Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Böhlke, das, was Sie eingangs dargestellt haben - dass man weiterhin die Verbände und auch die Beratung fördern wolle -, entspricht ohnehin geltendem Recht. Wenn ein Gehörloser, um zu irgendeiner Verwaltung oder zu einem Amt zu gehen, einen Gebärdendolmetscher braucht, dann wird ihm diese Leistung schon bisher gewährt. Sie fordern also nichts Neues. Unsere Forderungen aber gehen weiter.
Sie haben den Widerspruch, den ich Ihnen dargelegt habe, tatsächlich nicht aufgelöst: Was ist z. B., wenn ein Mensch mit dieser schweren Behinderung am kulturellen Leben teilhaben oder einfach einmal spontan zu einer Landtagssitzung gehen will? - Diesen Widerspruch haben Sie nicht auflöst. Sie haben das einen Kostenfaktor genannt. Das ist aus unserer Sicht schwierig, weil vollkommen klar ist, dass die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Kosten verursacht. Aber letzten Endes profitieren wir alle, ob mit oder ohne Behinderung, von der Barrierefreiheit im Ganzen.
Sie haben noch den Schwerhörigenverband herangezogen. Da wollen wir nicht alles in einen Topf werfen. Denn die Bedürfnisse von Schwerhörigen - auch ich hatte mit ihnen Kontakt - sind oftmals andere. Meistens benötigen sie keine Gebärdendolmetscher, sondern technische Hilfsmittel. Das muss man sicherlich gesondert diskutieren.
Letzte Bemerkung: Die Einführung einer bedarfsorientierten Nachteilsausgleichsregelung für Menschen mit Hörbehinderung wäre für die Betroffenen ein Quantensprung hin zur Selbstbestimmung, zur
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antragstext ist auch in der geänderten Fassung, in der ihn die LinkeFraktion noch einmal eingereicht hat, leicht irreführend. Denn das Landesblindengeld ist kein bedarfsorientierter Nachteilsausgleich. Vielmehr ist das Landesblindengeld nach einer politischen Diskussion, an die wir uns alle erinnern, so ausgestaltet, dass diese Leistung unabhängig vom Bedarf gezahlt wird und nur an den Tatbestand der Erblindung oder erblindungsgleichen Sehbehinderung anknüpft. Nur diese Parallele kann eigentlich in diesem Antrag angesprochen sein.
Ob ein Bedarf besteht, ist schon zu prüfen, wenn eine solche Leistung ausgezahlt werden soll. Wir haben im Bundesrecht umfassende Regelungen, die sich mit verschiedenen Behinderungen, insbesondere mit schweren Behinderungen, beschäftigen.
Man kann in Deutschland, wenn man gehörlos oder - in der Nähe der Gehörlosigkeit - schwer hörbehindert ist, ein persönliches Budget beantragen und damit selbstbestimmt seinen individuellen Bedarf an Dolmetschern oder anderen Hilfen verwalten. Man kann über die Integrationsämter gezielt eine Arbeitsassistenz beantragen. Diese Hilfen sind keine pauschalen Festbeträge, sondern werden individuell bemessen.
Die Krankenkasse übernimmt einen Teil der Kosten der Hilfsmittel, die im Hilfsmittelkatalog verzeichnet sind. Da muss allerdings in der Regel zugezahlt werden. Sozial Schwachen ist jedoch möglich, eine Kostenübernahme durch das Sozialamt zu beantragen. Übrigens wird das Cochleaimplantat in Deutschland nicht als Hilfsmittel, sondern als Prothese bewertet. Daher wird es mit sämtlichen Folgekosten vollständig von der Krankenkasse bezahlt.
