Hans-Dieter Haase
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Danke. - Herr Präsident! Vor dem Hintergrund, dass die Geschäftsführung aktuell mit den Kunden über veränderte Zahlungen spricht, um die Produktion aufrechtzuerhalten, und wir zumindest nicht ganz sicher sind, ob die Produktion am nächsten Montag tatsächlich noch weitergeführt wird, frage ich: Wie groß ist der Schaden für das Land Niedersachsen und für die Firma Global Tech I, wenn es nicht gelingt, die Produktion weiterzuführen? Wie will das Land durch konkrete Hilfen die Produktion in den nächsten Wochen im Rahmen des laufenden Investorenprozesses aufrechterhalten, um nicht den Schaden für das Land und für eine ganze Zukunftsbranche zu maximieren?
Danke. - Herr Präsident! Vielleicht kann im Zusammenhang mit dieser Frage meine erste Frage beantwortet werden. Ich hatte nämlich gefragt, was die Landesregierung jetzt konkret - ich erinnere noch einmal daran - machen will, um die Produktion ab Montag sicherzustellen.
Meine jetzige Frage bezieht sich aber auf die 45 Auszubildenden. Die Ausbildungswerkstatt wird von einem fremden Dritten geführt, der Gebühren für die Ausbildungsleistung bekommt, die sich bis Ende Dezember vermutlich auf ca. 40 000 Euro belaufen. Was macht die Landesregierung im Inte
resse der jungen Menschen, die zurzeit ihre Ausbildung nicht fortsetzen können, und zwar konkret, damit sie nicht zu lange aus der Ausbildung heraus sind, sondern in die Produktion integriert werden?
Hier geht es um Ausbildungspläne. Wir gefährden in meinen Augen dort die Zukunft und die Prüfungschancen der jungen Kolleginnen und Kollegen. Deshalb bedarf es bei relativ kleinem Geld einer schnellen Hilfe. Hat die Landesregierung kreative Ideen, um diese 40 000 Euro bereitzustellen und damit die Zukunft von 45 Jugendlichen sicherzustellen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem untauglichen Versuch von CDU und FDP, Peer Steinbrück wegen seiner Redehonorare zu diskreditieren,
ist die Diskussion um Nebentätigkeiten, um Einkünfte, die Politiker neben ihrer Abgeordnetentätigkeit erzielen, in vollem Gang.
In dieser Diskussion wird deutlich, dass den Menschen in unserem Land die bisher geübte Praxis der Transparenzregeln weder im Bund noch im Land als ausreichend erscheint. Die Menschen wollen zu Recht wissen, was ihre Abgeordneten neben dem Mandat machen, was sie zusätzlich verdienen, ob sie möglicherweise von Dritten finanziell gesponsert oder gar abhängig sind und/oder ob es aufgrund von Nebentätigkeiten möglicherweise Interessensverflechtungen bis hin zur aktiven Lobbyarbeit gibt.
Peer Steinbrück hat die richtige Antwort gegeben: Alle Abgeordneten sollen auf Euro und Cent genau angeben, von wem und wofür sie in welcher Höhe für eine Nebentätigkeit bezahlt werden oder bezahlt worden sind. Leider will die Bundestagsmehrheit dieser vollen Transparenz nicht folgen,
sondern setzt immer noch auf Stufenmodelle verschiedener Art, obwohl doch deutlich geworden ist, wie wenig sie in der Praxis taugen.
Meine Damen und Herren, in Niedersachsen haben wir jetzt die Chance, es besser zu machen. Deshalb legt die SPD-Fraktion heute den Gesetzentwurf und den Antrag zur Anlage „Verhaltensre
geln für Mitglieder des Niedersächsischen Landtages“ in der Geschäftsordnung vor.
Im Übrigen weise ich darauf hin, dass die Abgeordneten der SPD-Fraktion in Niedersachsen schon seit Jahren in Sachen Transparenz deutlich über die geforderten gesetzlichen Vorgaben hinausgehen und anzeigen. Wir werden unabhängig von der jetzigen Entscheidung in der Zukunft nach diesen verschärften Regeln verfahren.
Meine Damen und Herren, grundlegend für unsere Anträge ist und bleibt die Unabhängigkeit des Abgeordneten. Wir sagen sehr deutlich, dass eine Nebentätigkeit dazu nicht etwa im Widerspruch steht. Deshalb sind sie ja auch gesetzlich erlaubt. Eine Nebentätigkeit muss auch nicht im Widerspruch zur Abgeordnetentätigkeit stehen. Es kann sogar sehr wertvoll und befruchtend für die Arbeit sein, wenn Abgeordnete intensiv Kontakt zum Wirtschafts- oder Berufsleben halten. Entscheidend ist, dass dies stets erkennbar sein muss - auch, um gegebenenfalls Abhängigkeiten festzustellen. Die Menschen, die Öffentlichkeit und die Medien müssen zu jeder Zeit in der Lage sein, ihre Abgeordneten einzuschätzen.
Meine Damen und Herren, es sind vor allem vier Eckpunkte, die wir mit unseren Anträgen umsetzen wollen: Erstens. Einkünfte aus Nebentätigkeiten sollen zukünftig auf Euro und Cent dem Landtagspräsidenten gemeldet und von diesem jährlich veröffentlichet werden. Hierbei ist uns wichtig, dass die Art der Tätigkeit, die Höhe des Entgelts und der Name des Auftraggebers oder Vertragspartners ersichtlich sind.
Wir wollen zweitens auf eine Untergrenze für Nebeneinkünfte, die eine Veröffentlichung verhindern, ebenso wie auf ein Stufenmodell verzichten, wie wir es bislang haben und wie es jetzt erneut - nur um einige Stufen erweitert - in Berlin von FDP und CDU wieder durchgesetzt werden soll. Wir wollen ein Unterlaufen der Transparenzregeln durch etwaige Stufenmodelle verhindern. Die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de kritisiert zu Recht das in Berlin jetzt angedachte Modell. Ich zitiere:
„Jedes Stufenmodell lädt zur Verschleierung … von Nebeneinkünften ein und fördert das Misstrauen in die Politik.“
So deren Mitbegründer Gregor Hackmack.
Transparency International unterstützt ebenfalls eine Regelung, nach der auf Euro und Cent genau anzugeben ist, was der/die einzelne Abgeordnete zusätzlich bekommt.
Wir wollen drittens natürlich die schutzwürdigen Interessen Dritter wahren. Soweit also gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Verschwiegenheitspflichten betroffen sind, sind keine Angaben zu machen. Rechtsanwälte müssen also keine Einzelheiten aus dem Mandantenverhältnis preisgeben.
Die neuen Transparenzregeln sollen viertens wirksam durchgesetzt werden. Die Sanktionen sind deshalb deutlich zu verschärfen.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion legt mit dem Gesetzentwurf, der einen neuen § 27 a des Abgeordnetengesetzes vorsieht, und dem Antrag, der eine wesentlich erweiterte Anlage „Verhaltensregeln für Mitglieder des Niedersächsischen Landtages“ der Geschäftsordnung für den Niedersächsischen Landtag zum Gegenstand hat, eine zeitgemäße Transparenzregelung vor.
Trotz des bevorstehenden Endes dieser Legislaturperiode ist eine Verabschiedung - wenn Sie auf der Regierungsseite es denn wirklich wollen - auch im Dezember noch möglich. Der notwendige Aufwand für den GBD hält sich nach unserer Einschätzung in Grenzen. Es kommt nun - und wohl auch nur - auf Ihren politischen Willen an. Wir sind bereit. Der Ball liegt auf Ihrer Spielfeldseite. Wollen Sie wieder akribisch nach allen möglich erscheinenden Bedenken suchen, um die notwendige Transparenz zu verhindern? Wollen Sie möglicherweise auf Diskontinuität setzen? Oder haben Sie nun endlich einmal die Kraft, den Menschen in unserem Land, der Öffentlichkeit ein transparentes Bild Ihrer Nebeneinkünfte zu geben, wie wir es schon lange tun?
