Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Am Abend des 19. Mai 2012 fand im Jugendzentrum „Wohnwelt“ in Wunstorf eine als „ElektroParty“ bezeichnete Veranstaltung statt. Gegen 23.23 Uhr teilten mehrere Personen der Polizei über Notruf mit, dass es im Eingangsbereich des Veranstaltungsgebäudes zu körperlichen Auseinandersetzungen mit mehreren verletzten Personen gekommen sei. An den Auseinandersetzungen seien mehrere Bremer Fußballanhänger beteiligt gewesen. Zur Bewältigung der Lage wurden mehrere Funkstreifenwagenbesatzungen eingesetzt.

Nach dem derzeitigen Stand der noch andauernden Ermittlungen trafen die späteren 18 Tatverdächtigen auf der Rückreise von einem Regionalligafußballspiel in Essen auf dem Bahnhof in Wunstorf ein, um dort zur Weiterfahrt nach Bremen planmäßig umzusteigen. Während der Wartezeit wurden sie auf die vom Bahnhof sichtbare Veranstaltung auf dem nahe gelegenen Gelände des Jugendzentrums aufmerksam. Nach den Einlassungen der Tatverdächtigen entschloss sich die Gruppe spontan, zum Jugendzentrum „Wohnwelt“ zu gehen. Man habe nach einer Möglichkeit gesucht, sich mit alkoholischen Getränken zu versorgen.

Die bisherigen polizeilichen Ermittlungen, insbesondere die zur Aufklärung des Tathergangs durchgeführten Zeugenvernehmungen, ergaben,

dass es offenbar zunächst an einer nahe gelegenen Bushaltestelle vor der „Wohnwelt“ zur Provokation und Beleidigung eines libanesischen Staatsangehörigen durch zwei bis drei Personen dieser Gruppe kam. Anschließend kam es offenbar zu einer Körperverletzung zum Nachteil des libanesischen Staatsangehörigen durch weitere Tatverdächtige. Nachdem sich das Opfer sodann in die „Wohnwelt“ zurückzog, drangen einige der Tatverdächtigen gewaltsam in das Gebäude ein. Dort wurden dann im Rahmen weiterer körperlicher Angriffe mehrere Personen verletzt. Darüber, dass die Angreifer beim Betreten des Gebäudes „Wo ist hier die Antifa?“ gerufen hätten, liegen widersprüchliche Zeugenaussagen vor.

Wenig später verließen die Tatverdächtigen den Tatort und begaben sich zurück zum Bahnhof, in den dort zwischenzeitlich bereitgestellten Zug zur Weiterfahrt nach Bremen. Die inzwischen eingetroffene Polizei führte Identitätsfeststellungen durch und entließ die Personen zur Weiterfahrt nach Bremen, wobei diese durch die Bundespolizei begleitet wurden.

Bei der weiteren Überprüfung der Personalien wurde festgestellt, dass sechs Personen über allgemeinpolizeiliche Erkenntnisse verfügen und als sogenannte Gewalttäter Sport eingestuft sind. Über zwei Personen liegen Erkenntnisse über in der Vergangenheit begangene Straftaten aus dem Bereich politisch motivierte Kriminalität - Rechts - vor; zu den restlichen zehn Verdächtigen gibt es keine polizeilichen Erkenntnisse.

Gegen alle Personen wurde ein Ermittlungsverfahren u. a. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung eingeleitet. Die Klärung des Sachverhalts gestaltet sich schwierig. Von keinem der vor Ort eingesetzten Polizeibeamten wurde eine angebliche „SS-Tätowierung“ bei einem der Tatverdächtigen festgestellt.

Die Beurteilung, ob es sich bei der Straftat um Politisch Motivierte Kriminalität im Sinne des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes - politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) - handelt, nimmt die zuständige Polizeidienststelle selbstständig vor. Auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnislage schließt die Polizeidirektion Hannover nicht aus, dass es sich bei dem Angriff auf Personen in der „Wohnwelt“ um eine spontane Straftat gehandelt haben könnte. In Bezug auf die vorangegangene Straftat zum Nachteil des libanesischen Staatsangehörigen im Vorfeld des Angriffs auf das Jugend

zentrum gibt es dagegen Anhaltspunkte für einen politisch motivierten Hintergrund.

