Auch für die kommenden Jahre behauptet die Landesregierung, dass sie die Neuverschuldung zurückführen will. Gleichzeitig weist die Mittelfristige Planung trotz der Mehrwertsteuererhöhung gigantische Haushaltslöcher auf: Für das Haushaltsjahr 2010 allein 1,2 Milliarden Euro, für 2009 schon 1 Milliarde Euro, für 2008 bereits 755 Millionen Euro. Diese Haushaltslöcher sollen in den kommenden Jahren durch weitere Ausgabereduzierungen und Einnahmeverbesserungen abgebaut werden.
Aber welche Ausgaben gekürzt werden und welche Steuererhöhungen es geben soll, das bleibt leider offen. Jahr für Jahr versuchen Sie, Herr McAllister, Herr Wulff, in Haushaltsklausuren zu Beginn der Sommerferien die neuesten Taschenspielertricks vor den Augen der Bürgerinnen und Bürger zu verbergen.
Wir haben hier mehr Transparenz eingefordert. Wir haben Bürgerbeteiligung bei der Haushaltsplanung eingefordert, wie sie beispielsweise in Hamburg praktiziert wurde.
Aber wenn Sie bessere Vorschläge haben, Herr Althusmann: Wir sind für alles offen. Solange etwas dabei herauskommt, was mehr Transparenz in die Sache bringt, als Sie bisher an den Tag gelegt haben, verschließen wir uns keiner guten Idee.
Wir haben mehr Bürgerbeteiligung bei der Haushaltsplanung eingefordert. Darin liegt eine Chance, künftige Herausforderungen zu meistern. Diese Chance muss genutzt werden. Aber damit haben Sie ein Problem, Herr Wulff: Solch transparente Formen der Haushaltungsberatung passen nicht mit Ihren Mauschelgeschichten zusammen.
So sind Sie z. B. nicht willens, hier zu erklären, welche Kriterien die Bieter bei dem geplanten Verkauf der Landeskrankenhäuser erfüllen müssen. Das zeigt doch: Sie fürchten die frische Luft und kungeln lieber im stickigen Hinterzimmer mit den Konzernen, die diese Krankenhäuser erwerben wollen.
Unverständlich ist auch Ihre Weigerung, sich der doppelten Buchführung anzunehmen. Entweder ist das Instrument schlecht, dann darf man aber auch die Kommunen nicht damit quälen, oder das Instrument ist gut, aber dann, Herr Althusmann, muss auch das Land diesen Weg gehen.
Meine Damen und Herren, in den von der Landesregierung vorgelegten Nachtragshaushalt 2006 ist bisher nur ein Teil der erwarteten Steuermehreinnahmen eingebucht. Die aktuellen Schätzungen des Finanzministeriums gehen weit darüber hinaus. Aber bevor überhaupt solide Zahlen vorlie
gen, verkündeten schon die ersten Fraktionsmitglieder von CDU und FDP noch kurz vor der Kommunalwahl über die Presse, was sie mit weiteren Mehreinnahmen Schönes machen wollen: Herr Althusmann will der Polizei Gutes tun, Herr Bode will wieder mehr Straßen sanieren und Straßen bauen.
Ich kann Ihnen nur raten: Verfrühstücken Sie die Einnahmen nicht, bevor sie überhaupt in der Kasse sind! Reduzieren Sie mit den dem, was an weiteren Mehreinnahmen 2006 in die Kasse kommt und nicht für zwangsläufige Ausgabensteigerungen verloren geht, die Neuverschuldung.
(Bernd Althusmann [CDU]: Vielleicht setzen Sie sich mal weniger auf die Gleise; dann müssen wir auch nicht so viel Polizei schicken!)
Herr Wulff, Sie haben - das dokumentiert Ihr Haushaltsplanentwurf - noch immer nicht den Stellenwert der Bildungspolitik für Gesellschaften erkannt, die in globalisierten Wirtschaftsbeziehungen leben. „Deutschland fällt im Wohlstandsvergleich zurück“, schreibt die Welt am 8. Mai 2006. Nach Berechnungen von Deutsche Bank Research könnte Deutschland beim Pro-Kopf-Einkommen bereits 2008 hinter Spanien zurückfallen. 2020 wären nur noch Griechenland und Portugal hinter Deutschland. Der Grund liegt in dem rasanten Anstieg gut ausgebildeter Nachwuchskräfte in anderen Ländern. Unter den 25- bis 34-jährigen Spaniern haben mittlerweile 37 % einen Hochschulabschluss, in Deutschland nur 20 %. Die Zahl der Schulabbrecher ist bei uns viel zu hoch, gerade bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Diese verfehlte Bildungspolitik verschlechtert die wirtschaftlichen, die finanz- und die haushaltspolitischen Aussichten unseres Landes erheblich.
