Wir machen auch etwas, wofür Sie keine Mittel im Haushalt finden, was ich aber gleichwohl für entscheidend halte: Wir haben vor einem knappen Dreivierteljahr begonnen, mit einer kleinen Expertenkommission von außerhalb über die Binnenverteilung zu diskutieren: Welche Hochschule bekommt welche Summe? Das soll hinterfragt und neu justiert werden. Damit sollen stärkere Leistungsanreize geschaffen und gewachsene Ungerechtigkeiten beseitigt werden. So etwas erreicht man aber nicht von heute auf morgen. Sobald diese intensive Diskussion abgeschlossen ist, werden wir dem Parlament das Ergebnis vorlegen, um Ihnen zu demonstrieren, dass das Ganze keine Blackbox ist. Dann wird deutlich, was mit diesen 1,7 Milliarden Euro aus dem Zukunftsvertrag geschieht.
Ich komme zum doppelten Abiturjahrgang und möchte daran erinnern, welches Angstszenario seinerzeit aufgemacht wurde. Der doppelte Abiturjahrgang bedeutete Gefahr, stellte aber auch eine Riesenchance dar. Uns war klar: Wenn die Hochschulen bzw. wir das vergeigen, führt das in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu einem Minus, das sich auf Jahre hin nicht wieder auslöschen lässt. Also war es die zentrale Aufgabe dieses Jahres, das zu stemmen, neue Studienangebote zu machen und dafür Sorge zu tragen, dass wesentlich mehr Studienanfänger in einer geordneten Form an den Hochschulen aufgenommen werden.
Es gibt im Deutschlandfunk eine Serie, in der über Katastrophenszenarien berichtet wird. Niedersachsen ist nicht dabei, obwohl wir, anders als andere Bundesländer, einen doppelten Abiturjahrgang haben. - Hier kann ich mich also dem Dank, der von den Fraktionen an die Hochschulen gerichtet wurde, anschließen.
Dafür, dass das klappt, sind natürlich in allererster Linie die Hochschulen verantwortlich. Das geht aber nicht ohne zusätzliche Mittel, und diese zusätzlichen Mittel kommen nicht ausschließlich, aber in wesentlicher Höhe aus dem Hochschulpakt.
Frau Andretta, das, was Sie gesagt haben, habe ich nicht nachvollziehen können. Der Bund tritt beim Hochschulpakt nicht übermäßig ein, sondern das geschieht fifty-fifty. Jeder trägt also 50 % bei. Um das zu verstehen, muss man kein Mathematiker sein.
- Der Bund war hier in keiner Weise initiativ, auch nicht bei den Ausgangsverhandlungen; bei denen war ich im Übrigen dabei. 2005/2006 hat der Bund nicht einfach gesagt: „Wir wollen das“, sondern das war ein sehr heftiger Diskussionsprozess.
Wie verhält es sich aber nun mit den Mitteln, die vom Bund kommen? - Es gibt eine Reihe von Ländern, die nicht ordentlich kofinanzieren - was für den Bund nur schwer nachvollziehbar ist. Herr Perli, das Land, in dem Sie studieren
- in Potsdam - und das als einziges Land in der Bundesrepublik einen linken Finanzminister hat, bringt es sogar fertig, dass die Mittel, die vom Bund kommen, nicht nur nicht gegenfinanziert, sondern nicht einmal an die Hochschulen durchgereicht werden.
Niedersachsen hingegen handelt an dieser Stelle vorbildlich. Jeden Euro, der im Rahmen des Hochschulpaktes vom Bund kommt, haben wir kofinanziert. Viele andere Länder tun das, wie gesagt, nicht. Dadurch können wir ordentlich finanzieren und neue Studienangebote machen. Damit haben wir die Aufgabe großartig gelöst. Wir haben eine Punktlandung geschafft.
Nun wurde mehrfach gesagt, das könne ja nicht so toll sein, weil es in Nordrhein-Westfalen - ohne doppelten Abiturjahrgang - 22 % mehr Studienanfänger gebe, während es bei uns - mit doppeltem Abiturjahrgang - nur rund 20 % seien. Aber wissen Sie, wie das in Nordrhein-Westfalen ist? - Die rotgrüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat entschieden, sämtliche Studiengebühren zu streichen, auch die Langzeitstudiengebühren. Der Effekt war, dass sich alle Langzeitstudenten, die rausgeflogen waren, wieder eingeschrieben haben.
