Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wo sind die denn? - Dr. Stephan Siemer [CDU]: SPD-Musterländer gibt es nicht! Nicht von der SPD!)

stellt man fest, dass dortige Hochschulen ohne Studienbeiträge viel weniger Geld für solche Stellen haben.

2009 wurden 56 % der Studienbeiträge für Personal ausgegeben. Das waren 53 Millionen Euro. Dies betrifft ungefähr 14 500 Beschäftigungsverhältnisse, also 14 500 Menschen, die dadurch Arbeitsplätze haben.

Sehr geehrte Frau Dr. Andretta, das bewirkt eine hohe Betreuungsdichte für die Studierenden.

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Was hat das mit dem Wissenschafts- zeitvertragsgesetz zu tun?)

Wir sind damit in Niedersachsen im Ranking auf einem der vorderen Plätze.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zweitens. Wir haben gesetzliche Rahmenbedingungen, die ihre Gültigkeit haben, z. B. das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Mir ist bekannt, dass gerade dies die erforderliche Dynamik zulässt und dass es auch Auswahl zulässt. Nicht jeder Wissenschaftler ist unter Umständen geeignet, erfolgreich eine wissenschaftliche Karriere zu machen. Mit den befristeten Arbeitsverträgen hat er aber immerhin die Chance, sie überhaupt zu beginnen. Die Alternative zu „befristet beschäftigt“ hieße doch „nicht beschäftigt“.

Was ist, wenn unbefristet Beschäftigte die vorhandenen Möglichkeiten für den wissenschaftlichen Nachwuchs blockieren? Ein vollkommen besetzter und ausgeschöpfter Stellenkegel lässt doch Neues gar nicht zu. Das bedeutet Stillstand in der Wissenschaft - und gerade in der Wissenschaft muss der Wettbewerb um die neuesten Erkenntnisse und die besten Köpfe sein. Das sichert Qualität und Innovation in der Forschung und in der Wissenschaft. Insofern gibt es mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz gute Regelungen, die sich bewährt haben.

Die Wissenschaftler haben laut der von Frau Dr. Andretta schon zitierten HIS-Studie die Befristungszeiträume immerhin als auskömmlich bewertet.

Drittens möchte ich noch das Hochschulreformgesetz nennen, das zu einer Verschlankung führte, womit sich Qualifizierungswege zur Professur entscheidend verkürzten.

(Glocke der Präsidentin)

Damit können sich Wissenschaftler frühzeitig für einen Karriereweg auch außerhalb der staatlichen Wissenschaftsbetriebe entscheiden.

Einen letzten Satz!

Bei alledem kann ich nur sagen: Beide vorliegenden Anträge sind inhaltlich abzulehnen. Es müsste gegebenenfalls ein besserer Weg gefunden werden, vielleicht mit anderen Maßnahmen; denn gute Wissenschaftler für gute Forschung und Lehre brauchen wir in Niedersachsen weiterhin.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau von Below-Neufeldt. - Eine letzte Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt liegt mir von der Fraktion DIE LINKE vor. Herr Perli hat das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau von Below-Neufeldt, als eine der letzten Verteidigerinnen der Studiengebühren erinnern Sie mich an das schöne Bild des Orchesters,

das auf der untergehenden Titanic am Spielen war und nicht mitbekommen hat, dass das Schiff längst gesunken ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, beim wissenschaftlichen Mittelbau reden wir über hoch qualifiziertes Personal, das mit hohem Aufwand, viel Zeit und Herzblut ein Garant für gute Forschung und Lehre an unseren Hochschulen ist.

Gleichzeitig muss man davon sprechen, dass viele Nachwuchswissenschaftler ausgenutzt, ausgebeutet und ausgetrickst werden. Der wissenschaftliche Mittelbau ist Opfer der Hochschulreformen der letzten Jahre und hat massive Verschlechterungen beim eigenen Status und bei den Perspektiven hinnehmen müssen. Ob man nun auf einen Doktortitel hinarbeitet oder ihn bereits in der Tasche hat, das Regelarbeitsverhältnis an einer Hochschule ist eine befristete Stelle mit unsicherer Zukunftsperspektive und einer knallharten Konkurrenzsituation. Die meisten Arbeitsverträge sind dabei auf weniger als ein Jahr befristet.

Die berufliche Lage ist also von höchster Unsicherheit gekennzeichnet. Ist das der Dank der Politik für die guten Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Wir brauchen klare und bessere Beschäftigungsperspektiven für den sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchs.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen Dauerstellen für Daueraufgaben in Forschung und Lehre. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Nicht einmal jeder fünfte wissenschaftliche Mitarbeiter hat einen sicheren Job. Im Landesdurchschnitt sind 81 % des Mittelbaus befristet angestellt. An der Universität Göttingen sind sogar 1 581 der rund 1 700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterhalb der Professuren befristet angestellt. Das ist eine Quote von 93 %. 93 % befristete Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst - meine Damen und Herren, das kann nicht so bleiben, das darf nicht so bleiben!

