Protokoll der Sitzung vom 11.11.2011

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Möglichkeiten gibt es in Niedersachsen, pflegende Angehörige zu beraten und zu unterstützen?

2. Wie viele Pflegestützpunkte stehen an welchen Standorten in Niedersachsen zur Verfügung?

3. Welche Aktivitäten plant die Landesregierung zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf?

Zu pflegende Menschen haben meist den Wunsch, trotz ihrer Einschränkungen in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben zu können. Die erforderlichen Hilfestellungen und Pflegeleistungen in der eigenen Häuslichkeit werden in diesen Fällen dann entweder von ambulanten Pflegediensten oder - und dies sogar in der überwiegenden Zahl - von den Angehörigen der Betroffenen erbracht. Die Betreuung und Versorgung älterer und pflegebedürftiger Menschen sicherzustellen, ist für die pflegenden Angehörigen allerdings eine große Belastung - oft auch durchgehend und ohne Pause.

Nach den vom Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) für die Pflegestatistik nach § 109 des Sozi

algesetzbuches - Elftes Buch (SGB XI) - zum 15. Dezember 2009 erhobenen und im Februar diesen Jahres vorgelegten Zahlen (www.ms.nie- dersachsen.de/download/57038) waren im Dezember 2009 in Niedersachsen 256 085 Menschen pflegebedürftig im Sinne dieses Gesetzes. Während 81 726 Personen Aufnahme in stationären Pflegeeinrichtungen gefunden haben, wurden mehr als zwei Drittel aller Pflegebedürftigen (174 359 oder 68,1 %) zu Hause versorgt. Davon erhielten 111 441 Personen ausschließlich Pflegegeld, um die Pflege durch selbst organisierte Pflegehilfen - in der Regel durch Angehörige - sicherzustellen; 62 918 Pflegebedürftige wurden durch ambulante Pflegedienste betreut. Die größte Gruppe der in der Pflege Tätigen bilden damit die pflegenden Angehörigen.

Im Hinblick auf die zu beobachtende demografische Entwicklung ist die Beratung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen eine vorrangige Herausforderung an eine hochwertige pflegerische Angebotsstruktur in Niedersachsen. Die Unterstützung individueller häuslicher Pflegearrangements, die Eröffnung von Hilfe- und Leistungspotenzialen sowie die gezielte Kompetenzentwicklung bei Pflegepersonen durch Pflegekurse und individuelle häusliche Schulungen für die Bewältigung von Pflegeaufgaben sind wichtige Pfeiler zur Stabilisierung der häuslichen Versorgung. Nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ können auf diese Weise Heimaufnahmen der Betroffenen vermieden oder zumindest verzögert werden.

Zur Erreichung dieser Zielsetzung stehen unterschiedliche Instrumente und Hilfsangebote zur Verfügung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Für pflegende Angehörige steht eine breite Palette von Möglichkeiten der Beratung und Unterstützung zur Verfügung, die nachstehend im Einzelnen beschrieben werden:

Beratung durch die Pflegekassen (§ 7 a SGB XI)

Mit der Einführung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes zum 1. Juli 2008 ist im SGB XI ein Anspruch auf Beratung und Hilfestellung in den Leistungskatalog der Pflegekassen aufgenommen worden. Personen, die Leistungen nach SGB XI erhalten, haben ab dem 1. Januar 2009 bei der Auswahl und Inanspruchnahme von Sozialleistungen sowie Hilfsangeboten, die auf die Unterstützung von Menschen mit Pflege-, Versorgungs- oder

Betreuungsbedarf ausgerichtet sind, einen Rechtsanspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegeberater oder eine Pflegeberaterin (Pflegeberatung).

Die Aufgabe der Pflegeberatung liegt insbesondere darin, den bestehenden individuellen Hilfebedarf zu erfassen und zu analysieren, einen darauf abgestimmten Versorgungsplan mit den im Einzelfall erforderlichen Sozialleistungen und Hilfen zu erstellen, auf seine plangemäße Durchführung hinzuwirken und den Plan gegebenenfalls an eine veränderte Bedarfslage anzupassen.

