Protocol of the Session on December 6, 2011

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Meine Damen und Herren, ich sage hier ausdrücklich für die SPD-Fraktion: Wir möchten Schäden von der Fischereiwirtschaft fernhalten.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, wollen dies durch eine Bestandsregulierung erreichen. Ansonsten halten Sie sich in Ihrem Antrag aber sehr bedeckt in Bezug auf konkrete Vorschläge und Forderungen.

Wir hatten zu Ihrem Antrag einen Änderungsantrag formuliert, der sich auf den wesentlichen Punkt Ihres Antrags beschränkt hat, nämlich das Kormoran-Bestandsmanagement europaweit einzuführen. Leider ist unser Änderungsantrag aus organisatorischen Gründen dem Bundesparteitag zum Opfer gefallen. Aber wir hätten aus dem Ansatz des europäischen Managementplans mit Sicherheit einen sehr guten Antrag gemacht.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, von Ihren Kollegen im Landtag Schleswig-Holstein ist ein nahezu wortgleicher Kormoran-Antrag eingebracht worden. Das Hamburger Abendblatt hat die dortige Debatte aufgegriffen und schreibt - ich würde sagen, recht süffisant -, dass es der Kormoran im Landtag weit gebracht hat, nämlich auf 127 Nennungen in vier Jahren. Das Abendblatt klagt dann, dass man den Kormoran nicht los werde: Das Tier sei uneinsichtig und dann auch noch gefräßig. Dann schlägt das Abendblatt vor, man solle versuchen, den Kormoranen das Lesen beizubringen. „Spätestens beim Wort ‚Vergrämungsstrategie’ würden sie“ - die Kormorane - „die Flucht ergreifen. Und der Landtag könnte sich anderen Themen zuwenden.“

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, so locker geht nur die Presse mit dem Thema um. Betroffene wie Umweltschützer oder Fischer und auch Landtagsabgeordnete reagieren da ganz anders. Umweltschützer z. B. haben den Kormoran zum Vogel des Jahres 2010 gekürt, und sie kritisieren die Jäger, die mit Schrot von unten in die Nester schießen, sodass dabei Jungvögel aus dem Nest fallen und elendig am Boden verenden.

Fischer und Angler bedienen sich bei der Diskussion über Kormorane geradezu kriegerischer Äußerungen. Ich zitiere ein paar Äußerungen, die ich in letzter Zeit sammeln durfte: „Diese Mistvögel!“ - „Ich bin für den Abschuss!“ - „Schwarze Pest!“ - „Schützt unsere Fische!“ - „Esst mehr Reiher und Kormorane!“ - „Die Schwarzen müssen endlich abgeknallt werden!“

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das ist von Schminke! Das kenne ich!)

- Nicht nur.

Abgeordnete verschiedener Landtage finden sich dann unversehens in der Rolle des Vermittlers zwischen den Fronten und suchen nach Lösungen, die praktikabel erscheinen und rechtlich möglich sind. Deshalb befassen auch wir uns heute mit diesem großen schwarzen Vogel.

Meine Damen und Herren, fest steht: Kormorane können erhebliche Schäden verursachen. Das macht dann schon einmal einen Schaden von 600 000 Euro bei der Teichwirtschaft in einem einzigen bei Kormoranen beliebten Bundesland aus. Fest steht aber auch, dass Kormorane die Artenvielfalt der Fische nicht wirklich gefährden können.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das stimmt aber nicht, Frau Rakow!)

Was kann man nun als Vermittler zwischen den Fronten tun? - Schauen wir uns einmal die rechtliche Situation an: In Niedersachsen gibt es eine Kormoran-Abschussverordnung aus dem Jahre 2003. Das MU hat vorgetragen, dass es sich dabei erstens um eine Verordnung handelt, die den Interessen der Fischerei sehr weit entgegengekommen ist, dass diese Verordnung zweitens die weitestgehende Verordnung bundesweit ist und dass drittens mehr, d. h. schärfere Regeln nach Landes- und Bundesrecht nicht möglich sind.

