Protocol of the Session on September 27, 2012

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Schienenverkehrsangebotes gebracht. Das darf so nicht weitergehen.

Es ist ein Trauerspiel: Vom Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gibt Schwarz-Gelb höchstens 40 % der Gelder für ÖPNV und Schiene aus. Von den Regionalisierungsmitteln, der Bundesförderung für den Schienennahverkehr, zwackt diese Landesregierung seit Jahren mit fast 90 Millionen Euro jährlich ein übergroßes Stück für die Landesaufgabe Schülerverkehre ab, die in Niedersachsen zum größten Teil mit Bussen auf der Straße abgewickelt wird.

Kein Wunder, dass - anders als in anderen Bundesländern - außer dem Haller Willem bei Osnabrück und der Güterverbindung nach Aurich in den vergangenen zehn Jahren in Niedersachsen keine Bahnreaktivierungen vorgenommen wurden. Die verbleibenden Mittel reichten dafür auch wegen der zusätzlichen Kürzungen des Bundes einfach nicht aus. Dadurch besteht heute die fatale Ungerechtigkeit, dass etliche stillgelegte Bahnen und Haltepunkte ein besseres Verkehrspotenzial aufweisen als manche der unter dieser Regierung noch zu wenig gepflegten Bestandsstrecken und Haltepunkte.

Nehmen wir z. B. die überzeugende Untersuchung für einen attraktiven Personenverkehr auf der Schiene nach Nordhorn oder die touristisch schmerzlich vermisste Schienenanbindung der Fährorte zu den Inseln mit der Küstenbahn und z. B. das gute Konzept des Moorexpress, der für Bremen eine attraktive Schienenverbindung gerade auch für die Pendler sein könnte, oder bisher verwaiste Haltepunkte wie Jaderberg, bei denen mit einem breiten politischen Bündnis vor Ort sehr beachtliche Argumente zusammengetragen wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Olaf Lies [SPD])

Dieses regionale Engagement muss endlich landespolitisch aufgegriffen und zumindest ernsthaft und transparent im Vergleich geprüft werden.

Eine Verschiebung bis 2014, wie es der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP jetzt vorschlägt, also nach der laufenden Revision der Regionalisierungsmittel im Bund, ist der völlig falsche Weg, weil sich Niedersachsen damit für die Bundesprüfung im Schienenverkehrsangebot bewusst klein macht.

(Zuruf von Ernst-August Hoppenbrock [CDU])

Damit drohen erst recht Kürzungen, Kollege Hoppenbrock.

Im Gegensatz dazu kommen die regionalen CDU- und FDP-Politiker gern zu den Reaktivierungsinitiativen und versprechen Unterstützung. Wie scheinheilig ist das denn! Aber hier im Landtag soll heute das Gegenteil beschlossen werden. Diese doppelbödige Politik wird Ihnen schwer auf die Füße fallen, nicht nur in Nordhorn oder Jaderberg, Herr Thümler und Herr Hilbers, sondern an allen Standorten mit Reaktivierungsinitiativen wird die heutige Entscheidung des Landtages sehr aufmerksam beobachtet.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, die auf regionaler Ebene ihr Wort gegeben haben, deshalb heute noch einmal, den Anträgen der Grünen und der SPD Ihre Stimme zu geben, damit Sie Ihren Worten jetzt endlich auch Taten folgen lassen können.

(Beifall bei den GRÜNEN - Karsten Heineking [CDU]: Das ist doch nicht zielführend! Das bringt doch nichts!)

Überlegen Sie einmal, an wie vielen Orten in Niedersachsen heute auf diese Entscheidung geschaut wird! Das ist tatsächlich ein landespolitisch wichtiges Thema.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Hagenah. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Will das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu dem Antrag der Bündnisgrünen sprechen; denn ich finde, wir sollten ihn vorab einmal ausführlich diskutieren. Wir können dann vielleicht im zweiten Durchgang über die weiteren Anträge reden.

Der Antrag der Bündnisgrünen zur Sicherung der Bahninfrastruktur fordert, die Reaktivierung von Bahnstrecken zu prüfen. Das ist sinnvoll; denn vorhandene Infrastruktur sollte unter den veränderten volkswirtschaftlichen und umweltpolitischen Rahmenbedingungen neu geprüft werden. Auch müssen Fehler für die Zukunft vermieden werden,

z. B. durch den schleichenden Abbau von Infrastruktur.

Wir müssen gerade auf Anträge von Kommunen reagieren - Herr Hagenah hat darauf hingewiesen -, die mit eigenem Engagement die Wiederbelebung von Haltepunkten und Bahnstrecken unterstützen.

Nun ist auch uns klar, dass nicht 57 Reaktivierungsprojekte und 24 stillliegende Bahnhaltepunkte neu untersucht werden können. Aber es macht Sinn, da, wo Fahrgastpotenziale vorhanden sind und die Wirtschaftlichkeit erreichbar ist, nach über zehn Jahren eine erneute Prüfung durchzuführen. Dies gilt beispielsweise - ich fasse das jetzt einmal zusammen; hier sind ja schon einzelne Projekte angesprochen worden - für ehemalige Bahnhalte z. B. im Osnabrücker Land oder auch im Oldenburger Bereich. Das gilt insbesondere für intakte Güterstrecken. Dafür haben wir zwei gute Beispiele im Raum Aurich und Nordhorn.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Sehr rich- tig!)

