Protokoll der Sitzung vom 18.01.2012

Für mich ist an dieser Stelle sehr wichtig - dies ist auch in Reden durchgeklungen -, dass wir immer aufpassen müssen, dass wir für Mitarbeiter, die Statistiken erstellen müssen, nicht eine zusätzliche Bürokratie auslösen mit der Folge, dass ihnen auf der anderen Seite dann Zeit für Beratung, Fortbildung und Information fehlt. Für uns alle hier im Landtag muss die Betreuung im Vordergrund stehen. Wir sagen: Der betroffene Mensch, der eine Betreuung benötigt, aber auch derjenige, der die Betreuung anbietet, stehen ganz klar im Vordergrund; denn beide - der zu Betreuende und der Betreuer - müssen gut informiert sein, damit sie weiterhin ihre Rechte wahrnehmen können.

Ich glaube, wir können dankbar sein, dass 1992 das alte Recht der Vormundschaften und Pflegschaften durch das Recht der Betreuung ersetzt worden ist; denn es ist häufig von Betroffenen als

entwürdigend empfunden worden, entmündigt zu sein und keine Rechte mehr zu haben. Das Rechtsinstitut der Betreuung ist unter Wahrung größtmöglicher Wünsche und unter Respektierung der Lebensstellung des jeweils Betroffenen angelegt.

Es ist auch gesagt worden, dass schon viele Menschen im mittleren und jungen Alter für viele Aufgabenbereiche eine Betreuung haben. Es wird aber zunehmend auch ältere Menschen treffen, weil wir alle aktiv älter werden und weil auch der Zeitraum der Gebrechlichkeit länger andauert.

Wenn der Fall eintritt, dass wir bestimmte Angelegenheiten nicht mehr alleinverantwortlich ordnen können, wenn wir nicht mehr allein entscheiden können, welche medizinischen Eingriffe notwendig sind und vollzogen werden sollen, und wenn wir nicht mehr allein über unser Vermögen entscheiden können, dann ist das ein tiefer Einschnitt in unsere Lebensstellung, und spätestens dann werden wir uns fragen, an wen wir uns eigentlich vertrauensvoll wenden können, wer die Betreuung übernimmt, wer fachlich qualifiziert ist und welche von unseren eigenen Wünschen noch respektiert werden.

Dann ist es wichtig, dass auf der anderen Seite ein Betreuer steht, der fachlich qualifiziert und fortgebildet ist; denn nur ein gut informierter Betreuer kann gegenüber dem Betreuten - Sie sprachen die Konflikte an, die entstehen können - so auftreten, dass das Verhältnis auch dann ein vertrauensvolles wird, wenn es sich nicht um eine tatsächliche Vertretung, sondern „nur“ um eine rechtliche Vertretung handelt. Ich denke, das Gespräch mit dem zu Betreuenden ist in jedem Fall extrem wichtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die hohe Anzahl von Betreuungen mit einer Steigerung um fast 40 000 Verfahren allein in den letzten zehn Jahren zeigt doch, wie wichtig dieses Rechtsinstitut der Betreuung schon ist und noch weiter werden wird. Ich habe selbst einige Veranstaltungen durchgeführt, in denen ich über Betreuung, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung gesprochen habe.

Dabei habe ich zweierlei bemerkt: einerseits das unglaublich hohe Interesse und andererseits den unglaublich hohen Informationsbedarf. Wenn man die Zeitung aufschlägt, liest man immer wieder über die Vorsorgevollmacht, die Betreuungsverfügung und die Patientenverfügung. Man könnte also meinen, dass die Leute informiert sind. Aber dem ist nicht so. Der Informationsbedarf ist nach wie vor

hoch, und viele haben auch den Wunsch, nicht erst dann, wenn sie selbst nicht mehr entscheiden können, darüber entscheiden zu lassen, wer eine Betreuung übernimmt, sondern möglichst schon im Vorfeld eigenverantwortlich und selbstbestimmt festzulegen, wer ihre Betreuer oder Betreuerin sein kann und welche Angelegenheiten beispielsweise über eine Patientenverfügung für sie entschieden werden sollen, wenn sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind.

Deshalb ist es wichtig, dass die Betreuungsvereine und die Betreuungsbehörden regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen anbieten. Ich bin unserem Minister sehr dankbar für die Herausgabe von Broschüren insbesondere zur Vorsorgevollmacht, in denen man nachlesen kann, was man selbst tun kann, ohne dass gleich eine Betreuung eingerichtet wird, nämlich dass man durch eine Vorsorgevollmacht ohne Einschaltung des Gerichts regeln kann, wer gewisse Angelegenheiten übernimmt.

Dabei ist, wie ich glaube, der Vorrang des Ehrenamtes unglaublich wichtig. Es ist ein unschätzbarer Beitrag, den diejenigen leisten, die diese Aufgabe ehrenamtlich übernehmen, sei es als Familienangehörige, Freunde oder Nachbarn oder sei es eine als für den oder die Betroffene völlig unbekannte Person.

