Protokoll der Sitzung vom 01.07.2011

3. Wer übernimmt die Produkthaftung bei Lebensmitteln, die ohne gültiges MHD durch den Einzelhandel vertrieben werden sollen, und gibt es hierfür eine Rechtsgrundlage?

Die Kennzeichnung von Zutaten, Nährwerten und Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) erleichtert die Kaufentscheidung eines Konsumenten ebenso wie die Angabe von Qualitätsmerkmalen und Eigenschaften eines Lebensmittels. Diese Transparenz und Information schafft für den Verbraucher einen klaren Mehrwert. Die Warenwelt im Supermarkt ist verführerisch und vielfältig und zielt darauf ab, beim Einkaufen mehr Lebensmittel in den Warenkorb zu geben, als man eigentlich benötigt. Besonders die gut ausgebildeten Bevölkerungsgruppen, so zeigt eine im Auftrag des BMELV erstellte Studie, und die Gruppen mit relativ hohen Einkommen werfen regelmäßig größere Mengen an Lebensmitteln weg. Das geringe hauswirtschaftliche Grundwissen weiter Bevölkerungsteile führt dazu, dass zwischen einer Mindesthaltbarkeit und einem Verfall nicht mehr unterschieden wird, sondern das MDH häufig mit dem Verbrauchsdatum bei Lebensmitteln verwechselt wird.

Das MHD ist ein auf Verpackungen anzugebendes Datum, das angibt, bis zu welchem Termin ein Lebensmittel bei sachgerechter Aufbewahrung auf jeden Fall ohne wesentliche Geschmacks- und Qualitätseinbußen sowie ohne gesundheitliches Risiko zu essen oder zu trinken ist. Die Festlegung des MDH liegt im Ermessen des Herstellers.

Das Verbrauchsdatum ist bei mikrobiell sehr leicht verderblichen Lebensmitteln (z. B. Hackfleisch) anzugeben. Nach Ablauf des Verbrauchsdatums dürfen Lebensmittel nicht mehr in den Verkehr gebracht werden.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die „Wegwerfmentalität“ ist als Problem der heutigen Überflussgesellschaft zu sehen. Viele Verbraucher kaufen, u. a. bedingt durch GroßPackungen, mehr Lebensmittel ein, als sie eigentlich benötigen. Dies bestätigen Untersuchungen, die aufzeigen, dass viele der weggeworfenen Lebensmittel aus Privathaushalten stammen. Die Problematik ist bekannt und könnte aus Sicht des ML nur durch eine verstärkte Ernährungs- und Verbraucherbildung verändert werden. Dabei ist, ähnlich wie in der Müllvermeidung, eine längere

zeitliche Perspektive in den Maßnahmen zwingend.

Zu 2: Einzelhändler, die Produkte über das MHD hinweg verkaufen wollen, müssen sich im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht vergewissern, gegebenenfalls auch durch Öffnen einer ausreichenden Anzahl von Packungen, ob das Lebensmittel noch verkehrsfähig ist. Diese Lebensmittel würden vermutlich von einkommensschwächeren Gruppen bevorzugt ausgewählt werden. Die sozialen Tafeln für Bedürftige verwenden Lebensmittel auch nach Ablauf des MDH, wobei dies von einigen durchaus sehr kritisch gesehen wird.

Zu 3: Nach der Definition in § 7 Abs. 1 der Lebensmittel-Kennzeichungsverordnung ist das MHD das Datum, bis zu dem das Lebensmittel unter den angegebenen Aufbewahrungsbedingungen seine spezifischen Eigenschaften behält. Die spezifischen Eigenschaften sind nicht nur im Sinne des Gesundheitsschutzes zu sehen, sie beziehen sich vielmehr auch auf den Nähr- und Genusswert.

Das MHD wird vom Hersteller des Lebensmittels festgelegt. Einem Einzelhändler, der Lebensmittel mit abgelaufenem MHD in den Verkehr bringt, obliegt im Sinne der Sorgfaltspflicht eine erhöhte Verantwortung. Er muss sich über die Beschaffenheit des Lebensmittels vergewissern und insbesondere bei einer Minderung des Nähr- oder Genusswertes oder der Brauchbarkeit dieses kenntlich machen (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 b LFGB).

Anlage 35

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 38 der Abg. Björn Försterling und Jan-Christoph Oetjen (FDP)

Hat sich der Ernährungsführerschein an niedersächsischen Schulen bewährt?

Das Wissen um eine gesunde Ernährung ist Grundlage einer umfangreichen Gesundheitsbildung. Speziell die frühe Vermittlung ernährungsbezogener Themen in Kindergärten und Schulen hat sich nachhaltig bewährt. Im Niedersächsischen Schulgesetz ist im Bildungsauftrag verankert, dass Schülerinnen und Schüler befähigt werden sollen, für „die Erhaltung der Umwelt Verantwortung zu tragen und gesundheitsbewusst zu leben“. Um der Bedeutung der Ernährung im Kindes- und Jugendalter gerecht zu werden, ermöglichen Schulen in Niedersachsen u. a. die Teilnahme an einem Kurs zum Erwerb des Ernährungsführerscheins.