Wenn Sie sich, liebe CDU und liebe FDP, an Ihrem Verhalten im Fall Steinbrück messen lassen, von dem Sie medienwirksam vollständige Transparenz erwartet und dies jeden Tag lautstark verkündet haben, dann stelle ich fest: Peer Steinbrück hat Ihnen die entsprechenden Daten geliefert. Sie haben das bekommen, was Sie selbst verlangt haben: vollständige Transparenz. - Jetzt kann es nur darum gehen, dass Sie dem, was Sie von anderen fordern, auch selbst gerecht werden und unseren Gesetzentwurf und unseren Antrag
durchgehen lassen. Ich bin gespannt. Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Ich hoffe, dass wir dazu kommen.
Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zur Eingabe 02042/16/16 betreffend die finanzielle Förderung des Talkformats „Die Weiße Runde © - Prominente im Talk für Toleranz“. Bei der „Weißen Runde“ handelt es sich um ein seit dem Jahr 2001 von allen Landesregierungen auch finanziell gefördertes Format, das sich in monatlichen Sendungen, über ein großes Netzwerk verbreitet, der Vermittlung demokratischer Werte sowie der Gewalt- und Extremismusprävention widmete. Seit 2006 erfolgte die Förderung über das Innenministerium, zuletzt durch die Abteilung 6, Verfassungsschutz.
Die Höhe der Förderung betrug 31 000 Euro pro Jahr. Diese Förderung wurde trotz gegenteiliger Bekundungen zum 31. Dezember 2010 völlig überraschend beendet, da für das Haushaltsjahr 2011 von der Regierungsmehrheit keine ausreichenden Mittel mehr zur Verfügung gestellt wurden. Für den Förderzweck - TV-Sendungen für demokratische Werte, Toleranz, Menschlichkeit und Gewaltfreiheit - wurden insgesamt lediglich 10 000 Euro in den Haushalt eingestellt, die aber anderweitig verwendet wurden. Die Förderung der „Weißen Runde“ wurde eingestellt.
Damit geht unserer Meinung nach ein wichtiger Baustein im Kampf für Demokratie, für Toleranz und gegen Extremismus verloren. Die „Weiße Runde“, auch gefördert unter dem damaligen Ministerpräsidenten Wulff, erreichte über das landesweit greifende Bürgerrundfunk- und -fernsehnetz Zehntausende insbesondere junger Niedersachsen für relativ wenig Geld. Ein besonderer Ansatz bestand darin, dass bei diesen Talkshows Schülerinnen und Schüler mit Prominenten aus Bund und Land zusammenkamen. Ohne öffentliche Förderung kann dieses Format nicht weitergeführt werden.
Es wurden Versuche übernommen, dieses Format über Drittmittel zu finanzieren. Insbesondere haben wir mit der Klosterkammer Verhandlungen geführt. Herr Biallas zeigte sich sehr zuvorkommend, musste uns aber leider mitteilen, dass er nicht das Ganze finanzieren könne, eine Kofinanzierung käme allerdings in Betracht. Aber es gab keinerlei Mittel aus dem Haus des Innenministers, sodass das Ergebnis jetzt lautet: Wir können dieses Format nicht mehr in der gewohnten Weise fördern.
Angesichts des ständig wachsenden und immer präsenten Extremismus in unserem Land, angesichts von Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz
bitte ich den Landtag, diese Petition mit „Berücksichtung“ zu bescheiden, und fordere die Landesregierung auf, ein deutlich sichtbares Zeichen im Kampf gegen Intoleranz und Gewalt zu setzen. Herr Schünemann, Sie sind hier in der Pflicht.
Danke schön.
Danke. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten führen wir hier im Plenum eine zweite Beratung durch, ohne dass im Ausschuss wirklich inhaltlich debattiert worden ist. Heute ist es so. Wir haben die Argumente im Ausschuss nicht wirklich diskutiert. Frau Heinen-Kljajić hat gerade darauf hingewiesen.
Wir wollen aber nicht die Argumente der ersten Beratung wiederholen. Ich glaube, das wäre auch nicht gut angesichts des Themas, nämlich des Abgeordnetengesetzes, des Gesetzes, das unsere eigenen Rechts- und Statusverhältnisse regelt.
Ich will hier weder Schuldzuweisungen machen noch an der Ehrbarkeit des Antrages zweifeln. Aber ich glaube, jeder hier im Hause weiß: Gerade, wenn es um unsere eigenen Rechtsverhältnisse geht, also auch ums Geld, sollten wir mit dem Thema sehr sensibel umgehen. Ganz wichtig ist auch: Wir müssen jedem Populismus widerstehen.
Damit stärken wir nämlich nur diejenigen, die ohnehin in jedem Berufspolitiker einen Absahner und Raffer sehen, stärken die Vorurteile einiger der Selbstbedienung und schwächen damit unsere Demokratie.
Meine Damen und Herren, wir haben in Niedersachsen die mittlerweile gute Tradition einer unabhängigen Diätenkommission für unsere eigenen Statusangelegenheiten. Dort hinein gehört ein solches Thema. Dort hinein gehören alle Themen,
die der Gesetzentwurf der Grünen beinhaltet. Es muss hinzugefügt werden, dass diese Themen bereits von dieser Kommission bearbeitet wurden und werden; denn sie sind im Kern nicht wirklich neu.
Ich will ergänzen: Änderungen des Abgeordnetengesetzes sollten anders - das ist eingeräumt worden - als durch einen von einer Fraktion eingebrachten Gesetzentwurf eingestielt werden. Darüber sollten wir uns im Klaren sein. Der Ältestenrat, das Präsidium und die Parlamentarischen Geschäftsführer sind die ersten Adressen, wenn wir unsere eigenen Statusangelegenheiten sinnvoll verändern wollen.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf enthält viele einzelne Punkte, die diskussionswürdig und diskussionsfähig sind. Natürlich müssen wir uns, auch wenn wir ein Mandat nicht mit einem Arbeitsverhältnis oder der Selbstständigkeit vergleichen können, mit der stufenweisen Anhebung der Altersgrenze für die Altersentschädigung auf 67 Jahre ernsthaft befassen, wie es im Übrigen schon vorgeschlagen wird.
Wir werden dies - da bin ich mir sicher - in einem geordneten parlamentarischen Verfahren auch machen. Wir sind da nämlich gegenüber der Bevölkerung - das muss hier in diesem Hause jedem klar sein - in einer gesellschaftlichen Verpflichtung. Ich weise aber auch schon darauf hin - das muss an dieser Stelle gesagt werden dürfen -, dass unsere Altersentschädigung im Bundesvergleich nach den Absenkungen der vergangenen Jahre durchaus nicht als zu hoch oder zu üppig betrachtet werden kann.
Dann zum Übergangsgeld, welches Sie kürzen und auch zeitlich begrenzen wollen. Das Übergangsgeld gehört in meinen Augen genauso wie eine angemessene Bezahlung zu den Garanten eines wirtschaftlich unabhängigen Abgeordneten. Ich möchte nicht, dass das Parlament nur noch aus denen, die es sich leisten können, und aus denen, die einen garantierten Rückkehranspruch haben, besteht.
Ich möchte aber auch nicht, dass sich die Abgeordneten, statt sich bis zum letzten Tag um ihr Mandat zu kümmern, schon weit vor Ablauf des Mandates um ihre berufliche Zukunft kümmern und sorgen müssen. Auch dies ist schon lange ein Thema der Diätenkommission, die meines Erach
tens bisher immer zu breit akzeptierten Ergebnissen gekommen ist.
Meine Damen und Herren, ebenfalls nicht auf Zustimmung stößt die Initiative, die Beträge für die IT-Ausstattung in den Wahlkreisbüros zu streichen. Wer unsere Arbeit kennt, der weiß, dass wir auf moderne Kommunikationsmittel angewiesen sind. Ob es dazu eines Zuschusses bedarf und wie er gezahlt wird, darüber können wir lang und heftig diskutieren. Ob wir diesen Betrag einzeln zusätzlich auswerfen wollen oder aber in eine erhöhte steuerfreie Pauschale hineinwachsen lassen wollen, ist, denke ich, sicherlich ein Thema, über das wir reden können.
Allerdings für nicht ausgegoren halte ich die Streichung der Sitzungs- bzw. Tagegelder für Fraktions- und Ausschusssitzungen. Ich meine - ich glaube, Herr Professor Zielke hat es gesagt -: Wer mehr Aufwand hat, hat auch mehr Entschädigung verdient. Das ist die Grundlage gerade auch für diese Tagegelder in unserer Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren, ich finde es sehr bedauerlich, dass die wichtigen Einzelthemen dieses Gesetzentwurfs ganz offenkundig unter dem Aspekt der medialen Wirkung auf die Tagesordnung gebracht worden sind. Ich appelliere noch einmal an Sie: Wir alle sollten gemeinsam dem Versuch wirklich widerstehen, das Bild von dem überprivilegierten Abgeordneten, das gern in der Öffentlichkeit erzeugt wird, durch diese Vorschläge und durch eine unsachliche Diskussion zu stärken.
Die Debatte muss sachlich und inhaltlich ordentlich geführt werden. Dazu haben wir unsere Diätenkommission. Dort hinein gehören diese Themen. Wenn dann ein Vorschlag vorliegt - das wird mit Sicherheit in nächster Zeit so weit sein -, werden wir dies in der nächsten Legislaturperiode in aller Ruhe und Ernsthaftigkeit diskutieren.
Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist wegen der beschriebenen Mängel nicht zustimmungsfähig.
Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Adler hat es, glaube ich, sehr deutlich gemacht: Wir als Niedersächsischer Landtag könnten heute gemeinsam einen guten Schritt in der Verfassungsentwicklung unseres Landes gehen und damit dem Beispiel vieler anderer Bundesländer folgen, indem wir endlich das Merkmal der sexuellen Identität in Artikel 3 Abs. 3 aufnehmen.
Leider wird es wohl nicht dazu kommen. Die Regierungsparteien verweigern sich - wie schon in der Debatte um die Bundesratsinitiative zum gleichen Thema vor zwei Jahren - diesem für viele Menschen in unserem Land wirklich wichtigen Anliegen. Nicht dass wir im Ausschuss nicht erneut intensiv darüber diskutiert hätten! Nein, es war einfach ein Beharren auf den Positionen von 2009: Diese Änderung sei unnötig, sie regele nichts, was nicht schon gesetzlich oder gerichtlich geklärt sei, und man solle die Verfassung nicht überfrachten.
Meine Damen und Herren, schade, dass die CDU und die FDP in Niedersachsen nicht die Kraft haben, den Beispielen anderer Bundesländer zu
folgen! Berlin, Brandenburg, Bremen, Thüringen und zuletzt das Saarland haben das Merkmal der sexuellen Identität in ihre Verfassungen aufgenommen - das Saarland übrigens mit allen Stimmen der dort vertretenen Fraktionen, also auch mit den Stimmen von CDU und FDP, und zwar zu Zeiten einer schwarz-gelben Koalition. Dies sollte Ihnen zumindest zu denken geben.
Meine Damen und Herren, wir sind uns doch alle einig, dass die Verfassung und insbesondere der Grundrechtekatalog in der Verfassung nur sehr behutsam ergänzt und verändert werden soll und darf. Aber die Nichtaufnahme des Merkmals der sexuellen Identität ist eine Unterlassung, die zu korrigieren ist. Hier ist und bleibt Handlungsbedarf. Herr Adler hat das ausgeführt. Dies wurde im Übrigen auch in der schriftlichen Stellungnahme des LSVD erneut unterstrichen. Und wer kennt nicht die Bilder der jährlichen Demonstrationen von Zehntausenden Lesben, Schwulen und Transgendern, z. B. am Christopher Street Day?
Meine Damen und Herren, das Fehlen des Merkmals der sexuellen Identität ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gerügt bzw. mehrfach angesprochen worden.
Natürlich ist es richtig, dass die europäische Verfassungsrechtsentwicklung in Artikel 13 des EGVertrages und Artikel 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der EU längst die Diskriminierung wegen der sexuellen Identität in den Kreis der Diskriminierungsverbote einbezogen hat. Ebenso ist in diesem Hause natürlich unbestritten, dass wir in den deutschen und niedersächsischen Einzelgesetzen - Betriebsverfassungsgesetz, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Beamtengesetz - längst Regelungen haben, die eindeutig und klar die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität verbieten, sodass man sagen könnte, es bestehe kein Regelungsbedarf und mit der Ergänzung des Artikels 3 werde weder etwas Neues noch mehr Rechtsklarheit geschaffen.
Ist aber nicht der Umkehrschluss richtig? Ist nicht gerade dies ein Argument für die Ergänzung und Betonung dieses Rechtes? - Weil Recht, auch Verfassungsrecht, nicht statisch ist, sollten wir als Gesetzgeber diese Rechtsentwicklung, die auf europäischer Ebene längst stattgefunden hat, auch in unserer Verfassung deutlich und klar zum Ausdruck bringen. Wir sollten und dürfen dies in Niedersachsen nicht allein der Auslegung der Gerichte und der Interpretation des europäischen Rechts überlassen.
Ich erinnere auch noch einmal daran: Die Verfassungskommission von 1993 hat seinerzeit mit einer Mehrheit von 27 zu 22 Stimmen für die Aufnahme dieses Zusatzes in das Grundgesetz plädiert. Lediglich die FDP, Herr Zielke, hat das damals blockiert.
Meine Damen und Herren, heute könnten und sollten wir zumindest auf Länderebene diese in meinen Augen notwendige Ergänzung vornehmen. Leider aber haben Sie von den Regierungsfraktionen wieder nicht die Kraft und wieder nicht den Mut dazu. Dabei wäre es wirklich ein ganz starkes Zeichen von Akzeptanz und Toleranz. Wir würden endlich das Merkmal der sexuellen Identität gleichrangig neben den Merkmalen Rasse, Herkunft, religiöse und politische Anschauung in der Verfassung festschreiben. Wir würden uns als Gesellschaft rechtlich verpflichten, keine Benachteiligungen wegen der sexuellen Identität mehr zuzulassen. Wir könnten deutlich machen, dass Lesben, Schwule und Transgender in Niedersachsen ohne Angst und ohne Diskriminierung leben können und sollen.
Meine Damen und Herren, natürlich wäre das auch ein symbolischer Akt, aber ein wichtiger. Herr Adler sprach von einer Akzentsetzung. Mir ist wie allen anderen klar, dass ein Verfassungstext das eine, die gelebte Realität oftmals eine andere ist. Das von Herrn Adler genannte Beispiel spricht Bände. Umso wichtiger ist es aber doch für uns als Landtag - für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ohnehin -, dass wir mit dieser Änderung deutlich machen: Schwule, Lesben und Transgender verdienen den gleichen Respekt und die gleiche Akzeptanz wie alle anderen Menschen in der Gesellschaft.
Sie sind Bürgerinnen und Bürger wie wir alle mit gleichen Rechten und Pflichten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es wirklich schade, dass die Mitglieder der Regierungsfraktionen immer noch nicht den Mut haben oder die Kraft aufbringen - ich weiß nicht, warum das so ist -, unsere Verfassung wirklich aktuell weiterzuentwickeln. Das Thema wird doch auf der Tagesordnung bleiben. Meine Hoffnung ist, dass Sie ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktionen in anderen Ländern irgendwann aus der Opposition heraus endlich mitstimmen und gemeinsam mit den anderen Parteien diese Ergänzung beschließen, damit auch Niedersachsen eine Verfassung hat, die up to date ist, die en jour
ist. Die Schwulen, Lesben und Transgender in unserem Land, aber auch viele darüber hinaus dürfen dies zu Recht von uns allen, insbesondere auch von Ihnen, erwarten.
Danke schön.
Frau Präsidentin! Frau Ross-Luttmann, Sie wissen, dass ich Sie schätze.
