auch an den Weihnachtsmann, meine Damen und Herren. Am Ende wird die Mittelschicht bzw. der Mittelstand für diese Politik die Zeche zahlen. Aber das werden wir verhindern.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Debatte von der großen Bundespolitik - von vielen Steuer- und Abgabenthemen und von der Lohnthematik - wieder auf Niedersachsen zurückführen; denn wie ich zu Beginn der Debatte hören konnte, beschäftigen uns hier auch die niedersächsischen Zahlen.
Wer Armut bekämpfen will, muss sich mit den Strukturen befassen. Die Politik setzt hier die Rahmenbedingungen. Die staatlichen Maßnahmen müssen dort ansetzen, wo die Möglichkeiten des Einzelnen nicht ausreichen. Das ist unser Verständnis: Der Staat muss Teilhabe ermöglichen. Letztlich steht es dann aber in der Verantwortung des Einzelnen, eröffnete Chancen auch zu nutzen.
Meine Damen und Herren, ich erinnere an Roman Herzog, der einmal gesagt hat: „Erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik ist immer noch die beste Sozialpolitik.“ Darüber sind wir uns hier in diesem Hause anscheinend auch einig; das habe ich der Debatte jedenfalls entnommen. Genau nach diesem Grundsatz handeln wir in Niedersachsen auch. Wir arbeiten daran, dass es dem Land und allen Menschen besser geht.
(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Es geht aber nicht allen besser! Immer mehr Menschen geht es schlechter!)
Das tun wir mit Erfolg. Ich möchte Ihnen das gerne - was auch meine Vorredner hier an Zahlen festgemacht haben - wieder in Erinnerung rufen.
Die niedersächsische Wirtschaft ist auf Wachstumskurs. Sie ist in den letzten beiden Jahren um insgesamt 8,3 % gewachsen. Das ist bundesweit der drittbeste Wert. Die Zahl der sozialversiche
rungspflichtigen Beschäftigten ist zwischen 2008 und 2012 von 2,4 auf 2,6 Millionen angestiegen. Das sind 200 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr. Gleichzeitig sinkt die Arbeitslosenquote. Sie liegt derzeit bei 6,7 %. Das ist der beste Wert in einem August seit 20 Jahren.
Das sind Erfolgsmeldungen, die allen Menschen in Niedersachsen helfen. Die wollen nämlich nicht einfach nur mehr Geld - d. h. mehr Hartz IV -, sondern Arbeit, Teilhabe, Selbstbestätigung und Erfolg. Dafür tun wir etwas. Unsere erfolgreiche Wirtschafts- und Sozialpolitik hat dafür die Basis geschaffen.
Und doch, meine Damen und Herren, gibt es Menschen, die von diesen Erfolgen nicht profitieren. Denen muss unser besonderes Augenmerk gelten. Wir müssen dann aber auch genauer schauen, wer die sind und wie wir die Rahmenbedingungen für sie verändern können.
Besonders betroffen sind Alleinerziehende, kinderreiche Familien, leider auch Ausländerinnen und Ausländer sowie ältere Menschen. Alleinerziehende und kinderreiche Familien sind besonders armutsgefährdet. Um den Kreislauf zu durchbrechen, in dem sich manche Familien befinden, brauchen die Eltern eine existenzsichernde Arbeit und die Kinder möglichst gute Chancen für Bildung und Teilhabe. Diese zwei Faktoren sind ganz entscheidend.
Wir müssen den Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft einen erfolgreichen Bildungsweg eröffnen. Das tun wir. Wir haben nicht nur mit den Fördermaßnahmen, die heute auch schon debattiert wurden, sondern auch mit der Veränderung der Strukturen, nämlich der Einführung der Oberschule, ganz wesentlich dazu beigetragen, dass es eben nicht darum geht, den Bildungsweg nach der sozialen Herkunft zu entscheiden.
Dass das funktioniert, hat uns die AWO gestern mit der Aussage bestätigt: „Einmal arm, immer arm!“ gilt nicht immer. - Der AWO-Bundesvorsitzende Stadler hat gestern eine Langzeitstudie zur Kinderarmut vorgestellt, die zu dem Ergebnis kommt, dass arme Kinder nicht benachteiligt bleiben, wenn Eltern, Kitas und Schulen an einem Strang ziehen. Das heißt: Wenn wir die Kinder fördern und wenn wir Bildungs- und Teilhabechancen geben, dann haben wir tatsächlich die Möglichkeit, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
also knapp 100 Millionen Euro - für die Ganztagsschulen möchte ich hier in Erinnerung rufen. Genau da setzen wir an. Wir investieren in die Zukunft, indem wir sagen: Frühkindliche Bildung und gute Bildungschancen in der Schule sorgen dafür, dass dort, wo problematische Familien ihren Kindern heute nicht das geben können, was wir uns erhoffen, durch unseren Einsatz diese Armutschance verringert wird.
Genauso richtig ist, dass wir mit dem Bildungspaket Kindern und Jugendlichen aus Familien mit geringen Einkommen deutlich verbesserte Teilnahmemöglichkeiten bieten. Wir unterstützen die Kommunen dabei, dass das Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket den Kindern tatsächlich zukommt. Wir stellen hier fest: In vielen niedersächsischen Städten und Gemeinden sind die Angebotsstrukturen bereits deutlich ausgebaut worden. Hier gehen wir mit den Kommunen Hand in Hand, und wir verbessern unsere Angebotsstrukturen dort, wo es Problembereiche gibt.
Aber: An dieser Stelle muss ich mich jetzt auch an die Wirtschaft, an die Arbeitgeber richten. Auch die Arbeitgeber sind gefordert. Sie müssen mit flexiblen Arbeitszeiten dazu beitragen, dass Eltern Beruf und Familie miteinander verzahnen können.
Mir ist es wichtig, dass gerade alleinerziehende Frauen nicht in Minijobs und Teilzeitbeschäftigung verharren.
Wir müssen auch hier genau schauen und Frauen - insbesondere alleinerziehenden Frauen - nicht nur die Teilzeitbeschäftigung als Chance eröffnen, sondern wir müssen sehr wohl auch die Vereinbarkeit von Familie bzw. Erziehung und Beruf gewährleisten. Ich kann Ihnen hierzu viele Beispiele nen
nen. Das fängt schon bei der Ausbildung an. Wir müssen alleinerziehenden Müttern auch eine Teilzeitausbildung anbieten. Das tun wir in Niedersachsen bereits ganz gezielt. Auch auf der Frauen- und Familienministerkonferenz haben wir immer wieder für einen Ausbau dieses Bereiches geworben. Zusammen mit den Arbeitgebern und den Jobcentern müssen und werden wir Möglichkeiten finden, Frauen und Müttern zu einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit zu verhelfen.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns in Erinnerung rufen: Auch bei Menschen mit Migrationshintergrund liegt das Armutsrisiko aus unterschiedlichen Gründen höher als beim Durchschnitt. Auch das zeigt uns der Bericht. Nicht nur der Bericht aus Berlin, sondern auch unsere niedersächsischen Zahlen dienen der Erstellung einer Analyse.
Ein wichtiger Grund - es gibt aber mehrere Gründe - ist sicherlich der, dass Menschen mit Migrationshintergrund weniger qualifiziert in die Arbeitswelt gehen oder dass die Qualifikationen, die sie im Ausland erworben haben, hier noch nicht anerkannt worden sind und noch nicht eingesetzt werden können. Hier haben wir ganz klar Farbe bekannt und gesagt: Wir brauchen ein vereinfachtes Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Ich hoffe, dass wir das mit unserem niedersächsischen Gesetz bis zum Ende des Jahres durch haben.
Besonders wichtig ist gerade im Hinblick auf die Menschen mit Migrationshintergrund, die armutsgefährdet sind, die Kinder und die jungen Menschen - u. a. die mit Migrationshintergrund; die anderen Jugendlichen habe ich ja schon genannt - früh zu fördern, um sie zu besseren Bildungsabschlüssen zu führen und um vor allen Dingen die Schulabbrecherquote zu senken.
Was mich in diesem Zusammenhang besonders freut - dies war letzte Woche auch nachzulesen und ist auch dem Integrationsmonitoring zu entnehmen -, ist: Da tut sich etwas! Der Anteil der jungen Migrantinnen und Migranten mit Realschulabschluss ist zwischen 2005 und 2010 von 37,7 % auf 44 % gestiegen. Das heißt, immer mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund schließen die Schule mit einem besseren Abschluss ab. Gleichzeitig sinkt die Quote bei den Hauptschulabgängern.
