Protocol of the Session on November 7, 2012

Login to download PDF

Die Fraktion DIE LINKE hat ganz konsequent immer wieder auf das Problem des Neonazismus in Niedersachsen hingewiesen und darauf, dass dieser in der Mitte der Gesellschaft stattfindet und kein Randproblem ist. Wir haben einen Antrag für ein Landesprogramm gegen Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus eingebracht, wir haben die Diskussion über die Städtekoalition gegen Rassismus auf den Weg gebracht, wir haben die institutionelle Förderung von der Arbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus und Gewalt gefordert, wir haben den Antrag für ein NPD-Verbotsverfahren zuerst eingebracht.

All das ist von Ihnen abgelehnt worden. Ich finde, es steht Ihnen an dieser Stelle nicht zu, uns zu sagen, was wir hier tun, sei nur Populismus. Und wenn Sie denken, dass wir im nächsten Landtag nicht vertreten sein werden, dann haben Sie sich geschnitten. Ich glaube, Sie werden dann nicht mehr da sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Professor Zielke möchte antworten. Sie haben ebenfalls 90 Sekunden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Zimmermann, Retourkutschen sind ja eine hübsche Sache, aber sie führen nicht sehr viel weiter.

Ich möchte aber schon daran erinnern, dass wir es uns in diesem Landtag bei Verfassungsänderungen nicht so leicht machen. Ich erinnere an die lange und intensive Diskussion darüber, wie wir die Kinderrechte in der Niedersächsischen Verfassung verankern sollen. Der Gesetzentwurf, den Sie hier einbringen, ist durchaus von ähnlicher Tragweite. Deswegen geht das eben nicht im Schweinsgalopp.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt Herr Minister Busemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es darum ginge, in der Tagespolitik über die The

men NSU, Verfassungsschutz, NPD-Verbot usw. zu diskutieren und sich dabei Luft zu verschaffen, dann würde ich ja den einen oder anderen Wortbeitrag noch verstehen. Aber - und das ist schon kompliziert genug - mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll eine Staatszielbestimmung in die Niedersächsische Verfassung aufgenommen werden, durch die die Bekämpfung des Phänomens der Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts und der Verherrlichung der NS-Herrschaft zu einer bürgerschaftlichen und staatlichen Aufgabe mit Verfassungsrang erhoben werden soll.

Die Beobachtung und die Bekämpfung des Rechtsextremismus stellen einen besonderen Schwerpunkt der Arbeit der Niedersächsischen Landesregierung dar. Ich könnte dazu auf frühere Drucksachen verweisen, aber aus Zeitgründen erspare ich mir weitere Hinweise. Es ist der Landesregierung bewusst, dass die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem gefährlichen Gedankengut der extremen Rechten notwendig ist, um die Demokratie und die Verfassung des Landes vor ihren rechtsextremen Feinden zu schützen. Daher führt die Landesregierung diese Auseinandersetzung und setzt dabei zugleich auf Aufklärung und Präventionsmaßnahmen gegen rechtsextremistische Bestrebungen. Hinzu kommt die strafgerichtliche Verfolgung rechtsextremistisch motivierter Taten.

Das geltende Strafrecht, meine Damen und Herren, ist aber ausreichend, um der Verherrlichung des Nationalsozialismus und der Verhöhnung der Opfer entschlossen entgegenzutreten. Es schützt bereits jetzt umfassend vor neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Bestrebungen. Hier ist zuvörderst die Vorschrift des § 130 StGB - Volksverhetzung - zu nennen, die sich ausdrücklich gegen jegliche Ansinnen stellt, Teile der Bevölkerung zu diskriminieren oder die übrige Bevölkerung dagegen aufzubringen. Die Vorschrift erfasst auch das Billigen, Leugnen, Verherrlichen, Verharmlosen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft.

In die gleiche Richtung zielt das Verbot der Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen in § 86 StGB sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in § 86 a StGB, die sich beide maßgeblich dagegen stellen, Bestrebungen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen fortzuführen.

Dieselbe Zielrichtung haben die sogenannten Ehrschutzdelikte. So entfällt bei Straftaten wie Beleidigung - § 185 StGB - und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener - § 189 StGB - das Strafantragserfordernis, wenn Verletzte als Angehörige einer Gruppe unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft verfolgt wurden und die Tat damit im Zusammenhang steht.

