Zum dritten Mal schon hat eine niedersächsische Integrierte Gesamtschule, in diesem Jahr die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen, den Deutschen Schulpreis, die am höchsten dotierte Auszeichnung der Bundesrepublik, für ihre hervorragende Arbeit bekommen. Wir gratulieren von dieser Stelle, aus dem Landtag, der Gesamtschule in Göttingen sehr herzlich. Wir sind stolz auf diesen Preis.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Wie viele Schulen haben dar- an teilgenommen? - Gegenruf von Stefan Wenzel [GRÜNE]: 119! - Zuruf von der CDU: Und wie viele Gesamt- schulen haben daran teilgenommen?)
- Ich habe sehr wohl gesehen, wer nicht geklatscht hat. - Meine Damen und Herren, das Pikante ist: Ausgerechnet Bundespräsident Christian Wulff überreicht schmallippig diesen bedeutenden Preis. Er weiß sehr gut, was für eine peinliche Demütigung dies für ihn und die CDU-Bildungspolitik bedeutet, die er hier als Ministerpräsident in Niedersachsen eingeleitet hat - er, der es immer verstanden hat, die Einladung an diese Gesamtschule zu umgehen.
Der gleiche Christian Wulff ist 2003 mit seiner CDU hier in Niedersachsen angetreten, um, wie die taz am 10. Juni schrieb, Gesamtschulen wie die IGS in Göttingen von der schulpolitischen Landkarte zu tilgen.
(Ulf Thiele [CDU]: Der gleiche Minis- terpräsident, der so viele IGSen ge- nehmigt hat wie kein anderer zuvor!)
Ja, meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie wollten diese Schulform anfangs sogar ganz aus dem Schulgesetz streichen. Fünf Jahre lang haben Sie ohne jeden Grund diese Gesamtschulen verboten. 2007, kurz vor der Wiederwahl, kündigte Christian Wulff dann eine Lockerung des Verbots an - das nur zu Ihrer Erinnerung. Seit 2008 werden Gesamtschulen wieder zugelassen, aber sie müssen fünfzügig sein.
Aber weil das immer noch nicht reichte, die Nachfrage in Niedersachsen nach Gesamtschulen zu stoppen, verfiel die schwarz-gelbe Landesregierung wieder auf eine neue Schikane: Gesamtschulen müssen jetzt auch das Turboabitur nach Klasse 12 vergeben. „Das macht unser Konzept kaputt“, sagt Schulleiter Wolfgang Vogelsaenger von der IGS Göttingen. Kinder lernen von Kindern und mit Kindern. Bis Klasse 10 lernen die Kinder an der IGS Göttingen gemeinsam in Tischgruppen ohne äußere Kursdifferenzierung, ohne Sitzenbleiben und ohne Abschulung. Meine Damen und Herren, der Erfolg gibt ihr recht: 70 bis 75 % dieser Kinder eines Jahrgangs verlassen die Schule mit Abitur.
Ist das denn etwa kein Erfolg? - Offensichtlich freuen Sie sich gar nicht darüber. Wenn es nach Herrn Althusmann geht, soll damit jetzt Schluss sein. Mit dem Turboabitur wird auch die Gesamtschule Göttingen in Zukunft gezwungen sein, im zehnten Jahrgang die Tischgruppen aufzulösen und die Schülerinnen und Schüler in Kurse mit verschiedenen Leistungsniveaus zu sortieren, gerade im 10. Jahrgang, wenn nach der Pubertät viele Jugendliche noch einmal richtig durchstarten. Genau das schreibt uns allen der Schulelternrat dieser Schule. Gerade in diesem Zeitraum werden
Schon in den Jahrgängen 6 bis 9 wird das Turbokonzept weniger Zeit als bisher für Sozialtraining, für Teamtraining und für Berufsorientierung lassen. Herr Althusmann, statt die Gelingensbedingungen für das Göttinger Erfolgsmodell auch für andere Schulen nutzbar zu machen, wollen Sie es zerschlagen und noch nicht einmal für die Schule, die den Deutschen Schulpreis errungen hat, eine Ausnahme zulassen. Meine Damen und Herren, deutlicher kann man nicht zeigen, dass es Ihnen von der CDU nur um Parteipolitik und überhaupt nicht um die Qualität von Schule geht.
Herr Althusmann, diese Haltung ist unglaublich für einen Kultusminister, der auch noch Präsident der KMK ist.
Aber, meine Damen und Herren, es gibt zum Glück auch noch andere Stimmen in der CDU. Ich zitiere: Beschäftigt man sich intensiv und nachhaltig mit dem preisgekrönten Konzept der IGS Göttingen, wird schnell deutlich, dass die Verkürzung der Zeit bis zum Abitur von 13 auf 12 Jahre in einem solchen Konzept nicht unterzubringen ist. - Das sagt der Vorsitzende der Kreistagsfraktion der CDU Göttingen, Dr. Harald Noack, ein von uns sehr geschätzter ehemaliger Kollege hier im Landtag.