Aber mir ist nicht ersichtlich geworden, wieso Sie in Ihren letzten Sätzen, in Ihrer Subsumtion, zu dem Ergebnis kommen, es bedürfe keiner Ergänzung der Verfassung.
Herr Adler hat richtigerweise darauf hingewiesen: Es geht um drei Worte, es geht um die Aufnahme eines Merkmals. Sie sagen, dass Sie den Inhalt dieses Merkmals durchaus positiv bewerten und auch leben wollen. Mittlerweile haben wir hier doch auch einen gesellschaftlichen Konsens erreicht.
Verfassung darf nichts Statisches sein. Wir erleben eine Fortbildung des europäischen Rechts, des Bundesrechts und des Landesrechts. Bei der Verfassung handelt es sich nicht um etwas, was man ins Museum stellt, sondern um etwas, was man leben muss.
Insoweit noch einmal mein Appell! Denken Sie an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Saarland, aus Bremen und Thüringen auch aus Ihrer Partei, die zu einer anderen Bewertung gekommen sind. Ich glaube, das wäre für viele Menschen in Niedersachsen ein wirklicher Gewinn. Es würde deutlich machen, dass wir als Landtag, als Gesetzgeber einen ganz deutlichen Akzent und ein richtig starkes Symbol setzen könnten.
Danke, Herr Präsident. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Konrath, ich war schon ein wenig überrascht, als ich diesen Antrag auf dem Schreibtisch gefunden habe.
Sie müssen schon verstehen, dass ich ein bisschen verwundert war, dass ein Dreivierteljahr, nachdem die Kampagne Ihrerseits gefahren worden ist und die Idee hier zum ersten Mal medienwirksam, aber auch in die richtige Richtung in Niedersachsen thematisiert worden ist, gut drei Monate, nachdem wir sogar schon den Haushaltsansatz hierfür beschlossen haben, immer noch nicht mit der Umsetzung begonnen worden ist, sondern erst jetzt, also drei Monate, nachdem es abgefeiert und schon haushaltsmäßig abgesichert war, überlegt wird, wie wir das Ganze konkretisieren wollen. Das ist ein etwas ungewöhnlicher Weg.
- Nicht immer so aufregen!
Meine Damen und Herren, eindeutig wichtiger als das Verfahren sind aber der Inhalt, die materielle Seite des Antrages,
der einen wichtigen und richtigen Schritt für die Opfer in Niedersachsen bedeutet.
Ich meine, dass wir alle hier im Haus wissen und einig sind, dass die Opfer einer Gewalttat insbesondere im Bereich des Sexualstrafrechtes viel stärker in den Mittelpunkt gestellt und viel stärker geschützt werden müssen. Wir wissen aber auch, dass unser Strafrecht nur bei eindeutiger Beweislage und eindeutiger Schuldzuordnung eine Verurteilung zulässt.
Um nicht in einem späteren Verfahren zu unterliegen, ist es deshalb unverzichtbar, Beweismittel frühzeitig zu sichern. Nicht immer aber ist gerade in diesen Verfahren das Opfer bereit, sogleich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, indem Anzeige erstattet wird; denn insbesondere die Opfer von Sexualstraftaten leiden besonders schwer, sowohl unter psychischen als auch unter physischen Folgen. Das macht das Durchstehen eines Strafverfahrens, das mit der Anzeige und der Einleitung des Ermittlungsverfahrens beginnt, oftmals unmöglich. Da aber Beweise nur über einen sehr kurzen
Zeitraum gesichert werden können - insbesondere bei diesen Delikten -, ist der von vielen Bundesländern - das ist kein Alleinstellungsmerkmal Niedersachsens - schon länger eingeschlagene Weg, die verfahrensunabhängige anonyme Beweissicherung zuzulassen und zu ermöglichen, der richtige.
- Das wissen Sie doch z. B. aus NRW; dort gibt es jede Menge Opferambulanzen. - Diese so gesicherten Beweise können dann später - über die Fristen müssen wir uns natürlich im Ausschuss unterhalten - in einem Strafverfahren verwertet werden. Gesichert würden diese Beweise in Opferambulanzen nach forensischen Grundsätzen.
Meine Damen und Herren, hier beginnt der Antrag klein zu werden. NRW z. B. hat als Flächenland dezentrale Opferambulanzen im ganzen Land, die leider sehr stark frequentiert sind. In Niedersachsen auf zunächst nur zwei zentrale Opferambulanzen zu setzen, wird einem Flächenland wie Niedersachsen und vor allen Dingen den vielen Opfern in der Fläche in meinen Augen nicht gerecht. Deswegen ist die Forderung unter Nr. 2 Ihres Antrages nach der flächendeckenden Ausweitung richtig formuliert, in meinen Augen aber völlig vage und im Moment noch überhaupt nicht mit einer zeitlichen Komponente versehen. Insoweit weiß man nicht, ob so etwas irgendwann einmal kommt. Ich meine, dass wir im Ausschuss noch intensiv darüber reden müssen.
Wir müssen im gesamten Land, an den Krankenhäusern und in Kliniken, die Möglichkeit zur professionellen forensischen anonymen Beweissicherung schaffen, wobei eine Vernetzung mit anderen Opfereinrichtungen sicherlich sehr wünschenswert ist. Das bedeutet nämlich auch, dass wir massiv geeignete Ärzte, aber auch Einrichtungen qualifizieren müssen, und zwar u. a. unter Einbindung der Stiftung Opferhilfe, aber z. B. auch von Opferhilfeorganisationen wie der des Weißen Ringes. Ich glaube, dass wir uns auch in dem Punkt einig sind.
Mit den bisherigen Haushaltsansätzen 2012/2013, die hier als erster Ansatz hoch gelobt wurden, wird man aber, wenn man es mit einem umfassenden Opferschutz in diesem Bereich ernst meint, nicht sehr weit kommen angesichts der Zahlen der Opfer, die nicht unbeträchtlich sind, und angesichts der Fälle, in denen dieses Angebot in anderen Ländern, in denen dieses Angebot besteht, nachgefragt wird.
Meine Damen und Herren, wir werden mit der Einführung der anonymen Beweissicherung sicher auch hier einem guten Teil der EU-Roadmap zum Opferschutz Rechnung tragen und damit den Opferschutz wirksam stärken. Mir ist bewusst, dass auf diesem Weg durchaus noch einige rechtliche Probleme zu lösen sind, z. B. hinsichtlich der Fristen, wie lange etwas aufbewahrt werden kann, sodass es noch als Beweismittel verwendet werden kann. Ich bin aber sicher, dass wir von den vorhandenen Erfahrungen der anderen Bundesländer, von dem Expertenwissen, das es schon gibt, in der Ausschussberatung gute Anregungen bekommen.
Im Sinne der Opfer wäre es schön - das ist meine Bitte an alle Fraktionen -, wenn wir den vorliegenden Antrag im Verfahren so verbessern könnten, dass er am Schluss von allen mitgetragen werden kann, weil er dann wirklich im Sinne und Interesse der Opfer in die Zukunft weist.
Für meine Fraktion kann ich eine sehr positive Zusammenarbeit anbieten, um mit diesem Antrag die Opferrechte in Niedersachsen entscheidend zu stärken. Meine Bitte ist aber, insbesondere die Kollegen des Sozialausschusses in die Mitberatung mit einzubeziehen, weil ich meine, dass das ein Thema ist, das nicht allein in rechtlichen Kategorien zu diskutieren ist.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Konrath, nehmen Sie die Kritik an dem Verfahren bitte nicht so fürchterlich ernst. Aber es ist schon befremdlich, wenn im letzten Sommer landauf, landab mehrere Tagungen mit Experten stattfinden, einzelne Abgeordnete dieses Projekt bereits abfeiern - es wird natürlich als eines der Hauptprojekte im Haushalt, als Neuerung dargestellt - und jetzt, drei Monate später, etwas Neues eingeführt werden soll, nämlich der Opferschutz. Ich denke, das ist ein sehr unübliches Verfahren. Deswegen darf man da schon seiner Überraschung Ausdruck verleihen.
