Weltbankpräsident Robert Zoellick (USA) schlägt angesichts der Staatsschuldenkrise im Euroraum, der dramatischen Staatsverschuldung in den USA sowie des spürbar eingetrübten Konjunkturklimas in den Vereinigten Staaten Alarm für die Weltwirtschaft. Für die globale Wirtschaft bestünde das Risiko, in diesem Herbst in eine neue Gefahrenzone zu rutschen, sagte der Weltbankpräsident auf einer Wirtschaftskonferenz Anfang September in Peking (Stern.de am 4. September 2011). Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde aus Frankreich, befürchtet nach dieser Quelle eine deutliche Abkühlung der Weltwirtschaft und warnt vor einem Rückfall in die Rezession.
Über den Sommer habe der IWF eine neue Vertrauenskrise festgestellt, die die wirtschaftliche Lage weltweit belasten werde (Stern.de am 4. September 2011). Die Bundesregierung wurde von Frau Lagarde aufgefordert, für den Fall eines neuerlichen Wachstumseinbruches ein Konjunkturprogramm aufzulegen. Wenn der Export, auf dem das deutsche Wirtschaftsmodell nach den Worten der IWFChefin beruhe, einbreche, könnte die Bundesregierung gegensteuern. Wenn Deutschland seine Binnennachfrage belebe, sei das gut für die deutsche Wirtschaft und die der Nachbarländer. Spielraum für konjunkturstützende Maßnahmen in Deutschland sei nach Auffassung des IWF vorhanden.
1. Wie beurteilt sie, ausgehend von den Einschätzungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds von Anfang September 2011, die wirtschaftliche Lage in Niedersachsen im September im Vergleich zur Situation im ersten Halbjahr dieses Jahres?
2. Werden angesichts des sich nach Einschätzung des Weltbankpräsidenten Robert Zoellick abzeichnenden Rutsches in eine neue Gefahrenzone von ihr Maßnahmen für die Ankurbelung der Binnenkonjunktur in Niedersachsen vorbereitet und, wenn ja, welche?
3. Welche Vorsorge hat sie, ausgehend von der drohenden Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Lage, in dem am 6. September 2011 geänderten Entwurf des Landeshaushaltes 2012/2013 getroffen?
Die niedersächsische Wirtschaft zeigte sich in der ersten Jahreshälfte 2011 in blendender Verfassung. Bei Auftragslage, Umsätzen, Investitionen und Beschäftigung wurden insgesamt die besten Werte der letzten 20 Jahre erreicht. Die Auftragseingänge im niedersächsischen verarbeitenden Gewerbe stiegen im ersten Halbjahr insgesamt um 25,8 % im Vergleich zum Vorjahr. Auch der Export konnte nochmals deutlich zulegen.
Zu 1 und 2: Die Niedersächsische Landesregierung sieht auch im September die weitere wirtschaftliche Entwicklung positiv. Die konjunkturelle Grundtendenz der niedersächsischen Wirtschaft bleibt aus derzeitiger Sicht in der zweiten Jahreshälfte weiter aufwärtsgerichtet, dürfte sich aber verlangsamen. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die IHK-Konjunkturumfrage aus dem zweiten Quartal 2011. Rund 94 % aller niedersächsischen Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage als gut oder zumindest befriedigend, und eine Mehrheit der Unternehmen erwartet weiterhin eine stabile Entwicklung im Jahresverlauf.
Darauf, dass der Aufschwung 2011 zum Erliegen kommt, deuten die derzeitigen vorliegenden Zahlen nicht hin. Restrisiken für die Konjunktur - z. B. mögliche negative Impulse der Schuldenkrise in der Euro-Zone oder in den USA - sind natürlich nicht außer Acht zu lassen. Insgesamt erwartet die Deutsche Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht für das Gesamtjahr unverändert eine Zuwachsrate des realen BIP in einer Größenordnung von 3 %.
Vom Arbeitsmarkt kommen weiterhin gute Nachrichten. Im August 2011 waren in Niedersachsen insgesamt 275 202 Arbeitslose gemeldet. Das ist die niedrigste Zahl in einem August seit 19 Jahren. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahresmonat weiter um 74 709 auf rund 2,53 Millionen an. Damit liegt Niedersachsen bundesweit weiterhin mit an der Spitze. Trotz leicht rückläufiger Konjunkturdynamik erwartet die Landesregierung einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit und einen Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.