Ich verstehe diese Leute, ganz klar. NordrheinWestfalen ist ein großes Land. Wer sich z. B. in Bielefeld einschreibt, zahlt 200 Euro für ein Semesterticket, und damit kann er dann sechs Monate lang durch das ganze Land fahren. So günstig bekommen Sie ein Ticket sonst nirgendwo. Das würde ich auch machen.
Das heißt, diese Steigerung um 22 % bringt keinen echten Gewinn. Entscheidend ist ja, was man mit dem Geld macht, ob das Ganze also auch zu mehr Absolventen führt und nicht nur dazu, dass Leute die Möglichkeit nutzen, sich einzuschreiben, um Vorteile zu haben.
Das, was für die Abgeordneten gilt, gilt natürlich auch für Minister. Wir wollen beim „Sie“ bleiben, Frau Ministerin.
Ja, das ist völlig klar. Ich finde diese Regel auch völlig richtig. Das andere, alle zu duzen, habe ich lange Jahre genossen.
Frau Andretta, ich finde es schon erstaunlich, mit welcher Nonchalance Sie von „dieser kleinen Studie“ gesprochen haben. Ich will Ihnen dazu Folgendes sagen: Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung wird von Professor Jutta Allmendinger geleitet.
Sie ist bekennende Sozialdemokratin und diejenige, die sich in der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Sozialforschung die größten Verdienste bei der Erforschung der Bildungsarmut erworben hat. Diese Studie, in der Daten von 46 000 Personen ausgewertet wurden, ist von zwei jungen Leuten aus ihrem unmittelbaren Umfeld erstellt worden.
Alle Gebührengegner haben daraufhin die Strategie verfolgt, zu sagen, an der Studie ist bestimmt etwas fasch. Der schönste Artikel dazu stammt von meinem Lieblingsjournalisten, nämlich Christian Füller von der taz, der nun wirklich aus der linken Ecke kommt. Ich könnte mich totlachen.
- Ob aus der grünen oder linken Ecke, ist doch egal. - Er machte sehr deutlich, wie es sofort diesen Aufschrei und diese Versuche gab, die Studie niedrigzuhängen. In dieser Studie wird nämlich deutlich, dass es nur eine Gruppe gibt, die durch die Studiengebühren vom Studium abgehalten wird. Das sind nämlich die, die eigentlich gar nicht studieren wollen, sondern die nur Semestertickets, Mensapreise und anderes mehr haben wollen.
Dass die rot-grüne Landesregierung in NRW dazu einen Feldversuch durchführt, konnten wir nicht erwarten.
Natürlich haben wir den Studentenwerken Geld gegeben. Andere Landesregierungen haben das nicht gemacht. Ich halte dies auch für zwingend notwendig; denn das soziale Umfeld gehört schließlich mit dazu.
Wir nehmen aus dem Hochschulpakt das, was durch den Hochschulpakt gedeckt ist. Das ist auch an verschiedenen Stellen mit dem Bund besprochen worden. Ich werde daraus auch Geld für die Offene Hochschule und anderes mehr nehmen. Aber die für die Hochschulen vereinbarten Summen bleiben. Die Hochschulen bekommen genau die Summen, die ihnen zustehen; da gibt es überhaupt kein Vertun.
(Hartmut Möllring [CDU]: Die Andretta hat doch gar keinen Antrag gestellt! Warum diskutiert die überhaupt zum Haushalt? Sie sind doch alternativlos!)
Bei der Frage doppelter Abiturjahrgang bzw. Erhöhung der Studierendenzahlen könnten wir es uns natürlich auch einfach machen. Wir könnten Jura ausdehnen; das sind die günstigsten Studienplätze, die es gibt. Wir könnten auch zig andere Studiengänge aufmachen. Aber was machen wir
stattdessen? - Wir errichten z. B. eine neue medizinische Fakultät. Die fällt mit ihren 40 Studenten in der Bilanz überhaupt nicht ins Gewicht. Aber wir machen das, weil es für die Gesellschaft wichtig ist.