Der Antrag soll an den Kultusausschuss überwiesen werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung: Keine Zustimmung zur Weservertiefung Niedersachsen muss ökonomisch unsinniges und ökologisch schädliches Vorhaben ablehnen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3118
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über die siebte Vertiefung der Weser seit 1970. Nach der letzten Vertiefung der Außenweser von 1998/1999 auf 14 m soll sie jetzt auf 15,50 m vertieft werden. Zusätzlich soll die Fahrrinne verbreitert und die Unterweser bis Bremen um ca. 1 m vertieft werden.
Jedes Mal, meine Damen und Herren, ist den Menschen vor Ort gesagt worden, die Maßnahme habe so gut wie keine Auswirkungen - so auch jetzt wieder. Dabei wird natürlich immer nur der gerade geplante Vertiefungsschritt betrachtet, damit es nicht so schlimm aussieht. Die Menschen in der Wesermarsch glauben den Beruhigungspillen der Vertiefungsstrategen mit ihren Modellrechnungen und all den verharmlosenden Gutachten, die ihnen im Durchschnitt alle drei bis vier Jahre verabreicht werden, schon lange nicht mehr. Sie sehen nämlich vor ihrer Haustür, was passiert. Sie sehen die Uferabbrüche und die Verschlickung an den Stränden. Die Landwirte merken, dass das Salzwasser immer weiter in das Binnenland vordringt, dass sie deshalb ihre Viehtränken nicht mehr nutzen können und die Be- und Entwässerung schlechter funktioniert. Die Betroffenen bekommen doch genau mit, dass der Tidenhub immer weiter steigt und die Strömungsgeschwindigkeit der Weser rapide zunimmt. Dann wird uns gesagt: Das sind doch nur 3 cm mehr. Was macht
das schon? - Meine Damen und Herren, wegen der Salamitaktik der letzten Jahre - noch etwas tiefer und noch etwas tiefer; es ist ja immer nur ein bisschen - sprechen wir jetzt aber nicht mehr über 3 cm Tidenhub, sondern über insgesamt 25 bis 30 cm - und das ist eine ganze Menge.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein besonders trauriges Kapitel in diesem Zusammenhang ist die dramatische Verschlickung des Fedderwarder Priels. Sie erinnern sich, wir haben schon oft in diesem Haus darüber diskutiert. Den betroffenen Menschen in Butjadingen wird jedes Mal erzählt, die nächste Weservertiefung habe gar keinen Einfluss auf ihren Priel. Vor der letzten Vertiefung wurde der Gemeinde Butjadingen hoch und heilig versprochen, Badestrand und Hafenzufahrt zu erhalten. Ich möchte Ihnen zitieren, was der Landtag Ende 1997 einstimmig beschlossen hat. In der Drucksache 13/3419 heißt es:
„Es wird durch geeignete Maßnahmen sichergestellt, dass die durch ständige Weservertiefungen eingetretene und zukünftig entstehende Verschlickung der Strände und Hafeneinfahrten in Butjadingen und Land Wursten beseitigt sind, damit ein ungehinderter Badebetrieb und eine uneingeschränkte Hafennutzung... möglich bleiben.“
Meine Damen und Herren, von „ungehindertem Badebetrieb“ kann schon lange keine Rede mehr sein und von „uneingeschränkter Hafennutzung“ auch nicht.
hat das im Landtagswahlkampf selbst erlebt, als er mit dem Ausflugsschiff Wega II gefahren und dort auf Grund gelaufen ist.
Damals hat er genau wie Herr Hirche hoch und heilig versprochen, die Hafenzufahrt auf jeden Fall zu erhalten. Herr Hirche und Herr Wulff, werden Ihre Treueschwüre allmählich zu Meineiden? Der Priel verlandet immer mehr, und Sie tun nichts. Sie halten die Menschen in unserer Region mit weiteren Untersuchungen hin, die komischerweise vor
Herr Wirtschaftsminister Hirche, statt endlich durch vernünftige Maßnahmen gegenzusteuern, statt die sogenannte Wega-Rinne zumindest prüfen zu lassen, fabulieren Sie, gegen die Natur könne man halt nicht anarbeiten, weder beim Priel noch bei den driftenden Ostfriesischen Inseln. Herr Hirche, einen solchen Quatsch können Sie vielleicht Herrn Sander erzählen.