Die polizeilichen Ermittlungen dauern derzeit noch an. Eine abschließende Beurteilung, ob es sich bei den Taten um politisch motivierte Kriminalität - gegebenenfalls mit einem rechtsextremistischen Hintergrund, im Sinne des KPMD-PMK handelt - ist erst nach Vorliegen der abschließenden Ermittlungsergebnisse möglich.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Den niedersächsischen Sicherheitsbehörden liegen keine Erkenntnisse über eine strukturierte Zusammenarbeit oder sonstige Verbindungen von rechtsextremistischen Gruppierungen in Niedersachsen zur Bremer Hooliganszene vor. Es ist jedoch bekannt, dass einzelne Angehörige der rechtsextremistischen Szene im Bremer Umland (u. a. Delmenhorst, Osterholz-Scharmbeck, Oyten, Schwanewede, Syke und Verden) über persönliche Kontakte sowohl zu Angehörigen der Neonaziszene als auch zu Hooligans in Bremen verfügen.

Zu 2: Nach derzeitigem Kenntnisstand der Polizeidirektion Hannover waren keine Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte in Zivil im Zusammenhang mit dem Vorfall am 19. Mai 2012 vor Ort eingesetzt.

Zu 3: Angesichts der andauernden Ermittlungen kann noch keine abschließende Bewertung hinsichtlich der Tatmotivationen vorgenommen werden.

Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.

Anlage 24

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 25 der Abg. Meta Janssen-Kucz und Helge Limburg (GRÜNE)

Niedersächsische Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im Auslandseinsatz

Seit vielen Jahren werden auch niedersächsische Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im Ausland eingesetzt. Angesichts der zunehmenden Gewalt auch gegen deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte z. B. in Afghanistan fordert die GdP ein Landesentsendegesetz, welches die Entsendung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte ins Ausland regelt. Auch in anderen Bundesländern wird zurzeit über ein Landesentsendegesetz nachgedacht, bzw. es wird im Parlament beraten. Verfassungs- und Verwal

tungsrechtler halten es für erforderlich, den Auslandseinsatz der Polizei durch ein förmliches (parlamentarisches) Gesetz zu regeln.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie viele niedersächsische Polizeibeamte befinden sich derzeit wo, wie lange und mit welchen Aufgaben in internationalen Auslandseinsätzen?

2. Auf welchen rechtlichen bzw. gesetzlichen Grundlagen werden niedersächsische Beamte bisher ins Ausland entsandt, und wer übernimmt die Kosten im Zusammenhang mit der Entsendung?

3. Plant die Landesregierung ein Polizeientsendegesetz, und, wenn ja, in welchem Zeitfenster beabsichtigt sie, das Gesetz einzubringen, das den Zustimmungsvorbehalt des Landtages regelt, wenn nein, mit welcher Begründung wird kein Polizeientsendegesetz zeitnah seitens der Landesregierung auf den Weg gebracht?

Mit der Beteiligung deutscher Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamter an internationalen Friedensmissionen wird eine wichtige außenpolitische Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen.

Niedersachsen beteiligt sich seit 1994 an internationalen Polizeimissionen sowie an bilateralen Polizeiprojekten der Bundesrepublik Deutschland im Ausland. Die niedersächsische Polizei leistet hier gemeinsam mit den anderen Ländern und dem Bund einen bedeutsamen Beitrag, etwa für den Aufbau demokratischer und rechtstaatlicher Strukturen oder einer lokalen Polizei in den jeweiligen Einsatzgebieten. Die in diesen Missionen erfolgreiche und hoch angesehene Arbeit niedersächsischer Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamter unterliegt dabei erheblichen Anforderungen. Der Einsatz niedersächsischer Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamter im Rahmen von Friedensmissionen erfolgt ausschließlich auf der Grundlage der Freiwilligkeit.

1994 hat die ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) die ständige Bund-/LänderArbeitsgruppe „Internationale Polizeimissionen“ (AG IPM) eingerichtet. Sie ist Beratungs- und Entscheidungsgremium in allen Fragen der Vorbereitung, Beteiligung und Durchführung von Auslandsmissionen, soweit nicht gesetzliche Regelungen oder andere Zuständigkeiten entgegenstehen. Die AG IPM hat bundeseinheitliche Standards und Rahmenrichtlinien für den Einsatz deutscher Polizeibeamtinnen und -beamter im Rahmen internationaler Friedensmissionen (Leitlinien) abgestimmt, in denen im Wesentlichen die zahlreichen Details

der Vorbereitung, Betreuung und Nachbereitung eines Auslandseinsatzes geregelt sind.

