Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Dazu gehört natürlich ein handlungsfähiger Staat, und dazu gehören ohne Frage solide Finanzen. Herr Möllring hat heute wieder ein Bild gezeichnet, das mich beeindruckt, weil man den Kriterien, die er in den Mittelpunkt der Politik gestellt hat, zustimmen könnte.

(Dr. Harald Noack [CDU]: Ah!)

- Natürlich, wenn es um Bildung, Familie und Innovation geht. - Ich sehe aber nicht, wo sich das im Zahlenwerk niederschlägt, meine Damen und Herren. Das war billige Rhetorik ohne materiellen Unterbau. Ich bestreite überhaupt nicht, dass der Haushaltsentwurf 2007 unspektakulärer als andere Entwürfe in den letzten Jahren daherkommt. Die Mehrheit dieses Hauses beabsichtigt ja nicht, im nächsten Jahr zusätzliche Gruppen der Bevölkerung massiv zu schröpfen. Herr Möllring, ich habe sogar den Eindruck, dass Sie vorbereiten, sich für 2008 noch leichte Spielräume zu erarbeiten, damit im Vorwahlkampf und im Wahlkampf noch ein paar kleine Geschenke gemacht werden können.

(Dr. Harald Noack [CDU]: Guter Mann!)

- Guter Tipp, nicht wahr? - Nein, den Tipp braucht er nicht. Sie dürfen ihn nicht unterschätzen. Darauf ist er doch selbst gekommen.

Die für die Öffentlichkeit interessante Frage ist aber, ob diese vergleichsweise unkomplizierte Haushaltssituation mit all den Risiken, die sie birgt - darauf haben Sie hingewiesen -, ein Erfolg Ihrer Politik ist.

(David McAllister [CDU]: Ja! Wer denn sonst?)

Dazu sagen Sie Ja. Das habe ich angenommen. An einer Stelle will ich das auch gerne einräumen. Das, was im Zuge von Verwaltungsreformen an Personalabbau in den letzten Jahren betrieben worden ist, ist ein originärer Beitrag des Landes. Diesen Beitrag haben wir begonnen, und Sie haben den Beitrag fortgesetzt.

(Lachen bei der CDU)

Sie schreiben sich das alles natürlich auf Ihre Seite. Ich doch weiß: Die Erkenntnis und die Einsicht halten sich bei einigen von Ihnen in Grenzen. An der Stelle räume ich das ein. Dort haben Sie Maßnahmen ergriffen, die im Grundsatz, aber nicht im Detail ohne Alternative waren.

(Zustimmung von Dr. Harald Noack [CDU])

Aber was ist denn mit den anderen Bausteinen, die Sie hier ins Feld führen und die den Haushalt vergleichsweise entspannen? - Beginnen wir mit dem Thema Subventionsabbau. Kurz nach Regierungsantritt im Jahre 2003 hat diese Landesregierung im Bundesrat die Beschlüsse des Bundestages zum Subventionsabbau abgelehnt. Es war klar, dass das auf Weisung des Konrad-AdenauerHauses geschah. Das war eine kollektive Aktion der CDU-geführten Länder. Jetzt haben Sie den gleichen Vorgaben anstandslos zugestimmt, meine Damen und Herren. So ist das Leben. Hätten Sie damals zugestimmt, wäre die Landeskasse um mehr als 1 Milliarde Euro reicher gewesen, die wir in den letzten drei Jahren hätten sinnvoll einsetzen können, meine Damen und Herren. Sie wissen doch, dass das stimmt.

(Beifall bei der SPD)

Das zweite Thema ist die Mehrwertsteuererhöhung. Wir haben Ihnen in den letzten Monaten Vorschläge gemacht, wonach es sinnvoll ist, die zusätzlichen Einnahmen unter dem Gesichtspunkt der Profilbildung bei der Bildung zu konzentrieren. Uns ist entgegengehalten worden, das alles sei fahrlässig, leichtfertig und illusionär. Diese Landesregierung hat der Mehrwertsteuererhöhung im Bundesrat die Zustimmung verweigert, wie wir wissen. Herr Möllring macht allerdings keinen Hehl daraus, dass er mit den Ergebnissen sehr wohl einverstanden ist, weil er das Geld im Kern gut gebrauchen konnte. Das hat er eben deutlich gemacht. Doppelbödig ist das, wie wir gerne zugeben. Frau Körtner stimmt mir zu. Das reicht mir an der Stelle. Bei den anderen wird es folgen.