Das heißt, hier haben wir wirklich eine Chance, dass junge Menschen, die die Schule verlassen, nahtlos in die Ausbildung gehen, dann in die Berufswelt einsteigen und so dem Armutsrisiko ent
kommen. Die neue Oberschule wird diesen Trend - da bin ich mir sicher - noch verstärken. Das zeigt also: Es geht voran. Unsere Bemühungen tragen Früchte. Auch die frühe Sprachförderung, die frühkindliche Förderung und die Sprachförderung vor Schulbeginn tragen Früchte und leisten einen Beitrag dazu, dass die Startchance auf Bildung sehr früh richtig gesetzt wird.
Meine Damen und Herren, die Politik setzt die Rahmenbedingungen. Ja, das haben wir getan. Mindestens genauso wichtig aber ist, dass sich jeder Einzelne für den anderen einsetzt. Faire Chancen und gleiche Teilhabe für alle Menschen können nur in Solidarität der Gruppen sichergestellt werden. Es kann einfach nicht sein, dass wir jetzt anfangen, die Gruppen gegeneinander auszuspielen. Ob Jung gegen Alt, ob Arm gegen Reich oder ob mit oder ohne Migrationshintergrund - genau das machen wir nicht. Wir betreiben vielmehr eine Politik für jeden. Ich habe es Ihnen gerade aufgezeigt. Wenn Sie einmal genau dort hinschauen, wo die Rahmenbedingungen richtig gesetzt worden sind, dann werden Sie es sehen. Es nützt aber nichts, wenn Sie diese Neiddebatte und diese Armutsdebatte führen und das in eine ganz andere Richtung bringen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das ist keine Neiddebatte! - Olaf Lies [SPD]: Ist eine Armutsdebatte eine Neiddebatte?)
Wir alle müssen uns gemeinsam gegen Armut stark machen. Da sind Bund, Länder, Kommunen, die freie Wohlfahrtspflege, die Kirchen, die Wirtschaft und nicht zuletzt die zahlreichen bürgerschaftlich engagierten Menschen in Niedersachsen gefragt. Deswegen unterstütze ich auch Maßnahmen, die aufklären und zeigen, wo Menschen Unterstützung finden können und wie Menschen aus diesem Bildungssystem und dem Arbeitsmarkt das Beste herausholen können. Ich würde mich freuen, wenn alle an einem Strang ziehen würden. Ich freue mich auch auf Ihre Vorschläge.
Meine Damen und Herren, es gibt jetzt noch den Wunsch auf zusätzliche Redezeit. Frau Helmhold, eine Minute!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, ich möchte auf zwei Aspekte Ihrer Rede eingehen. Sie haben das Bildungspaket erwähnt. Ich möchte Ihnen einmal ein Beispiel nennen, von dem ich gerade erst vor einigen Tagen erfahren habe. Der Direktor einer Grundschule in meiner Stadt hat gesagt: Ich habe hier ein Mädchen, das Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungspaket hätte. Dieses Mädchen möchte ich gerne am Mittagessen teilnehmen lassen. Das Problem ist nur, dass die Mutter das nicht unterschreibt. Ich habe dem Kind das mitgegeben, ich habe die Mutter hierher gebeten. Was soll ich jetzt machen? - Wir sagen als Antwort auf diese Frage: Für das Kind muss das eigentlich egal sein. Das Kind soll ein Mittagessen und eine gescheite Bildung haben.
Darum wollen wir Infrastruktur haben. Wir wollen das Geld in Infrastruktur und nicht in ein Bildungspaket geben, wo es wiederum vom Zufall abhängig ist, ob das Kind das kriegt oder nicht. Um u. a. diese Infrastruktur zu schaffen, braucht der Staat Mittel. Der Staat aber ist systematisch ausgehungert, und der Reichtum nimmt immer weiter zu. Das ist nicht in Ordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich hatte erwartet, dass Sie jetzt eine flammende Rede halten und die Bundesministerin Frau von der Leyen in dem Konflikt unterstützen, den sie im Bundeskabinett gegenwärtig austragen muss. Das wäre ja interessant gewesen. Aber dazu kam von Ihnen nichts. Stattdessen haben Sie das Stichwort von der angeblichen Neiddebatte aufgegriffen, das Ihnen hier von der FDP geliefert wurde. Hier sind soziale Probleme angesprochen worden. Hier ist von meh
reren Rednern darauf hingewiesen worden, warum die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden.