Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

- In der Wohnungswirtschaft könnten die Mehrbelastungen durch die Vermögensteuer vom Vermieter auf die Mieter umgelegt werden. Die daraus resultierenden Mietsteigerungen würden gerade die Bezieher kleinerer Einkommen wie etwa Rentner, Auszubildende oder Studenten besonders hart treffen.

Verwaltungsaufwand

- Unabhängig von der Höhe der Freibeträge müsste die Verwaltung flächendeckend und regelmäßig (jährlich) für alle Vermögensgegenstände eine aktuelle Bewertung vornehmen, die den Vorgaben des BVerfG gerecht wird.

- Die Erklärungsabgabe zur Vermögensteuer führt bei den Betrieben und Privatpersonen zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand.

- Im Rahmen der Vermögensteuerinitiative aus dem Jahr 2002 wurde ein Erhebungsaufwand

von 4,1 % des Aufkommens veranschlagt. Die Vorschläge der Grünen gehen je nach Höhe der Freibeträge von 3 bis rund 6 % Verwaltungsaufwand aus. Würde das Immobilien- und Sachvermögen - um den verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenzuwirken - nach Verkehrswerten bewertet, wäre ein erweitertes Bewertungsverfahren erforderlich, welches die Aufwendungen für die Erhebung der Vermögensteuer deutlich erhöhen würde. Das hierfür erforderliche Personal ist in der Verwaltung derzeit nicht vorhanden.

Aus diesen Gründen steht die Landesregierung der angekündigten Bundesratsinitiative der Länder Rheinland-Pfalz, Hamburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ablehnend gegenüber.

Zu 3: Wie bereits in der Landtagsdrucksache 16/2596 ausgeführt, setzt sich die Landesregierung seit vielen Jahren u. a. für eine Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen der sogenannten Kreditfabriken ein, die Kreditsachbearbeitungsleistungen an ihre Mitglieder erbringen. Diese Umsatzsteuerbefreiung soll insbesondere dem Interesse kleiner selbstständiger Kreditinstitute, wie den kommunalen Sparkassen und den Volksbanken dienen, die in ihren traditionellen Geschäftsfeldern einem immer stärkeren Wettbewerbsdruck durch weltweit agierende Großbanken ausgesetzt sind und demzufolge betriebswirtschaftliche Optimierungsmöglichkeiten nutzen müssen, um am Markt bestehen zu können. Dabei geht die Landesregierung davon aus, dass eine Maßnahme, die die Wirtschaftskraft der besagten Kreditinstitute stärkt, auch den Interessen der dortigen Beschäftigten dient.

So hatte sich der Bundesrat auf Antrag Niedersachsens im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2010 für die Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen von Zusammenschlüssen im Kreditwesen- und Versicherungsbereich an ihre Mitglieder in einer neuen Nr. 29 des § 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausgesprochen. Andere EU-Mitgliedstaaten - u. a. Frankreich, die Niederlande und Österreich - wenden eine solche Steuerbefreiung seit Langem an. Der Bundestag hatte dieses Anliegen jedoch nicht aufgegriffen.

Bereits im Jahr 2008 hatten die Steuerabteilungsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder herausgearbeitet, dass für die Leistungen der Kreditfabriken im Vorfeld der Kreditgewährung die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG anwendbar ist. Außerdem regten