(Beifall bei der SPD)

Dann zu der Abteilung „kleine Buchhaltertricks“. Auch das gehört natürlich ins Programm. Herr Hirche, bei allem Respekt - wir kennen uns gut -: Dass diese Konjunktur aber jetzt durch Ihr Ministerium auf den Weg gebracht worden ist,

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Von wem denn sonst?)

glaubt nun wirklich niemand. Das würden Sie selbst für sich nicht beanspruchen.

Wir bekommen also sprudelnde Mehreinnahmen in diesem Jahr. Diese werden mal eben in das nächste Jahr transferiert, weil das mit der Planung des Vorwahlkampfes ein bisschen zu tun hat, auf die ich schon hingewiesen habe. Immerhin sind 248 Millionen Euro kein Pappenstiel.

Hier ist etwas zum JadeWeserPort gesagt worden. Sie hätten fairerweise auch ergänzen können, dass dazu eigentlich schon im nächsten Jahr Investitionen in Höhe von 150 Millionen Euro veranschlagt waren. Diese lassen sich aber noch nicht realisieren, weil das Projekt zunächst nicht veranschlagt werden kann, obwohl wir gemeinsam der Meinung sind, dass es dringend geboten ist.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Auf gut Deutsch: Der von Herrn Möllring gelobte und für sich in Anspruch genommene Haushaltsausgleich im Jahr 2007 hat ganz viele Väter. Ein ganz kleiner Teil davon sitzt hier oben auf der Regierungsbank, aber eben nur ein ganz kleiner Teil. Ich finde, er hätte wenigstens bei den anderen, die ihm dabei geholfen haben, Danke sagen können.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben im Zusammenhang mit Ihren haushaltspolitischen Ausführungen auch nicht darauf hingewiesen, Herr Möllring, dass diese Mehrheit im Landtag und diese Landesregierung in dieser Wahlperiode Vermögensveräußerungen in Höhe von 2,499 Milliarden Euro vornimmt. Der Volksmund nennt das: Tafelsilber verscheuern. - Dieses Geld wird auch nicht in eine langfristige Anlage zurückgeführt, wie es beispielsweise Ihre bayerischen Freunde gemacht haben, als sie Vergleichbares getan haben.

Die Argumentation von Ihnen - Sie fanden eine katastrophale Situation vor, und räumen seitdem

auf - ist spätestens entkräftet, seit Ihnen der Landesrechungshof seine Logik des strukturellen Defizits gegeben hat. Sie haben die Unterlage vorliegen. Die ist ganz interessant. Das strukturelle Defizit des Landes Niedersachsen betrug über die Jahre 2000 bis 2002 ungefähr 1,5 Milliarden Euro. Es wurde durch Nettokreditaufnahmen aufgefüllt.

(Zuruf von der CDU: So einfach war das!)

- Ich folge jetzt der Logik des Landesrechnungshofes. Das muss ja möglich sein. - Dann kam das Jahr 2003 mit drei Sonderfaktoren.

(Zuruf von Karl-Heinz Klare [CDU])

Dem hätten Sie sich übrigens nicht entziehen können; das will ich nur sagen. Das eine Thema war die Expo. Wenn ich es richtig sehe, waren wir einer Meinung, dass die Aktion sinnvoll war. Das zweite Thema war die BEB. Es handelte sich dabei um eine Gerichtsentscheidung und war nicht zu umgehen. Das dritte Kriterium war das massive Einbrechen von Steuereinnahmen. Das kann man der Mipla der gegenwärtigen Landesregierung entnehmen. Diesem Sachverhalt hätten auch Sie sich nicht entziehen können.

Unter dem Finanzminister Aller hat es für ein Jahr eine Sondersituation gegeben. Die Landesregierung, die neu ins Amt kam, hat die Gelegenheit genutzt, um zu sagen: Das ist gut. Warum sollen wir uns an der normalen Finanzlage des Landes mit einem strukturellen Defizit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro orientieren? Wir tun einfach so, als sei diese SPD-geführte Regierung so bekloppt und hätte dauernd ein strukturelles Defizit von 3 Milliarden Euro.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das waren drei! Dann haben Sie die Logik des Landesrechnungshofes nicht verstan- den!)