Wir halten es für sinnvoll, den Petitionen aus den Regionen nachzugehen, sie ernst zu nehmen und sich vor Ort ein Bild davon zu machen.

(Karsten Heineking [CDU]: Wir auch!)

- Langsam! Ich komme noch dazu.

SPD und Grüne waren vor Ort, z. B. in der Grafschaft Bentheim. Die Regierungsfraktionen haben sich das bisher noch nicht vor Ort angeschaut. Ich habe den Eindruck, Sie können das allein nach Aktenlage entscheiden.

(Gabriela König [FDP]: Das haben wir schon vor Jahren gemacht!)

- Ja, ja, vor Jahren, ist klar, Frau König.

(Gabriela König [FDP]: Ja, und zwar stetig!)

Der CDU-Antrag spült den Grünen-Antrag weich. Er ist unverbindlich. Und dort, wo Sie dann zaghaft auf eine Reaktivierung eingehen, verbinden Sie dies gleich mit dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit nach der Revision der Regionalisierungsmittel. Sie machen so bei dem Verteilungsstreit auf Bundesebene den Eindruck, abzuwarten und die Ergebnisse zu akzeptieren, statt richtige Schritte der Reaktivierung zur Stärkung der eigenen Argumente einzusetzen. Kosten solcher Reaktivierungen können bis 2014 bei den Verhandlungen eine

wichtige Rolle spielen und die Verhandlungsgrundlage des Landes verbessern.

Wer demgegenüber bei der Zweckentfremdung so ungeniert mit dem Geld umgegangen ist und ansonsten einseitig auf Fahrleistungen gesetzt hat, darf sich heute nicht wundern, dass Niedersachsen bei der Verteilungsquote einen schweren Stand hat. Für Ihre Fehler beim Mitteleinsatz sollen nun die Regionen Niedersachsens die Suppe auslöffeln.

Meine Damen und Herren, wir werden heute dem Antrag der Bündnisgrünen zur Reaktivierung zustimmen, weil er realistisch die Ziele und Chancen für die Zukunft des Verkehrsmittels Bahn in Niedersachsen beschreibt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Will. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Weisser-Roelle das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit den heute abzustimmenden Anträgen. Bei vier Minuten Redezeit und vier Anträgen muss man die Zeit einteilen.

Den Antrag der Regierungskoalition - dies wird Sie nicht wundern - lehnen wir ab. Allein die beiden kleinen Einstiegsabschnitte sowie im Beschlussteil die Forderung unter der Nr. 4 nach einem durchgängigen barrierefreien Angebot des SPNV finden unsere Unterstützung. Aber das ist wenig, gemessen an dem gesamten Antrag.

Der Antrag selbst ist insgesamt, entgegen der Darstellung in der Antragsüberschrift zur Ideologie auf der Schiene, sehr stark ideologiebehaftet. Der Antrag konstruiert eine angebliche Konkurrenz zwischen dem schienengebundenen und dem straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr, was offenkundig das Ziel verfolgt, vor dem eigentlichen Problem, nämlich den stark eingeschränkten Regionalisierungsmitteln für den ÖPNV, abzulenken. Zudem wirkt bei Ihnen im Hinterkopf nach, dass seit 2003 immer wieder die Priorität der Straße gegenüber der Schiene im Verhältnis von 60 : 40 beschnitten wird. Das betonen Sie immer wieder.

Dem heute abzustimmenden Antrag der Grünen hinsichtlich der Sicherung einer Bahninfrastruktur

für die Zukunft können wir insgesamt - trotz einiger Kritikpunkte - zustimmen.

Trotzdem möchte ich zwei Kritikpunkte ansprechen. Dies habe ich auch im Ausschuss immer wieder gesagt.

Erstens. Es reicht aus unserer Sicht nicht aus, die Landesregierung aufzufordern, die Reaktivierungspotenziale zu prüfen. Wir sind vielmehr der Meinung, die Landesregierung sollte aufgefordert werden, ein konkretes Reaktivierungsprogramm vorzulegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf die Nrn. 3 und 5 in Ihrem Antrag. Meine Fraktion betrachtet die Vorhaltung des Bahnnetzes als Aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge. Von daher meinen wir - dies ist in der Nr. 5 des Antrags zu lesen -, die verkehrliche Notwendigkeiten dürften nicht durch die Kassenlage von Bund und Land ausgebremst werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber weil wir als Linksfraktion es für dringend geboten halten, das Thema Bahnstrecken und Reaktivierungen stärker im politischen Bewusstsein zu verankern, stimmen wir dem Antrag zu; denn das leistet dieser Antrag. Vor allen Dingen gibt er gute Impulse, die dann auch umgesetzt werden müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt noch kurz zu den drei Anträgen in erster Beratung: Die Grundintentionen des Grünen-Antrags für eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik statt immer mehr unbezahlbarer Neubauplanungen finden ausdrücklich unsere Unterstützung. Sehr qualifiziert ist die Analyse der nicht länger hinnehmbaren Situation in der Bundesverkehrswegeplanung.

(Beifall bei der LINKEN - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Haben Sie ihn gelesen?)

- Ja, Herr Hoppenbrock, ich habe den Antrag gelesen. Sonst würde ich das nicht sagen. Im Gegensatz zu Ihnen lese ich Anträge, über die ich spreche.