Ich möchte zum Schluss noch einmal eindringlich an die Menschen appellieren, sich für ein Ehrenamt zur Verfügung zu stellen und sich bereitzuerklären, dieses wirklich wichtige Amt zu übernehmen, weil sie damit für den Zusammenhalt unserer Generationen - vor allem in 2012, im Europäischen Jahr des aktiven Alters - einen unschätzbaren Beitrag leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Professor Dr. Zielke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Beantwortung einer Großen Anfrage, die letztes Jahr an die Bundesregierung zum Betreuungsrecht gestellt wurde, führt die Bundesregierung aus:

„Das deutsche Betreuungsrecht gilt als eines der modernsten Rechtsinstrumente dieser Art in Europa.“

Dem ist aus Sicht der FDP voll zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Gerade weil das liberale Menschenbild ebenso wie unser Grundgesetz vom Leitbild des mündigen, eigenverantwortlichen Bürgers ausgeht, ist es umso wichtiger, wie unsere Gesellschaft mit jenen Mitgliedern umgeht, die dieses Leitbild nicht oder nicht mehr leben können. Sie stehen unter dem besonderen Schutz durch unser Recht und unseren Staat. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass durch die vorliegende Große Anfrage die Niedersächsische Landesregierung Gelegenheit hat, sehr viele Aspekte der Betreuungssituation in unserem Land im Zusammenhang und öffentlich darzustellen.

Es ist bei Großen Anfragen eher die Regel, dass nicht alle Einzelfragen - hier immerhin 81 - umfassend oder wirklich zufriedenstellend beantwortet werden können. Der Hauptgrund ist, dass nicht alle nachgefragten Sachverhalte erfasst oder statistisch unterlegt oder ermittelbar sind. Alle anderen Fragen - und das ist die übergroße Mehrzahl - hat die Landesregierung ausführlich und erschöpfend beantwortet. Dafür sei auch den Mitarbeitern in den beteiligten Ministerien, den nachgeordneten Behörden, den Gerichten, den Betreuungsvereinen und Berufsverbänden an dieser Stelle herzlich gedankt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der größte Dank aber gebührt natürlich den Betreuerinnen und Betreuern selbst, den ehrenamtlichen ebenso wie den beruflichen und den Mitgliedern der Betreuungsvereine für ihren Einsatz, der für eine humane Gesellschaft unverzichtbar ist.

(Beifall bei der FDP)

Für mich ist das Fazit dieser Großen Anfrage insgesamt vor allem eines: In Niedersachsen funktioniert das Betreuungssystem sehr gut. Natürlich gilt es, auch ein gut funktionierendes System immer wieder den sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Eine wesentliche Änderung liegt in der Tatsache, dass die Zahl der Betreuten in Niedersachsen wie bundesweit kontinuierlich wächst - unter den alten Menschen, aber - das wurde gesagt - auch unter den jüngeren.

Noch viel schneller ist in den letzten Jahren der Betrag gewachsen, den das Land pro einzelnen Betreuten aufwendet. Insofern ist es im Sinne einer sparsamen Haushaltspolitik, deren Notwendigkeit kaum jemand in diesem Hause bestreiten dürfte,

durchaus richtig, sich über günstigere Formen der Betreuung Gedanken zu machen - natürlich immer unter der Bedingung, dass die Qualität der Betreuung nicht leidet. Die Landesregierung hat daher einen Plan entwickelt und einen Gesetzentwurf vorgelegt und macht dazu in der Antwort auf Frage 51 umfängliche Ausführungen. Erhebliche Kosteneinsparungen seien dadurch zu erzielen, dass „Betreuungen anstelle von Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuern von Behördenmitarbeiterinnen und Behördenmitarbeitern übernommen werden“.

Eine solche Aufgabenverlagerung von Privaten auf staatliche Stellen entspricht nicht unbedingt liberalen Grundsätzen. Sie kann für uns ordnungspolitisch nur dann hinnehmbar sein, wenn die spezifische Aufgabe tatsächlich unter Berücksichtigung aller Aspekte vom Staat besser erfüllt werden kann. Was den finanziellen Aspekt angeht, ist das hier anscheinend der Fall. Da die Landesregierung das Projekt nicht im Hinblick auf andere Aspekte beleuchtet - jedenfalls nicht in dieser Großen Anfrage -, gehe ich davon aus, dass solche Aspekte erwogen worden sind, aber nicht wirklich entscheidend für oder gegen das Projekt sprechen. Deswegen stellt sich die FDP ausdrücklich nicht gegen das Vorhaben. Aber sie wird seine Entwicklung aufmerksam begleiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich stelle fest, dass damit die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen ist und wir die Tagesordnung für heute abgehandelt haben.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Wir sehen uns morgen früh um 9 Uhr an dieser Stelle wieder. Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.41 Uhr.