Was Sie mit dem Haushaltsentwurf von heute inzwischen erreicht haben, ist, dass Sie sich auf das Niveau zu bewegen, auf dem wir schon 2002 waren. Ein grandioser Erfolg, den Sie vorweisen wollen! Die Öffentlichkeit kann über eine solche Geschichte nur lachen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb behaupten wir weiterhin, die größten Schuldenmacher Niedersachsens heißen Wulff und Möllring, wie die FAZ richtig geschrieben hat.

(Wolfgang Ontijd [CDU]: Das haben Sie doch gesagt!)

- Nein. Das habe ich der FAZ entnommen. Aber ich habe es geglaubt. Das gebe ich zu.

Meine Damen und Herren, bei Möllring geht es mit dem finanzpolitischen Schleuderkurs weiter. Das hat er eben ausgeführt. Er ist bereit, bei der Erbschaftsteuer und der Unternehmensteuerreform weitere Mindereinnahmen der öffentlichen Haushalte in Kauf zu nehmen. Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung, weil die Grundlagen zum Gestalten und für die sozialpolitische Verantwortung für Landeskabinette und Landesparlamente irgendwann nicht mehr gegeben sein werden. Deshalb muss mit dem Ausverkauf der öffentlichen Haushalte Schluss sein. Wir müssen Gestaltungsspielräume aufrechterhalten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Möllring, ich bin gespannt, wie es demnächst geht, wenn die zweite Phase der Föderalismusreformdebatte beginnt. Sie haben schon öffentlich erklärt, Sie seien für Wettbewerbsföderalismus. Ihnen ist doch klar, dass der Wettbewerbsföderalismus mindestens mittelfristig zu weiteren Einnahmeverlusten für das Land Niedersachsen führt. Ich weiß nicht, wie Sie das verantworten wollen. Wir wollen dazu beitragen, damit Sie das nicht mehr so lange verantworten müssen. Gegenwärtig tun Sie das aber. Es ist kompliziert genug, was Sie da auf den Weg bringen.

Lassen Sie mich noch eine Geschichte nennen, um die Art und Weise deutlich zu machen, in der Herr Möllring hier diskutiert. Sie haben gesagt, Sie haben jetzt einen verfassungskonformen Haushalt auf den Tisch gelegt. Herr Möllring, Sie haben ihn jetzt erreicht, weil Ihnen eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vor einigen Jahren 700 Millionen Euro zusätzlich in die Kasse gespült hat und wir uns gemeinsam verständigt haben, dies wieder der NORD/LB zuzuführen. Das hat überhaupt nichts mit Haushaltspolitik zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb fordere ich mehr Redlichkeit bei der Interpretation Ihrer Zahlen. Aber es geht natürlich nicht nur um das Konsolidieren, wenn wir über Politik reden. Es geht auch um die Vorschläge für heute und die Vorschläge für morgen.

Fangen wir mit der Wirtschaft an. Wenn man sich diesen Plan von Herrn Hirche - das Credo des Wirtschaftsministeriums - anschaut, kann man sagen, bei ihm heißt es: die Wirtschaft machen lassen. Das ist das Motto.

(Zustimmung auf der Regierungs- bank)

- Zustimmendes Nicken auf der Bank.

Das Aufsteigerland Niedersachsen wird zum Aufsteigerland durch Nichtstun. Auch so kann man das formulieren. Was ist das Ergebnis dieses Nichtstuns? - Wir haben es zum Teil schon heute Morgen in der Debatte gehört. Das Vorbild Bayern ist ins Feld geführt worden, Herr Althusmann. Dort liegt die Investitionsquote bei 12,8 %.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wenn das Kurt Beck hören würde! Er würde Sie rauswerfen!)

In Niedersachsen liegt die Investitionsquote inzwischen bei 7,0 %, wenn man den Transfer zur NORD/LB herausrechnet. Das ist die schlechteste Investitionsquote aller Bundesländer. Sie aber erzählen hier etwas vom Aufsteigerland und davon, dass wir auf dem Weg nach vorne sind. Im Jahr 2010 werden Sie sich auf 6,4 % heruntergearbeitet haben. Damit kann man keine Wirtschaft und keinen Staat machen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben im Haushaltsplanentwurf für das nächste Jahr die Innovationsförderung gekürzt. Sie beträgt inzwischen nur noch die Hälfte der Summe aus dem Jahr 2002. Wie will man Zukunft gestalten, wenn Innovation in Niedersachsen zum Fremdwort wird?