Die Agentur für Arbeit begleitet Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Gehörlose finanziell. Gehörlose haben natürlich auch einen Anspruch auf einen behindertengerecht ausgestatteten Arbeits
platz. Ein Arbeitgeber, der Schwerbehinderte, z. B. Gehörlose, beschäftigt, kann auf Antrag Lohnzuschüsse erhalten. Die Arbeitsaufnahme und die Berufstätigkeit von Schwerbehinderten und damit auch von Gehörlosen werden durch Regelungen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch begleitet, z. B. durch zusätzliche Urlaubstage nach § 125 und einen besonderen Kündigungsschutz nach § 85. Überdies können sich Schwerbehinderte und ausdrücklich auch Gehörlose unentgeltlich im öffentlichen Nahverkehr befördern lassen. Plausiblerweise bezahlen Gehörlose keine Rundfunkgebühr. Sie sind als Schwerbehinderte steuerbegünstigt, und es gibt darüber hinaus, wenn sie denn einen Schwerbehindertenausweis haben, zahlreiche weitere Vergünstigungen.
Es ist also durchaus so, dass wir bei Schwerhörigen einen ausgebauten Katalog von sozialen Leistungen haben. Das ist auch gut so.
In Deutschland werden im Vergleich zu anderen europäischen Ländern vorbildliche Leistungen in diesem Bereich erbracht. Das darüber hinaus noch Wünsche auf Leistungen in bar bestehen, ist menschlich verständlich. Das kann man sich leicht vorstellen.
Man muss aber auch darauf hinweisen, dass zahlreiche andere schwere Behinderungen dann ebenfalls anzusprechen wären. Wenn wir an dieser Stelle die Tür für das Gehörlosengeld öffneten, dann kämen recht bald andere Erscheinungsformen schwerer Behinderungen hinzu, für die man mit gleichem Anspruch auch Barleistungen zusätzlich zu all den sozialen und Gesundheitsleistungen verlangen würde. Damit würde man dann tatsächlich - darin stimme ich dem Kollegen Böhlke ausdrücklich zu - die Haushalte über Gebühr belasten. Insofern muss diesem Antrag die Ablehnung zuteil werden.
Meine Damen und Herren! Für eine Kurzintervention hat sich erneut der Kollege Humke gemeldet. Bitte schön!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Zum einen möchte ich klarstellen, dass das Persönliche Budget mit diesen Anforderungen nichts zu tun hat und Sie nicht alles vermischen sollten.
Zum anderen möchte ich in aller Kürze - zum Vorwurf des Wahlkampfes, den Sie mir gegenüber erhoben haben, kann ich jetzt nichts sagen; dann müsste ich auf Sie Bezug nehmen; damit werden Sie übrigens nicht den Menschen gerecht, die Behinderungen haben - einfach einmal die Größenordnung darlegen, damit Sie eine Vorstellung davon haben, was es kostet.
Eine Stunde Gebärdendolmetscher kostet ohne Mehrwertsteuer 55 Euro plus Anfahrt. Die Anfahrt wird bezahlt und als Arbeitszeit zusätzlich berechnet. Danach wird jede angefangene halbe Stunde in Rechnung gestellt. Sie müssen für jede Veranstaltung zwei Dolmetscherinnen oder Dolmetscher haben, weil immer nach zehn Minuten ein Wechsel erfolgt. Es wird nicht einfach gesagt, es sei nur zehn Minuten lang gedolmetscht worden, sondern es wird die angefangene Stunde voll abgerechnet. Rechnen Sie sich einmal aus, wie weit Sie damit kommen.
Das, was wir fordern, ist sehr bescheiden; das möchte ich einmal in aller Deutlichkeit sagen. Es ist wirklich sehr bescheiden und wird auch vom Gehörlosenverband Niedersachsen nur als ein kleiner Einstieg gesehen - nicht mehr und nicht weniger.
Das verweigern Sie tatsächlich. Das ist sehr bedauerlich. Sie begrenzen damit weiterhin die Teilhabemöglichkeiten und die Barrierefreiheit für die betroffene Klientel. Das bedauere ich zutiefst.
Es gibt keinen Wunsch auf Erwiderung. Deshalb darf ich die nächste Rednerin aufrufen. Das Wort hat Frau Groskurt von der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE greift ein Thema auf, das der Deutsche Gehörlosen-Bund, die Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten, Selbsthilfe- und Fachverbände sowie der Deutsche Schwerhörigenbund immer wieder an die Landesregierung und an die Fraktionen herangetragen haben.