Die Personalgestellung für polizeiliche Auslandsmissionen erfolgt auf der Grundlage der vorgenannten Leitlinien der AG IPM. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich mit bis zu 910 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten an internationalen Friedensmissionen. Diese werden gegenwärtig bis zur 450. Beamtin bzw. bis zum 450. Beamten zu einem Drittel durch den Bund und zu zwei Dritteln durch die Länder, ab der 451. Beamtin bzw. dem 451. Beamten zu gleichen Teilen gestellt. Die Beiträge der Bundesländer berechnen sich grundsätzlich nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel in der jeweils geltenden Fassung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Aktuell (Stand 13. Juni 2012) beteiligen sich 22 niedersächsische Polizeibeamte (davon eine Beamtin) wie folgt an internationalen Polizeimissionen:

Afghanistan: 17, 1 Beamter bei der europäischen Polizeimission in Afghanistan (EUPOL Afghanis- tan), 15 Beamte und 1 Beamtin bei GPPT (German Police Project Team)/bilateral Afghanistan; Abordnungszeitraum: zwischen 6 und 12 Monate; Verwendung: Trainerin/Trainer und Polizeiberater

EUMM Georgien (European Union Monitoring Mission Georgien): 2 Beamte; Abordnungszeitraum: 12 Monate; Verwendung: Watchkeeper (Sachbearbeiter in der Einsatzleitstelle) bzw. Monitoring

EULEX Kosovo (European Union Rule of Law Mission in Kosovo): 1 Beamter; Abordnungszeitraum: 12 Monate; Verwendung: Monitoring

UNMIL Liberia (United Nations Mission in Liberia): 1 Beamter; Abordnungszeitraum: 12 Monate; Verwendung: Polizeiberater und zuständig für logistische Abwicklungen (Durchführung von Projekten)

UNMISS Sudan (United Nations Mission in the Republic of South Sudan): 1 Beamter; Abordnungszeitraum: 12 Monate; Verwendung: Kontingentsleiter

Zu 2: Die Entsendung der Polizeikontingente erfolgt zentral durch das Bundesministerium des Innern (BMI). Alle mit der Entsendung im Zusammenhang stehenden Maßnahmen werden durch die Geschäftsstelle der AG IPM im BMI vorbereitet und durchgeführt. Die Länder ordnen dazu ihre Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten nach

§ 14 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) in den Geschäftsbereich des BMI, an das Bundespolizeipräsidium, ab. Die aufnehmende Behörde im Geschäftsbereich des BMI weist dann die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten gemäß § 29 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) dem für den Einsatz verantwortlichen zwischen- oder überstaatlichen Mandatgeber zur Dienstverrichtung zu.

Nach § 8 des Bundespolizeigesetzes (BPolG) kann die Bundespolizei u. a. zur Mitwirkung an polizeilichen oder anderen nicht militärischen Aufgaben im Rahmen von internationalen Maßnahmen auf Ersuchen und unter Verantwortung der Vereinten Nationen, einer regionalen Abmachung oder Einrichtung gemäß Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen (z. B. OSZE), der die Bundesrepublik Deutschland angehört, der Europäischen Union oder der Westeuropäischen Union im Ausland verwendet werden. Diese für die Bundespolizei geschaffene einfachgesetzliche Rechtsgrundlage findet infolge der Abordnung der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten der Länder in den Geschäftsbereich des BMI für das gesamte deutsche Kontingent Anwendung. Darüber hinaus ist für das bilaterale Polizeiprojekt in Afghanistan zudem das Sitz- und Statusabkommen mit Afghanistan im Rahmen des § 65 Abs. 2 BPolG einschlägig.

Die in Zusammenhang mit der Teilnahme von deutschen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten an internationalen Friedensmissionen zu berücksichtigenden Kosten verteilen sich auf Bund und Länder nach Maßgabe der in der AG IPM abgestimmten Leitlinien grundsätzlich wie folgt:

Personalkosten

Bund:

- Auslandsbedingte Personalmehrkosten (Aus- landsbesoldung, Aus- und Inlandsreisekosten)

Länder:

- Inlandsbesoldung

- Heilfürsorge/Beihilfe

- medizinische Kosten im Inland (einschließlich Vor- und Nachuntersuchungen)

- beamtenrechtliche Versorgung

Sachkosten

Bund: