Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

Der World Wide Fund For Nature Deutschland (WWF) hat sich mit dem Öko-Institut Freiburg, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Thema1 GmbH zu einem Konsortium zusammengeschlossen, das deutschen Unternehmen anbietet, ihren PCF zu ermitteln. Das im April 2008 gestartete und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) unterstützte Pilotprojekt umfasst Produkte von zehn Unternehmen aus den Branchen Lebensmittel, Handel, Telekommunikation, Ver

packung und Verbrauchsgüter. Im April 2009 wurde der Ergebnisbericht vorgestellt.

Größtes Problem bei der Beurteilung der Aussagekraft eines PCF ist, dass derzeit kein international verbindlicher Standard zur PCF-Berechnung existiert. Deshalb können, abhängig von den gewählten Systemgrenzen, auch nur Teile des Produktlebenszyklus berücksichtigt werden. Für die geplante vergleichende Bilanzierung von Hunderten von Produkten sind also „Auslegungsregeln“ erforderlich. Die British Standards Institution (BSI) hat zwar bereits 2008 einen solchen Standard veröffentlicht, der mittlerweile aber in die Kritik geraten ist. Ein ISO-Standard zum PCF und eine international harmonisierte Richtlinie mit dem Charakter eines Standards (Green-House-Gas Product Protocol) sind derzeit in Arbeit. Mit Ergebnissen ist nicht vor Anfang 2012 zu rechnen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Erstellung eines aussagekräftigen PCF ist schwierig, da Informationen über eingesetzte Vorprodukte oft nur schwer zu erhalten sind. Solange keine international verbindlichen Standards zur PCF-Berechnung eingeführt sind, spielen PCF im Vergleich zu anderen Klimaschutzmaßnahmen im industriellen Sektor, wie z. B. der Corporate Carbon Footprint (CCF), eine untergeordnete Rolle. Bei der freiwilligen Erstellung eines CCF kann auf international anerkannte Standards (z. B. das Protokoll der Green-House-Gas-Initiative oder die ISO 14064) zurückgegriffen werden.

Zu 2: Der CO2-Fußabdruck eines Produktes kann gleichwohl im Hinblick auf einen nachhaltigen Ressourceneinsatz und damit auch für den Klimaschutz eine bedeutende Rolle spielen. So unterstützt die Ermittlung von PCFs Unternehmen dabei,

- Transparenz in der Wertschöpfungskette im Hinblick auf die vor- und nachgelagerten Prozesse und beteiligten Akteure zu schaffen,

- Bewusstsein für die Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette zu schaffen und besonders emissionsreiche Phasen zu identifizieren,

- Potenziale für Emissionsreduktionen zu identifizieren, beginnend mit der Produktentwicklung,

- eine Dokumentation von Verbesserungen des PCF zu erstellen, z. B. über Produktgenerationen,

- Impulse für die (Weiter-)Entwicklung der eigenen Klimastrategie zu gewinnen,

- die Relevanz von Treibhausgasemissionen im Vergleich zu anderen Umweltwirkungen eines Produkts zu analysieren und zu bewerten.

Zu 3: Durch die fehlenden verbindlichen Standards, die eine Vergleichbarkeit ermöglichen würden, ist für eine seriöse Beurteilung eines PCF entscheidend, dass bei dessen Berechnung ein größtmögliches Maß an Transparenz eingehalten wird.

Das BMU und der Bundesverband der Deutschen Industrie empfehlen daher, bei der Berechnung eines PCF das methodische Vorgehen sowie die genutzten Daten transparent zu dokumentieren, um die Belastbarkeit und Glaubwürdigkeit der Ergebnisse bewerten zu können. Das gilt insbesondere für den Fall, dass Unternehmen die Ergebnisse eines PCF veröffentlichen wollen. Dieser Empfehlung schließt sich die Landesregierung an.

Anlage 23

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 25 des Abg. Wolfgang Jüttner (SPD)

Die Glücksspielindustrie auch in Niedersachsen weiter auf dem Vormarsch?

Anlässlich des Aktionstages „Glücksspielsucht“ haben die Veranstalter in Hannover und andernorts darauf aufmerksam gemacht, dass die Vergabe von Konzessionen für Spielhallen kontinuierlich steigt, dass allein in Hannover die Zahl der Geldspielautomaten in den vergangenen zwei Jahren um 15 % gestiegen ist.