Selbst Ihre Parteifreunde in Butjadingen verwahren sich gegen solche Einlassungen. Sonst hätte der Butjadinger FDP-Sprecher Helmut Siefken ja wohl kaum den offenen Brief vom 5. September dieses Jahres an Sie unterzeichnet, mit dem Sie eindringlich dazu aufgefordert werden, endlich etwas für die Freihaltung des Priels zu unternehmen. Mit Maßnahmen zur Freihaltung des Priels wird nicht gegen die Natur gearbeitet, Herr Hirche, sondern gegen die Auswirkungen der Weservertiefungen der letzten Jahrzehnte. Diese waren und sind gegen die Natur.
Meine Damen und Herren, wir reden hier nicht über ein bisschen Folklore. Wir reden vielmehr über wirtschaftliche Existenzen in der Fischerei, im Tourismus, in der Landwirtschaft, und wir reden über die Zukunft einer ganzen Gemeinde. Der Kreistag des Landkreises Wesermarsch hat die Folgekosten einer Verschlickung des Fedderwarder Priels auf 46 Millionen Euro beziffert. In der im Juli dieses Jahres einstimmig vom Kreistag, also auch vom Kollegen Thümler, verabschiedeten Resolution wird die Landesregierung aufgefordert, endlich die lange zugesagten Maßnahmen umzusetzen. Diese Resolution bedeutet die Aufforderung an die Landesregierung, das erforderliche Einvernehmen zur Wesertiefung zu versagen. Der Kreisausschuss Wesermarsch hat eine Stellungnahme zur Weservertiefung beschlossen, aus der klar hervorgeht, dass das Vorhaben aus Gründen des Naturschutzes so nicht genehmigt werden darf und dass erhebliche Mängel bei den Antragsunterlagen bestehen.
Meine Damen und Herren, die Hafenzufahrt und die Verschlickung an den Stränden sind nicht die einzigen Aspekte. Immer neue Weservertiefungen sind ein Seiltanz mit immer weniger Netz, wie es der BUND-Vorsitzende aus der Wesermarsch zutreffend beschrieben hat. Dass das Netz unheimlich dünn wird, hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zu globalen Umweltveränderun
gen noch im Mai dieses Jahres in einem Sondergutachten aufgezeigt. Danach wird der Anstieg des Meeresspiegels aufgrund der globalen Klimaveränderungen schneller vonstatten gehen und viel stärker ausfallen als bisher angenommen. Hinzu kommen häufigere und stärkere Sturmfluten. Davon werden die Mündungsbereiche der großen Flüsse, also auch der Weser, besonders betroffen sein.
Meine Damen und Herren, solch eine Wasserautobahn, zu der die Weser immer stärker ausgebaut wird, ist keine Einbahnstraße. Je tiefer und je breiter der Fluss wird, je mehr natürliche Barrieren durch Baggerei beseitigt werden, desto höher und weiter kann die Sturmflut in das Binnenland eindringen. Eine weitere Weservertiefung ist deshalb auch aus Gründen der Deichsicherheit und damit aus Gründen des Schutzes von Leib und Leben der betroffenen Menschen unverantwortlich.
Unter schifffahrtspolitischen Gesichtspunkten macht die Vertiefung der Außenweser erst recht keinen Sinn. Wenn alles so läuft wie geplant, geht 2010 der JadeWeserPort in Betrieb. Wir haben also in absehbarer Zeit einen Tiefwasserhafen, den auch die Containerriesen der nächsten Generation problemlos tideunabhängig anlaufen können. Weshalb dann noch Weser und Elbe vertiefen? Wollen wir drei Tiefwasserhäfen?
Das von der Bundesregierung in Auftrag gegebene aktuelle Gutachten „Nachhaltigkeitsaspekte der nationalen Seehafenkonzeption“ bemängelt genau diese Kleinstaaterei der deutschen Seehafenpolitik. Das läuft doch nach dem Motto: Die Länderfürsten aus Bremen, Niedersachsen und Hamburg können sich nicht vernünftig auf eine Hafenpolitik einigen und fordern vom Bund stattdessen alles: Weservertiefung, Elbvertiefung, JadeWeserPort, und der Bund soll alles bezahlen. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, da werden die Millionen verbaggert, die wir für die Bildungspolitik nötig brauchen könnten.
