Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

(Uwe Schwarz [SPD]: Dann wird es auch fachlich!)

- Selbstverständlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen: Auch die FDP-Fraktion wird den Antrag, der heute von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE zur Einrichtung einer Kinderkommission auf dem Tisch liegt, ablehnen, und zwar aus folgendem Grund:

Wir haben uns ja gemeinsam entschieden, die Kinderrechte in die Niedersächsische Verfassung zu schreiben. Ich muss es einmal ganz deutlich sagen, Herr Humke: Wir fühlen uns bei jeder Entscheidung an die Niedersächsische Verfassung gebunden. Insofern sind wir in Niedersachsen immer dem Kinderwohl verpflichtet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Wir haben uns dann, um diesem Thema einen höheren Stellenwert zu geben, dazu entschieden, einen Kinderbeauftragten einzurichten. Der wird konkret arbeiten und konkret bei Lösungen helfen - ganz im Gegenteil zur Arbeit einer Kommission.

Wir befürchten, dass eine Kommission eher ein schwerfälliges Gremium sein würde, ohne harte Kompetenzen. Sie haben ja dargestellt - auch Frau

Staudte hat es dargestellt -, dass die Regulierung der Einstimmigkeit dazu beiträgt, dass diese Behäbigkeit und Schwerfälligkeit noch stärker wird. Das heißt, wir setzen auf ein Instrument, nämlich auf den Kinderbeauftragten, der Kindern in Niedersachsen konkret helfen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass jedes sechste Kind in Niedersachsen in Armut lebt. Es ist in den letzten Wochen und Monaten vielleicht schon schlimmer geworden; denn Frau Staudte spricht mittlerweile davon, dass jedes fünfte Kind in Armut lebt. Ich weiß nicht, ob sich diese Zahl stündlich ändert.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: „Von Ar- mut bedroht“, habe ich gesagt! Ich halte sowieso nicht viel von diesen Zahlen. Glauben Sie denn ernsthaft - wir glauben übrigens nicht, dass wir diesen Sachverhalt durch die Ein- richtung eines Beauftragten ändern können -, dass Sie diese Zahl durch die Einrichtung und die Arbeit einer Kommission ändern können? - Ich glaube das nicht, meine Damen und Herren. Ich meine, wenn man sich diesem Thema nähern will, dass jedes sechste Kind in Armut lebt, dann muss man sich um Bildungspolitik kümmern, dann muss man sich um Sozialpolitik kümmern, dann muss man sich um Wirtschaftspolitik kümmern. Ich kann Ihnen zwei Zahlen nennen, die deutlich ma- chen, dass wir seit 2003 sehr erfolgreich arbeiten: Erstens gibt es eine massive Senkung der Schul- abbrecherquote, und zweitens haben wir seit 19 Jahren die geringste Arbeitslosigkeit im Land. All das kommt auch Kindern in Niedersachsen zu- gute, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zum Schluss meiner Rede möchte ich ein Zitat aus Ihrer Begründung bringen:

„Der Landtag setzt damit nach der o. g. Verankerung von Kinderrechten in der Niedersächsischen Verfassung ein Signal, dass er die Kinder und Jugendlichen in besonderer Weise in die Fürsorge und Obhut eines parlamentarischen Gremiums nehmen will.“

Erstens erinnert mich das an die Aussage des ehemaligen Generalsekretärs der Bundes-SPD und heutigen Ersten Bürgermeisters der Stadt Hamburg Olaf Scholz, der damals - - -

Herr Kollege Grascha, auch bei Ihnen leuchtet eine - wenn auch kleine - rote Lampe!

Herzlichen Dank für den Hinweis. Zwei Sätze bitte noch, Herr Präsident!

Erstens erinnert mich das an den Satz mit der Hoheit über die Kinderbetten. Zweitens sagen Sie selbst: Es ist nur ein Signal. - Wir setzen auf konkrete Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Herrn Klein von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Grascha, ich muss Sie zuerst korrigieren. Nach Ihrer Interpretation wären an jenem Tag auch Herr Böhlke und ich Fachpolitiker gewesen; denn auch wir waren im Ältestenrat dabei. Das trifft daher nicht nur auf Sie zu.

Frau Staudte und Herr Humke haben den Antrag der drei Fraktionen - SPD, Bündnis 90/Grüne und Linke - bereits dezidiert vorgestellt. Mir obliegt, das ein bisschen zu ergänzen.

Uns geht es darum, eine besondere Vertretung der Interessen von Kindern und Jugendlichen zu installieren. Eine solche Anlaufstelle gibt es in dieser Form bisher nicht. Wir meinen, im Rahmen der Umsetzung der UN-Konvention aus dem Jahr 1989 und der Umsetzung der vor fast genau zwei Jahren in unsere Verfassung eingefügten Kinderrechte ist das absolut nachvollziehbar und richtig.

Die Kinderpolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Viele verschiedene Ausschüsse sind mit Themen befasst, die Kinder und Jugendliche betreffen. Einige Themen sind bereits genannt worden. Es geht aber auch um Sicherheit im Straßenverkehr, um Alkohol- und Drogenkonsum, um Medienkompetenz - im Rahmen der Ausweitung von Social Networks müssen wir auch da tätig werden -, um Schutz vor Gewalt in jeder Form, um die Eingliederung von Kindern mit Behinderungen, um gesunde Ernährung, um eine lebenswerte Umwelt und natürlich um Bildung in Kitas und in Schulen.