Deutschland und damit auch Niedersachsen haben sich mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen von Menschen mit Be
Damit sind Menschen mit Behinderungen nicht mehr Bittsteller an die Gesellschaft, sondern Träger von Rechten, die zwingend zu beachten und einzuhalten sind.
Deutschland - dazu gehört erfreulicherweise auch Niedersachsen - ist in der Pflicht. Leider nimmt Niedersachsen diese Pflichterfüllung nicht wahr. Das bedauern wir im Namen der Menschen mit Behinderungen sehr.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Selbstverständlich nehmen sie ihre Pflicht wahr!)
Die Verbände der Menschen mit Behinderungen schreiben der Landesregierung immer wieder ins Zeugnis, dass das niedersächsische Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen unzureichend und für die weitere Entwicklung der gleichberechtigten Teilnahme und Einbeziehung der Menschen mit Behinderungen eher einengend als gestaltend ist.
Die Landesarbeitsgemeinschaft steht zu Recht auf dem Standpunkt, dass die Gesellschaft verpflichtet ist, jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, Sprache als Verständigungsmittel zu nutzen.
Ist der Einzelne aufgrund seiner körperlichen, mentalen oder psychischen Beeinträchtigungen oder wegen seiner besonderen Eigenschaften dazu nicht in der Lage, muss er die Chance haben, sich auf die ihm individuell mögliche Art und Weise zu verständigen und die ihm angemessene Verständigungsform zu verwenden.
Kommunikation ist ein Menschenrecht. Die Verweigerung einer angemessenen Kommunikation stellt einen Angriff sowohl auf die grundgesetzlich geschützte Menschenwürde als auch auf die Behindertenrechtskonvention dar.
Wille des Gesetzes ist u. a. das Recht auf freien Zugang zu Informationen. Dieser freie Zugang ist bei Hörbehinderung oder Gehörlosigkeit nicht gewährleistet.
Fraktion DIE LINKE vom 28. Oktober 2011, in dem gefordert wurde, analog zum Landesblindengeld eine bedarfsorientierte Nachteilsregelung für Menschen mit Hörbehinderungen oder Gehörlose einzuführen, wurde nach der Diskussion im Sozialausschuss - das wurde heute schon erwähnt - durch einen Änderungsantrag ersetzt. Hierin wird beantragt, erstens die Einführung eines niedersächsischen Gehörlosengeldes zu prüfen und zweitens die Betroffenenverbände in die Beratungen einzubeziehen. Diesem Änderungsantrag kann die SPD-Fraktion zustimmen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen mit Hörbeeinträchtigungen haben einen Anspruch darauf, dass die Landesregierung und die Fraktionen prüfen, welche Möglichkeiten eines Ausgleichs der Teilhabeeinschränkungen bestehen.
Es steht zwar im niedersächsischen Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen, dass Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen das Recht haben, mit öffentlichen Stellen über geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Das reicht aber unseres Erachtens nicht aus, um sicherzustellen, dass z. B. die Teilhabe an kulturellen Veranstaltungen gewährleistet ist.
Aufgrund dieser Fakten, die auch Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, sehr wohl bekannt sind, ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE, die Einführung eines niedersächsischen Gehörlosengeldes zu prüfen, aus der Sicht der SPD-Fraktion sinnvoll und unterstützenswürdig. Dass in die Beratungen Vertreterinnen und Vertreter der Verbände einbezogen werden, gehört selbstverständlich dazu und ist aus der Sicht der SPD-Fraktion ebenfalls sinnvoll und unterstützenswürdig.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP! Es ist zwar nicht unser Antrag, aber ich muss doch sagen, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass Sie diesem Antrag nicht zustimmen wollen. Der Antrag ist total auf Ihrer Linie und in dem Ihnen eigenen Tenor gestellt.
In Ihren Anträgen wurde fast immer der Landtag oder die Landesregierung um Prüfung gebeten, teilweise sogar um Prüfung bereits bestehender Tatsachen. Wie häufig musste ich mich hier vorn schon darüber aufregen. In diesem Fall könnten Sie wieder einmal das machen, was Sie so gern tun, nämlich prüfen.
Wir stimmen dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zu, der auf langjährige, wiederholte Forderungen der Verbände eingeht.