Wir verzichten ebenfalls auf den Ansatz von fiktiven Steuermehreinnahmen, die der Bundestag beschließen muss, solange wir die Umsetzung einer anderen Steuerpolitik mit anderen Mehrheiten nicht sicherstellen können.
So richtig die Einnahmeerhöhungen im Antrag der Linken und auch die im Antrag der SPD genannten Einnahmeerhöhungen sind, so falsch wäre es, diese zusätzlichen Einnahmen schon jetzt für ein regierungstaugliches Haushaltskonzept zugrunde zu legen.
Zum Ausgleich dieser 640 Millionen Euro sehen wir quer durch den gesamten Haushalt eine stärkere Ausschöpfung der Einnahmemöglichkeiten, erhebliche Einsparungen, aber auch für uns sehr schmerzliche Reduzierungen und Streckungen bei den bisher von uns gewünschten Mehrausgaben vor.
Trotzdem - 640 Millionen Euro sind eine Menge Holz - bleibt eine Deckungslücke von rund 230 Millionen Euro übrig. Solange wir die dringend benötigten Einnahmeverbesserungen durch eine stärkere steuerliche Belastung der hohen Einkommen und Vermögen nicht realisieren können, muss diese Lücke durch Vermögensveräußerungen gedeckt werden.
Dass wir diese zusätzlichen Einnahmen wollen, wie sie Kollege Schostok eben schon dargestellt hat - es gibt eine große inhaltliche Deckungsgleichheit bei den steuerlichen Vorschlägen von SPD und Grünen -, ist sicherlich klar. Aber jetzt müssen wir erst einmal eine andere Lösung für 2012 suchen.
Daher wollen wir, dass die Steuermehreinnahmen dieses Jahres, die in Höhe von 500 Millionen Euro zur zusätzlichen und aus meiner Sicht für das Land unzumutbaren Kapitalisierung in die NORD/LB fließen, 2012 in einer ersten Rate in den Landeshaushalt zurückfließen. Dabei geht es uns nicht nur um den Haushaltsausgleich - das sage ich ganz deutlich -, sondern auch darum, das Engagement dieses Landes - sprich: des niedersächsischen Steuerzahlers - in der NORD/LB zu begrenzen.
Der Umstand, dass die Eigenkapitalsituation der Bank bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr prekär wird, sollte Anlass zur Vorsicht sein - bei aller Kritik an der EBA, die sicherlich nicht unschuldig daran ist. Der niedersächsische Landeshaushalt ist aber für wiederholte Bankenrettungen dieses Ausmaßes nicht geeignet.
Meine Damen und Herren, Schwarz-Gelb fällt regelmäßig in einen landespatriotischen Taumel, wenn es um die NORD/LB geht. Nur: Im Zustand der Entrückung sollte man keine Risikoentscheidungen treffen, die einen klaren Kopf erfordern.
Natürlich ist man hinterher immer klüger. Aber dass der Landesbankensektor nach Wegfall der Gewährträgerhaftung Probleme bekommen wird, war doch kein Geheimnis ebenso wenig wie das Wissen um eine im internationalen Vergleich bestehende Unterkapitalisierung deutscher Banken. Spätestens seit der Bankenkrise 2008 ist klar, dass die Erhöhung der Kernkapitalquoten bei den Banken ein zentrales Regulierungselement zur Stabilisierung ist. Wir alle hier in diesem Saal haben das unisono gefordert.
Das heißt aber doch auch: Der besondere Bedarf der NORD/LB in dieser Hinsicht ist seit vielen Jahren absehbar.
Aber für unseren Finanzminister gab es die Krise lange Zeit ja gar nicht. Zumindest war sie seiner Meinung nach gar nicht Niedersachsen-relevant.
Dann verwundert es auch nicht, dass die Beteiligungsstrategie des Landes in Sachen NORD/LB nicht von gestaltenden, langfristigen Lösungsansätzen geprägt ist, sondern von reaktiven, hektischen und überfallartigen Notmaßnahmen, wie wir sie im Frühsommer erlebt haben und wie wir sie jetzt wieder erleben.
(Beifall bei den GRÜNEN - Hans- Henning Adler [LINKE]: Welche Alter- nativen habt ihr für die NORD/LB? - Gegenruf von Stefan Wenzel [GRÜ- NE]: Die gibt es, Herr Adler! Die kön- nen wir Ihnen sehr gut darstellen!)