Mir kommt es ein bisschen so vor, als ob hier ein gutes Projekt - das ich gar nicht in Zweifel ziehe - ein zweites Mal abgefeiert werden soll. Aber okay, darüber wollen wir nicht groß streiten.
In NRW, in Baden-Württemberg, in Bayern, in vielen Ländern gibt es schon Opferambulanzen. In NRW sind es über 20. Es ist also nicht so, als ob Sie sozusagen Amerika neu entdeckt hätten. Las
sen Sie uns das machen! Lassen Sie uns vernünftig die Kautelen miteinander besprechen! Dann kommen wir auch gemeinsam zu einem Ergebnis. Das ist das Entscheidende.
Danke. - Herr Präsident! Herr Möllring, ich frage die Landesregierung: Können Sie sich erklären, wie Stern.de in den Besitz von Aktenstücken oder Aktenteilen zum Ipsen-Komplex gekommen ist, die seinerzeit bei der Akteneinsicht durch Abgeordnete meiner Fraktion nicht Aktenbestandteil waren? - Es hieß, sie seien unauffindbar oder es gebe keine zusätzlichen Akten. Sind Sie nach den Gesprächen mit dem Stern auch der Meinung, dass diese Aktenbestandteile authentisch sind?
Herr Präsident! Vorausgeschickt, dass Herr Möllring uns gerade weismachen will, dass Arbeitshinweise auf Aktenstücken offensichtlich kein Insistieren oder keine Intervention seien, frage ich trotzdem noch einmal: Wenn nach Informationen des Stern mindestens zwei Zitate, die gebracht wurden und die sich auf Aktenstücken befinden, stimmen, dann muss doch einer hier die Unwahrheit sprechen. Entweder sagt der Stern in der ganzen Ipsen-Institut-Angelegenheit die Unwahrheit, was Sie gerade suggeriert haben
- ich habe von Suggestion gesprochen, von „suggerieren“ -,
oder aber der Herr Ministerpräsident hat seinerzeit in der Antwort schlicht und einfach das Parlament belogen und damit wiederum gegen Artikel 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung verstoßen, indem er dem Parlament - offensichtlich wissend, dass er einen Vermerk geschrieben hat - die Unwahrheit gesagt hat.
Danke. - Herr Präsident! Noch einmal zurück zum Nord-Süd-Dialog und der Beteiligung der Landesregierung an dieser Veranstaltung. Dazu zwei Fragen:
Erstens. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Teilnehmer insgesamt von der Gesamtteilnehmerzahl nach derzeitigem Kenntnisstand direkt oder indirekt über die Staatskanzlei eingeladen worden sind?
Gleich anschließend da schen Vorbereitung waren ausweislich der Akten, in die wir ja intensiv hineinschauen, mehrere Mitarbeiterinnen der Staatskanzlei tagelang und sehr intensiv beschäftigt.
- Gucken Sie mal auf die Daten! Sie kennen die Akten nicht!
Würde die Landesregierung aufgrund dieser Tatsachen nicht von mehr als nur einer „Beteiligung“ - laut Herrn Bode umgangssprachlich - ausgehen? Muss man nicht sehen, dass Mitarbeiter der Staatskanzlei dieses Projekt direkt mitbetrieben haben und tatsächl
hluss nur noch zugearbeitet haben?
(Beifall bei der SPD
Ich bedanke mich, Herr Präsident.
Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Monaten und Wochen bekannt gewordenen Nähe zwischen Mitgliedern der ehemaligen und aktuellen Landesregierung und Vertretern der Wirtschaft fragen wir die Landesregierung:
1. Liegen der aktuellen Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, warum die Vorgängerregierung unter Ministerpräsident Christian Wulff über ihr Engagement bei der Vorbereitung und Organisation des „Nord-Süd-Dialogs 2009“ dem Parlament nicht die volle Wahrheit gesagt hat?
2. Welche Aufklärungsarbeit in Umfang und Tiefe - z. B. Nachfragen in Ministerien usw. - wurde vonseiten der Landesregierung geleistet, um entsprechende parlamentarische Anfragen zum „NordSüd-Dialog 2009“ nach bestem Wissen, vollständig und unverzüglich zu beantworten, und zwar im Zeitraum März/April des Jahres 2010, im Jahr 2012 vor dem 19. Januar sowie im Jahr 2012 nach dem 19. Januar?
3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung für ihren zukünftigen Umgang mit Wirtschaftsvertretern aus den vielen Beispielen unguter Nähe zwischen Politik und Wirtschaft, also Wirtschaftsförderung der Cemag, Bürgschaft für David Groenewold, Organisation „Club 2013“?
Danke, Herr Präsident. - Man kann viele Worte machen und wenig sagen und die Fragen, die gestellt worden sind, nicht beantworten. So haben wir es gerade erlebt.
Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Herr Möllring gerade noch einmal bestätigt hat, dass am 23. Januar an alle Instanzen der Regierung die Weisung ging, Verbindungen zum Nord-Süd-Dialog 2009 zu melden, frage ich den Ministerpräsidenten, warum Sie, Herr McAllister, Ihre Verbindung, zu der Sie gerade viele Worte gefunden haben, nämlich der Kontakt zu Herrn Glaeseker, als Schnittstelle, sozusagen als Kommandostelle für diesen Nord-Süd-Dialog, und Ihre Kartenbestellung nicht ebenfalls offenbart haben.
Danke. - Frau Präsidentin! Ich habe eine Frage direkt an den Ministerpräsidenten, wobei mir klar ist, dass ich eigentlich nur die Landesregierung fragen kann. Er hat vorhin angefangen, uns die Liste der LPK lang und breit vorzulesen. Zur Klarstellung für mich möchte ich einfach wissen - muss ich Sie so verstanden haben? -: Ist der Landesregierung bekannt, dass im Rahmen von Hintergrundpressegesprächen der damalige Ministerprä
sident Wulff die anwesenden LPK-Mitglieder direkt eingeladen und sie aufgefordert hat, über Herrn Glaeseker - er gehörte der Staatskanzlei an und war damit Teil der Landesregierung - die Karten zu bestellen? Können Sie dann noch die Aussage aufrechterhalten, es habe sich um eine Privatveranstaltung ohne Beteiligung der Landesregierung gehandelt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dringliche Anfrage der SPD-Fraktion: Ungute Nähe zwischen Politik und Wirtschaft und Verschleierungen gegenüber dem Parlament? - Medienchimäre oder real existierendes „System Wulff“?
Die im Verlauf der Affäre um den ehemaligen Niedersächsischen Ministerpräsidenten und jetzigen Bundespräsidenten Christian Wulff bekannt ge
wordenen Vorwürfe haben viele Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung durch den ehemaligen Ministerpräsidenten und die Landesregierung in der öffentlichen Debatte als „unbefriedigend“, „unvollständig“ oder „gar nicht“ bezeichnet wurde.
Mit den Vorgängen
- um die Vorzugskonditionen des ehemaligen Ministerpräsidenten bei der Aufnahme von Krediten,
- um die Urlaubsreisen des ehemaligen Ministerpräsidenten,
- um die Treffen des „Nord-Süd-Dialogs“,
- um den heute unter der Regierung des CDULandesvorsitzenden McAllister noch immer aktiven „Club 2013“ sowie
- um die ungeklärten Zusammenhänge zwischen der Landesbürgschaft für eine Firma von David Groenewold und dessen gewährte Vergünstigungen für den ehemaligen Ministerpräsidenten
zeichnet sich ein Bild ab, das von den Medien als ungute Verquickung politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Interessen oder mittlerweile sogar als „System Wulff“ bezeichnet wird.
Rechtlich ergeben sich dabei Fragen nach möglichen Verstößen des damaligen Ministerpräsidenten Wulff gegen das niedersächsische Ministergesetz bis hin zum Verfassungsbruch.