Meine Damen und Herren, die Landwirte sind gegen die Weservertiefung, die Deichbände sind dagegen, der Landkreis Wesermarsch, die Gemeinde Butjadingen, die Gemeinde Stadland, die Umweltverbände und, und, und. Vor Ort gibt es einen so massiven Widerstand wie nie zuvor, mehr als 850 Einwendungen. Für den Hafen Fedderwardersiel könnte diese neue Vertiefung der Todesstoß werden.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie die große Sorge der Betroffenen ernst! Werden Sie Ihrer Verantwortung für die Deichsicherheit gerecht, und betreiben Sie endlich eine länderübergreifende vernünftige Hafenpolitik! Wenn Sie das alles tun, gibt es nur eine Konsequenz: Lehnen Sie die von Bremen geplante Weservertiefung ab. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Weser ist als Bundeswasserstraße eine Lebensader für Bremen, Bremerhaven, Brake und Nordenham. Von dieser Wasserstraße sind direkt und indirekt Zigtausende von Arbeitsplätzen betroffen.
Die Entwicklung im Schiffsverkehr geht weiter: Die Containerschiffe werden größer. Auch Kohle- und Koksschuten rechnen sich nur, wenn sie voll beladen fahren. Auch der Transport von Getreide ist für die Region von außerordentlicher Bedeutung. Das Oldenburger Münsterland wird von hier aus mit Futtermittelrohstoffen versorgt. Wir alle wissen, dass die Fahrrinne der Weser hinsichtlich der Tiefe den neuen Anforderungen von voll beladenen Schiffen der PanMax-Größe nicht genügt. Dann ist es für die Wirtschaft nur folgerichtig, die Unter- und Außenweser den neuen Bedingungen anpassen zu wollen.
Meine Damen, meine Herren, auf der anderen Seite bringen solche Eingriffe auch Probleme mit sich. Es macht wirklich keinen Sinn, sie zu leugnen. Es geht z. B. um die Deichsicherheit - ich stelle sie ganz bewusst oben an -, um die Versalzung der Gräben und damit natürlich auch der Wiesen sowie um die Absenkung des Grundwassers. All das muss in einem geordneten Verfahren
geklärt werden. Dabei muss auch geklärt werden, wo Kompromisse möglich sind, wo welche Ersatzmaßnahmen zu leisten sind und wer für eventuelle spätere Schäden aufzukommen hat. Dazu allerdings, meine Damen und Herren von den Grünen, leistet Ihr Antrag keinen Beitrag. Im Gegenteil, wer wie Sie hier auftritt, trägt zur Unversöhnlichkeit von Ökologie und Ökonomie bei.
Nun zu einigen Punkten Ihres Antrags. Die Verschlickungsproblematik beim Fedderwarder Priel hat uns hier schon häufig beschäftigt. Eine langfristige Lösung liegt in unser aller Interesse. Doch Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, wissen genau, dass in Absprache mit allen Beteiligten vor Ort die Forschungsstelle Küste beauftragt wurde, ein Gutachten mit Handlungsanweisungen zum Fedderwarder Priel zu erstellen.
Die Vorlage dieses Berichts sollten wir abwarten; denn wir maßen uns hier nicht an, besser als die Fachleute Bescheid zu wissen.
Wie bei der Diskussion um die geplante Elbvertiefung muss auch an der Weser gelten, dass die Deichsicherheit gewährleistet sein muss. Dies ist Gegenstand der Planunterlagen und wird sicherlich bei den weiteren Erörterungen eine ganz entscheidende Rolle spielen müssen.
Bei dem von Ihnen angesprochenen Punkt der Beund Entwässerung, mit dem natürlich auch die Frage der Versalzung zusammenhängt, könnte ich mich der Forderung des Landkreises Cuxhaven anschließen, dass eine Aufnahme des Istzustandes gemacht und anschließend mit einem Monitoring die Veränderung der Gewässer und damit auch ihrer Salzfracht beobachtet wird. Dies sind wir der dortigen Landwirtschaft auch schuldig.