Niedersachsen hat rechtlich alles ausgereizt. Niedersachsen hat damit auch erreicht, dass die Zahl der Brutpaare um ein Viertel zurückgegangen ist. So stark hat die Verordnung gegriffen. Das eigentliche Problem sind laut MU nur die Winterbestände der Kormorane. Diese aus Nord- und Osteuropa unerwünscht anreisenden Kormorane - 5 000 bis 6 000 jeden Winter in Niedersachsen - rufen die Schäden hervor.

(Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Aus- weisen!)

Von diesen Tieren wird aber auch jeden Winter rund die Hälfte abgeschossen. Dennoch muss man zugestehen, dass die Schäden regional durchaus beachtlich sind.

Meine Damen und Herren, wirkungsvoller als das winterliche Kormoranschießen wäre es, ein bundesweites bzw. europaweites Management auf wissenschaftlicher Basis zu installieren. Wobei „europaweit“ wahrscheinlich zu hoch gegriffen ist: Es würde reichen, das auf die Staaten zu beziehen, in denen größere Kormorankolonien vorkommen. Erfahrungen aus Dänemark könnte man in das Management einfügen; dort gibt es recht erfolgreiche Ansätze.

Ich fasse zusammen: Es muss ein bundes- bzw. europaweites Management auf wissenschaftlicher Grundlage gefunden werden, mit dem die Zahl der winterreisenden Kormorane verringert wird. Der vorliegende Antrag suggeriert aber, das Problem könne hier gelöst werden. Das ist unseriös.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, was bewirken Ihr Antrag und diese Debatte? Dass wir es schaffen, hier im Landtag noch mehr Nennungen zu haben als die Kollegen in SchleswigHolstein? Oder müssen Sie zu Weihnachten noch eine Klientel bedienen, die derartige verbale Drohszenarien von Ihnen erwartet? Aber glauben Sie wirklich, dass irgendjemand so naiv ist, auf die verbale Kraftmeierei hereinzufallen?

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, geben Sie doch einfach und ehrlich zu, dass das, was Sie suggerieren wollen, nicht geht, dass ein Bestandsmanagement auf wissenschaftlicher Grundlage bundesweit bzw. nordosteuropaweit alles ist, was gemacht werden kann. Machen Sie daraus einen soliden Antrag! Dann sind wir bei Ihnen. So ist uns Ihr Antrag aber zu nebulös und damit nicht zielführend genug, zu bombastisch bei

zu wenig Substanz. So können wir dem Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Kormoran-Meyer!)

Den Zwischenruf „Kormoran-Meyer“ hatte ich noch nicht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Frau Präsidentin?)

- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! - Ich komme mit den schwarzen Vögeln durcheinander.

Ich teile die Kritik der Kollegin Rakow allein schon an der Überschrift des Antrags „Kormoran-Bestandsmanagement auf wissenschaftlicher Grundlage einführen“. Wenn wir uns wirklich über die wissenschaftlichen Fakten unterhalten, dann haben Sie, Kollege Heineking, nur die halbe Wahrheit erzählt. Zwar hat die Zahl der Kormorane seit den 80er-Jahren zugenommen - er war vorher in Niedersachsen ausgerottet -, aber in den letzten zehn Jahren haben sich die Bestände stabilisiert und sind jetzt im ökologischen Gleichgewicht. Die Zahl der Brutpaare geht in Niedersachsen sogar zurück. Die Bestandsregulierung funktioniert ganz von selbst.

Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass die von Ihnen geforderte bundes- und sogar europaweite Einführung der Bejagung - darum geht es Ihnen ja letztlich, wenn Sie von „Management“ sprechen - nicht nur überflüssig ist, sondern auch einen Rechtsbruch darstellt. In Niedersachsen sind Kormoranabschüsse bis Ende März erlaubt. Mehr als drei Viertel unseres Brutbestandes brütet dann aber bereits.