Die Suchtexperten machten vor allem darauf aufmerksam, dass sich der Einstieg in die Glücksspielsucht häufiger über die bisher rechtlich unzulässigen Glücksspiele (Sportwet- ten, Pokern) im Internet vollzieht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum die Bundesregierung das Thema Glücksspielsucht in der Gewerbeordnung nicht rascher bearbeitet und warum die Länder gegenwärtig im Rahmen der Debatte über einen neuen Staatsvertrag die Sportwetten für den Markt öffnen wollen, während sie andererseits das gesundheitlich deutlich harmlosere Lotteriespiel mit seinen hohen Einnahmen für die Landeshaushalte rechtlich angreifbar machen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Was unternimmt die Landesregierung im eigenen Wirkungskreis und gegenüber dem

Bund, um die Spielsucht an Spielautomaten weiter einzugrenzen?

2. Welches ist der aktuelle Sachstand in der Ministerpräsidentenkonferenz und der Runde der Chefs der Staatskanzleien hinsichtlich eines neuen Staatsvertrags?

3. Sieht die Landesregierung Spielräume, das Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein vom 14. September 2011 in seinen Auswirkungen auf andere Länder zu beschneiden?

Problematik und Auswirkungen unverhältnismäßigen Spielens sind seit Langem bekannt und Gegenstand zahlreicher Bemühungen, diesem entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck ist geregelt, welche Spiele in welchem Umfang durch wen und in welcher Umgebung angeboten werden dürfen. Diese Regelungen finden sich in der Gewerbeordnung und der dazu erlassenen sogenannten Spielverordnung für den Bereich des gewerblichen Angebots von Spielen, u. a. den gewerblichen Geldgewinnspielgeräten. Daneben enthalten insbesondere der Glücksspielstaatsvertrag, das zu diesem erlassene Niedersächsische Glücksspielgesetz und das Niedersächsische Spielbankengesetz Regelungen für das Angebot von Lotterien, Sportwetten und den Betrieb von Spielbanken. Die genannten Vorschriften gestalten den Schutz des Publikums vor den Negativauswirkungen unverhältnismäßigen Spielens. Glücksspielrechtlich wird das Ziel verfolgt, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und dies durch eine wirksame Suchtprävention zu erreichen, wobei der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen der gesetzliche Auftrag erteilt ist, den Ausbau und den Betrieb eines Netzes von Beratungsstellen zu koordinieren. Das Niedersächsische Glücksspielgesetz sieht hierzu eine jährliche Finanzhilfe in Höhe von 800 000 Euro vor.

Vorschriften des Baurechts, so z. B. die Baunutzungsverordnung im Bundesrecht oder die Niedersächsische Bauordnung, ermöglichen, Einfluss auf die Ansiedlung von Spielhallen und damit auch auf die Zahl von Existenzgründungen zu nehmen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Trotz aller Bemühungen, mit den genannten verschiedenen Ansätzen ein den natürlichen Spieltrieb des Menschen berücksichtigendes maßvolles Spielangebot zu gestalten, das gleichzeitig den Spielerschutz und andere öffentliche Anliegen in den Mittelpunkt stellt, bleibt gleichwohl

festzustellen, dass ein Ansteigen problematischen Spielens mit den aufgezeigten Negativauswirkungen zu verzeichnen ist. Spielsucht nimmt zu. Das Land Niedersachsen ist deswegen durch die Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen in Hannover und an 24 weiteren Stellen vor Ort aktiv, um präventiv gegen ein weiteres Ansteigen der Spielsucht tätig zu sein. Die Zahl der Ratsuchenden steigt. In 2010 wurden mehr als 1 300 Ratsuchende in den niedersächsischen Beratungsstellen registriert. Der weitaus größere Teil der Ratsuchenden schildert eine „Spielerbiographie“ an gewerblichen Geldspielgeräten bzw. in gewerblich betriebenen Spielhallen.

Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, die Bemühungen weiter zu steigern und den Status quo des geltenden Regelungswerks nicht aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grunde sind zum gewerblichen Spiel - aufbauend auf einer Studie des Instituts für Therapieforschung (IFT) aus dem Jahre 2010 - konkrete Handlungsansätze entwickelt worden, die stichwortartig wie folgt zusammengefasst werden können:

- Herabsetzung der in Gaststätten zulässigen Anzahl von Geldgewinnspielgeräten von drei auf zwei Geräte und Verpflichtung, diese Geräte so zu sichern, dass sie nicht von Jugendlichen bespielt werden können

- Senkung des Durchschnittsverlustes von 33 Euro auf 20 Euro je Betriebsstunde

- Senkung des Maximalverlustes von 80 Euro auf 60 Euro je Betriebsstunde

- Senkung des stündlichen Maximalgewinns von 500 Euro auf 400 Euro

- Verpflichtung, die Spielgeräte nach drei Stunden Betriebszeit auf null zu stellen

- Begrenzung der Gewinnanmutung auf künftig maximal 800 Euro (bekannt sind Gewinnanmu- tungen bis zu 7 000 Euro)

- Begrenzung der Startautomatik auf 20 Sonderspiele

- Begrenzung des maximalen Geldbetrags im Einsatz- und Gewinnspeicher auf 10 Euro (bisher 25 Euro)

Diese beispielhaft genannten Regelungsansätze sind zum gewerblichen Spiel entwickelt worden und müssten durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit Zustimmung des Bundesrates in eine Änderung der Spielverord

nung einfließen. Der Handlungsbedarf zum gewerblichen Spiel ist unstreitig.

Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass die aufgezeigten Änderungen belastende Auswirkungen im Gewerberecht und damit im grundrechtlich ausgestalteten Bereich der Berufsfreiheit der gewerblichen Automatenher- und -aufsteller entfalten. Konsequenzen für die Berufsfreiheit haben auch die parallel stattfindenden Änderungen des Glücksspielstaatsvertrages, die in der derzeitigen Beratungsphase auch Regelungen für das Recht von Spielhallen vorsehen. Das macht deutlich, dass die Materien des gewerblichen Spielrechts auf Bundesebene mit dem Spielhallenrecht im Landesrecht und letztlich auch mit dem Recht nach dem Glücksspielstaatsvertrag korrespondieren. Zudem befindet sich derzeit eine Änderung der Baunutzungsverordnung in der Beratung des Bundesrates, die ebenfalls Änderungen für Spielhallen vorsieht. Die Bemühungen, die verschiedenen Rechtsänderungen abzustimmen und dabei die Interessen der Gewerbefreiheit einerseits und den öffentlichen Interessen an einem staatlich stark reglementierten, am Ordnungsrecht und Spielerschutz orientierten staatlichen Glücksspiel andererseits in Einklang zu bringen, dauern an.

Niedersachsen wird sich in diesen Verhandlungen für einen verbesserten Spielerschutz einsetzen.

Zu 2: Die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder haben sich auf ihrer Jahreskonferenz am 22. und 23. September 2011 mit dem aus dem Notifizierungsverfahren bekannten Entwurf für einen Änderungsglücksspielstaatsvertrag (Stand 14. April 2011) befasst. Nach den dort gefassten Beschlüssen soll ein überarbeiteter Entwurf eines Änderungsstaatsvertrages den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder auf ihrer Konferenz vom 26. bis 28. Oktober 2011 zur abschließenden Erörterung vorgelegt werden. Der Neuentwurf soll im Wesentlichen für folgende Punkte Alternativen enthalten:

- Bezüglich der Höhe der Konzessionsabgabe für künftige Sport- und Pferdewetten wird eine Absenkung des derzeit vorgesehenen Prozentsatzes vom Spieleinsatz geprüft. Entsprechend soll eine Änderung des im Rennwett- und Lotteriegesetzes geregelten Steuersatzes für Sport- und Pferdewetten sowohl für inländische als auch ausländische Anbieter angestrebt werden.

- Die Höchstzahl der Sportwettenkonzessionen nach der geplanten Experimentierklausel sowie die von den Konzessionären zu erfüllenden An

forderungen werden noch einmal mit dem Ziel überprüft, den Spieler- und Verbraucherschutz, sowie die Einhaltung der fiskalischen Pflichten bestmöglich zu gewährleisten.

- Casinospiele im Internet einschließlich Poker sollen ausnahmslos verboten bleiben.

- Die Begrenzung der Zahl der Wettvermittlungsstellen soll den Ausführungsgesetzen der Länder vorbehalten werden.

- Das Verfahren zur Erteilung von Erlaubnissen an gewerbliche Spielvermittler soll als harmonisiertes Verfahren konzipiert werden.

- Es ist zu prüfen, wie illegalem Glücksspiel durch Kontrolle der Zahlungsströme wirksam entgegengewirkt werden kann.