(Beifall bei der LINKEN)

Dass ausgerechnet die Uni Göttingen diese hohe Quote hat, kommt nicht von ungefähr. Hier sehen wir wie unter einem Brennglas die Auswirkungen der Exzellenzinitiative, der Einführung von Studiengebühren, der Deckelung der Grundfinanzierung und des zunehmenden Zwangs zur Drittmittelfinanzierung.

Die prekäre Situation ist also die Folge der von Ihnen allen betriebenen marktradikalen Umgestaltung unserer Hochschullandschaft. Und hier zeigt sich, Herr Dr. Noack, dass das humboldtsche Bildungsideal auch in der CDU-Politik schon lange nichts mehr verloren hat. Das gilt im Übrigen für alle Parteien bis auf die Linke.

(Beifall bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Ach so! Herr Perli, ich höre ge- rade, Sie haben nichts dazugelernt!)

Das Ergebnis ist ein Hire-and-fire-Prinzip, das den Beschäftigten keine Sicherheit bietet, sie zu akademischen Nomaden macht, die nur zwischen Projektantrag, Zwischen- und Abschlussbericht existieren.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist ja drama- tisch!)

Wer sich unter solchen Verhältnissen noch traut, weitreichende Lebensentscheidungen zu treffen, etwa eine Familie zu gründen, muss sehr viel Mut zum Risiko aufbringen.

Nun stellt sich die Frage: Was sagt die Landesregierung, was sagen CDU und FDP dazu? - Sie geben die fatale Lage des akademischen Mittelbaus wieder und ändern nichts. Offenbar ist ihnen die Situation egal: 93 % befristete Arbeitsverträge, ein sicheres Einkommen für maximal zwölf Monate, ein Wissenschaftlerdasein, das mehr mit dem Schreiben von Anträgen zu tun hat als mit Forschen und Lehren.

In der Ausschussdebatte wurde von den Koalitionsfraktionen sogar argumentiert, dass alles halb so schlimm sei, weil auch Fußballprofis nur Kurzzeitverträge erhielten.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Herr Zielke war das!)

Solche Argumente, meine Damen und Herren, verhöhnen die Situation des wissenschaftlichen Mittelbaus an unseren Hochschulen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind hier nicht gewählt worden, um Probleme zu ignorieren, sondern um sie zu lösen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Abschluss zum SPD-Antrag, den wir ablehnen werden: Unserer Auffassung nach sollte es keine Lehrprofessuren geben, die zu 90 % Lehre und zu 10 % Forschung beinhalten.

Die Linke ist für eine forschungsbasierte Lehre und gegen Sackgassenprofessuren; denn gute Wissenschaft braucht gute Arbeit. Das ist das Ziel unseres Antrags.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Christel Wegner [fraktions- los])

Danke schön. - Für die Landesregierung haben Sie, Frau Ministerin Dr. Wanka, das Wort.

Danke. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Frau Andretta dafür dankbar, dass sie gesagt hat - ich glaube, auch Frau Heinen-Kljajić hat das gesagt -, dass im Wissenschafts- und Hochschulbereich befristete Stellen und Qualifizierungsstellen systemimmanent sind; denn wenn wir gute Wissenschaft in Deutschland wollen, dann brauchen wir erstklassige Professuren. Das geht nicht ohne Wettbewerb. Da muss man eine Auswahl haben. Deswegen ist das ganz klar.

Ein Ergebnis der HIS-Untersuchung, die vom BMBF, also von der Bundesseite, angeschoben und finanziert wurde, ist, dass 90 % derer, die in Promotionsphasen sind, gesagt haben, dass sie mit den Befristungsregelungen gut zurechtkommen, dass sie damit zufrieden sind, wenn sie genügend Zeit für die Forschung haben.

Von denen, die dann abschließen, können natürlich nicht alle im Hochschulbereich verbleiben. Sie sollen zum Teil in die Wirtschaft und in die Forschungsabteilungen gehen. Aber wir in Deutschland haben vor einigen Jahren auch die Möglichkeit geschaffen, Nachwuchswissenschaftlergruppen zu leiten. Das ist in Bezug auf die Autonomie und die Freiheitsgrade ähnlich wie eine Professur, wie eine Juniorprofessur.

Wenn Sie das akzeptieren, aber mehr sichere Karrierewege wollen, ist das ein sehr vernünftiges Ziel. Das würde vielen entgegenkommen. Die Frage ist: Was für Vorschläge haben Sie dazu?

Den ersten Vorschlag, die Lecturers, sehe ich aus zwei Gründen als problematisch an. Zum einen glaube ich wirklich, dass jemand, der an der Universität lehrt, auch in die Forschung eingebunden sein sollte. Um die Lehre hoch zu werten, haben wir die Kategorie der Professoren mit Schwerpunkt

Lehre. Die Einführung von Lecturers mit einem höheren Lehrdeputat würde dazu führen, dass die Lehre von weniger Leuten geleistet wird. Sie würde also, wenn wir das System nicht ausweiten, die Zahl der unbefristeten Stellen sogar reduzieren. Professoren haben ein Deputat von neun Stunden; Lecturers könnten ein Deputat von zwölf oder fünfzehn Stunden haben. Das erscheint mir nicht sehr zielführend.