Protocol of the Session on July 18, 2012

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Deswegen, meine Damen und Herren, brauchen wir keinen weiteren runden Tisch in Niedersachsen, wir brauchen kein vorgezogenes Herumdoktern auf der Landesebene, sondern wir brauchen eine Überarbeitung und Ergänzung des Prostitutionsgesetzes von 2002 - und das auf Bundesebene.

(Zustimmung bei der CDU)

Dort ist der Handlungsdruck erkannt worden. Deswegen folgen wir der Ausschussempfehlung auf Ablehnung des Antrages.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mir liegt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention vor. Ich erteile der Kollegin Flauger das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es nicht ungewöhnlich, sondern eher ziemlich normal, dass man zehn Jahre nach Beschluss eines Gesetzes auch prüft, wie das Ganze gediehen ist, wie es sich entwickelt hat und ob es Dinge gibt, die anders, neu oder wie auch immer zu regeln sind oder die vergessen worden sind, weil man nicht daran gedacht hat. Das ist ein normaler Prozess in einem Gesetzgebungs- und dann auch Überarbeitungsverfahren.

Zu unserem Ansatz einer Landeskonferenz: Für die meisten von uns hier im Parlament ist das Feld der Prostitution eine eher fremde Welt. Ich wage einmal die Behauptung, dass wir alle dort nicht Tag für Tag Erfahrungen sammeln, dass wir nicht genau wissen, welche Probleme sich dort stellen, und dass wir nicht genau wissen, was diejenigen, die die Sexarbeit leisten, für Probleme haben. Deswegen ist es äußerst sinnvoll, sich mit denen zusammenzusetzen, die diese Erfahrungen eben tagtäglich machen. Sie können viel fundierter als wir sagen, wo möglicherweise Nachbesserungsbedarf besteht, was sinnvolle Regelungen zur Beseitigung durchaus vorhandener Probleme wären; es ist ja gar nicht strittig, dass es in diesem Bereich auch Probleme gibt.

Deswegen weiß ich nicht, warum Sie sich so dagegen sträuben, zu sagen: Setzen wir uns in Niedersachsen mit denjenigen zusammen, die in diesem Umfeld wirklich Bescheid wissen, hören wir sie an, und lassen wir uns von ihnen sagen, wo die Probleme liegen, wo der Handlungsbedarf liegt, was in Gesetzen und Ausführungsbestimmungen anders geregelt werden müsste als heute!

Geben Sie sich einen Ruck! Das ist doch wirklich nichts, wozu Sie sich nicht durchringen könnten, wenn Sie ernsthaft darum bemüht wären, in diesem Feld Verbesserungen zu erzielen.

(Beifall bei der LINKEN)

Möchte die CDU-Fraktion antworten? - Ja. Ich erteile der Kollegin Schwarz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Flauger, glauben Sie ja nicht, dass wir uns nicht mit diesem Thema befassen wollen, weil es eventuell ein Image hat, mit dem wir uns nicht beschäftigen möchten! Aber ich habe eben in meiner Rede darauf hingewiesen, dass es auch Verbände von Prostituierten, Interessenvertretungen von Prostituierten gibt, die eine gänzlich andere Einschätzung zur Lösung auf der Pfanne haben. Die sagen einfach: Wir wollen keine Konzessionierung, wir wollen keine Überwachung, wir stellen uns etwas anderes vor. - Sie hätten bei der Landeskonferenz einen absolut bunten Strauß.

Man muss sich bei dieser Thematik vergegenwärtigen, dass dabei nicht nur die reguläre, freiwillige Prostitution eine Rolle spielt. Vielmehr gibt es Überlagerungen mit Menschenhandel und Zwangsprostitution. Das sind Konfliktfelder, die Sie an einem runden Tisch nicht werden lösen können. Deswegen wenden wir uns dagegen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile der Kollegin Twesten das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anfang 2002 ist das Gesetz in Kraft getreten. Wir haben es geschafft, dass gesellschaftlich über Prostitution gesprochen wird. Eingedenk der Worte von Frau Schwarz eben glaube ich, dass wir genau das brauchen: einen bunten Strauß von Meinungen. Das brauchen wir, um das Gesetz so anzureichern, dass es den Betroffenen wirklich etwas bringt.

In den Parlamenten, auf den Straßen, in den Medien ist das Thema aus der traditionellen Schmuddelecke herausbefördert worden. Es ist salonfähig, präsenter geworden. Die Bilanz allerdings fällt ernüchternd aus. Nur wenige Frauen nutzen ihre Rechte. Für eine spürbare Stärkung und Unterstützung der Prostituierten reicht das Gesetz immer noch nicht. Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass sich die Arbeitsbedingungen spürbar verbessern müssen.

Stattdessen haben sich beunruhigende Entwicklungen breitgemacht. Dem Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2007 zufolge haben nur 1 % der Prostituierten einen Arbeitsvertrag. Mit und ohne Gesetz haben nur wenige Prostituierte Zu

gang zur Sozialversicherung. Und schon angesichts der Zahlen - 400 000 Prostituierte arbeiten im Bundesgebiet, nur 1 % sind organisiert - sollte ganz klar sein, dass wir uns dieses Themas hier in Niedersachsen annehmen müssen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Des Weiteren geht aus einer EU-Studie mit einem Vergleich von Daten aus 150 Ländern hervor, dass die völlige Legalisierung von Prostitution in Deutschland dazu geführt hat, dass der Markt stark angewachsen ist, und einen massiven Anstieg des Menschenhandels nach sich gezogen hat. Das Führen eines Bordells hat sich zu einer Geschäftsidee mit hohen Gewinnmargen entwickelt. Gut situierte - in der Regel - Geschäftsmänner haben den Markt nach der Legalisierung für sich entdeckt und verdienen nicht schlecht daran, dass Frauen ihre Körper verkaufen. Das Geschäft brummt. Die Bordellbesitzer expandieren.

Deshalb haben wir uns vor allem die Frage zu stellen, wem dieses schlicht gehaltene Gesetz tatsächlich dient. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die, um die es eigentlich gehen sollte, en masse nicht erreicht werden. Die wenigen, die wir erreichen, müssen das Geld jetzt zwar nicht mehr an einen Zuhälter abliefern, dafür aber an Bordellbetreiber mit Mietwucherpreisen. Etablierte Prostituierte berichten, dass das Angebot viel größer geworden ist und damit vor allem Lohndumping betrieben wird.

(Glocke des Präsidenten)

In dieser Form ist das Gesetz also kein geeignetes Instrument, um die eigentlichen Problematiken auf den Tisch zu bringen. Das alles wissen wir spätestens seit der Evaluierung 2007. Was ist passiert? - Nichts.

Baden-Württemberg hat versucht, die kollektive Lethargie in Bund und Ländern zu durchbrechen, und zusammen mit anderen Bundesländern eine Bundesratsinitiative gestartet, in der sehr richtig auf das überbordende Machtgefälle zwischen Zuhältern und Bordellbesitzern einerseits und der Ohnmacht von Prostituierten andererseits hingewiesen wird.

Deshalb, meine Damen und Herren, gilt es, jetzt ins Gespräch zu kommen. Der Linken-Antrag hat nichts anderes zum Ziel, als einen neuen rechtlichen Rahmen zu entwickeln, mit dem die geschäftlichen Beziehungen zwischen Prostituierten und Bordellbetreibern klar definiert werden. Im Sinne

der Betroffenen könnte ein runder Tisch in Niedersachsen zunächst eine Situationsanalyse durchführen und Handlungsempfehlungen in die Beratungen auf Bundesebene einbringen.

(Glocke des Präsidenten)

Politik kann nämlich auch von unten nach oben transportiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss!

Das, meine Damen und Herren, ist dringend geboten.

Den Antrag der Linken hier sang- und klanglos abzulehnen, passt zur Haltung der Bundesministerin. Fünf Jahre nach der Evaluation sagt sie immer noch: Die Bundesregierung prüft, welche Regelungen wir brauchen. - Wie lange, frage ich mich, will sie denn noch prüfen? - In einem Jahr ist die Legislaturperiode um.

Frau Kollegin, jetzt muss der letzte Satz kommen!

Dann helfen wir Ihnen allerdings gerne auf die Sprünge.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Riese das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns allen ist die Weisheit bekannt, dass das Gegenteil von „gut gemeint“ häufig „gut gemacht“ ist. Das gilt natürlich auch umgekehrt.

Ich habe hier mit Interesse gehört, wie die Vertreterinnen der SPD und der Grünen darauf hingewiesen haben, dass ein Gesetz, das seinen Anfang im Jahre 2002 genommen hat, handwerklich

schlecht gemacht sei, weil es nämlich keine größeren Wirkungen entwickelt habe.

Der Entschließungsantrag, den die Fraktion DIE LINKE vorgelegt hat, hat wenig Gehalt. Das ist hier, glaube ich, schon deutlich geworden. Es wird nicht mehr als eine Landeskonferenz Prostitution verlangt.

(Zuruf von der SPD: Das ist Ihre In- terpretation!)

In dem Antrag wird die in der Tat hervorragende Beratungsstelle Phoenix erwähnt,

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Die ist gut!)

die neben anderen Stellen Beratungsarbeit für Prostituierte im Lande Niedersachsen durchführt. Unter anderem leistet sie auch Ausstiegsberatung. Sie wendet sich auch an die Politik und berät uns, soweit wir die Beratung annehmen,

(Ulla Groskurt [SPD]: Die sollte man immer annehmen!)

in der Frage, welche Vorstellungen dort zur Weiterentwicklung des Rechtes vorliegen.

Weil dieser Dialog zwischen den Betroffenen und ihren Vertretern einerseits und der Politik andererseits bereits besteht, bedarf es einer zusätzlichen Konferenz tatsächlich nicht.