Vor diesem Hintergrund sieht die Niedersächsische Landesregierung derzeit keine Notwendigkeit, weitere Maßnahmen für die Ankurbelung der Konjunktur zu ergreifen.
Zu 3: Die Niedersächsische Landesregierung hat bereits in der Begründung des Haushaltsgesetzes vom 17. Dezember 2010 festgestellt, dass „(…) weiterhin erhebliche Nachwehen der Finanzkrise“ festzustellen seien, „die die öffentlichen Haushalte sowohl auf der Einnahme- wie auf der Ausgaben
seite nachhaltig belasten“ und darauf verwiesen, dass die schwerste Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte auch nach Überzeugung der Bundesregierung noch nicht überwunden sei. Die jüngsten Entwicklungen bestätigen, dass trotz zügiger und zunehmend gefestigter wirtschaftlicher Erholung auch jetzt noch erhebliche Risiken verbleiben, die in ihren Auswirkungen für zukünftige Haushaltsjahre allerdings kaum zu bemessen sind.
Vor diesem Hintergrund wird die Umsetzung des Konjunkturpakets II und des niedersächsischen Aufstockungsprogramms im Rahmen der Niedersachsen-Initiative in 2011 ohne Einschränkungen fortgeführt. Auch die im Haushaltsplanentwurf 2012/2013 vorgesehenen investiven und konsumtiven Ausgaben tragen zukünftig weiter zur Stabilisierung der Wirtschaft und zur Sicherung der konjunkturellen Lage bei und werden durch die Ergänzungsvorlage nicht eingeschränkt. Eine stabilisierende Wirkung kommt darüber hinaus auch den Kapitalisierungsmaßnahmen zugunsten der NORD/LB zu, die mit dem Nachtragshaushaltsgesetz 2011 umgesetzt worden sind. Auch hieran wird mit dem zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2011 und der eingebrachten Ergänzungsvorlage für 2012 und 2013 festgehalten. Allerdings ermöglichen die inzwischen gesicherten Steuermehreinnahmen nun einen Verzicht auf die zusätzliche zweckgebundene Kreditermächtigung und die Abwicklung über ein Sondervermögen. Anlass für weitere Veränderungen am Haushaltsgesetz 2012 und 2013 besteht derzeit nicht.
des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration auf die Frage 49 der Abg. Dr. Gabriele Heinen-Kljajić und Ursula Helmhold (GRÜNE)
Das Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration (MS) hat im Mai dieses Jahres eine Studie zur Erfassung und Bewertung von Beratungsangeboten für Familien und ältere Menschen in Auftrag gegeben. Ziel der Studie, die in sieben Landkreisen und zwei kreisfreien Städten durchgeführt wird, ist die Ableitung einer Grundlage zur Weiterentwicklung von Beratungsstrukturen.
stattung des Landes Niedersachsen 2011 vor. Diese beinhaltet eine Strukturindikatoren-Clusteranalyse, d. h. die Bildung von Gruppen vergleichbarer Landkreise und kreisfreier Städte aufgrund von Strukturindikatoren. Die Autoren schlagen sieben Gruppen vor. Die vom Ministerium im Mai dieses Jahres in Auftrag gegebene Studie berücksichtigt jedoch nur vier der sieben Vergleichsgruppen kommunaler Gebietskörperschaften.
Während für die ebenfalls vom MS in Auftrag gegebene Handlungsorientierte Sozialberichterstattung vor Beginn der Studie eine Lenkungsgruppe unter Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände und der LAG der Freien Wohlfahrtspflege gebildet worden ist, ist bei der im Mai dieses Jahres in Auftrag gegebenen Evaluationsstudie darauf verzichtet worden.
1. Warum ist die LAG der Freien Wohlfahrtspflege nicht in Planung und Konzeptionierung der Evaluationsstudie einbezogen, sondern erstmals am 19. Juli grob über Inhalte und Ablauf informiert worden?
3. Wie wird gewährleistet, dass sich Haushalte mit multiplen Problemen und entsprechend hohem Beratungs- und Unterstützungsbedarf, die durch schriftliche Befragungen kaum erreicht werden, an der Haushaltsbefragung beteiligen?
In Niedersachsen gibt es ein vielfältiges Netz von Beratungsangeboten für Familien und ältere Menschen. Sie sind in unterschiedlicher Art und Intensität mit anderen Organisationen und Einrichtungen vernetzt. Diese Angebote sind hinsichtlich ihrer Anbindung, Verbreitung, Konzeption und spezifischen Zielgruppen sehr heterogen und, bezogen auf die jeweilige kommunale Gebietskörperschaft, unterschiedlich.
Da es derzeit landesweit keine vollständige Übersicht über relevante Angebote und umgesetzte Konzepte von Beratung und Netzwerkarbeit für die Zielgruppen Familie und ältere Menschen gibt, hat das Land im Mai 2011 eine Evaluation in Auftrag gegeben. Durchgeführt wird sie von der Universität Vechta (Zentrum Altern und Gesellschaft), der Ruhr-Universität Bochum (mit der Ausgrün- dung Faktor Familie GmbH) sowie der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. (LVG&AFS), die auch die Gesamtkoordination des Vorhabens übernommen hat.
- qualitative Fallanalyse mit Nutzerinnen und Nutzern sowie Nichtnutzerinnen und Nichtnutzern von Beratungsangeboten.
Über die Angebotserfassung und -analyse hinaus gehendes Ziel der Evaluation ist es, Grundlagen für die Weiterentwicklung der Strukturen zu erarbeiten. Die Beratungsangebote sollen nachhaltig tragfähig sein und Synergieeffekte bewirken. Hierbei ist ein effizientes Zusammenspiel verschiedener kommunaler Ebenen mit den Anbietern in freier Trägerschaft, auch unter Einbindung ehrenamtlichen Engagements, ein wesentliches Merkmal. Effizienz und Kundenorientiertheit sind die Leitlinien.
Mit der Evaluation wird exemplarisch am Beispiel ausgewählter Kommunen eine Bestandsaufnahme der jeweiligen Beratungsangebote und deren Nutzung vorgenommen. Die transferierbaren Erkenntnisse werden zu einem Gesamtergebnis zusammengefasst und sollen der Landesregierung und den Kommunen eine fachliche Grundlage zur Weiterentwicklung ihrer Beratungsangebote geben.
Die Evaluation wird in den Landkreisen Friesland, Grafschaft Bentheim, Hameln-Pyrmont, Osterode, Rotenburg/Wümme, Verden und Wesermarsch sowie den kreisfreien Städten Delmenhorst und Salzgitter durchgeführt.
Ziel der Handlungsorientierten Sozialberichterstattung Niedersachsen (HSBN) hingegen ist es, Maßnahmen zu identifizieren, die benachteiligten Kindern im Sinne finanzieller Einkommensarmut, schlechtem Gesundheitszustand und bildungsfernem Umfeld möglichst effektiv helfen sollen, die gegebenen Nachteile zu überwinden. Das Konzept besteht aus einem Statistikteil, der auf mögliche Handlungsfelder hinweist, und einer in einem zweiten Schritt geplanten Erfassung und Untersuchung von konkreten Maßnahmen und Strukturen im Hinblick auf ihre Wirkungsweisen zur Überwindung der Auswirkungen von Armut sowie der Entwicklung von Empfehlungen für zukünftige Maßnahmen und Strategien.
Der Lenkungsgruppe HSBN gehören die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Niedersachsen, die Arbeitsgemeinschaft der Familienverbände Niedersachsen und die kommunalen Spitzenverbände an. Diese Beteiligung ist der Landesregierung wichtig, weil die genannten Verbände als Akteure im Bereich der Armutsbekämpfung wertvolle Erfahrungen und Sichtweisen in das Projekt einbringen können.
Zu 1: Die Einbeziehung der Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege auf Landesebene ist zentraler Bestandteil des Evaluationskonzepts. Deshalb finden vor Beginn der Studien in allen beteiligten Landkreisen und Städten gemeinsam mit den Kommunen durchgeführte ausführliche Informations- und Diskussionsveranstaltungen statt, die auf große und konstruktive Resonanz stoßen. Die Einbeziehung der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen e. V. ist unmittelbar erfolgt, nachdem Anfang Juli 2011 die teilnehmenden Kommunen abschließend feststanden. Da die Kommunen Partner des Projekts sind und die Repräsentativbefragungen vor Ort organisatorisch gewährleisten, wäre ein frühzeitigerer Einbezug der LAG mit bis dahin nur vorläufigen Standorten und Partnern kaum möglich und wenig sinnvoll gewesen. Hierzu gab es ein Gespräch zwischen dem Staatssekretär des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration und der LAG der Freien Wohlfahrtspflege. Einige Tage später standen der zuständige Abteilungsleiter des Ministeriums und der Geschäftsführer der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. dem geschäftsführenden Ausschuss der LAG der Freien Wohlfahrtspflege für ein ausführliches Informationsgespräch zur Verfügung. Dabei wurde vereinbart, die zu entwickelnden Instrumente in Fachausschüssen der LAG der Freien Wohlfahrtspflege vor deren Einsatz diskutieren zu lassen.
Vereinbarungsgemäß wurde die LAG der Freien Wohlfahrtspflege zudem von der LVG&AFS bei der Erstellung der Fragebögen für die repräsentative Haushaltsbefragung sowie für die Bestandserhebung in den Beratungseinrichtungen beteiligt.
6 soll Beratung im Rahmen der Untersuchung als ein auf Inklusion verschiedenster Felder und Zielgruppen orientiertes, präventives und entwicklungsorientiertes Unterstützungsangebot definiert werden, das in Lebensweltkontexte eingebunden ist und offene Orientierungs-, Planungs-, Entscheidungs- und Bewältigungshilfen geben kann. Beratung wird daher - in Abgrenzung zu einer reinen Informationsvermittlung - als prozesshafte Interventionsform definiert. Der Schwerpunkt der Untersuchung richtet sich auf Einzel- und Mehrfachberatungen. Intensivere Casemanagementprozesse werden zwar mit erhoben, liegen aber nicht im Fokus des Interesses.
Eine strikte Trennung in Familien- und Seniorenphase wird der empirischen Realität nicht gerecht, da sich diese Phasen nicht trennscharf abbilden lassen bzw. nicht der sozialen Realität entsprechen. Das Projekt verfolgt insgesamt eine Lebensverlaufsperspektive. Aus erhebungspraktischen Gründen erfolgt allerdings (z. B. bei der Analyse der demografischen Eckdaten) auch eine Betrachtung der klassischen „Kernfamilie“ und der Gruppe der Seniorinnen und Senioren (> 65 Jahre und > 80 Jahre).
Zu 3: Die Repräsentativbefragung ist ein Modul des umfassend angelegten Evaluationskonzepts. Darüber wird nur ein Teil der Haushalte mit multiplen Problemlagen erreicht. Da dieses Modul mit einer soziodemografischen Analyse verknüpft ist, wird benennbar sein, welche Bevölkerungsgruppen bei der Auswertung der Befragung möglicherweise unterrepräsentiert sind. Das zweite Modul ist eine umfangreiche Einrichtungsbefragung, in der die wahrgenommenen und abgedeckten Problemlagen der Zielgruppen erhoben werden. Da davon ausgegangen wird, über die Einrichtungen vor Ort bereits einen großen Teil der Haushalte mit multiplen Problemlagen zu erreichen, wird so eine Einordnung der abgedeckten Bedarfe und Angebotslücken möglich sein. Als drittes Modul ist eine Nutzer- und eine Nichtnutzerbefragung in vier Kommunen (Grafschaft Bentheim, Osterode, Rotenburg/Wümme und Salzgitter) vorgesehen. In diesen qualitativen Interviews werden Haushalte mit multiplen Problemlagen eine wesentliche Rolle spielen. Aus den drei Modulen wird sich eine qualitativ aussage
6 (Frank Engel, Frank Nestmann, Ursel Sickendiek: Beratung: Eine Einführung in sozialpädagogische und psychosoziale Beratungsansätze, Weinheim, 3. Aufl. 2008)