Gemäß § 7 a Abs. 2 Satz 1 SGB XI erfolgt die Pflegeberatung auf Wunsch auch unter Einbeziehung von Dritten, insbesondere Angehörigen und Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern.

Pflegestützpunkte (§ 92 c SGB XI)

§ 92 c SGB XI sieht vor, dass die Pflegekassen für eine wohnortnahe Beratung, Versorgung und Betreuung der Versicherten Pflegestützpunkte einrichten - sofern dies durch Landesrecht bestimmt wird. Die verantwortlichen Pflege- und Krankenkassen sollen dabei auf eine Beteiligung der örtlichen Sozialhilfeträger an den Pflegestützpunkten hinwirken.

Die Umsetzung dieser bundesgesetzlichen Regelung ist zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und der Pflegeeinrichtungen sowie den kommunalen Spitzenverbänden unter Beteiligung des MS intensiv beraten worden. Die Beteiligten haben sich im Ergebnis auf landeseinheitliche Rahmenbedingungen geeinigt, die am 28. Mai 2009 unterzeichnet worden sind und die im Gesetz normierten Aufgaben des Pflegestützpunktes umsetzen (Rahmenvereinbarung zur Verbesserung des Beratungsangebots für pflegebedürftige Men- schen und deren Angehörige in Niedersachsen sowie über die Einrichtung und den Betrieb von Pflegestützpunkten in Niedersachsen gemäß § 92 c SGB XI; siehe www.ms.niedersach- sen.de/download/9758).

Das Anliegen des niedersächsischen Modells ist, dass Pflegekassen und Kommunen auf freiwilliger Basis und eigenverantwortlich in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt mindestens einen Pflegestützpunkt einrichten.

Auf der Grundlage dieser Rahmenvereinbarung können die Pflege- und Krankenkassen mit den Landkreisen und kreisfreien Städten regionale Vereinbarungen abschließen und hierin die weite

ren Details zu Konzeption, inhaltlicher Ausgestaltung und Organisation der Stützpunkte festlegen.

Die Qualifikation der in den Pflegestützpunkten eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientiert sich dabei an den Kriterien für Pflegeberaterinnen und Pflegeberater (§ 7 a Abs. 3 Satz 2 SGB XI).

Zu den Aufgaben des Pflegestützpunktes gehören

1. die umfassende sowie unabhängige Auskunft und Beratung zu den Rechten und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch und zur Auswahl und Inanspruchnahme der bundes- oder landesrechtlich vorgesehenen Sozialleistungen und sonstiger Hilfsangebote,

2. die Koordinierung aller für die wohnortnahe Versorgung und Betreuung in Betracht kommenden gesundheitsfördernden, präventiven, kurativen, rehabilitativen und sonstigen medizinischen sowie pflegerischen und sozialen Hilfs- und Unterstützungsangebote einschließlich der Hilfestellung bei der Inanspruchnahme der Leistungen,

3. die Vernetzung aufeinander abgestimmter pflegerischer und sozialer Versorgungs- und Betreuungsangebote; dabei ist auf vorhandene vernetzte Beratungsstrukturen zurückzugreifen.

Die Einrichtung der Pflegestützpunkte ist mit Unterstützung der Bundesregierung erfolgt: Die Anschubfinanzierung aus Bundesmitteln hat einmalig bis zu 45 000 Euro pro Stützpunkt betragen. Pflegestützpunkte, die mit ehrenamtlich oder bürgerschaftlich Engagierten zusammenarbeiten, konnten darüber hinaus noch bis zu 5 000 Euro zusätzlich erhalten.