Wir fragen die Landesregierung:

1. An wie vielen Schulen in Niedersachsen kann derzeit ein Ernährungsführerschein erworben werden, und wie viele Schüler in Niedersachsen haben diesen bereits erworben?

2. Welche Angebote, Maßnahmen oder Projekte sind der Landesregierung darüber hinaus bekannt, bei denen sich Kinder, Jugendliche oder Eltern über die gesundheitlichen Aspekte einer ausgewogenen Ernährung informieren können?

3. Inwiefern kann das Konzept für die Klassen 5 und 6 weiterentwickelt werden, um eine kontinuierliche Auseinandersetzung des Themas in niedersächsischen Schulen zu gewährleisten?

Die in der Ottawa-Charta der WHO (Weltgesund- heitsorganisation) geforderte Gesundheitskompetenz beschreibt die Fähigkeit des Einzelnen, im alltäglichen Leben Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Diesem Ziel wird seitens der Landesregierung große Bedeutung beigemessen. Demzufolge wurden Ernährungs- und Verbraucherbildung als wichtige Zukunftsthemen in den niedersächsischen Kerncurricula der verschiedenen Schulformen verankert. Bildung für nachhaltige Entwicklung unterstützt dazu als Querschnittsaufgabe z. B. durch das in Niedersachsen besonders erfolgreiche Lernarrangement der nachhaltigen Schülerfirmen gesunde Ernährung im Zwischenverpflegungsbereich an Schulen und fördert in vorbildlicher Weise das eigenverantwortliche Handeln der Schülerinnen und Schüler.

In Niedersachsen ist die Zahl der Ganztagsschulen in den letzten Jahren sprunghaft auf aktuell über 1 300 gestiegen. Das tägliche Verpflegungsangebot ist zu einem unverzichtbaren Bestandteil schulischen Lebens geworden und bietet dort die Chance, die Ausgestaltung pädagogischer Konzepte sowie Theorie und Praxis der Ernährungsbildung mit dem Speisen- und Getränkeangebot zu verknüpfen. Untersuchungen der Vernetzungsstelle Schulverpflegung in Niedersachsen zeigen, dass diese Verknüpfung nur dann gut gelingt, wenn die Themen konzeptionell verankert sind und eine breite Akzeptanz gegenüber den gemeinsam beschlossenen Maßnahmen in der Schule hergestellt ist.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Der aid-Ernährungsführerschein hat sich im Grundschulbereich als motivierendes Instrument erwiesen, um den praktischen Umgang mit Lebensmitteln und Küchengeräten zu erlernen. We

der das Niedersächsische Kultusministerium noch die Niedersächsische Landesschulbehörde erheben jedoch Daten darüber, wie viele Schülerinnen und Schüler diesen Ernährungsführerschein erworben haben.

Der aid (Infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V., Bonn) hat dem Niedersächsischen Kultusministerium dazu aktuell folgende Zahlen übermittelt:

Von November 2009 bis heute wurden aus Niedersachen ca. 2 500 Medienpakete zum aid-Ernährungsführerschein von Schulen angefordert. Unter Zugrundelegung der Mehrfachnutzung der Medienpakete schätzt der aid, dass ca. 56 000 Kinder in Niedersachsen in diesem Zeitraum den Ernährungsführerschein erworben haben.

Im Rahmen der im März dieses Jahres angelaufenen Multiplikatorinnenschulung wird der aid in Niedersachsen 47 Landfrauen und 11 weitere externe Fachkräfte zum Ernährungsführerschein schulen.

Zu 2: In Niedersachsen existieren vielfältige lokale, regionale und landesweite Aktivitäten zur Vermittlung von Kompetenzen zur ausgewogenen Ernährung. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit sind zu nennen:

- „Schule auf Esskurs“ und „Esskultur“ der Verbraucherzentrale Niedersachsen,

- „Cuisinet“, ein Modellprojekt im Raum Lüneburg zur Ernährungsbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Qualitätsentwicklung in Schule,

- „Die BesserEsser“, ein Projekt zur gesunden Ernährung in Norden,

- „Transparenz schaffen“, ein Netzwerk von 40 regionalen Bildungsträgern in Niedersachsen und Bremen unter Federführung des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung,

- „Gesund leben lernen“ der Landesvereinigung für Gesundheit in Kooperation mit den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen,

- „OsSVita“ in Ostfriesland und „WesVita“ in der Wesermarsch, Netzwerke der Ernährungs-, Gesundheits- und Umweltbildung.

