Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

2. Mit welchen Vorstellungen und mit welchen finanziellen Handlungsmöglichkeiten bringt sich die Landesregierung in den Grundbildungspakt ein?

3. Wie weit sind die Gespräche mit den Paktpartnern fortgeschritten? Wann rechnet die Landesregierung mit einer Unterzeichnung des Grundbildungspaktes?

In Deutschland gibt es bislang keine belastbaren Zahlen zum funktionalen Analphabetismus von Jugendlichen und Erwachsenen. Die verbreitet genannte Zahl von 4 Millionen Betroffenen basiert auf Schätzungen.

Repräsentative Daten über die Betroffenen und ihre Lebenssituation werden über ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Forschungsprojekt „Verbleibstudie zur biographischen Entwicklung ehemaliger Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Alphabetisierungs- und Grundbildungsangeboten“ im Jahr 2011 erstmalig erhoben.

Zeitgleich hat das BMBF ein Forschungsprojekt „Leo-Level-One-Studie“ an der Universität Hamburg zur Größenordnung des Analphabetismus im Bundesgebiet und Kompetenztests zu verschiedenen Aspekten der Lebenssituationen der Betroffen gefördert. Eine Verteilung der dort erhobenen Größenordnung des funktionalen Analphabetismus auf die Bundesländer wurde nicht vorgenommen.

Die Ergebnisse des Projektes waren Anstoß für eine noch intensivere Auseinandersetzung von Fachexperten und Politik mit dem Thema „Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland“ und fließen in einen Entwurf von Eckpunkten für einen Nationalen Pakt für Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland ein.

Die Initiative eines gemeinsamen und abgestimmten Nationalen Paktes für Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland wird vom BMBF und der Kultusministerkonferenz (KMK) begleitet und soll Bund, Länder und weitere (Sozial-)Partner einbinden.

Einen Überblick über den Stand der Alphabetisierungsforschung und -förderung in Deutschland gibt die Drs. 17/3939 des Deutschen Bundestages.

Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1: Die im Jahr 2010 durchgeführten Alphabetisierungs-/Grundbildungskurse der gemäß dem

Niedersächsischen Erwachsenenbildungsgesetz (NEBG) geförderten Erwachsenenbildung wurden von rund 9 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht. Aus Sicht der Landesregierung lässt sich aus dieser Zahl allerdings keinesfalls ableiten, wie viele Menschen in Niedersachsen tatsächlich funktionale Analphabeten sind. Bei einer Übertragung des auf Bundesebene in der Leo-Level-OneStudie ermittelten Anteils von 14 % funktionaler Analphabeten an der erwerbstätigen Bevölkerung auf Niedersachsen dürfte eine Größenordnung von etwa 750 000 Menschen unter diese Kategorie fallen.

Zu 2: Im Bundesvergleich nimmt Niedersachsen im Bereich der Alphabetisierung/Grundbildung sowohl hinsichtlich des Bildungsumfangs als auch hinsichtlich der Förderhöhe eine Spitzenstellung ein.

Bildungsmaßnahmen zur Alphabetisierung gehören gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 NEBG zu den Maßnahmen, die besonderen gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechen und mit einem höheren Faktor gewichtet werden. Im Jahr 2010 wurden in diesem Maßnahmenbereich rund 80 000 Unterrichtsstunden in der Erwachsenenbildung angeboten und mit Landesmitteln in Höhe von rund 1 Million Euro gefördert.

Zu 3: Anlässlich der Vorstellung der Leo-LevelOne-Studie hat das BMBF in einer Pressemitteilung angekündigt, dass Bund und Länder einen Grundbildungspakt verabschieden und gemeinsam gegen fehlende und mangelnde Schreib- und Lesekompetenz vorgehen. Die Eckpunkte dieses Nationalen Paktes für Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland sehen folgende mögliche Maßnahmen vor:

- arbeitsplatzorientierte Grundbildungsangebote anbieten und ausbauen,

- allgemeine Angebote zu Alphabetisierung und Grundbildung ausbauen,

- Professionalisierung der Alphabetisierung und Grundbildung verbessern,

- Transparenz in der Alphabetisierung und Grundbildung erhöhen.

Diese Maßnahmen sollen von den Paktpartnern geleistet werden. Die jeweiligen Rahmenbedingungen und Bedarfe der einzelnen Länder und der (Sozial-)Partner müssen vor Verabschiedung des gemeinsamen Paktes definiert und überprüft werden. Daher haben sich Bund und Länder darauf verständigt, zunächst ihre jeweiligen bereits

laufenden Aktivitäten im Bereich Grundbildung für Erwachsene zu dokumentieren und mit den (So- zial-)Partnern die Eckpunkte und die Passfähigkeit der beabsichtigten Maßnahmen zu beraten. Aufgrund dieser derzeit laufenden Abstimmungsprozesse können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagen hinsichtlich des Zeitpunktes der Unterzeichnung des Grundbildungspaktes getroffen werden.