Die Frist zur Gewährung der Anschubfinanzierung ist am 30. Juni 2011 abgelaufen. Die darüber hinausgehende dauerhafte Finanzierung der Pflegestützpunkte ist durch § 1 Abs. 4 der Rahmenvereinbarung und dazugehöriger Anlage sichergestellt. Danach erhalten die Pflegestützpunkte jährliche Fördermittel der Pflegekassen in Abhängigkeit von dem Bevölkerungsanteil der über 60-Jährigen in Höhe von mindestens 30 000 Euro, höchstens aber 50 000 Euro pro Jahr.

Seniorenservicebüros

Niedersachsen fördert seit 2008 als erstes Flächenland den Aufbau von Seniorenservicebüros (SSB). Sie werden für vier Jahre mit jeweils bis zu 40 000 Euro jährlich unterstützt. In diesem Jahr wird es 45 SSBs geben. Lediglich die Region Han

nover und die Stadt Emden haben keinen Antrag auf Förderung eines SSB gestellt, die Stadt Wilhelmshaven hat ihren Antrag zurückgezogen. Damit ist die geplante Flächendeckung von einem SSB pro Landkreis bzw. kreisfreier Stadt nahezu erreicht. Zusätzlich stehen jedem SSB bis zu 6 000 Euro für das Programm DUO, also die Qualifizierung von Seniorenbegleiterinnen und Seniorenbegleitern, zur Verfügung. Die Förderung des Landes richtet sich nach der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von SSBs (Erlass des MS vom 15. Dezember 2008, Nds. MBl. Nr. 3/2009 S. 49).

Die SSBs sind als Organisationseinheit an eine bereits bestehende Struktur angebunden. Sie haben vor allem die Aufgabe, sich im Landkreis bzw. in der kreisfreien Stadt so zu vernetzen, dass sie einen Netzwerkknoten mit ehrenamtlichen, nachbarschaftlichen und professionellen Anbietern bilden und dadurch ein qualitativ hochstehendes Vermittlungs- und Beratungsangebot sicherstellen können. Die Kooperationen vor Ort sind - unabhängig davon, ob das SSB einen freien oder kommunalen Träger hat - vielfältig und erfolgreich. Durch ihren Einsatz sollen der Hilfe- und Pflegebedarf gemindert und die Lebensqualität älterer Menschen durch die Unterstützung, Beratung und Anregung qualifizierter Assistentinnen und Assistenten verbessert werden. Eine Zuständigkeit für pflegerische Aufgaben haben die SSBs dagegen nicht. Die Erfahrungen der ersten Jahre zeigen, dass die SSBs zentrale Anlauf- und Informationsstelle für ältere Menschen in den Landkreisen bzw. kreisfreien Städte geworden sind. Sie bestätigen das Projekt der Landesregierung nachdrücklich.

Die SSBs müssen drei zentrale Bausteine anbieten:

- Vermittlung, Organisation und Koordination von Seniorenbegleiterinnen und Seniorenbegleitern (DUO) ,

- Organisation, Koordination und Vermittlung des Freiwilligen Jahres für Seniorinnen und Senioren (FJS) 1,

- einen weiteren Baustein nach Wahl; hier haben sich die meisten Büros für die ehrenamtliche Wohnberatung entschieden.

Niedrigschwellige Betreuungsangebote (§ 45 c

SGB XI)

1 Insgesamt haben bis jetzt 95 Seniorinnen und Senioren am FJS teilgenommen

Wenn plötzliche Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen eingetreten ist, bedeutet dies für die pflegenden Angehörigen meist eine hohe physische und psychische Belastung - oft auch rund um die Uhr.