Neben diesen speziellen Vorschriften werden aber auch die allgemeinen Strafvorschriften auf Personen angewendet, die neonazistische, antisemitische und rassistische Bestrebungen verfolgen. Typischerweise werden zur Durchsetzung der menschenverachtenden Ziele Delikte wie Körperverletzung - §§ 223 ff. StGB -, Nötigung - § 240 StGB - und Bedrohung - § 241 StGB - von Widersachern oder Sachbeschädigung z. B. durch Beschmieren fremden Eigentums mit Hakenkreuzen - § 303 StGB - begangen. Diesen Straftaten kann mit dem herkömmlichen Strafrecht hinreichend begegnet werden.

Gleiches gilt beispielsweise für die Verbreitung gewaltverherrlichender Inhalte durch Schriften und Medien - § 131 StGB - oder die Bildung bewaffneter Gruppen oder krimineller oder terroristischer Vereinigungen - §§ 127, 129, 129 a StGB.

Zudem kommt der Verfolgung - das ist eine Neuerung der letzten Jahre gewesen - neonazistischer, antisemitischer und rassistischer Bestrebungen mit allgemeinem Deliktscharakter bei der Würdigung der Beweggründe und Ziele des Täters besondere Bedeutung zu. Die Motivation kann deshalb im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt werden. Ich verweise auf § 46 StGB. Dort sind die Strafzumessungsregeln, wenn eine Straftat stattgefunden hat, genau festgehalten, und das Kriterium, das Sie sich nun zum Anliegen gemacht haben, ist dort ausdrücklich enthalten, mit der Möglichkeit, dass es bei der Strafzumessung gewürdigt werden kann.

Meine Damen und Herren, neben den Mitteln des Strafrechts sieht auch die Niedersächsische Verfassung einen hinreichenden Schutz vor Rechtsextremismus vor. Der Schutz der Demokratie und der Niedersächsischen Verfassung vor dem Rechtsextremismus ist aber nicht davon abhängig, dass eine entsprechende Staatszielbestimmung in die Verfassung aufgenommen wird. Eine solche Staatszielbestimmung begegnet im Gegenteil gewichtigen Bedenken, weil sie nur die Bekämpfung des Rechtsextremismus zum Staatsziel erhebt, nicht aber die Bekämpfung des Linksextremismus

oder des religiösen Extremismus. Sie erweist sich als einseitig. Eine Verfassung - auch eine Staatszielbestimmung - muss ausgewogen sein. Sie können nicht rechts bekämpfen und auf dem linken Auge blind bleiben, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

Zudem bleibt die Frage nach dem Verhältnis der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Staatszielbestimmung zu dem im Grundgesetz und auch in der Niedersächsischen Verfassung enthaltenen Prinzip der wehrhaften oder auch streitbaren Demokratie unbeantwortet.

Das Grundgesetz hat die Bundesrepublik Deutschland aus der bitteren Erfahrung mit dem Schicksal der Weimarer Demokratie und den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus als wehrhafte Demokratie konstituiert. Es will nationalsozialistische Bestrebungen abwehren und schafft zugleich rechtsstaatliche Sicherungen, deren Fehlen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus geprägt hat. Dementsprechend enthält das Grundgesetz einen Auftrag zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats. Dem trägt die Rechtsordnung insbesondere in den schon erwähnten Strafgesetzen Rechnung.

Darüber hinaus enthält das Grundgesetz in Artikel 9 Abs. 2 - Vereinigungsverbot -, Artikel 18 - Verwirkung von Grundrechten -, Artikel 21 Abs. 2 - Parteiverbot - sowie weiteren grundgesetzlichen Bestimmungen Regelungen, die die Entscheidung für die wehrhafte Demokratie manifestieren. Herr Adler und alle anderen, vergegenwärtigen Sie sich einfach die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im 111. Band Seiten 147 ff. Hierbei vertraut die plurale Demokratie des Grundgesetzes auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinanderzusetzen und sie dadurch abzuwehren.