Anlage 46

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 47 der Abg. Christa Reichwaldt (LINKE)

Kann der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz eingehalten werden?

Ab dem Jahr 2013 gibt es einen Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren auf einen Krippenplatz. Um diesen Rechtsanspruch einzulösen, haben Bund, Länder und Kommunen vereinbart, bis zu diesem Zeitpunkt für 35 % der Kleinkinder Betreuungsangebote zur Verfügung zu stellen. Am Stichtag 1. März 2010 lag die Betreuungsquote in Niedersachsen bei 15,8 % und somit weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Kultusminister Dr. Bernd Althusmann zeigte sich noch im August 2010 überzeugt davon, dass Niedersachsen den Rechtsanspruch erfüllen könne („Mit dem Ta- gesbetreuungsausbaugesetz (…) sind die Kommunen in die Lage versetzt, den Rechtsanspruch der unter dreijährigen Kinder auf einen Betreuungsplatz zu ermöglichen“, Drs. 16/2744). Auf der Schuljahresanfangspressekonferenz am 17. August 2011 räumte Herr Althusmann aber auf Nachfrage ein, dass der Anspruch in manchen Regionen Niedersachsen wahrscheinlich nicht erfüllt werden könne und er für eine Nachbesserung des Investitionspaktes und eine stärkere Beteiligung des Bundes eintrete.

Beim gegenwärtigen Investitionsprogramm erhält Niedersachsen 213 Millionen Euro an Bundesmitteln, die auf Basis der Anzahl der unter Dreijährigen zum Stichtag 31. Dezember 2005 an die Kommunen weitergereicht werden. Bis zum 8. August 2011 wurden lediglich zwei Drittel der zustehenden Mittel verplant, nur Baden-Württemberg weist unter den westdeutschen Flächenländern eine schlechtere Inanspruchnahme der Bundesmittel aus. In einigen Kommunen jedoch wurden die zustehenden Fördermittel bereits vollständig verplant und wurde ein Mehrbedarf angemeldet.

Ich frage die Landesregierung:

1. Hält die Landesregierung ihre Auffassung aus dem August 2010 aufrecht, dass die Kommunen in der Lage sind, „den Rechtsan

spruch der unter dreijährigen Kinder auf einen Betreuungsplatz zu ermöglichen“?

2. Welchen finanziellen Mehrbedarf sieht die Landesregierung, um den Rechtsanspruch zu erfüllen?

3. Hält die Landesregierung den bestehenden Verteilungsschlüssel, basierend auf der Zahl der unter Dreijährigen im Jahr 2005, weiterhin für sachgerecht, und wird sie ihn - auch bei einer Aufstockung der Investitionsmittel - beibehalten? Falls nicht, welche Veränderungen sind beabsichtigt?

Die Verabredungen des Krippengipfels zum Ausbau der Kinderbetreuung, verbunden mit dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ein- bis dreijährige Kinder ab August 2013, werden von den Kommunen mit Unterstützung von Bund und Land in Niedersachsen verlässlich umgesetzt. Die zwischen dem Bund und den Bundesländern getroffene Verwaltungsvereinbarung Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsausbau 2008 bis 2013“ ist in Niedersachsen mit der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Investitionen im Bereich der Kinderbetreuung der unter Dreijährigen für den Zeitraum 2008 bis 2013 (RIK) im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden ausgestaltet. Ziel auch für Niedersachsen ist es, bis zum Jahr 2013 ein durchschnittliches Betreuungsangebot für 35 % der Kinder unter drei Jahren aufzubauen.

Als notwendige Hintergrundinformation wird zunächst kurz die Entwicklung des Ausbaus der Betreuungsangebote für die unter dreijährigen Kinder skizziert, die bereits vor dem Krippengipfel begonnen wurde:

Ab dem Jahr 2005 konkretisiert das Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder - kurz „Tagesbetreuungsausbaugesetz“ genannt - die Verpflichtung der örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe, bis spätestens zum 1. Oktober 2010 ein bedarfsgerechtes Angebot zu schaffen. Im Bundesdurchschnitt sollte nach den Kalkulationsgrundlagen dieses Gesetzes ein Versorgungsgrad von 17 % erreicht werden.

Die damalige Bundesregierung stellte zur Finanzierung dieser Aufgaben (für den Betrieb wie für Investitionen) eine finanzielle Entlastung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt von bundesweit 2,5 Milliarden Euro sicher.

