Protocol of the Session on March 23, 2012

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und im Jahr 2017, wenn Sie angeblich einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen wollen, auf 240 Millionen Euro. Das sind jedenfalls die Zahlen, die dieser Antrag bejubelt.

Wir haben vorgestern über die Schuldenbremse diskutiert. Da stellt sich natürlich die Frage, wie das alles zusammenpasst.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das passt sehr gut zusammen!)

- Ich finde das nicht, Herr Kollege.

(Beifall bei den GRÜNEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Das passt bestens!)

- Ich erkläre Ihnen das. Hören Sie einfach zu!

Schwarz-Gelb will bei 2 Milliarden Euro Neuverschuldung im laufenden Haushalt und einem langjährigen strukturellen Defizit von 1,85 Milliarden Euro einen starren Abbaupfad in die Verfassung schreiben. Aber dazu müsste man wenigstens eine vage Vorstellung davon haben, wie sich das erreichen lässt. Ich behaupte, die haben Sie nicht. Oder Sie verschweigen sie uns; das könnte natürlich auch sein.

Uns haben Sie noch bei den Haushaltsplanberatungen für unsere Einsparvorschläge beschimpft. Steuererhöhungen zur strukturellen Einnahmeverbesserung lehnen Sie auch ab. Aber dass Sie

trotzdem auf 240 Millionen Euro Steuereinnahmen für ein vermeintliches FDP-Rettungspaket verzichten können, das wissen Sie heute schon. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie! Eine solche infantile Desorientierung kann doch niemand mehr ernst nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Und dann kommen Sie noch daher und verkaufen uns diese schwarz-gelben Steuersenkungen auf Pump als Gerechtigkeit. Das kann man bei der geplanten Anhebung des Grundfreibetrags ja noch konstatieren. Da könnten wir auch durchaus mitgehen, und da käme es im Bundesrat auch sicherlich zu einer Mehrheit, aus unserer Sicht am besten gleich mit einem Ausgleich durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Aber Sie müssen das Ganze ja gleich wieder mit der üblichen weiteren Umverteilung von unten nach oben verbinden.

Ich will Ihnen die Zahlen gern nennen: Wer ein zu versteuerndes Einkommen von 12 000 Euro hat, hätte eine jährliche Entlastung von 80 Euro.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das sind die schwachen Schultern! Es sind auch nicht so viele!)

Bei einem Einkommen von 60 000 Euro beträgt die Ersparnis bereits 380 Euro,

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das sind die stärkeren Schultern!)

und bei 250 000 Euro Jahreseinkommen beträgt die Steuerersparnis 700 Euro im Jahr.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das sind auch ganz starke Schultern!)

Das ist Ihre Definition von Gerechtigkeit, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Das ist nicht unsere, das sage ich ganz deutlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich ist eine Entlastung von 80 Euro für einen Geringverdiener auch etwas, ohne Frage. Aber gerade die Menschen mit geringem Einkommen werden davon betroffen sein, wenn dann erforderliche Kürzungen im Sozialbereich, im Bildungsbereich oder in der öffentlichen Infrastruktur vorgenommen werden müssen. Was haben denn der geringverdienende Vater und die geringverdienende Mutter davon, wenn sie zwar 7,50 Euro mehr im Monat haben, dafür aber zukünftig möglicherweise den Kita-Beitrag alleine zahlen müssen? - Gar

nichts haben sie davon. Sie machen einfach massiv Minus.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat Herr DammannTamke von der CDU-Fraktion das Wort. Anderthalb Minuten!

Frau Präsidentin! Herr Klein, ich möchte mich bemühen, ein wenig Licht in Ihre infantile Desorientierung zu bringen. Mir ist aus der Zeit, als Rot-Grün auf Bundesebene auch die Verantwortung für unsere Steuergesetzgebung hatte, nicht bekannt, dass eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht wurde, die an unserem bisherigen Steuersystem mit seiner progressiven Steuerverlaufskurve und seinem Grundsatz, dass starke Schultern mehr tragen als schwache, irgendetwas geändert hätte. Folglich ist es auch vollkommen konsequent, dass, wenn man den Effekt der kalten Progression angehen will, starke Schultern auch stärker entlastet werden als schwache.