die Steuerabteilungsleiter an, dem Gesetzgeber die besagte neue Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG vorzuschlagen, die auf die in Artikel 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) vorgesehene Steuerbefreiung für sogenannte Kostenteilungszusammenschlüsse gestützt werden sollte. Bis zum Ergehen dieser Gesetzesänderung sollte es von den Finanzämtern bereits nicht beanstandet werden, wenn Kreditfabriken für ihre Kreditverwaltungsleistungen im Anschluss an die Kreditgewährung eine entsprechende Steuerbefreiung anwenden.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Steuerbefreiungen der MwStSystRL von den Mitgliedstaaten obligatorisch in ihrem nationalen Umsatzsteuerrecht umzusetzen sind und dass sich betroffene Unternehmer nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unmittelbar auf eine Befreiung ihrer Umsätze nach der MwStSystRL berufen können, wenn diese Befreiung nicht im nationalen Recht umgesetzt ist. Unter Hinweis auf diese EuGHRechtsprechung hat der Bundesfinanzhof, der ebenso wie die Finanzverwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist, in den vergangenen Jahren in einer Vielzahl von Einzelfällen - u. a. im Bereich sozialer Leistungen - jeweils eine im Umsatzsteuergesetz nicht vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung in unmittelbarer Anwendung der MwStSystRL gewährt. Wenn der Bundesrechnungshof im Zusammenhang mit dem Beschluss der Steuerabteilungsleiter zu den Kreditfabriken von einer „Umsatzsteuerbefreiung ohne gesetzliche Grundlage“ spricht, handelt es sich somit um eine stark verkürzte Darstellung.

Die Steuerabteilungsleiter aller Bundesländer, auch Niedersachsens, haben im November 2011 ihren Beschluss aus dem Jahr 2008 zu den Kreditverwaltungsleistungen aufgehoben. Dies erklärt sich dadurch, dass die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG bisher nicht zustande gekommen ist. Bei den Beratungen auf der Arbeitsebene des Europäischen Rates muss dieses Thema neu erörtert werden.

Anlage 36

Antwort

des Finanzministeriums auf die Frage 39 der Abg. Ursula Weisser-Roelle (LINKE)

Wie viele Personen arbeiteten in 2010 und in 2011 als Werkvertragsangestellte für die Landesministerien und die Landesämter?

In den letzten Jahren hat, Recherchen der Linksfraktion im Deutschen Bundestag zufolge, die Anzahl von Beschäftigten, die Leistungen im Rahmen von Werkverträgen erbringen, bundesweit stark zugenommen. Nach Ansicht mehrerer Gewerkschaften bestehe dringender Verdacht, dass Werkverträge von Unternehmen und Behörden auf diesem Weg auch zunehmend missbraucht werden, um Löhne und Gehälter zu drücken sowie Druck auf Stammbelegschaften auszuüben.

Besonders problematisch seien demnach sogenannte Scheinwerkverträge, bei denen es sich eigentlich um Arbeitnehmerüberlassung handele. Sie würden dem Zweck dienen, die durch Mindestlöhne eingeführten sozialen Mindeststandards in der Leiharbeit zu unterlaufen.

Laut einer Umfrage der Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) vom Februar 2012 arbeiteten rund 13 % der 550 000 Beschäftigten in der Ernährungswirtschaft mit Leih- oder Werkverträgen.

Die Untersuchung habe ebenfalls ergeben, dass zunehmend Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer durch Werkvertragsangestellte ersetzt werden, um dadurch die gesetzlichen Standards der Leiharbeit zu unterwandern. So seien aktuell rund 57 % der Beschäftigten außerhalb der Stammbelegschaften über Werkverträge angestellt. Dies entspreche einer Zunahme um zehn Prozentpunkte seit 2010. In der gleichen Zeit sei der Anteil an Leiharbeitern um zehn Prozentpunkte gesunken.

Laut der Gewerkschaft NGG verdienen Werkvertragsangestellte im Durchschnitt 6 Euro weniger pro Stunde als die Stammbelegschaft.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen sieht die Landesregierung vor, um einen Missbrauch von Werkverträgen in Niedersachsen zur Umgehung gesetzlicher Vorschriften im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu unterbinden?

2. Wie viele Personen arbeiteten im Jahr 2010 und im Jahr 2011 als Werkvertragsangestellte für die Staatskanzlei sowie die Ministerien des Landes Niedersachsen (bitte jeweils gesonder- te Angaben für die Staatskanzlei und die jewei- ligen Ministerien machen)?

