Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

Vom 16. bis 19. Mai 2011 fand in der Außenstelle Langenhagen der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) eine erste Expertenanhörung auf der Grundlage des zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation geschlossenen Rückübernahmeabkommens statt. Dazu wurden aus mehreren Bundesländern vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer russischer Herkunft, deren Identität ungeklärt ist und die bisher an der Identitätsklärung nicht mitgewirkt haben, von ermächtigten Bediensteten des Föderalen Migrationsdienstes der Russischen Föderation (FMS) angehört.

Zu dieser Anhörung wurden keine Flüchtlinge vorgeführt, sondern es wurden ausschließlich Personen angehört, die vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind und die hiesigen Behörden über ihre Identität täuschen und an der Beschaffung von Identitätsdokumenten nicht mitwirken bzw. deren Herausgabe an die Ausländerbehörden verweigern.

Der Niedersächsische Flüchtlingsrat hat mit EMail vom 13. Juli 2011 dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport (MI) einen anonym verfassten Bericht eines angeblich zu der Anhörung vorgeführten Ausländers übersandt. Dieser Bericht muss als eine fiktive Beschreibung einer Anhörung bewertet werden. Das von dem anonymen Verfasser des Berichts geschilderte Verfahren der Anhörung, die beschriebenen Personen („maskiert und mit Schusswaffen und Schlagstöcken ausgestattet“) und die genannten anwesenden „28 bewaffnete Beamte“ stimmen in keiner Weise überein mit dem tatsächlichen Ablauf der viertägigen Anhörung und den anwesenden vier Mitarbeitern des russischen FMS, den von der LAB NI beauftragten Übersetzern und den ebenfalls bei den Anhörungen anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LAB NI.

Eine Nachfrage des MI bei der LAB NI - ebenfalls am 13. Juli 2011 - hat ergeben, dass bereits wenige Tage vorher in einem ausführlichen Telefongespräch zwischen dem Leiter der LAB NI und dem Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrat der erwähnte anonyme Bericht ausführlich erörtert und die dazu vom Flüchtlingsrat gestellten Fragen von dem Leiter der LAB NI fernmündlich umfassend beantwortet wurden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen. Den in dem vom Flüchtlingsrat übermittelten Bericht kritisierten Ablauf hat es nicht gegeben. Insoweit hat der Leiter der LAB NI dem Niedersächsischen Flüchtlingsrat durch entsprechende Erläuterungen den tatsächlichen Ablauf der Anhörungen ausführlich geschildert.

Zu 2: Der tatsächliche Ablauf der Anhörungen (nicht der in dem anonymen Bericht behauptete Sachverhalt) entsprach dem auf der Grundlage von Rückübernahmeabkommen abgesprochenen Verfahren.

Zu 3: Gemäß § 48 Abs. 3 AufenthG ist ein Ausländer, der keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, verpflichtet, der Ausländerbehörde auf Verlangen Urkunden oder sonstige Unterlagen, die für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit oder für die Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in den Herkunftsstaat von Bedeutung sein können, auszuhändigen. Zu den sonstigen Unterlagen gehören auch elektronische Aufzeichnungen des Ausländers. Die bei allen mit der Identitätsaufklärung befassten Behörden geübte Praxis, mit einer schriftlichen Einverständniserklärung des Ausländers dessen Handy auf Hinweise zur Identität und Herkunft des Handynutzers zu prüfen, ist deshalb nicht zu beanstanden.

Anlage 20

Antwort

des Justizministeriums auf die Frage 21 der Abg. Grant Hendrik Tonne und Marco Brunotte (SPD)

Keine Resozialisierung für jugendliche Täterinnen in Niedersachsen?

Im Rahmen einer Presseberichterstattung über die Verurteilung einer heranwachsenden Frau im Alter von 20 Jahren wurde festgestellt, dass es für junge straffällige Frauen wenig bis keine Angebote zur Resozialisierung in den niedersächsischen Justizvollzugsanstalten gebe.

Offenbar bestand selbst im Rahmen der Gerichtsverhandlung keine Klarheit darüber, welche Möglichkeiten die verurteilte 20-Jährige im Rahmen ihres Haftaufenthaltes überhaupt habe. So mussten die Anwältin der Verurteilten und ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe die Richterin korrigieren, die die Verurteilte aufgefordert hatte, nunmehr den Realschulabschluss zu machen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten stehen jungen männlichen Straftätern zur Verfügung, und welche Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten stehen jungen weiblichen Straftäterinnen zur Verfügung (bitte getrennt aufschlüsseln)?

2. Welche Bildungsmaßnahmen stehen Frauen in der JVA Vechta sowie in der Zweigstelle der JVA Vechta in Hildesheim zur Verfügung, und können alle diese Bildungsmaßnahmen auch von jungen weiblichen Straftäterinnen belegt werden (bitte getrennt aufschlüsseln)?

