Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

Antwort

des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf die Frage 41 der Abg. Hans-Jürgen Klein und Stefan Wenzel (GRÜNE)

Einhaltung der Grenzwerte am Castorlager Gorleben: Frühere Messwerte

Am ungünstigsten Aufpunkt außerhalb des Walles um das Transportbehälterlager Gorleben (TBL) werden vom Betreiber und im Auftrag der Aufsichtsbehörde vom NLWKN Messungen der Strahlendosis durchgeführt. Laut Genehmigung für das TBL sind hierzu bestimmte Vorgaben einzuhalten. Dazu gehören ein maximal zulässiger Wert für die Jahresdosis (0,3 mSv/a) , ein Eingreifrichtwert (0,27 mSv/a) und eine Dosisprognose vor jeder neuen Einlagerung von Atommüllbehältern.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Werte für die Jahresdosis wurden von NLWKN nach Vorliegen der Halbjahreswerte für die vier letzten Jahre prognostiziert, in denen Transporte von HAW-Kokillen ins TBL stattfanden, und welche Werte wurden jeweils nach Auswertung der Messwerte des zweiten Halbjahres tatsächlich als Jahresdosis festgestellt?

2. Welche Dosiswerte hat der Betreiber des TBL nach Nebenbestimmung A20 der Aufbewahrungsgenehmigung vor den letzten vier Transporten von HAW-Kokillen in das TBL als Jahresdosis abgeschätzt, und welche Werte hat er nach dem entsprechenden Jahresende messtechnisch festgestellt?

3. Aus welchen Gründen hält es die Landesregierung für zulässig, dass Betreiber und Auf

sichtsbehörde für die bei der Bewertung der Strahlenbelastung zu berücksichtigende natürliche Hintergrundstrahlung unterschiedliche Werte zugrunde legen, wobei der Betreiber sowohl für die Neutronendosis als auch für die Gammadosis einen höheren Hintergrundwert annimmt und damit immer zu deutlich geringeren Dosiswerten kommt?

Hoch radioaktive Abfälle (high active Waste) fallen in Kernkraftwerken als abgebrannte Brennelemente und als verglaste Spaltprodukte aus der Wiederaufarbeitung im Ausland (Frankreich und England) an. Die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in Form von hoch radioaktiven Abfällen bedarf einer Genehmigung nach § 6 des Atomgesetzes (AtG), die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als der zuständigen atomrechtlichen Genehmigungsbehörde erteilt wird. Die atomrechtliche Aufsicht für diese Aufbewahrung in Zwischenlagern vollziehen gemäß § 24 AtG die obersten Landesbehörden; in Niedersachsen ist es das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz (NMU).

In Niedersachsen wird seit 1995 das zentrale Zwischen- und Transportbehälterlager für hoch radioaktive Abfälle am Standort Gorleben (TBL-G) betrieben. Im TBL-G dürfen nach aktueller Genehmigungslage auf maximal 420 Stellplätzen Kernbrennstoffe in Form von abgebrannten Brennelementen sowie radioaktive verglaste Spaltproduktlösungen aus der Wiederaufarbeitung in Transport- und Lagerbehältern unterschiedlicher Bauart (z. B. CASTOR® V/19 für Brennele- mente oder CASTOR® HAW 20/28 CG sowie der französi- sche TN85 für verglaste Abfälle) aufbewahrt werden. Derzeit befinden sich 102 Großbehälter im TBL-G.

Zum sicheren Betrieb der Anlagen im von der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) betriebenen Werk Gorleben gehört die fortlaufende Umgebungsüberwachung. Diese bezieht sich auf das Transportbehälterlager (TBL-G), das Abfalllager (ALG) und auf die im Stillstandsbetrieb befindliche Pilot-Konditionierungsanlage (PKA).

Am GNS-Standort Gorleben werden Messprogramme zur Überwachung der Radioaktivität in der Umgebung durchgeführt, die sich an der Richtlinie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zur Emissions- und Immissionsüberwachung kerntechnischer Anlagen (REI) orientieren. Dementsprechend werden sowohl vom Betreiber GNS als auch vom Niedersächsischen Landesbetrieb für

Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN) als unabhängiger Messstelle regelmäßig umfangreiche Messungen zur Immissionsüberwachung vorgenommen. Diese beinhalten Probenahmen von Luft, Nahrungsmitteln, Milch, Trink- und Grundwasser sowie Niederschlag, Böden, Pflanzen, Bewuchs, Oberflächengewässern, Fischen und Sedimenten aus der näheren Umgebung der Anlage. Diese Proben werden auf ihren Gehalt an Radioaktivität untersucht. Weiterhin wird die Direktstrahlung am Betriebsgelände und in der weiteren Umgebung ermittelt.

Entsprechend der o. g. Richtlinie werden die Ergebnisse der Umgebungsüberwachung in Vierteljahres- und Jahresberichten zusammengefasst und der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde, dem BMU sowie den Leitstellen des Bundes für die Überwachung der Umweltradioaktivität vorgelegt. Die Ergebnisse werden vom BMU im Bericht „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung“ zusammengefasst und veröffentlicht.

Der NLWKN hatte am 15. August 2011 das NMU telefonisch von der Halbjahresauswertung der Neutronendosimeter am Zaun des TBL-G unterrichtet. Die Auswertung ergab, dass eine Überschreitung des sogenannten Eingreifwertes von 0,27 Millisievert (mSv) pro Jahr gemäß einer Nebenbestimmung (NB) der Aufbewahrungsgenehmigung des BfS für das TBL Gorleben am Zaun des Betriebesgeländes in Bezug auf ein einzelnes Messergebnis nicht sicher auszuschließen sei. Darüber hinaus hat der NLWKN am 21. August 2011 mitgeteilt, dass bis zum Jahresende 2011 auch der Genehmigungswert von 0,3 mSv pro Jahraus der NB A8 der atomrechtlichen Genehmigung überschritten werden könnte.