Genau hier setzt die Unterstützung durch niedrigschwellige Betreuungsangebote an. Es handelt sich dabei um Leistungen der Betreuung und Beaufsichtigung für Pflegebedürftige, die stundenweise durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer erbracht werden. Die Angebote sind organisatorisch in der Regel z. B. der Caritas, dem Deutschen Roten Kreuz, der Arbeiterwohlfahrt, den Maltesern, der Diakonie, den Johannitern, dem Paritätischen, Einrichtungen der Alzheimer-Gesellschaft oder weiteren Einrichtungen der Lebens- oder Nachbarschaftshilfe angegliedert. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer werden bei ihrer Tätigkeit durch Fachkräfte pflegefachlich angeleitet und nehmen den pflegenden Angehörigen ihre Aufgaben zeitweise ab. Sie stellen sicher, dass die Betroffenen gut beaufsichtigt und betreut werden, während sich die pflegenden Angehörigen von der Pflegesituation erholen und diese Zeit frei disponieren können. Die Betreuung kann in Einzelbetreuung in der Wohnung der Betroffenen, alternativ aber auch außerhalb der häuslichen Umgebung in Gruppen erfolgen.

Die Leistungen der niedrigschwelligen Betreuungsangebote sind vorgesehen für Menschen mit demenzieller Erkrankung, psychischer Erkrankung sowie geistiger Behinderung, wenn nach Feststellung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) aufgrund der Erkrankung ein erhöhter Bedarf an Beaufsichtigung und Betreuung gegeben ist. Dies ist immer anzunehmen bei Vorliegen einer Pflegestufe, kann aber auch schon gegeben sein, wenn die Pflegestufe I noch nicht erreicht wird (sogenannte Pflegestufe 0).

Wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch den MDK festgestellt, erhalten die Betroffenen zum Zwecke der Inanspruchnahme der Leistungen der niedrigschwelligen Betreuungsangebote aus den Mitteln der Pflegekassen einen zusätzlichen Betreuungsbetrag. Dieser Betreuungsbetrag liegt zurzeit bei 1 200 Euro, in schwereren Fällen bei 2 400 Euro jährlich (§ 45 b Abs. 1 SGB XI).

Mit diesen Mitteln können, abgestimmt auf den Bedarf der Angehörigen, mit den niedrigschwelligen Betreuungsangeboten stundenweise Betreuungen vereinbart und auch abgerechnet werden. Die Kosten der Betreuung, insbesondere Aufwandsersatz z. B. für Fahrtkosten, werden vom Anbieter

festgelegt und liegen im Bereich von 10 Euro bis 15 Euro je Stunde und betreutem Angehörigen.

Der zusätzliche Betreuungsbetrag wird - unabhängig von anderen Leistungen nach dem SGB XI - zusätzlich zum Pflegegeld oder zur Pflegesachleistung gewährt; er wird aber nicht an den Betroffenen ausgezahlt, sondern von der Pflegekasse direkt mit den Anbieterinnen und Anbietern niedrigschwelliger Betreuungsangeboten abgerechnet.

Um den pflegenden Angehörigen diese Entlastungsmöglichkeiten auf breiter Linie anbieten zu können, fördert das Land den Aufbau von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten in Niedersachsen und hat zu diesem Zweck die Richtlinie zur Förderung von Zuwendungen für niedrigschwellige Betreuungsangebote aufgelegt (Runderlass des MS vom 17. November 2008, Nds. MBl. S. 1213). Auf der Grundlage dieser Richtlinie erhalten die Leistungsanbieter je nach Angebot Fördermittel für die notwendigen Personal- und Sachausgaben, die mit der Koordination und Organisation der Hilfen, der fachlichen Anleitung, Schulung und Fortbildung sowie der kontinuierlichen fachlichen Begleitung und Unterstützung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer verbunden sind.

Die Förderung erfolgt mittlerweile im achten Jahr und zu jeweils 50 % von den Pflegekassen und vom Land. Voraussetzung dafür ist eine Anerkennung des Leistungserbringers als niedrigschwelliges Betreuungsangebot. Diese Anerkennung stellt die erforderliche Qualität der Betreuung auch durch Ehrenamtliche sicher (Niedersächsische An- erkennungsverordnung). Zu den anerkennungsfähigen niedrigschwelligen Betreuungsangeboten gehören:

- Betreuungsgruppen,

- Helferkreise zur Entlastung pflegender Angehöriger im häuslichen Bereich,