Zugleich wurde durch Recherchen der Medien deutlich, dass die ehemalige Niedersächsische Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Wulff bei der Beantwortung von Parlamentsanfragen zu diesen Komplexen zentrale Informationen nicht gegeben und Fragen nicht vollständig beantwortet hat. Bei diesem Tatbestand - wie im Fall der Antworten zum „Nord-Süd-Dialog“ - handelt es sich nach Auffassung von Verfassungsrechtlern nicht um eine Marginalie. Ein Verstoß gegen Artikel 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung ist kein „Kavaliersdelikt“. Er ist ein Verstoß gegen fundamentale Rechte des Parlaments.
Ohne die Wirksamkeit dieses Artikels ist eine Kontrolle der Landesregierung durch das Parlament nahezu unmöglich.
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen fragen wir die Landesregierung:
1. Würde die Landesregierung angesichts der bisher schon bekannt gewordenen Aktivitäten des ehemaligen Ministerpräsidenten und des ehemaligen Regierungssprechers im Zusammenhang mit der Organisation zumindest des „Nord-Süd-Dialogs 2009“ heute immer noch zu der am 14. April 2010 - vor allem auf die Fragen 5 und 7 - gegebenen Antwort stehen?
2. Ist die Landesregierung aufgrund der bekannt gewordenen außergewöhnlichen Vorzugskonditionen der Kredite des ehemaligen Ministerpräsidenten Wulff der Ansicht, dass dieser damit gegen das niedersächsische Ministergesetz und die von diesem Gesetz herangezogenen Regelungen des Beamtengesetzes sowie dessen Verwaltungsvorschriften verstoßen hat?
3. Welche Mitglieder der Landesregierung haben seit der Gründung des „Clubs 2013“ wann und wo an den Treffen dieses Clubs teilgenommen?
Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der erneuten Bestätigung der damaligen Antwort auf die Mündliche Anfrage frage ich noch einmal: Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund mehrerer Presseartikel über das Engagement der Staatskanzlei bei der Vorbereitung des Nord-Süd-Dialogs 2009 - ich zähle auf: die Kontaktaufnahme, die Sponsorenwerbung bei der Talanx und TUI, die Teilnahme am Essen für potenzielle Sponsoren bei der NORD/LB, die Übertragung des SAT-1-Lifestreams - die auf die Kleine Anfrage von Herrn Bartling damals von Herrn Dr. Hagebölling gegebene Antwort, dass es keine Beteiligung seitens der Staatskanzlei an der Organisation des Nord-Süd-Dialogs gab?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Möllring, Sie sagten gerade in einer Ihrer Antworten, dass weder Unterlagen über E-Mails noch weitere Akten zum Nord-Süd-Dialog in der Staatskanzlei vorhanden seien. Wie erklären Sie sich dann, dass in letzter Zeit in den Medien immer wieder neue Dokumente in diesem Zusammenhang aufgetaucht sind? Ist Ihre - so sage ich einmal - Aktenführung lückenhaft oder bereinigt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Möllring behauptete ständig, dass 62 Fragen der SPD-Fraktion nicht ordentlich eingereicht worden sind.
Ich verweise darauf, dass am 4. Januar 2012 mit einem Schreiben an die Vorsitzende des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen und die Verwaltung des Landtages folgender Antrag gestellt worden ist - ich lasse den Vorlauf weg -:
„Wir bitten um Erweiterung der Tagesordnung für die Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen am 11. Januar 2012 um folgenden Tagesordnungspunkt:
‚Unterrichtung durch die Landesregierung über die Verbindungen des ehemaligen Ministerpräsidenten Wulff und weiterer Angehöriger aus der
Landesregierung zu Wirtschaftsvertretern sowie zur unvollständigen und falschen Information des Niedersächsischen Landtages durch die Landesregierung; insbesondere auch zu den Bereichen
- unvollständige Beantwortung der Anfrage der Fraktion Die Grünen am 18.02.2010,
Weiter ging es um die Anfrage der SPD-Landtagsfraktion vom 14.12.2011 zu den Urlaubsreisen des ehemaligen Ministerpräsidenten Wulff und um die Anfrage der SPD-Landtagsfraktion vom 16. Dezember 2011 zum Club 2013.
Herr Möllring behauptet ständig, die SPD-Fraktion und damit auch ich als verantwortlich im Bereich des Rechtsausschusses hätten unsere Fragen nicht ordnungsgemäß eingereicht. Wir haben ausweislich dieses Papiers und ausweislich der Tagesordnung der letzten Sitzung des Rechtsausschusses sehr deutlich eine formelle Unterrichtung verlangt. Diese ist nicht erfolgt, sondern mit der Mehrheit der Stimmen der CDU und der FDP verhindert worden.
Darauf weise ich hin.
Danke.
Nur keine Angst, Herr Nacke! - Ich frage die Landesregierung noch einmal zum Komplex „Delegationsreisen Geerkens“. Ist für die Landesregierung ersichtlich bzw. rekonstruierbar, wie Herr Geerkens auf die Delegationsreisen nach China, Japan und die USA aufmerksam gemacht wurde, also wie er Kenntnis erlangt hat? Und daran anschließend natürlich die Frage: Auf wessen Veranlassung wurde Herr Geerkens, der bekannte väterliche Freund, dann in die Delegation mit aufgenommen?
Danke, Herr Präsident. - Ich möchte noch einmal auf den Nord-Süd-Dialog zurückkommen.
- Brauchen Sie eine Unterbrechung?
Ich möchte also noch einmal auf den Nord-SüdDialog zurückkommen, und zwar zu den Anfangszeiten. Wir haben in dieser Hinsicht noch Fragen,
die Ihnen auch aus unserem Fragenkatalog bekannt sind, nämlich: Wer hat eigentlich seinerzeit für die Landesregierung als Erster den Kontakt zu Herrn Manfred Schmidt hergestellt, bzw. hat die Landesregierung aktiv Herrn Schmidt angesprochen, oder ist sie - andersherum - angesprochen worden? Wer war innerhalb der Regierung für die Kontaktpflege, das Kontakthalten mit Herrn Schmidt zuständig? Und zu welchem Zeitpunkt gibt es Aktenkundiges darüber, wann der damalige Ministerpräsident, Herr Wulff, die Entscheidung getroffen hat, als Schirmherr zu fungieren?
Herr Präsident! Ich finde es schon merkwürdig, Closed-shop-Veranstaltungen für einen beschränkten Kreis, zu denen nicht jeder gehen kann, bei denen quasi die Verpflichtung besteht, 1 000 Euro oder sonst etwas zu spenden, als Dienst zu bezeichnen.
Ich habe insoweit mehr als Bedenken.
Daher will ich zu diesem Komplex weiter nachfragen.
Herr Lies hat zu Recht nach den Dienstwagen gefragt. Sie, Herr Möllring, haben Ihre Antwort um die Hubschrauber ergänzt. Inwieweit wurden Ressourcen der Ministerien - Referenten, sächliche Mittel - oder ähnliche Dinge für die Veranstaltungen dieses ominösen Clubs 2013 genutzt? Gibt es darüber Unterlagen? In meinen Augen müsste dies auch als „für den Club 2013 gemacht“ gekennzeichnet sein, sodass man das aktenmäßig nachprüfen kann.
In diesem Zusammenhang eine weitere Frage an die Landesregierung: Von den Mitgliedern der Landesregierung wissen wir es: Vier haben teilgenommen. Wie sieht es denn mit leitenden Beamten der Landesverwaltung aus? Haben Sie eine Übersicht, wer zu diesem exklusiven Kreis geladen wurde, möglicherweise, wenn es Dienst war, auch zu referieren hatte oder freiwillig referiert hat?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun also zum Justizhaushalt, dem Einzelplan 11, und damit zu einem Haushalt, der mit einem Volumen von ca. 1,1 Milliarden Euro eher zu den kleineren Haushalten des Landeshaushalt gehört.