Darüber hinaus existieren zahlreiche Angebote von weiteren Expertinnen und Experten als Einzelpersonen sowie Lernmaterialien der verschiedensten Organisationen. Auskunft zu regionalen Angeboten und Materialien erteilt die Vernetzungsstelle

Schulverpflegung an den Standorten der Regionalabteilungen Lüneburg, Braunschweig und Osnabrück der NLSchB und die DGE, Sektion Niedersachsen, in Hannover.

Zu 3: Die Landesregierung begrüßt die Weiterentwicklung des praxiserprobten und vielfach bewährten Ernährungsführerscheins durch den aid zum Projekt der „Schmexperten“ für den Sekundarbereich I. Das methodisch und didaktisch gut aufbereitete Material beinhaltet innovative Unterrichtskonzepte, die flexibel und offen einen handlungsorientierten Unterricht ermöglichen und auf den Erwerb von Ernährungswissen und praktischen Fertigkeiten ausgerichtet sind. Schülerinnen und Schüler sollen in die Lage versetzt werden, eine gesundheitsförderliche Lebensmittelauswahl zu treffen und ihr eigenes Essverhalten zu reflektieren und aktiv zu gestalten. Darüber hinaus werden Grundlagen der Hygiene und Lebensmittelkennzeichnung vermittelt.

Das Material ist vielfältig variierbar und selbsterklärend. Die Schulung von Lehrkräften für das Projekt der „Schmexperten“ steht im Mittelpunkt der zurzeit laufenden Einführungsphase des aid.

Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung führt von August bis Dezember 2011 ein Modellvorhaben durch, in dem Teile der „Schmexperten“-Konzeption für den Sekundarbereich I erprobt werden. Im Rahmen eines kostenfreien Aktionstages „Frisch und aktiv durch den Tag - Essen und Trinken hält gesund, fördert Leistung und Wohlbefinden“ soll 40 niedersächsischen Schulen das Konzept vorgestellt werden.

Anlage 36

Antwort

des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf die Frage 39 des Abg. Dr. Gero Clemens Hocker (FDP)

Welche Kosten erzeugt die Energiewende?

Am 6. Juni hat das Bundeskabinett den stufenweisen Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Kernkraft beschlossen. Zudem sollen mehrere Gesetzte beschlossen werden, die den Netzausbau und die Erhöhung des Stromanteils von erneuerbaren Energien ermöglichen. Die Verdoppelung des „Ökostroms“ von heute rund 17 % auf 35 % bis 2020 wird nur durch eine enorme Steigerung der Stromerzeugung aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse, eine Steigerung der Energieproduktivität und den

Neubau Tausender Kilometer von Stromtrassen erfolgreich sein. Parallel gilt es, die Bezahlbarkeit, die Versorgungssicherheit für Haushalte, Gewerbe und Industrie und die Netzstabilität in Deutschland ganzjährig zu gewährleisten. Zur Erreichung der genannten Kriterien werden Investitionen in Ausgleichskapazitäten, u. a. in flexible Kohle- und Gaskraftwerke, notwendig. Durch die genannten Erfordernisse entstehen Mehrkosten für private Haushalte und für Industrie und Gewerbe, die nicht privilegiert sind.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie haben sich die Importabhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland beim elektrischen Strom vom europäischen Ausland und die Netzsituation seit der Verkündung des Moratoriums entwickelt?

2. In welcher Höhe subventionierten deutsche Haushalte den sogenannten Ökostrom in 2010, und wie hoch fällt diese Subventionierung voraussichtlich für die nächsten 20 Jahre aus?

3. Welche Kosten kommen zusätzlich zum EEG auf die deutschen Haushalte und Unternehmen für den Ausbau der Übertragungs- und Verteilungsnetze zu?

Zu 1: Durch das Kernkraftwerksmoratorium wurden im März 2011, neben dem schon zuvor außer Betrieb befindlichen Kernkraftwerk Krümmel, ca. 7 000 MW Stromerzeugungsleistung aus Kernkraftwerken vom Netz genommen, die nach aktueller politischer Lage nicht wieder angefahren werden.

In der Folge wurden deutliche Veränderungen in den Stromaustauschsalden mit den deutschen Nachbarstaaten sichtbar. Während in der ersten Hälfte des März ein saisonal üblicher Exportüberschuss von rund 70 bis 150 GWh/Tag bestand, kehrte sich diese Situation mit dem Kernkraftwerksmoratorium um. Seit dem 17. März ergibt sich ein Importüberschuss von durchschnittlich 50 GWh/Tag. Die Stromflüsse in die Niederlande, Österreich und in die Schweiz haben sich jeweils mehr als halbiert, die Stromflüsse aus Frankreich und Tschechien sind um rund 50 % angewachsen.