Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Sie haben im Haushaltsplanentwurf für das nächste Jahr die Innovationsförderung gekürzt. Sie beträgt inzwischen nur noch die Hälfte der Summe aus dem Jahr 2002. Wie will man Zukunft gestalten, wenn Innovation in Niedersachsen zum Fremdwort wird?

Sie haben die Möglichkeit, die EU-Strukturmittel, die in den nächsten Jahren in nicht erwarteter Höhe zur Verfügung stehen, für eine kluge Innovationsstrategie einzusetzen. Sie wird aber im Moment zwischen den beteiligten Ressorts aufgerieben. Das wissen Sie doch genauso gut wie ich. Im Übrigen haben Sie auch deshalb hinterm Berg gehalten, weil Ihre Leute im Kommunalwahlkampf den Eindruck erweckt haben, dass vor Ort jedes Projekt bedient wird. Das wird aber nicht so sein, das wissen wir doch.

(Beifall bei der SPD)

Selbst bei den erneuerbaren Energien - das Thema für Niedersachsen unter Gesichtspunkten wie Zukunftsfähigkeit und Beschäftigungsentwicklung beabsichtigen Sie eine weitere Kürzung um 400 000 Euro. Entscheidend ist nicht die Summe, sondern das Signal, das Sie damit aussenden: Erneuerbare Energien werden in Niedersachsen kleingeschrieben. Ich finde, das ist ein ganz verfehlter Ansatz von Politik.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Skandal!)

- „Skandal“ nennt das Herr Haase. Ich bin ja gar nicht zu solch frechen Worten fähig,

(David McAllister [CDU]: Das merkt man!)

aber wahrscheinlich hat er Recht.

Herr McAllister, Herr Hirche glänzt nicht nur durch Nichtstun, sondern es geht noch einen Schritt weiter.

(Joachim Albrecht [CDU]: Er glänzt durch Nichtverhindern!)

Er glänzt auch durch Verhindern. Ihre Entscheidung zur Kürzung im kommunalen Finanzausgleich ist der Durchgriff auf kommunale Investitionspolitik. Sie machen an bestimmten Stellen nichts, und an anderen Stellen verhindern Sie, dass Beschäftigung und Investitionen stattfinden können, gerade im kommunalen Bereich.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sind wir leider nicht Aufsteigerland, sondern Absteiger z. B. bei Insolvenzen. Das ist übrigens keine Momentaufnahme, sondern ein Vergleich von 2003 bis 2005: Im Bund nehmen die Insolvenzen um 5,7 % ab, in Niedersachsen steigen sie um 5,6 %, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der CDU: Wo denn? In Hannover?)

- In Niedersachsen. Das sind die Zahlen der von Ihnen geliebten Initiative.

Das ist die Gegenwart in der Wirtschaft. Aber wir müssen darüber reden, was morgen ist. Dabei geht es um Bildung und Wissenschaft. Die aktuellen Zahlen der OECD, die sich auch auf Niedersachsen beziehen, sind ernüchternd und erschreckend - da wollen wir uns nichts vormachen.

Dass der Anteil am Bruttoinlandsprodukt für Bildung in Deutschland mehr als 10 % unter dem internationalen Niveau liegt, hat zur Folge, dass wir in den nächsten Jahren wirtschaftlich abgehängt werden.

Die Zahl der Hochschulabsolventen in Deutschland hat sich in den letzten Jahren von 19,3 auf 20,6 % gesteigert. Will das jemand als Erfolg verkaufen? Der OECD-Schnitt liegt inzwischen bei 34,8 %. Vor diesem Hintergrund auch noch die Qualitäten der Wissenschaftspolitik in Niedersachsen zu loben, ist wirklich frech.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft stellt fest: Im Bund sind die Wissenschaftsausgaben stabil. - Das ist schlimm genug. - In Niedersachsen sind sie in den letzten drei Jahren um 11 Euro pro Studierendem gesunken, meine Damen und Herren. Das stellte eine Herausforderung für die Wissensgesellschaft dar. Wir sind Schlusslicht beim Einwerben von Drittmitteln - auch im Gegensatz zum Bund. Im Bund wird es besser, und bei uns wird es schlechter, meine Damen und Herren.

Die Bedeutung von Studienplätzen aus der Sicht der gegenwärtigen Landesregierung kann man daran erkennen, dass in der Zwischenzeit in Niedersachsen 4 200 Studienplätze vernichtet worden sind - Minister Stratmann ist auch gar nicht da, er vernichtet wahrscheinlich weitere.

(Beifall bei der SPD)

Die OECD-Länder haben die Zahl der Studienplätze zum Teil verdoppelt. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gibt es Sonderprogramme. Nur Herr Stratmann stellt fest: kein Handlungsbedarf. Es ist unverantwortlich, dass die niedersächsischen Abiturienten vor verschlossenen Universitätstüren stehen.

(Zuruf von der CDU: Wo denn?)

Das können wir nicht zulassen. Das ist aber gegenwärtig Realität.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb werden wir ein Sofortprogramm für 10 000 zusätzliche Studienplätze auf den Tisch legen. Das ist dringend geboten. Es ist erstaunlich, dass Sie

an dieser Stelle absolut blockieren, meine Damen und Herren.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Vorher wur- de gerade das Gegenteil erklärt!)