Jetzt können Sie natürlich sagen, Herr Wulff: Das alles sind Deutschland-Zahlen; bei uns in Niedersachsen ist alles viel besser. - Aber weit gefehlt! Ich erinnere nur an unsere Debatte von heute Vormittag, die leider dokumentiert hat, dass in Niedersachsen das Gegenteil der Fall ist. Herr Hirche wirft Nebelkerzen, wenn es um Ausbildungsplätze geht. Herr Busemann redet die Gesamtschulen schlecht, weil es ihn wurmt, dass diese gute Leis
tungskennziffern abliefern. Überhaupt lässt Herr Busemann keine Gelegenheit aus, um seine Hauptschulen gesundzubeten. Dabei kommen Experten zu anderen Schlüssen: „Die Probleme werden größer“, so der Bildungskoordinator der OECD, Andreas Schleicher, in der Wirtschaftswoche von Mai 2006. Und erst gestern hat sich bestätigt, wo wir bildungspolitisch stehen.
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Haushalt sollen mehrere hundert Lehrerstellen abgebaut werden. Das wird mit zurückgehenden Schülerzahlen begründet. Solange unsere Schulen aber nicht ein deutlich besseres Niveau haben und solange die Unterrichtsversorgung nicht bei 100 % liegt, ist das der falsche Weg.
Ihr Kinderbetreuungsplacebo ist mit heißer Nadel gestrickt. Den Herausforderungen der frühkindlichen Bildung wird es nicht gerecht. Sie müssen an das Ehegattensplitting heran - dazu haben wir eindeutige Finanzierungsvorschläge gemacht, Herr McAllister -,
um eine bessere Kinderbetreuung, Fort- und Weiterbildung bei Erzieherinnen und Erziehern sowie ein kostenfreies Bildungsjahr im Kindergarten finanzieren zu können.
Warum werden denn Alleinerziehende und Menschen ohne Trauschein, die mit Kindern leben, schlechter behandelt?
Ist es denn gerechtfertigt, dass Gutverdiener ohne Kinder mehr staatliche Förderung erhalten? Die CDU, Herr McAllister, wird an dieser Stelle ihre Lebenslügen nicht los. Da werden Sie sich bewegen müssen. Das ist nur eine Frage der Zeit.
dienanfängerplätze in Niedersachsen um 11 % gesunken. Niedersachsen ist bei den Studierenden Exportweltmeister. Die Hochschulen mit Forschung und Spitzentechnologie zu fördern, wäre die bessere Wirtschaftsförderung. Hier entstehen die Arbeitsplätze von morgen, und hier muss investiert werden.
Meine Damen und Herren, auch an einer anderen Stelle sind Ihre Koordinaten völlig verloren gegangen. Wir leben in einem Land, das künftig schrumpfen wird - nicht überall, aber an vielen Ecken und leider auch an vielen Ecken in Niedersachsen. In manchen Regionen haben wir heute schon Arbeitslosigkeit bei gering qualifizierten Menschen und Fachkräftemangel am selben Ort.
Sie, Herr Wulff und Herr Schünemann, sind dabei, gut integrierte ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Kinder außer Landes zu treiben oder abzuschieben. Dabei geht es um Kinder, die hier geboren und hier aufgewachsen sind. Sie erkennen nicht die Chance, meine Damen und Herren, die darin auch für die ökonomische Zukunft unseres Landes liegt. Während große Unternehmen längst den Wert von diversity, Vielfalt, erkannt haben, sind Sie noch immer dabei, die gesetzlichen Grundlagen rigide und bis zum Anschlag auszureizen.
- War das vielleicht im Vermittlungsausschuss? Täusche ich mich da? Hat nicht vielleicht auch die CDU daran mitgestrickt?
Wer nutzt heute die Chancen, und wer versucht, das Ganze jetzt kontraproduktiv so anzuwenden, dass Menschen, die seit zehn oder 15 Jahren hier leben und arbeiten, plötzlich wieder ausreisen sollen?
Herr McAllister, große Firmen haben mittlerweile erkannt, dass vielfältige kulturelle Hintergründe ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine ganzheitlichere Sicht auf Probleme und Herausforde
rungen ermöglichen. Diese Firmen begreifen kulturelle Vielfalt und Toleranz als Stärke, als Kraft, als Möglichkeit, den Herausforderungen der Globalisierung die Stirn zu bieten. Auch Wirtschaftswissenschaftler wie beispielsweise der Amerikaner Richard Florida weisen nach, dass die Fähigkeit zur kulturellen Integration, zur Aufnahme von Ideen aus anderen Regionen und Ländern, dass Toleranz und Weltoffenheit zentrale Determinanten des wirtschaftlichen Erfolgs unseres Landes sind. Hier, Herr McAllister, liegt die zentrale Herausforderung. Die Integration muss zur Chefsache werden. Sie gehört auf die Regierungsbank.