3. Wie hoch war die Anzahl der weiblichen Inhaftierten unter 21 Jahren in den Jahren 2003 bis 2010?

Namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu 1: Gemäß § 124 Abs. 2 Satz 1 NJVollzG sollen den jungen Gefangenen vorrangig schulische und berufliche Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zugewiesen werden. Im Jahr 2010 wurden für die durchschnittlich 604 in der Jugendanstalt Hameln (Hauptanstalt inklusive Abteilung Göttingen) untergebrachten jungen männlichen Gefangenen folgende Maßnahmen angeboten:

- 15 schulische Bildungsmaßnahmen (Elementar- kurse sowie Förder-, Haupt- und Realschulkur- se) mit insgesamt 265 Plätzen,

- 22 berufliche Ausbildungsmaßnahmen (berufli- che Vorbereitungsmaßnahmen, Berufsausbil- dungen und vorberufliche Qualifizierungsmaß- nahmen) mit insgesamt 286 Plätzen.

Im gleichen Zeitraum standen den durchschnittlich 15 jungen weiblichen Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta folgende Maßnahmen zur Verfügung:

- ein kombinierter Förder- und Hauptschulkurs mit insgesamt 14 Plätzen (im Rahmen dieses Kur- ses kann bei Eignung einzelner Teilnehmerin- nen auch der Realschulabschluss erworben werden; in dem Fall werden bei einem externen Bildungsträger zusätzliche Unterrichtsstunden, besonders im Fach Englisch, eingekauft; weil die Mehrzahl der jungen weiblichen Gefangenen der Schulpflicht unterliegt und nicht über einen Schulabschluss verfügt, ist dieser Kurs mit sei- nen hohen Differenzierungsmöglichkeiten ein wesentlicher Baustein zur Erlangung der Ausbil- dungsreife),

- eine Berufsausbildung zur Köchin bzw. eine vorberufliche Qualifizierungsmaßnahme zur Küchenhelferin mit insgesamt 20 Plätzen,

- eine vorberufliche Qualifizierungsmaßnahme zur Malerin mit insgesamt elf Plätzen.

Zu 2: Alle o. g. Maßnahmen stehen erwachsenen und jungen weiblichen Gefangenen offen; junge Bewerberinnen werden bevorzugt aufgenommen. Die gemeinsame Teilnahme an den Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ist nach § 171 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 NJVollzG zulässig.

In der Abteilung Hildesheim wird den erwachsenen weiblichen Gefangenen im Wege des ELearnings ein Kurs zur individuellen beruflichen Qualifizierung und Berufsvorbereitung mit fünf Plätzen angeboten. Junge weibliche Gefangene werden grundsätzlich nicht in der Abteilung Hildesheim untergebracht.

Die inhaftierten Frauen und Mädchen können zudem alle schulischen und beruflichen Maßnahmen in der Stadt Vechta wahrnehmen, sobald sie regelmäßige Ausgänge erhalten oder im offenen Vollzug untergebracht sind.

Zu 3: Die Anzahl der weiblichen Inhaftierten unter 21 Jahren in den Jahren 2003 bis 2010 ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle.

Jahr Jugendstrafvollzug

(weiblich) Ø

2003 32

2004 17

2005 15

2006 20

2007 23

2008 18

2009 20

2010 15

Anlage 21

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 22 der Abg. Miriam Staudte und Ina Korter (GRÜNE)

Hohe Dunkelziffer bei sexueller Gewalt an Schulen, Internaten und Heimen?

Eine Umfrage im Rahmen des Projekts des Deutschen Jugendinstituts „Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen in Institutionen“, die in der Zeit vom August 2010 bis zum Juni 2011 durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass es in einer erschreckend hohen Zahl von Schulen, Internaten und Heimen zu Verdachtsfällen

auf sexuelle Gewalt kommt. Dieser Umfrage zufolge kam es in 3,5 % bzw. 4,0 % der befragten Schulen (Nennung durch die Leitung bzw. durch Lehrkräfte), in 3,1 % der befragten Internate und in 10,2 % der befragten Heime innerhalb der letzten drei Jahre zu Verdachtsfällen sexueller Gewalt durch Mitglieder des Personals. Zu Verdachtsfällen auf sexuelle Gewalt zwischen den Kindern und Jugendlichen kam es sogar an 31,9 % bzw. 30,8 % der befragten Schulen, an 34,0 % der befragten Internate und an 48,5 % der befragten Heime.

Auf die Anfrage vom 21. April 2010 „Was tut die Landesregierung, um sexuellen Missbrauch an Schulen, Internaten und Kindertageseinrichtungen zu verhindern?“ hat die Landesregierung mitgeteilt, dass seit 2008 in Niedersachsen im Bereich des Schulwesens 18 Disziplinarverfahren wegen sexuell motivierten Fehlverhaltens bzw. wegen Überschreitung der gebotenen Distanz anhängig gewesen bzw. abgeschlossen worden seien. Da es in Niedersachsen mehr als 3 000 Schulen gibt und davon auszugehen ist, dass der Anteil der Schulen, an denen es zu Verdachtsfällen sexueller Gewalt kommt, in Niedersachsen nicht wesentlich geringer ist als im Bundesdurchschnitt, ist zu vermuten, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie schätzt die Landesregierung die Dunkelziffer bei sexueller Gewalt an Schulen, Internaten und Heimen in Niedersachsen ein?

2. Was unternimmt die Landesregierung, um diese Dunkelziffer zu verringern, und insbesondere, betroffene Kinder und Jugendliche zu ermutigen, sich Erwachsenen anzuvertrauen?

3. Welche Maßnahmen zur Prävention sexueller Gewalt an Schulen, Internaten und Heimen in Niedersachsen hat die Landesregierung seit 2010 ergriffen?