellosen Behindertenpolitik einen weiteren Superlativ hinzuzufügen. Niedersachsen ist nun das einzige Bundesland, in dem behinderten Menschen nach wie vor ein Gleichstellungsgesetz beharrlich verweigert wird. Noch in der alten Legislaturperiode, nämlich am 3. Dezember 2002, hatte die damalige SPD-Regierung dem Landtag einen Entwurf eines Gleichstellungsgesetzes vorgelegt. Angebote, das Gesetz damals noch in der Legislaturperiode zu verabschieden, wurden von der damaligen CDU-Fraktion abgelehnt. Die Begründung war u. a., der Gesetzentwurf sei nicht der große Wurf und bleibe nach einhelliger Auffassung der Verbände weit hinter den Regelungen des Bundesgesetzes zurück.

Die CDU wollte nach der gewonnenen Landtagswahl unverzüglich einen weiter gehenden Gesetzentwurf vorlegen. Wenn ich mich recht erinnere, meine Damen und Herren, war das sogar Bestandteil des 100-Tage-Programms der Regierungskoalition. Aus diesen 100 Tagen sind zwischenzeitlich 1 200 Tage geworden. Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende entgegen. Ein Gesetzentwurf ist nach wie vor nicht in Sicht.

Der Sozialverband VdK stellte dazu in einem Brief am 6. Juni 2005 an die damalige Ministerin Frau von der Leyen fest:

„Ihre Regierung und das Parlament haben in den vergangenen zwei Jahren zur Genüge bewiesen, dass sie zügig und entschlossen zu handeln bereit und in der Lage sind. Ausgerechnet bei dem Anliegen der Menschen mit Behinderungen versagt offensichtlich diese Entschlossenheit.“

„Ich halte diese Verzögerung für eine schlimme Missachtung der betroffenen Personen und Verbände“,

schrieb der Vorsitzende des Verbandes an die damalige Sozialministerin von der Leyen. - Meine Damen und Herren, dieser Aussage ist uneingeschränkt zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Am 15. Mai 2003 hat die SPD-Fraktion Sie zu einer zügigen Umsetzung Ihres Wahlversprechens und zur Vorlage eines Gesetzentwurfs aufgefordert. Eigentlich konnte das kein Problem darstellen; denn die ganzen Vorarbeiten einschließlich Anhörungen waren bereits durch die Vorgängerregierung erledigt worden. Frau Jahns erklärte wahrscheinlich auch deshalb in der Debatte am 15. Mai 2003 für die CDU, dass der SPD-Antrag überflüssig sei, da die Ministerin versichert habe, ein solches Gesetz einzubringen. Frau Meißner fügte für die FDP hinzu:

„Die Ministerin hat schon gesagt, sie will dafür sorgen, dass es ein solches Gesetz gibt. Das stand auch in unserem Wahlprogramm. Wir wollen wirklich das halten, was wir versprechen.“

Sie wollten dem Gesetzentwurf sogar noch liberale Akzente hinzufügen.

Meine Damen und Herren, dreieinhalb Jahre später ist die damalige Ministerin aus Niedersachsen verschwunden. Einen Gesetzentwurf hat sie nie vorgelegt, weder mit noch ohne liberale Akzente. Frau Ross-Luttmann ist bisher über unverbindliche Erklärungen nicht hinausgekommen.

(Beifall bei der SPD - Heidrun Merk [SPD]: Sehr wahr! - Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

- Ich verstehe ja, dass Sie davon ablenken wollen, dass Sie dreieinhalb Jahre lang nicht in der Lage waren, ein Wahlversprechen umzusetzen. Ich fin

de, bei der Vorgeschichte sollten Sie lieber keine Zwischenrufe machen.