Das alles sind Themen, die Kinder und Jugendliche betreffen. Sie alle müssen auch in einem Gremium gemeinsam beraten werden. Das ist momentan nicht der Fall, weil sich viele verschiedene Ausschüsse mit diesen Materien beschäftigen.

Von daher glauben wir, dass es im Rahmen der Einrichtung dieser Kommission auch darum geht, Zukunft für Kinder und Jugendliche zu gestalten, Kinderthemen mehr in die Öffentlichkeit zu bringen und das Signal zu geben, dass wir uns mit diesen Fragen wesentlich detaillierter und konkreter beschäftigen, als es bisher der Fall ist.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich weiß, gleich wird Frau Ministerin Özkan noch einmal ausführlich die Antwort auf die Frage von Frau Staudte vortragen. Sie wird all das aufzählen, was bisher im Rahmen der Kinder- und Jugendpolitik gemacht worden ist. Darauf gab es schon eine sehr ausführliche Antwort. Allerdings ist es dabei eher um die Auslobung von Preisen sowie die Einrichtung von runden Tischen und Arbeitskreisen gegangen. Allzu viel Konkretes ist nach unserer Ansicht nicht dabei.

Zudem muss man noch einmal deutlich erwähnen, dass die vielen - ich sage einmal - Missetaten der Vergangenheit von den Fraktionen der CDU und der FDP auf den Weg gebracht worden sind. Sie haben das Landesjugendamt aufgelöst. Sie haben den Landesjugendhilfeausschuss eingestampft. Sie haben die Landeszentrale für politische Bildung kassiert. Sie haben in der letzten Periode massive Kürzungen im Jugendbereich vorgenommen. Sie haben den Ausschuss für Jugend und Sport nicht mehr haben wollen und kassiert. Ich darf den Landesjugendring zu Ihrer Politik zitieren:

„Zu keiner Zeit hat es solch massive … Eingriffe mit derart dramatischen Auswirkungen für die Kinder- und Jugendarbeit in Niedersachsen gegeben“.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Das ist lange her!)

- Ja, aber Sie haben es nicht korrigiert. Das ist das Problem - auch wenn es lange her ist.

Ich denke, Sie können unserem Antrag folgen. Er ist inhaltlich ausgereift und exzellent formuliert. Sie können aber auch Ihren Vorbildern folgen. Auch in

der CDU gibt es viele, die dieses Thema durchaus positiv sehen. Herr Pols, MdB und seinerzeit Vorsitzender der Kinderkommission, hat gefordert, dass die Länder dem Beispiel des Bundes folgen und Kinderkommissionen einrichten.

(Detlef Tanke [SPD]: Aha!)

In Bayern gibt es eine Kinderkommission; Dort haben wir - zumindest noch - nicht die Mehrheit. In Sachsen-Anhalt gab es im Jahr 2006 einen Antrag auf Einrichtung einer Kinderkommission - von der FDP-Fraktion, Herr Grascha. In Brandenburg gibt es einen Antrag der CDU-Fraktion aus dem Jahr 2010 auf Einrichtung einer Kinderkommission. Ich glaube, dem könnten auch Sie folgen. Dann sind wir auf einem ganz guten Weg.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Noch einmal zu Ihrem Kinderbeauftragten: Das ist natürlich keine Alternative. Eine Person kann die Aufgaben, die auf sie zukämen, überhaupt nicht schaffen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Acht ver- schiedene Meinungen!)

- Nein, wir brauchen einen fraktionsübergreifenden Konsens, Herr Böhlke. Es geht doch darum, dieses Thema fraktionsübergreifend in den Fokus zu nehmen. Das wäre der richtige Ansatz.

Ich frage mich zudem, warum heute Ihr Jugendsprecher, Herr Kollege Focke, nicht dabei ist. Vielleicht gibt es da einen Interessenkonflikt in Bezug auf die künftige Besetzung einer Position. Sie sprechen ja immer von dem Kinderbeauftragten und nicht von dem oder der Kinderbeauftragten. Anscheinend ist das schon festgelegt, und deswegen darf er heute nicht reden. Das kann ich mir zumindest vorstellen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Björn Thümler [CDU]: Falsche Vorstellung!)

Das Wohl unserer Kinder, hat eben Frau Meyer zu Strohen gesagt, ist uns wichtig. - Dem können Sie jetzt Ausdruck verleihen, indem Sie unserem Antrag zustimmen.

(Widerspruch bei der CDU)

- Aber selbstverständlich! Er ist doch absolut plausibel. Folgen Sie also unserem Antrag!

(Norbert Böhlke [CDU]: Jetzt versu- chen Sie es mit kindlichem Charme!)

Richten Sie eine Kinderkommission ein! Das kommt den Kindern zugute, und darum muss es uns in erster Linie gehen.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich komme zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der drei Oppositionsfraktionen in der Drs. 16/3418 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Bitte die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer übereingekommen sind, über den Antrag unter Tagesordnungspunkt 22 ohne Aussprache zu beschließen und den Tagesordnungspunkt 23 - „Kein neuer Feldversuch mit Gigalinern in Niedersachsen“ - auf morgen zu verschieben. Ich schlage Ihnen vor, diesen Punkt gleich nach den Mündlichen Anfragen zu behandeln, weil es sich um eine abschließende Beratung handelt. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.