In einem zweiten Schritt wurde zur Umsetzung des im Rahmen des Krippengipfels vom 2. April

2007 beschlossenen Kinderbetreuungsausbaus das Gesetz zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege - kurz „Kinderförderungsgesetz“ genannt - in Kraft gesetzt. Mit diesem Gesetz gilt ab 2013 der Rechtsanspruch der Kinder im Alter von ein bis drei Jahren auf einen Betreuungsplatz. Quantitativ wird hierbei eine bundesweit durchschnittliche Versorgung von 35 % angestrebt und die Finanzierungsbeteiligung des Bundes sichergestellt.

Für den hiernach notwendigen weiteren Ausbau der Tagesbetreuung in Kitas und der Kindertagespflege von durchschnittlich 17% (geplant bis 2010) auf 35 % (bis 2013) werden die Kommunen vom Bund und vom Land mit dem Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsausbau 2008 bis 2013“ finanziell unterstützt. Dieses Investitionsprogramm wird in Niedersachsen einvernehmlich mit den kommunalen Spitzenverbänden durch die o. g. Richtlinie (RIK) umgesetzt. Insgesamt beträgt das Volumen für die niedersächsischen Kommunen rund 225,8 Millionen Euro. Diese Mittel werden den 60 örtlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe auf der Berechnungsgrundlage der unter dreijährigen Kinder mit Stand vom 31. Dezember 2005 als Budget zur Verfügung gestellt.

Dieses Investitionsprogramm ist für die Jahre 2008 bis Ende 2013 angelegt und umfasst insgesamt sechs Jahre. Bis Ende August 2011 sind 67,8 % der Mittel durch Bewilligungen gebunden, 32,8 % stehen noch zur Verfügung. Dem Zeitablauf des Programms von rund vier Jahren stehen zwei Drittel gebundene Mittel gegenüber. Die Kontingentausschöpfung durch die Kommunen ist in den Bereichen der einzelnen örtlicher Träger der Kinder- und Jugendhilfe unterschiedlich. Die Kommunen im Bereich von 19 örtlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe haben mehr Anträge auf Förderung nach dem Investitionsprogramm gestellt, als aus dem den jeweils örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe zur Verfügung gestelltem Budget finanziert werden können. Demgegenüber stehen wenige Kommunen, die einen größeren Teil des Budgets noch nicht in Anspruch genommen haben. Die Landesregierung hat diese Entwicklung im Blick.

Weiterhin hatten die Kommunen die Möglichkeit, Mittel des Konjunkturpaketes II für die Schaffung zusätzlicher Betreuungsangebote für Kinder dieser Altersstufe einzusetzen.

Insgesamt stehen den Kommunen somit ausreichend Mittel des Bundes und des Landes zur

Verfügung, um bis zum Jahr 2013 in Niedersachsen ein durchschnittliches Betreuungsangebot von 35 % für unter Dreijährige in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege erfüllen zu können. Das Land wird dabei trotz angespannter Haushaltslage seinen Verpflichtungen in dem beschriebenen Umfang nachkommen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Das Ziel einer durchschnittlichen Versorgung mit Betreuungsplätzen in Höhe von 35 % der Kinder unter drei Jahren soll gemäß der gemeinsamen Erklärung der Landesregierung und der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens vom 21. Oktober 2008 vor dem Hintergrund der knappen Ressourcen von Land und Kommunen unter Nutzung aller Möglichkeiten der Schaffung von Plätzen erreicht werden. Hierbei sind auch die Umwandlung von Kindergartenplätzen, die Einrichtung von altersgemischten Gruppen und der Ausbau der Kindertagespflege vorgesehen. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden wird die Landesregierung auf der Grundlage der derzeit durchgeführten Revision zur Höhe der Betriebskosten der Betreuungsplätze auch die Auskömmlichkeit der Mittel überprüfen und gegebenenfalls einvernehmlich Korrekturen vornehmen.

Zu 2: Ob von den Planungsdaten hinsichtlich der Kosten des Ausbaus, die der Vereinbarung der Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden vom 21. Oktober 2008 zugrunde gelegt wurden, abgewichen werden muss, ist in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Revision zu prüfen.

Zu 3: Der Verteilungsschlüssel für die Berechnung der Kontingente der Investitionsmittel (RIK) auf die örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe orientiert sich in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden am Verteilungsschlüssel für die Mittel des Investitionsprogramms des Bundes.

Anlage 47

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 48 der Abg. Ursula WeisserRoelle (LINKE)

Was tut die Landesregierung angesichts drohender Rezession in der Weltwirtschaft

für die Konjunkturstützung in Niedersachsen?