Protokoll der Sitzung vom 06.06.2008

Sehr geehrter Herr Kollege Focke, wir haben Ihnen dazu einen adäquaten Kompromissvorschlag vorgelegt. Sie aber lassen sich auf nichts ein und führen mit Ihren Vorschlägen eine Änderung der Verfassung im Sinne des Kinderschutzes ad absurdum.

(Beifall bei der SPD)

Bei den Früherkennungsuntersuchungen hätten Sie sich die Mühen eigentlich sparen können. Es ist geradezu aberwitzig, dass Sie die Ministerin um etwas bitten, das sie seit fast zwei Jahren immer wieder ankündigt, aber nicht durchführt. Wir hätten längst einen Gesetzentwurf erhalten müssen. Dann bräuchten Sie ihn auch nicht mehr zu fordern.

(Beifall bei der SPD)

Es wäre schön, wenn wir der Presse glauben könnten und Sie, Frau Ross-Luttmann, Ihren Ankündigungen endlich Taten folgen ließen. Wir fordern Sie auf, uns damit bis spätestens Ende dieses Monats zu beglücken. Sollten Sie nun wieder argumentieren, es sei vorher rechtlich nicht möglich gewesen, einen Entwurf einzubringen, dann schauen Sie einmal ins Saarland oder ins in diesem Fall vorbildliche Bayern!

Herr Focke, von „Generalverdacht“ kann keine Rede sein. So etwas hier zu behaupten, ist absoluter Blödsinn. Wir vertrauen den Eltern ebenso wie Sie. Aber für uns geht es ums Kindeswohl, nicht ums Elternrecht. Bei uns ist klar: Das Kindeswohl bricht das Elternrecht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Wir sind schon sehr gespannt, wie Ihr verbindliches Einladungswesen wirklich verbindlich werden soll.

Die Kommunen sind sicherlich auch daran interessiert, welche finanziellen Mittel Sie ihnen für die sogenannten helfenden Interventionen zukommen lassen. Dazu schreiben Sie in Ihrem Antrag gar nichts.

Das gilt übrigens auch für das Familienhebammenprogramm, das wir nicht nur 2001 auf den Weg gebracht haben, sondern auch weiterhin unterstützen. Wir fordern die Landesregierung auf, dieses Programm in Niedersachsen flächendeckend zu verankern und die finanziellen Ressourcen bereitzustellen. Alle Kommunen sollen, unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, in die Lage versetzt werden, diese sinnvollen frühen Erziehungshilfen den Eltern anzubieten. Es darf nicht davon abhängen, wo ein Kind wohnt, ob diese Hilfen in Anspruch genommen werden können.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Sie preisen Ihre Maßnahmen - oder besser gesagt: Ihre Ankündigungen - zum Kinderschutz, die Herr Focke uns wieder in üblicher Manier heruntergebetet hat, immer als sehr vorbildlich an. Ich sage Ihnen dazu eines: Auch wenn Sie das ständig artig und brav wiederholen, wird Ihre Politik dadurch noch lange nicht besser.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Schön wäre es, wenn Ihre Selbstbeweihräucherung zuträfe. Die Realität sieht aber so aus: Sie wälzen Kosten auf die Kommunen ab, kündigen an, versprechen etwas, loben lieber unverbindliche Preise aus, versprechen etwas anderes und setzen das Wenige zum Teil mehr als dilettantisch um. Das ist die Realität, meine Damen und Herren von CDU und FDP.

(Beifall bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Wie wollen Sie das denn beur- teilen?)

- Herr Rolfes, das klassische Beispiel ist das Kindernotruftelefon. Auf unser Drängen haben Sie 2007 endlich Gelder in den Haushalt eingestellt. In anderthalb Jahren hat es die Ministerin nicht geschafft, dieses Projekt umzusetzen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das wurde von Herrn Schwarz schon 25-mal er- wähnt!)

- Sie können gerne eine Frage stellen, wenn Sie wollen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Ich brauche nicht zu fragen! Ich sage es Ihnen so! - Gegenrufe von der SPD)

Die Krönung ist nun, dass Sie die für das Kindernotruftelefon vorgesehenen Mittel für Werbezwecke verwenden. Wir erwarten, dass Sie nunmehr tätig werden und uns unterrichten, wann das Kindernotruftelefon endlich eingerichtet wird und Hilfestellung leisten kann. Darum geht es uns.

(Beifall bei der SPD)

Vor vier Wochen hat auch die Kollegin Staudte von Bündnis 90/Die Grünen an dieser Stelle Ihren Antrag kritisiert. Sie hat genau die richtigen Punkte aufgegriffen, die mehr als fragwürdig sind, beispielsweise die ständigen Ankündigungen ohne nachfolgende Maßnahmen und die fehlende Finanzierung der Aufgabe in den Kommunen. Insofern verwundert es doch sehr, dass die Grünen nun nach einer marginalen Änderung den Antragstext mittragen. Vielleicht haben sie einige Punkte nicht ganz begriffen,

(Na, na! bei der FDP und bei den GRÜNEN)

nämlich dass zu den Kinderrechten im Antrag nichts Neues steht, dass ein „verbindliches Einladewesen“ ohne Sanktionen ein zahnloser Tiger bleiben wird, dass der Punkt bezüglich der Vorschriften zum familiengerichtlichen Kinderschutz bereits erledigt ist und dass beim Familienhebammenprogramm nicht geklärt ist, ob das Land sich an einer Ausweitung finanziell beteiligt oder die Kommunen letztlich zahlen müssen, wovon wir ausgehen.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, wir erwarten von Ihnen, dass Sie wirklich konsequent die Interessen der Kinder in den Vordergrund stellen, im Zweifelsfall das Kindeswohl vor das Elternrecht stellen und nicht nur ständig ankündigen, sondern endlich auch einmal handeln.