Meine Damen und Herren, die Entscheidung des Grundgesetzes für die wehrhafte Demokratie hat auch Eingang in unsere Verfassung gefunden. In Artikel 2 Abs. 2 unserer Landesverfassung ist vorgesehen, dass die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung in Bund und Land, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind. Dies bedeutet nichts anderes, als dass auch in unserem Land kraft unserer Verfassung das Prinzip der wehrhaften Demokratie gilt, und zwar grundsätzlich und nicht nur einseitig auf den Rechtsextremismus

beschränkt. Angesichts dieser grundlegenden Entscheidung unserer Landesverfassung bedarf es keiner gesonderten Staatszielbestimmung.

Hinzu kommt, dass sich die Verfasser des Gesetzentwurf die Frage gefallen lassen müssen - ich bringe es noch einmal an -, warum gerade der Rechtsextremismus Gegenstand einer Staatszielbestimmung sein soll, wo sich doch die Verfassung für eine wehrhafte Demokratie gegen jede Art von Extremismus entschieden hat, der die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel hat. Eine Beantwortung dieser Frage bleiben die Verfasser schuldig.

Ich merke schon: Sie beantragen hier eine Verfassungsänderung mit dem ganz schwierigen Thema der Staatszielbestimmung. Aber wenn man es dann einmal juristisch sorgfältig ausführt, lässt das Interesse am Zuhören schnell nach. Entsprechend wissen wir also, wie wir den Gesetzentwurf - auch vom Zeitpunkt her - einzuordnen haben. Unter dem Strich würde ich Ihnen sagen: Das geht alles nicht.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Meine Damen und Herren - - -

(Zuruf von Jens Nacke [CDU])

- Jetzt kommt eine Abstimmung.

(Jens Nacke [CDU]: Nein, das glaube ich nicht!)

- Doch, jetzt kommt eine Abstimmung. Das hat der Ältestenrat so vereinbart. Und zwar sollen wir diesen Gesetzentwurf in den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen überweisen. Ich gehe davon aus, dass das Haus das insgesamt beschließt. Oder gibt es Gegenstimmen und Enthaltungen? - Dann ist so beschlossen.

(Björn Thümler [CDU]: Am Ende hat der Präsident immer Recht!)

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt vereinbarungsgemäß die Tagesordnungspunkte 16 und 17 zusammen auf.

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung von Transparenz im Niedersächsischen Landtag -

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 16/5331

Erste Beratung: Geschäftsordnung für den Niedersächsischen Landtag: Transparenz schaffen, Vertrauen bewahren - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/5332

Zur Einbringung hat sich der Kollege Haase von der SPD-Fraktion gemeldet. Er hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem untauglichen Versuch von CDU und FDP, Peer Steinbrück wegen seiner Redehonorare zu diskreditieren,

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Er hat sich selber diskreditiert!)

ist die Diskussion um Nebentätigkeiten, um Einkünfte, die Politiker neben ihrer Abgeordnetentätigkeit erzielen, in vollem Gang.

In dieser Diskussion wird deutlich, dass den Menschen in unserem Land die bisher geübte Praxis der Transparenzregeln weder im Bund noch im Land als ausreichend erscheint. Die Menschen wollen zu Recht wissen, was ihre Abgeordneten neben dem Mandat machen, was sie zusätzlich verdienen, ob sie möglicherweise von Dritten finanziell gesponsert oder gar abhängig sind und/oder ob es aufgrund von Nebentätigkeiten möglicherweise Interessensverflechtungen bis hin zur aktiven Lobbyarbeit gibt.

Peer Steinbrück hat die richtige Antwort gegeben: Alle Abgeordneten sollen auf Euro und Cent genau angeben, von wem und wofür sie in welcher Höhe für eine Nebentätigkeit bezahlt werden oder bezahlt worden sind. Leider will die Bundestagsmehrheit dieser vollen Transparenz nicht folgen,

(Zuruf von der SPD: Warum nicht?)

sondern setzt immer noch auf Stufenmodelle verschiedener Art, obwohl doch deutlich geworden ist, wie wenig sie in der Praxis taugen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, in Niedersachsen haben wir jetzt die Chance, es besser zu machen. Deshalb legt die SPD-Fraktion heute den Gesetzentwurf und den Antrag zur Anlage „Verhaltensre