Meine Damen und Herren, das hat doch nichts mit der von Ihnen und der Jägerschaft immer so hoch gehaltenen Waidgerechtigkeit zu tun. Das ist schlicht tierschutzwidrig und fällt eindeutig hinter die Jagdzeitenverordnung zurück, die eine Beja

gung während der Brut- und Reproduktionszeit verbietet.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Falsch sind auch Ihre Einlassungen zum Schutz der heimischen Fischfauna, die Sie durch den Kormoran bedroht sehen. Die Wahrheit ist doch: Wer ist denn dafür verantwortlich, dass sich die Qualität unserer Gewässer trotz gegenteiliger Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie nicht verbessert? Wer tut denn nichts gegen die Versalzung der Weser, die den Fischbestand um 90 % hat einbrechen lassen? - Das sind doch wohl Sie! Und wer ist dafür verantwortlich, dass unsere Bäche, Flüsse, Teiche und Seen völlig überdüngt sind? - Das sind doch wohl auch CDU und FDP mit ihrer völlig verfehlten industriellen Agrarpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben eben über die beiden wichtigsten Kormorangebiete Steinhuder Meer und Dümmer gesprochen. Im Dümmer ist der Rückgang bei der Fischfauna in erster Linie auf den massiven Eintrag von Gülle und anderen Schadstoffen aus der Landwirtschaft zurückzuführen. Dort würde Ihnen ein Kormoran-Management nicht weiterhelfen. Vielmehr müssen Sie die Ursachen bekämpfen, und die liegen in Ihrer verfehlten Landwirtschaftspolitik.

Diese Tatsachen müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Nicht der Kormoran bringt das Gleichgewicht der Ökologie durcheinander, sondern Sie mit Ihrer Umwelt- und Agrarpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hocker.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Normalerweise besitzt ein intaktes Ökosystem die Eigenschaft, sich selbst zu regulieren. Die Population einer Spezies vergrößert sich, wenn sie entsprechende Lebensgrundlagen vorfindet und das Nahrungsangebot überproportional vorhanden ist. Aber weil in einem funktionierenden Ökosystem jede Spezies wiederum auch als Nahrung für eine andere Spezies dient, regulieren sich solche Populationsexplosionen dort von alleine, solange der Mensch seine Finger, lieber Kollege Wenzel, nicht im Spiel hat.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Es geht um ein paar Tausend Tiere! Da brauchen Sie nicht von Explosion zu reden!)

- Ich hätte nicht gedacht, dass die Emotionen bei diesem Thema doch noch so hochkochen können.

Vor mehr als 30 Jahren wurde der Kormoran als eine bedrohte Spezies eingestuft. In den 70er-Jahren zählte man nur noch rund 15 Brutpaare in Niedersachsen. Deswegen wurde der Kormoran im Jahre 1976 auf die Rote Liste der bedrohten Tierarten gesetzt. Mittlerweile hat sich der Bestand in den 1990er-Jahren wieder mehr als verhundertfacht. Heute schätzt man in Europa den Bestand auf über 2 Millionen Tiere. Hätte der Kormoran natürliche Feinde, würde eine andere Spezies von diesem Überangebot an Nahrung profitieren und den Kormoranbestand wieder dezimieren. Aber weil das eben nicht der Fall ist, konnte sich der Kormoran bis heute weiter ungestört vermehren.

(Kurt Herzog [LINKE]: Falsch!)

Der Kormoran ist deswegen schon lange keine gefährdete Art mehr. Stattdessen gefährdet seine Bestandsgröße ganze Arten von Fischen in unseren Gewässern. Ein einziger Kormoran vertilgt in einem Jahr fast fünf Tonnen Fisch. Hinzu kommen die unzähligen Fische, die vom Kormoran nicht gefangen werden, aber bei seinen Fangversuchen Verletzungen davontragen, die nachher dazu führen, dass sie verenden. Etwa 60 % aller in niedersächsischen Gewässern gefangenen Aale weisen Verletzungen durch Kormorane auf.

Meine Damen und Herren, wenn Spezies, die nicht mehr länger bedroht sind, weiterhin einem besonderen Schutz unterliegen, dann geht dies zwangsläufig zulasten anderer Arten. In diesem Fall muss entgegengewirkt werden. Die Schutzbedürftigkeit dieser Arten muss auf den Prüfstand. Sie muss abgeschafft werden. Auch der Bieber und die Nonnengans konnten im Laufe der vergangenen Jahre von der Liste der bedrohten Arten gestrichen werden, weil sich ihre Population wieder nachhaltig erholt haben.

Wer den Kormoran weiterhin besonders schützen möchte, riskiert die Population von Weißfischen, von Aalen und von Barschen. Der Kormoran ist mittlerweile zu einer echten Gefahr für die Artenvielfalt in unseren Binnengewässern geworden.