3. Wie viele Personen arbeiteten im Jahr 2010 und im Jahr 2011 als Werkvertragsangestellte für die Landesämter in Niedersachsen (bitte je- weils gesonderte Angaben nach den jeweiligen Landesämtern machen)

Die von der Abgeordneten geäußerte Sorge, die wohl auch von einigen Gewerkschaften geteilt wird, es bestehe der dringende Verdacht, dass Werkverträge von Unternehmen und Behörden zunehmend missbraucht werden, wird von der Landesregierung nicht geteilt. Diese Auffassung der Landesregierung wird auch durch eine aktuelle Erhebung zu dieser Kleinen Anfrage bestätigt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen der Abgeordneten Ursula Weisser-Roelle im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Unternehmen steht es grundsätzlich frei zu entscheiden, ob sie Werkleistungen durch eigene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder im Rahmen von Werkverträgen durch andere Unternehmer erbringen lassen. Letztgenannte Verfahrensweise ist weder verboten noch von vornherein als rechtsmissbräuchlich zu bewerten, solange dies ausschließlich unter Ausnutzung legaler Gestaltungsmöglichkeiten geschieht.

Trotz der von der Fragestellerin dargelegten Ergebnisse der Umfrage der NGG gibt es nach Auffassung der Landesregierung weiterhin keine ausreichend empirischen und verlässlich statistischen Daten, die belegen, dass Unternehmen in Deutschland das Instrument Werkvertrag über Einzelfälle hinaus zunehmend und systematisch missbrauchen, um den Lohn zu drücken oder um tarifliche oder arbeitsrechtliche Standards zu umgehen.

Die Landesregierung ist selbstverständlich unabhängig davon der Auffassung, dass die missbräuchliche Nutzung von Werkverträgen in der Form des Abschlusses von Scheinwerkverträgen mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln bekämpft werden muss.

Die Landesregierung ist ebenso der Auffassung, dass das den zuständigen Behörden der Zollverwaltung zur Verfügung stehende Sanktionsinstrumentarium wie auch die von der Rechtsprechung entwickelten Unterscheidungskriterien zur Abgrenzung von Werkverträgen und illegaler Arbeitnehmerüberlassung dazu ausreichen und daher neue Regeln und Kontrollmöglichkeiten nicht notwendig sind.

Dass die Zollbehörden ihre sich aus dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ergebenden Aufgaben erfolgreich wahrnehmen, kann nicht zuletzt auch den Jahresergebnissen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit für das Land Niedersachsen in den

Jahren 2010 und 2011 entnommen werden. Danach sind hier 2011 51 470 (2010: 51 377) Personenbefragungen und 5 777 (2010: 5 808) Arbeitgeberprüfungen durchgeführt worden.

Zu 2: Scheinwerkverträge mit dem Ziel einer Umgehung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurden in der Landesverwaltung nicht geschlossen. Werkverträge, bei denen nicht die Arbeit selbst (Arbeitsleistung), sondern ein bestimmter Erfolg Gegenstand des Vertrages ist, werden in Einzelfällen geschlossen, und ihr Abschluss kann durchaus angezeigt sein (z. B. spezielle IT-Prüfung mit Bericht). Solche Werkverträge wurden sowohl in der Staatskanzlei als auch in den Ministerien mit Einzelpersonen abgeschlossen. Die Erstellung von Gutachten- und Beraterverträgen im Sinne des § 55 LHO, die dem Finanzministerium zu melden sind und über die der Landtag unterrichtet wird, bleiben bei dieser Aufzählung außer Betracht.

Staatskanzlei:

2010: 1 Person 2011: 0 Personen

Ministerium für Inneres und Sport:

2010: 0 Personen 2011: 0 Personen

Finanzministerium:

2010: 1 Person 2011: 0 Personen

Justizministerium:

2010: 1 Person 2011: 3 Personen

Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz

2010: 0 Personen 2011: 1 Person

Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

2010: 0 Personen 2011: 0 Personen

Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration:

2010: 0 Personen 2011: 0 Personen

Kultusministerium:

2010: 6 Personen 2011: 6 Personen