Auch der Bereich Bildung verdient einige Bemerkungen. Herr Möllring hat auf ein neues Programm hingewiesen, das Sie entwickelt haben. Sie haben gemerkt, dass Ihnen unser Gesetzentwurf zum Einstieg in die Gebührenfreiheit in der Argumentation vor Ort Riesenprobleme bereitet. Also haben Sie auf die Schnelle ein Sammelsurium zusammengepackt, das im Übrigen noch nicht einmal die Zustimmung derer findet, für die es gedacht ist. Ich habe gelesen, dass Herr Timmermann gesagt hat: Wir können gar keine Gegenfinanzierung gewährleisten. Was soll dieses Programm? Stimmig ist es auch nicht. Es ist nichts als eine Ansage: Wir sind auch noch da und möchten bei dem Thema nicht abgehängt werden. - Aber, meine Damen und Herren, mit diesem Vorschlag haben Sie sich abgehängt. Damit können Sie überhaupt nicht landen.

(Beifall bei der SPD)

Nun zum Thema Unterrichtsversorgung, Herr Busemann. „2 500 Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt“ - wir hören das ja jedes Mal. Aber sagen Sie doch auch einmal der geneigten Öffentlichkeit, dass in der Zwischenzeit 700 Stellen schon wieder gestrichen sind. Das sagen Sie nicht. Sie machen immer Ihre Jahresauftaktpressekonferenz zu Beginn des neuen Schuljahres. Eltern, Lehrer und Schüler sind schon immer ganz gespannt, aber eigentlich schon nicht mehr, weil die Schaumschlägerei im Kern die gleiche ist.

(Zuruf von der CDU: Ach, hör doch auf!)

In der Zwischenzeit haben Sie auch wieder mal ein Auskunftsverbot verhängt, damit niemand außerhalb des Ministeriums eine Auskunft über die tatsächliche Unterrichtsversorgung erteilen kann. Das hatten wir hier schon einmal, meine Damen und Herren. Wir können der Sache gerne noch einmal nachgehen, es sei denn, Sie entkräften das gleich heute und erklären, was es damit auf sich hat.

Zum Etikettenschwindel gehört natürlich auch das Thema „Ganztag“. Herr McAllister war gestern mit mir bei dem Geburtstag einer privaten Schule und hat dort viel Lob ausgesprochen. Aber, mein lieber Herr Kollege, diese Schule hat all das, wogegen

du dich hier mit Vehemenz sträubst. Ein Ganztagsangebot ist nur ein Punkt davon.

(Beifall bei der SPD)

240 von 515 Schulen sind Ganztagsschulen ohne Budget - also Etikettenschwindel. Dafür gehen aber 9 Millionen Euro in die drei landeseigenen Schulen, und ein Riesenbatzen geht ins Emsland vielleicht, weil der Bedarf dort besonders groß ist.

(Heinz Rolfes [CDU]: Jetzt ist es aber gut! Diese Unsachlichkeit! Karin, was sagst du denn dazu?)

Herr Möllring hat den Begriff „Nachhaltigkeit“ in den Mittelpunkt seiner Rede gestellt. Alles ist nachhaltig, meine Damen und Herren. Wir haben in den Sommerferien die Vorstellung des Nachhaltigkeitsvorentwurfs der Landesregierung zur Kenntnis genommen. Herr Sander und Herr Wulff haben diesen Entwurf präsentiert. Ich muss sagen, das war ziemlich inhaltsleer.

Herr Möllring, das Interessante an diesem Bericht ist für mich: Das Wort Finanzen kommt in diesem Bericht überhaupt nicht vor. Sie erwecken den Eindruck, als würde diese Regierung unter Gesichtspunkten von Nachhaltigkeit oder Zukunftsfähigkeit agieren, aber es kommt null zu dem Thema: Wie sieht die Situation in der Zukunft aus? Es gibt ja ein paar Anregungen, auf die man kommen könnte, zum Beispiel: Wie gedenkt diese Landesregierung mit dem Thema Versorgungslasten umzugehen? - Das ist ja ein riesiges Problem. Andere Länder haben inzwischen Pensionsfonds gebildet. Wo sind denn die niedersächsischen Anregungen dafür? - Von Ihnen ist nichts zu hören. Wir sind dabei, solche Projekte genau zu prüfen. Ich meine, das ist auch dringend geboten.

Fazit, meine Damen und Herren: Herr Wulff, Ihr Vertrauensvorschuss in der Öffentlichkeit schmilzt kontinuierlich dahin.

(Lachen bei der CDU - Karl-Heinz Kla- re [CDU]: Das hätte jetzt nicht kom- men dürfen!)

- Lesen können Sie doch. Die Kompetenzwerte der Regierung fallen. Die Mehrheit der Niedersachsen ist mit Ihrer Arbeit unzufrieden - wir auch.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege McAllister das Wort. Bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf 2007, das Haushaltsbegleitgesetz 2007 und der Nachtragshaushalt 2006, die wir heute alle in erster Lesung beraten, sind weitere Schritte auf einem langen, mühseligen Weg zur Gesundung unserer Landesfinanzen. Ich will vorab für die Fraktion sagen: Alle Minister haben in vorbildlicher Weise ihren jeweiligen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet. Das zeigt, dass in diesem Kabinett alle Kabinettsmitglieder trotz der besonderen Ressortnotwendigkeiten das große Ganze im Auge behalten. Ebenso tun das die Abgeordneten der Koalition. Wir reden nicht nur über Nachhaltigkeit, wir reden nicht nur über Generationengerechtigkeit, sondern wir praktizieren sie. Dazu ist dieser Haushalt ein weiterer großer Baustein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Der Redner betätigt vergeblich den Schalter zur Höhenverstellung des Mikrofons)

- Das funktioniert nicht.

(Eine Saaldienerin bringt dem Redner ein Glas Wasser - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Jetzt muss er erst mal Wasser kriegen, sonst kommt er mit der Rede nicht zum Schluss!)

- Haben Sie den Schalter?