Deshalb lehnen wir auch die Bürgschaft in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ab, die in diesem Haushalt verankert werden soll. Dieser Plan B überträgt das Risiko für diese 1,5 Milliarden Euro auf den niedersächsischen Steuerzahler. Aber noch entscheidender ist: Als leichter Ausweg nimmt er den Druck von den Verantwortlichen, das Problem innerhalb der Bank zu lösen.
An dieser Stelle verweise ich Sie auf einen Entschließungsantrag der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen. Dort wird gemeinsam gefordert, dass die Banken diese Situation selber und aus eigener Kraft lösen müssen.
Denn die NORD/LB ist keine kleine, niedliche Regionalbank, die bei Schwierigkeiten mal eben aus dem Landeshaushalt gestützt werden kann. Sie agiert international und wird von der EBA als systemrelevantes Finanzinstitut eingestuft. Mit ihrem derzeitigen Kernkapitalproblem trifft sie sich auf einer Stufe mit der ebenfalls betroffenen Landesbank Baden-Württemberg, der Commerzbank und der Deutschen Bank. Deshalb ist es auch naiv, zu glauben, mit der 9-%-Eigenkapitalschwelle sei das Ende der Fahnenstange erreicht und mit der 1,5Milliarden-Euro-Bürgschaft das Problem dauerhaft gelöst.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung fordert in seinem aktuellen Jahresgutachten - es ist gerade herausgekommen -, übrigens übereinstimmend mit vielen anderen Experten, für systemrelevante Banken Kernkapitalquoten von bis zu 20 %. In der Schweiz sind solche Größenordnungen bereits in der Umsetzung.
Das ist weder im Landeshaushalt noch bei den anderen Eigentümern darstellbar. Deshalb müssen wir der Bank auch in ihrem eigenen Interesse jetzt das klare Signal geben, dass sie nach anderen Lösungen suchen muss.
Die andere Lösung wird im Wesentlichen eine weitere Reduzierung der risikogewichteten Aktiva sein müssen. Das heißt, die NORD/LB muss schrumpfen.
(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE] - Christian Dürr [FDP]: Wel- chen Unternehmen wollen Sie die Kredite denn kündigen?)
Mit der Umwandlung sämtlicher stillen Einlagen in Stammkapital hat das Land Niedersachsen bereits mehr als seine Pflicht getan. Damit verzichten wir bereits auf Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe.
Noch ein Wort zur Diskussion um die Schuldenbremse: Auch hier streuen Regierung und Koalition den Menschen Sand in die Augen. Da inszenieren Sie großspurig ein Wettrennen, wer der schnellste Konsolidierer ist und wer die schwarze Null als Erster schafft. Und beim Startschuss laufen Sie dann prompt in die falsche Richtung, meine Damen und Herren.
Statt einer Reduzierung des strukturellen Defizits wird es noch einmal auf über 2 Milliarden Euro gesteigert. Das bestätigt übrigens auch der Sachverständigenrat in seinem besagten Gutachten, der für Niedersachsen einen Handlungsbedarf von rund 11 % der heutigen Primärausgaben errechnet hat, um die Einnahmen und Ausgaben bis 2020 auszugleichen.
Diesem Ziel haben sich CDU und FDP nicht einen Millimeter genähert - trotz sprudelnder Steuerquellen. Damit stehen Reden und Handeln dieser Regierung wieder einmal in diametralem Widerspruch zueinander.
Und damit nicht genug: Herr Ministerpräsident McAllister - - - Jetzt ist er offensichtlich hinausgegangen.
Völlig unglaubwürdig in Sachen Schuldenbremse wird er natürlich mit seiner Zustimmung zu den jüngsten Steuersenkungen, die dem Land jährlich 200 Millionen Euro Mindereinnahmen bescheren.
Das Ganze wollen Sie uns jetzt auch noch als soziale Wohltat für untere Einkommensschichten verkaufen!
(Ulf Thiele [CDU]: Beschäftigen Sie sich doch, bitte schön, einmal mit Steuerrecht, und reden Sie nicht nur darüber!)
(Christian Dürr [FDP]: Das hängt da- mit zusammen, dass wir einen pro- gressiven Steuertarif haben!)
- Ich weiß, Herr Dürr. Das entspricht nämlich genau den Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit in dieser FDP-gefärbten Koalition.
Ebenso wenig - das hätte ich Herrn McAllister auch gerne persönlich gesagt - ist die Zustimmung dieser Regierung zu einer solchen familien- und gesellschaftspolitischen Dummheit wie der Herdprämie zu verstehen.