Das BfS hat die Aufbewahrungsgenehmigung für das TBL-G vom 2. Juni 1995, die 1. Änderungsgenehmigung vom 1. Dezember 2000, die 2. Änderungsgenehmigung vom 18. Januar 2002, die 3. Änderungsgenehmigung vom 23. Mai 2007 sowie die 4. Änderungsgenehmigung vom 29. Januar 2010 u. a. nach Maßgabe der jeweiligen Genehmigungsabschnitte IV, in denen die vom Betreiber einzuhaltenden NB formuliert sind, erteilt. Zur Gewährleistung der Einhaltung der im Genehmigungsverfahren nach dem Stand von Wissenschaft und Technik auf der Grundlage von Prognoseberechnungen vom Betreiber nachgewiesenen erforderlichen Schadensvorsorge hat das BfS u. a. die NB A8 und NB A20 aufgenommen. Die NB A20 legt neben einzuhaltenden Randbedingungen zur Lagerbelegung und zur

Wärmeleistung des Lagers auch fest, dass in halbjährlichen Abständen die Jahresdosis am ungünstigsten Aufpunkt am Zaun des Betriebsgeländes abzuschätzen ist. Die NB A8 fordert bei Erreichung eines Maßnahmenwertes am ungünstigsten Aufpunkt am Zaun des Betriebsgeländes von 0,27 mSv pro Jahr, dass der Einlagerungsbetrieb so lange zu unterbrechen ist, bis die Zustimmung der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde zu den vom Betreiber vorgesehenen Maßnahmen zur Einhaltung des vom BfS festgesetzten Auslegungsdosiswertes von 0,3 mSv pro Jahr vorliegt.

Das NMU - als atomrechtliche Aufsicht - stellt die Einhaltung aller Genehmigungsrandbedingungen, sowie die Einhaltung der Vorgaben des AtG und seiner Verordnungen unter Hinzuziehung eines unabhängigen Sachverständigen, der TÜV Nord EnSys Hannover GmbH & Co. KG (TÜV Nord) sowie der amtlichen Messstelle des NLWKN sicher.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Es ist prinzipiell nicht Aufgabe des NLWKN, Prognosen hinsichtlich der erwarteten Jahresdosis zu erstellen und erfolgt üblicherweise auch nicht.

Die aufgrund der NLWKN-Messungen festgestellten Jahresdosen betrugen:

2005 = 0,11 mSv

2006 = 0,21 mSv

2008 = 0,14 mSv

2010 = 0,23 mSv

Zu 2:

Jahr 2005 2006 2008 2010

Abgeschätzte Jahresdosis TBL durch Betreiber

0,075 mSv

0,16 mSv

0,207 mSv

0,185 mSv

Festgestellte Jahresdosis TBL durch Betreiber

0,14 mSv

0,17 mSv

0,22 mSv

0,17 mSv

Zu 3: Der Betreiber ist bestrebt, die Strahlenexposition am Messort durch den von ihm gewählten Untergrundabzug realistisch abzuschätzen. Die Kontrolle dieser Werte durch die Aufsicht erfolgt durch ein konservatives Verfahren, welches zu

höheren Werten führen kann, um frühzeitig eine Annäherung an den Genehmigungswert zu erkennen.

Anlage 41

Antwort

des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf die Frage 42 der Abg. Elke Twesten und Stefan Wenzel (GRÜNE)

Einhaltung der Grenzwerte am Castorlager Gorleben: Umstellung von Behältern im TBL

Nach Bekanntwerden einer möglichen Überschreitung der zulässigen Jahresdosis am Zaun des Transportbehälterlagers Gorleben (TBL) hat das NMU in der Sendung „Hallo Niedersachsen“ am 25. August 2011 die Umstellung der gelagerten Behälter im TBL zur Reduzierung der Dosis vorgeschlagen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Um welchen Betrag könnte sich die Dosis am ungünstigsten Aufpunkt durch das Umstellen von Behältern nach Einschätzung der Landesregierung verringern, und wie ist diese Einschätzung begründet?

2. Mit welchen Ergebnissen wurden vor der im Juli 2011 erfolgten Umstellung von Behältern im TBL Sicherheitsnachweise zur Wärmeabfuhr, zur Strahlenbelastung des Personals oder zu anderen sicherheitstechnischen Aspekten und damit die strahlenschutzmäßige Rechtfertigung der Maßnahmen geprüft?

3. Von wem, wie und mit welchem Ergebnis wurde geprüft, ob durch die Umstellung der Behälter im Castorlager das Minimierungsgebot der Strahlenschutzverordnung beeinträchtigt wird?

Hoch radioaktive Abfälle (high active Waste) fallen in Kernkraftwerken als abgebrannte Brennelemente und als verglaste Spaltprodukte aus der Wiederaufarbeitung im Ausland (Frankreich und England) an. Die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in Form von hoch radioaktiven Abfällen bedarf einer Genehmigung nach § 6 des Atomgesetzes (AtG), die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als der zuständigen atomrechtlichen Genehmigungsbehörde erteilt wird. Die atomrechtliche Aufsicht für diese Aufbewahrung in Zwischenlagern vollziehen gemäß § 24 AtG die obersten Landesbehörden; in Niedersachsen ist es das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz (NMU).