(Beifall bei der SPD)

Es wäre schön, wenn Sie sich da eines Besseren belehren ließen. Wir helfen Ihnen da gerne. Es fehlt uns einzig der Glaube.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das glaube ich gern!)

Um Ihnen etwas auf die Sprünge zu helfen, haben wir einen Änderungsantrag eingebracht und Ihnen zur Abstimmung vorgelegt. Da Sie alle intelligente und dem Kinderschutz zugetane Parlamentarier sind und zum Teil selber noch kleine Kinder haben,

(Ursula Körtner [CDU]: Oder Enkel- kinder!)

also aus erster Hand wissen, worum es geht und was wichtig ist, gehen wir davon aus, dass Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Damit hätte sich Ihr Antrag, dem wir ohnehin nicht hätten zustimmen können, erledigt.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren an dieser Stelle über die niedersächsischen Perspektiven für einen besseren Schutz unserer Kinder. Ich nehme Ihnen allen ab, dass wir eigentlich das gleiche Ziel haben. Aber für den Weg dorthin brauchen wir mehr Verbindlichkeit. Dazu möchte ich noch ein paar Worte sagen.

Die Entscheidung, die wir gleich über den vorliegenden Entschließungsantrag zu fällen haben, hat einen anderen Hintergrund. Es geht nämlich, wie ich gerade gesagt habe, um die mit dem Antrag zu verknüpfende Verbindlichkeit, um die Frage nach dem Wann der Umsetzung dieses Antrages und, damit verbunden, auch um die Frage der Glaubwürdigkeit der antragstellenden Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU, zumal ihr gemeinsamer Änderungsantrag keine substanziell neuen Gesichtspunkte aufgeworfen hat. Die Landesregierung hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode die gleichen Ziele dargestellt, nur hat sie es versäumt, diese auf die Umsetzungsebene zu bringen. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

Auf der einen Seite missbrauchen die antragstellenden Fraktionen von CDU, FDP und Grünen den Antrag dazu, eine Forderung nach Kinderrechten in der Verfassung zu formulieren, ein Thema, das wir bereits in der letzten Plenarwoche anhand anderer Anträge diskutiert haben. Die Entscheidung

über die genaue Formulierung ist noch in der Debatte.

Im zentralen Punkt Ihres Antrages, der Nr. 2, sprechen Sie - darauf haben Sie, Herr Focke, hingewiesen - von einem „verbindlichen Einladungswesen“ für die Kinderfrüherkennungsuntersuchungen. Das ist eine wichtige und unterstützenswerte Forderung. Allerdings verzichten Sie auch an diesem Punkt in den nächsten Sätzen auf die Verbindlichkeit, indem Sie bereits jetzt vorgeben, dass Eltern, die der Einladung nicht folgen, keine Sanktionen zu erwarten haben. Ich frage Sie, wie Sie das dann überhaupt durchsetzen wollen. Dazu kamen von Ihnen keine Impulse.

In weiteren Punkten rufen Sie nach einer Stärkung der Familiengerichte und der Jugendämter und bitten die Landesregierung, sich für diese Forderung einzusetzen. Das geht nicht weit genug.

Der letzte Punkt des vorliegenden Antrages, mit dem alle Beteiligten des Bildungs- und des Gesundheitswesens und der Jugendhilfe ihre Anstrengungen mit dem Ziel einer Erhöhung der Teilnehmerquote an den Früherkennungsuntersuchungen verstärken wollen, ist rein plakativ und erfordert keine Konsequenzen von allen Beteiligten. Schade eigentlich!

(Beifall bei der LINKEN)

Was bleibt da noch von dem Antrag übrig? - Lediglich die Aufforderung an die Landesregierung, einen flächendeckenden Ausbau des Familienhebammenprogramms, das damit verbundene Fortbildungskonzept und die Unterstützung der Beratungsstellen bleiben als wichtige Forderungen und Inhalte in Ihrem Antrag übrig. Das ist nicht Nichts, aber auch nichts Neues, da unsere zuständige Frau Ross-Luttmann dieses alles bereits vor der Antragstellung im Fachausschuss als Teil ihrer politischen Zielfelder dargestellt hat. Wir Linke fordern von Ihnen einen Antrag, der die hier dargestellten Inhalte in den Rang der Verbindlichkeit erhebt. Leider ist das nicht der Fall.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Fraktion DIE LINKE unterstützt daher folgerichtig die Änderungsvorschläge der SPD-Fraktion, die genau dies, also die Verbindlichkeit, einfordert. Wenn die Regierungsfraktionen und die Grünen glaubwürdig bleiben wollen, müssen sie den uns vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion übernehmen. Ihren Antrag wird unsere Fraktion ablehnen. Der Schutz der Kinder sollte uns allen am Herzen

liegen. Hierzu brauchen wir eine schnellstmögliche Umsetzung der hier diskutierten Forderungen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die nächste Rednerin ist Frau Meißner von der FDP-Fraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns alle verbindet der Wunsch, für das Wohl der Kinder zu sorgen. Jeder in diesem Hause will, dass Kinder vor Verwahrlosung und vor Vernachlässigkeit geschützt werden und gesund aufwachsen können. Dies ist im Übrigen auch eine ganz wichtige soziale Forderung; denn Kinder sind dann von der Gesellschaft ausgeschlossen, wenn nicht genügend für sie gesorgt wird, wenn niemand auf sie und ihre Gesundheit achtet, wenn niemand ihnen Zuwendung zukommen lässt.