Allerdings sagen weder das Finanzvolumen noch die Steigerung gegenüber 2011 um 56 Millionen Euro, die ich einräumen muss, etwas über die Bedeutung dieses Einzelplans aus. Schließlich werden die Justiz und unser Rechtswesen - ich habe es häufig gesagt - immer ein Zuschussgeschäft sein. Dieser Bereich gehört zu den Bereichen, in denen wir eine Art staatlicher Daseinsvorsorge vorhalten müssten - was es auch kosten mag.
Meine Damen und Herren, nur ein beständig leistungsfähiges Rechtssystem sorgt als Garant unserer Ordnung dafür, dass Ansprüche nicht nur auf dem Papier stehen, sondern dass jeder - und zwar wirklich jeder - Zugang zum Recht hat, seine Ansprüche geltend machen bzw. durchsetzen kann und dass bestraft wird, wer gegen Gesetze verstößt. Zudem muss dies auch noch zeitnah geschehen. Ich sage das aus aktuellem Anlass. Unser Rechtssystem hat den Anspruch zu erfüllen, dass es in Niedersachsen keine überlangen Verfahrensdauern gibt.
Nun schwebt natürlich auch dieser Haushaltsplan mit seinen Problemen nicht im haushaltsleeren Raum. Insoweit schauen gerade wir als Juristen ja auch mit Spannung auf den 16. Dezember. Dennoch muss gelten: Die Garantie des Rechtsstaa
tes, der Anspruch jedes Einzelnen wie des Gesamten, muss auf jeden Fall gewährleistet werden können.
Es geht also darum, ob die Justiz in Niedersachsen so aufgestellt ist, dass sie diesen Auftrag tatsächlich erfüllen kann und dass die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vom Wachtmeister bis zum Vorsitzenden Richter, ihre Arbeit anständig tun können und dafür auch anständig behandelt werden. Und hier entstehen nun Fragen:
Ist es noch rechtsstaatlich, wenn es in Einzelfällen so lange dauert, bis Ansprüche vor niedersächsischen Sozialgerichten durchgesetzt werden können, dass sogar das Bundesverfassungsgericht eingreift, und wenn die Verfahrensdauer hier im Durchschnitt bei ca. 15 Monaten liegt?
Ist es für uns als Haushaltsgesetzgeber in Ordnung, wenn wir erkennen, dass in verschiedenen Gerichtsbarkeiten die Belastung bei Richtern und Folgediensten trotz leichter Rückgänge bei den Fallzahlen immer noch über PEBB§Y 1,0 liegt?
Ist es in Ordnung, dass es bei Rechtspflegern oder Amtsanwälten Bereiche gibt, in denen die Belastung in Einzelfällen bei bis zu 1,4 des Sollwertes beträgt?
Ist es in Ordnung, wenn Stellenobergrenzen nicht ausgeschöpft werden oder trotz guter Arbeit keine Stellenhebungen für die Mitarbeiter vorgenommen worden sind, obwohl die Arbeit mittlerweile qualitativ eine völlig andere geworden ist? Ist das motivierend? Müssen Mitarbeiter weiterhin über zehn Jahre - gerade in den mittleren Laufbahnen - auf ihre Beförderung warten?
Muss es uns nicht umtreiben, dass Anwärter, die in den Gerichten dringend benötigt werden, zwar bedarfsgerecht ausgebildet, dann aber wegen der Haushaltslage nicht vollumfänglich übernommen werden, und das trotz ordentlicher Prüfungsleistung?
Wollen wir weiter tatenlos zuschauen, wenn wir erkennen, dass im AJSD die Zahl der Klienten pro Mitarbeiter bei weit über 80 liegt? Dort hat sich seit Jahren nichts getan. Außerdem warten die Mitarbeiter 20 Jahre auf ihre Beförderung.
Kann es uns egal sein, dass sich der Krankenstand partiell deutlich erhöht? Ist dies nicht ein Zeichen ständiger Überbelastung und manchmal mangelnder Motivationsanreize?
Dürfen wir es wirklich zulassen, dass unsere Justiz, die nun wirklich keine Justizpaläste erwartet,
teilweise in Gerichtsgebäuden ihren Dienst tut, in denen die Sanierungsnotwendigkeiten sprichwörtlich mit den Händen zu greifen sind?
Meine Damen und Herren, die Antwort ist: Nein, selbstverständlich nicht. In allen diesen Punkten besteht akuter Handlungsbedarf. Aber weil unsere Justiz trotz dieser Mängel auch im letzten Jahr ihre hohe Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat, möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich für die Arbeit bedanken. Ich glaube, das sollte ein Applaus wert sein, auch von der rechten Seite.
Wir dürfen uns aber trotz der in diesem Jahr leicht gefallenen Eingangszahlen bei verschiedenen Gerichtsbarkeiten nicht mit dem Status quo abfinden. Ich sehe hier Handlungsbedarf, Herr Minister. Hier etwas zu verbessern ist wichtiger, als zusammen mit Herrn Schünemann über die Vorratsdatenspeicherung zu schwadronieren, über Pläne, die möglicherweise wieder vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden. Folgen Sie lieber unserer Linie. Wir haben entsprechende Anträge gestellt. Bei der Verhinderung der beabsichtigten Eindampfung der Insolvenzgerichtsstandorte sind Sie mit unserer Unterstützung doch auch gut gefahren. Insoweit: Schließen Sie sich unseren vernünftigen justizpolitischen Anträgen an.
Aber ich will nicht die großen Themen der Justizpolitik thematisieren. Heute geht es um Niedersachsen. Wir müssen uns also fragen: Bringt der - im Übrigen möglicherweise erneut verfassungswidrige - Doppelhaushalt 2012/2013 eine wirkliche Verbesserung der Situation? Oder reden wir hier vielleicht sogar nur über virtuelle Verbesserungen?
Schaue ich mir den Entwurf der Landesregierung und die Anträge der Regierungsfraktionen genau an, so erkenne ich nur kleine, zaghafte Schritte, um die eingangs in Einzelbeispielen genannte Situation zu verbessern.
Der Minister sagte bei der Einbringung, die hohe Qualität der niedersächsischen Justiz sei gesichert. - Ja, das stimmt. Aber nur, wenn man davon ausgeht, dass die engagierten Mitarbeiter weiterhin quasi mit Überlast und wenig Perspektiven ihren Dienst tun.
Um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, bedarf es nämlich mehr als einiger weniger neuer Stellen und Stellenhebungen in verschiedenen Bereichen
wie Richterdienst, Staatsanwaltschaften, Amtsanwälten oder Wachtmeistern. Bei Zugrundelegung des immer wieder betonten Ziels von PEBB§Y 1,0 reichen diese Zuwächse nicht. Wenn die Regierungsfraktionen erklären, mit einigen weiteren Stellenhebungen werde man den gestiegenen Anforderungen an die Justiz gerecht, so sehe ich nur, dass damit das Notwendigste getan ist. Die angekündigten Maßnahmen sind gut und richtig, ob es die längst fälligen Hebungen im mittleren Dienst betrifft, den längst fälligen Verzicht auf A 3 als Eingangsamt - jahrelang von uns gefordert - oder das Schließen der Gerechtigkeitslücke bei den Amtsanwälten. Aber wie gesagt: Dies allein reicht noch nicht, um unsere Justiz zu mehr Leistungsfähigkeit, Kundenorientiertheit und Zufriedenheit weiterzuentwickeln.
Die mir bekannten Alternativen der Grünen und der Linken sind allerdings auch nicht wirklich zukunftsfähig. Es tut mir Leid, das sagen zu müssen. Der teilweise Verzicht auf Stellenhebungen, obwohl die Notwendigkeit doch von allen erkannt wird, trägt mit Sicherheit nicht dazu bei, die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu mindern oder ihre Motivation zu stärken.
Ausdrücklich gut finde ich den Antrag mit einem Posten für die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Ich glaube, da müssen wir etwas tun.
Bei den Linken, Herr Adler, vermisse ich - bei aller Anerkenntnis der Forderungen an sich - eine solide Gegenfinanzierung. Da, denke ich, ist vernünftig nachzuarbeiten.