Und was Ihre Sorge um unsere öffentlichen Haushalte betrifft: Wir gehen auf der Basis der Steuerschätzung vom November davon aus, dass Bund, Länder und Gemeinden 99 Milliarden Euro mehr einnehmen werden, als die Steuerschätzung 2010 ausgewiesen hat. Das ist ein um 6 Milliarden Euro höheres Steueraufkommen, das nicht durch eine Steuererhöhung erzielt worden ist, sondern das der Staat mal eben so durch die Effekte aus Inflation und progressivem Steuertarifverlauf mitnimmt. Das halten wir für nicht gerechtfertigt.

Herr Klein möchte antworten. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dammann-Tamke, aus meiner Sicht muss man die Steuerpolitik immer vor dem Hintergrund der augenblicklichen haushaltswirtschaftlichen Situation sehen. Und in einer haushaltswirtschaftlichen Situation, die von Zwängen aus der Eurokrise, aus der Schieflage der kommunalen Haushalte und Ähnlichem geprägt ist, kann es doch nicht

darum gehen, starke Schultern besonders stark zu entlasten.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Darauf bin ich eben eingegangen!)

Stattdessen muss es doch darum gehen, eine strukturelle Einkommensverbesserung zu erreichen, und zwar durch eine stärkere Belastung derjenigen, die eben stark sind und hohe Einkommen in ihren Privathaushalten oder ihren Unternehmen erzielen.

Die Konzepte, die wir dazu entwickelt haben, liegen auf dem Tisch. Sie können sie nachlesen. Wir sagen, es ist dringend notwendig, das Vermögen stärker zu besteuern: durch eine Vermögensabgabe, eine Vermögensteuer, durch eine bessere, sehr viel stärker greifende Erbschaftsteuer und durch einen höheren Spitzensteuersatz.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das hat mit Progression nichts zu tun! Es geht um Steuergerechtigkeit! - Weitere Zurufe von der CDU)

Erst danach können wir auch darüber nachdenken, ob wir im Bereich des Mittelstandsbauchs etwas tun. Aber um hier einen erfolgversprechenden Eingriff zu unternehmen, brauchen Sie - das ist alles einmal ausgerechnet worden - 36 Milliarden Euro, und die haben Sie nicht.

Betreiben Sie also hier keine Symbolpolitik, um irgendjemandem zu suggerieren, dass Sie Steuergerechtigkeit praktizieren! Sie wollen die FDP retten und sonst nichts.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der SPD)

Frau Geuter von der SPD-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Geuter!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren, besonders vor der Bundestagswahl 2009, haben sich die CDU und vor allem die FDP an die Menschen in diesem Land gewandt und ihnen Steuersenkungen in massiver Höhe versprochen, obwohl sie damals schon wussten, dass die finanziellen Rahmenbedingungen dafür gar nicht ausreichend sind.

(Beifall bei der SPD)

Selbst in ihrem Koalitionsvertrag auf Bundesebene sprechen sie noch von Steuersenkungen in der Größenordnung von 24 Milliarden Euro.

Das, was Sie jetzt mit dem Gesetzentwurf auf den Weg gebracht haben, ist natürlich deutlich niedriger. Und weil Sie selbst oder Ihre Parteifreunde in Berlin gemerkt haben, dass mit den vollmundigen Versprechungen nicht mehr geworben werden kann, sprechen Sie jetzt nicht mehr von einer Steuerentlastung, sondern von der Vermeidung nicht gewollter Steuerbelastungen.

Aber man sollte sich - das ist ganz wichtig - die Begründung zu diesem Gesetzentwurf noch einmal genau durchlesen. Darin steht:

„In vollem Einklang mit der konsequenten weiteren Umsetzung der Schuldenbremse eröffnen die … prognostizierten Steuermehreinnahmen … [den] finanziellen Spielraum, inflationsbedingte Mehreinnahmen von … 6 Milliarden Euro zurückzugeben.“

Und auch Sie schreiben in Ihrem Antrag:

„Für diese Steuerentlastung werden keine neuen Schulden aufgenommen.“

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich bitte Sie eindringlich: Kommen Sie doch einmal in der Realität an!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Schauen Sie z. B. einmal auf unseren Landeshaushalt. Im Jahre 2012 haben wir noch eine Nettokreditaufnahme von mehr als 1 Milliarde Euro, und das in einem Jahr, in dem die Steuermehreinnahmen nun wirklich signifikant waren.

Es gibt doch eine ganz einfache Logik: Wo nichts übrig ist, kann ich auch nichts zurückgeben, ohne dass ich an anderer Stelle Löcher reiße.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)