„Lothar Koch, MdL, und ich werden uns nachdrücklich dafür einsetzen, dass eine solche Lösung trotz der zwischenzeitlich erklärten Absage doch noch verwirklicht wird.“
Herr Althusmann, dem können wir uns mit der gesamten Fraktion der Grünen nur anschließen. Verzichten Sie darauf, dieser preisgekrönten IGS in Göttingen durch den Zwang zum Abi nach Klas
se 12 das Konzept zu zerstören! Bundesweit wird diese Schule jetzt nachgefragt, überall wird eingeladen.
Letzter Satz: Sorgen Sie dafür, dass dieses gute Konzept in Niedersachsen und in Deutschland Schule machen kann! Wir sind sehr stolz auf diese Schule.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 10. Juni dieses Jahres hat die IGS Göttingen-Geismar den Deutschen Schulpreis gewonnen.
Darüber freuen wir uns natürlich alle. Auch ich gratuliere hier ganz herzlich im Namen der gesamten CDU-Fraktion.
Seit 1975 kann die IGS Göttingen-Geismar mit einer Ausnahmeregelung ein besonderes pädagogisches Konzept weiterentwickeln. Dafür wurde sie jetzt ausgezeichnet. Natürlich schaut man jetzt wieder einmal mehr nach Niedersachsen, wo es in den letzten Jahren vieles zu bewundern gab: den Deutschen Fußballmeister, den Deutschen Eishockeymeister, einen Bundespräsidenten und jetzt eben eine super Schule. - Doch was macht die Opposition nach einer solchen Preisverleihung für eine Schule? - Reflexartig kommt es wieder zu einer Schulstrukturdiskussion. Ihnen fällt dazu nichts anderes ein, als wieder diese Diskussion anzufangen, die wirklich niemanden mehr interessiert, meine Damen und Herren von der Opposition. Schulen werden durch Schulstrukturdiskussionen einfach nicht besser. Hier muss man schon etwas mehr Gehirnschmalz einsetzen.
Pädagogische Konzepte müssen erarbeitet werden, um jedem Schüler und jeder Schülerin möglichst viele Entwicklungsmöglichkeiten zu erschließen. Fördern und Fordern sind hier gefragt. Genau dies ist an der IGS Göttingen-Geismar sehr gut gelungen. Das sage ich hier ausdrücklich. Es ist wenig glaubwürdig, jetzt vonseiten der Opposition so zu tun, als könnte man das Göttinger Konzept ohne Weiteres 1 : 1 auf alle Schulen im Lande übertragen. Das ist völlig unrealistisch.
Ich nenne Ihnen einmal die Bedingungen, die an dieser Schule herrschen: 60 bis 65 % der Schülerinnen und Schüler haben eine Gymnasialempfehlung.
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist der Durchschnitt in der Stadt Göttingen! Das ist nichts Ungewöhnliches!)
Das ist keine typische Schülerstruktur in Niedersachsen. Alle Kurse in den fachleistungsdifferenzierten Fächern werden von der Lehrerstundenzuweisung wie Z-Kurse behandelt. Sie wissen, was das bedeutet: 192 Stunden nach KMK-Vorlage. Diese vielen Stunden werden verlangt, damit man das Abitur nach 12 Jahren ablegen kann. Diese enorme Stundenzuweisung bekommt nur diese eine Schule in Göttingen-Geismar. Die Schule erhält mehr als 300 Lehrerstunden allein für den Ganztagsbetrieb.
Meine Damen und Herren, Sie sehen daran, dass die Schule in Göttingen-Geismar besser mit Lehrerstunden ausgestattet ist als jede andere öffentliche allgemeinbildende Schule in Niedersachsen. Das haben wir gerne unterstützt. Die Opposition aber stellt sich jetzt hier hin und fordert, diese Möglichkeiten allen Schulen in Niedersachsen zu eröffnen. Diese Forderung ist einfach unglaubwürdig. Das kostet einfach Ressourcen.
Wer hat in den letzten Jahren für Ressourcen gesorgt? - Wir! Beispielsweise die SPD hat genau das Gegenteil getan. Als wir 2003 mehr Lehrerstellen einsetzen wollten, waren Sie dagegen. Es gab kaum Ganztagsschulen. Wir haben sie eingerichtet! Die Stundentafeln mussten von uns erst einmal wieder auf ein vernünftiges Niveau gebracht werden. Der Unterrichtsausfall war zu Ihrer Regierungszeit an der Tagesordnung. Wir von CDU und
FDP haben doch in den letzten Jahren erst dafür gesorgt, dass mehr Geld in den Bildungsbereich fließt. Fast 5 Milliarden Euro sind darin.
Meine Damen und Herren, die IGS GöttingenGeismar erreicht Jahr für Jahr ansehnliche Ergebnisse. Das ist sehr erfreulich. Doch auch andere Schulen, die nicht so günstige Lernbedingungen haben, erreichen dasselbe Niveau. Deshalb wird jetzt von unserer Seite aus genau hingeschaut, was von den pädagogischen Konzepten der IGS an anderen Schulen übernommen werden kann.
Natürlich kann auch ich mir vorstellen, der besonderen Situation der Schule Rechnung zu tragen. Aber hier muss genau abgewogen werden.