Meine Damen und Herren, lieber Kollege Adasch, wo sehe ich, wo sieht die SPD die Handlungsnotwendigkeiten, damit wir unsere Justiz in der Tat eine „gute Justiz“ nennen können? - Zunächst einmal müssen wir, denke ich, alle gemeinsam begreifen, dass es nicht immer die streitige Entscheidung ist, die zu mehr Rechtsfrieden und Rechtssicherheit führt.
Häufig beendet sie nur einen Streit. Aber wenn wir unsere Justiz so aufstellen wollen, dass die Rechtsstaatlichkeit zwar das oberstes Ziel darstellt, aber dass eben auch ein wirklich dauerhafter Rechtsfrieden geschaffen wird, dann müssen wir in meinen Augen zunächst die nicht streitigen Erledigungsarten stärken, und zwar ganz erheblich.
Dazu gehört zunächst der weitere und entschlossene Ausbau der Mediationsverfahren. Ich räume ein, dass hier schon einiges auf den Weg gebracht ist. Ich weiß auch, dass die Widerstände insbesondere derer, die an streitigen Verfahren recht gut verdienen, nicht gering sind. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir hier noch entscheidende Schritte gehen könnten. Eine gelungene Mediation ist für die beteiligten Parteien unumstritten besser als jede streitige Entscheidung mit Siegern und Besiegten.
Das Gleiche gilt für den Täter-Opfer-Ausgleich, ob er gerichtlich oder von den dafür qualifizierten anderen Trägern herbeigeführt wird, die es in Niedersachsen gibt und die erfolgreich und schnell arbeiten. Hier ist der weitere Ausbau dringend geboten. Auch das kostet natürlich Geld, aber insgesamt gesehen würden diese Kosten den Etat mittelfristig deutlich entlasteten; denn sowohl Mediation wie auch TOA, die am Schluss zu mehr Rechtsfrieden führen, sind in der Anwendung nachhaltig preiswerter als ein immer größerer Justizapparat.
Wir müssen weiterhin entschlossen am Ziel PEBB§Y 1.0 festhalten. Dabei dürfen wir auf keinen Fall dem Trugschluss erliegen, zu glauben, dass das Fallaufkommen ständig sinken wird. Nein, dort, wo Bedarfe bestehen - insbesondere bei der Sozialgerichtsbarkeit und bei bestimmten Folgediensten -, haben wir unseren Teil beizutragen und das Personal aufzustocken.
Ganz besonders betroffen sollte uns machen, dass auch in diesem Jahr wieder nicht alle Anwärterinnen und Anwärter übernommen werden, und das trotz seinerzeitiger Einstellung nach Bedarf und mindestens befriedigender Laufbahnprüfung und obwohl - das sagen Ihnen alle Gerichte - sie dringend gebraucht werden. Ich meine, das darf die Justiz angesichts des bevorstehenden Fachkräftemangels nicht weiter tun. Wir wissen doch alle, dass der Kampf um die besten Köpfe in der Zukunft längst begonnen hat. Der Justizdienst ist nicht wirklich der absolute Traumberuf der Jugendlichen. Wenn wir also einstellen und Chancen ge
ben, müssen wir auch verlässliche Zukunftspläne möglich machen.
Dazu noch ein Satz: Wenn diese jungen Menschen eine Laufbahnprüfung bestanden haben, aber nicht übernommen werden, haben sie schließlich noch nicht einmal einen anerkannten Berufsabschluss. Ich denke, hier besteht großer Handlungsbedarf. Diese jungen Menschen haben, wenn sie nach zweieinhalb Jahren guter Ausbildung die Leistung erbracht haben, zumindest einen draußen in der Wirtschaft anerkannten Abschluss verdient.
Meine Damen und Herren, eingangs habe ich über Arbeitsverdichtung, Gesundheitsmanagement und Ähnliches gesprochen. Im AJSD müssen wir auf jeden Fall einen neuen Schwerpunkt setzen. Auch in der Baulichkeit müssen wir alles Mögliche unternehmen, um unsere Justiz gut weiterzuentwickeln. All das kostet Geld, das ist richtig. Aber es ist nötig.
Dabei dürfen wir aber weder den Weg der Privatisierung gehen, noch, wie in der Vergangenheit, Ertrag bringende Bereiche wie z. B. Register abgeben. Ich sage es hier noch einmal deutlich: Unsere Justiz ist eine der drei Staatsgewalten. Sie taugt nicht für liberales Stockpicking.
Ich will allmählich zum Schluss kommen. - Wir brauchen eine Justiz, die den Ansprüchen, die wir gemeinsam immer wieder formuliert haben, gerecht werden kann. Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit sind wichtige Standortfaktoren in Niedersachsen und ganz Deutschland. Eine gute Justiz ist einer der wichtigsten Standortfaktoren, die wir haben. Ohne die garantierte Rechtsstaatlichkeit gibt es keine soziale Demokratie. Eine „gute Justiz“, wie ich sie nenne, ist das Ziel. Hieran müssen wir Schritt für Schritt arbeiten.
Hier schließt sich der Kreis zum Anfang der Rede. Ohne einen wirklich ordentlichen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Haushalt, der sich an Einnahmen und Ausgaben sowie tatsächlichen Aufgaben nach einer Aufgabenkritik orientiert, werden wir diesen Weg nicht gehen können. Der 16. Dezember wird zeigen, was dieser Ent
wurf, der die Grundlage unserer Diskussion ist, tatsächlich taugt,
ob er erneut verfassungswidrig ist, wie vergangene Haushaltsentwürfe, und ob wir hier möglicherweise schon im Januar über ganz andere Dinge reden müssen.
Meine Damen und Herren, Niedersachsen braucht ab 2013 eine neue Regierung, die aufgrund solider Haushaltsführung gemeinsam mit den in der Justiz Tätigen solide und vernünftig den Weg zu einer guten Justiz entwickelt.
Deshalb heute auch keine konkreten Anträge, Herr Rolfes, sondern die vorgetragenen kritischen Anmerkungen und der beschriebene Weg, es mit Sicherheit besser zu machen. Niedersachsen und unsere Justiz haben es verdient.
Danke.
Ich möchte gern, Herr Präsident.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage lautet: Jahrelange Sozialgerichtsverfahren: Klares Signal des Bundesverfassungsgerichtes für Rechte der Bürgerinnen und Bürger - Was macht die Landesregierung? - Die Landesregierung wiegelt ab.
Die HAZ vom 3. November 2011 hat in einem Artikel die Rüge des Bundesverfassungsgerichts wegen überlanger Verfahrensdauer eines Sozialgerichtsverfahrens vor dem Sozialgericht Hildesheim thematisiert. Ausdrücklich wird in diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BvR 232/11 - die langsame Arbeitsweise des Gerichts
gerügt. In diesem Verfahren ging es um die Kosten eines alleinerziehenden arbeitslosen Vaters für Heizung und Unterkunft. Seit Klageeinreichung im Jahr 2007 ist der Fall nicht entschieden.
Für das Bundesverfassungsgericht sei eine solche Verfahrensdauer unannehmbar, es gehe immerhin um die Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das Bundesverfassungsgericht führt im Gegensatz zum Justizministerium die lange Verfahrensdauer auf Versäumnisse des Sozialgerichts zurück. Es sei nicht hinnehmbar, dass das Gericht das Verfahren über drei Jahre nicht gefördert hat. Auch der Einschätzung des Justizministeriums, es handele sich um einen komplexen Fall, folgte das Bundesverfassungsgericht nicht.
Zitat: „Die Sache war nicht in einem Maße komplex, dass sie ein derart langes Verfahren rechtfertigen könnte.“
Schon im September vergangenen Jahres war ein ähnlicher Beschluss bekannt geworden. Dieser Beschluss der 3. Kammer - es müsste richtig heißen: der 3. Kammer des Ersten Senates, Herr Präsident - des Bundesverfassungsgerichtes - BvR 331/10 - erfolgte auf eine Verfassungsbeschwerde eines Mannes, der beinahe vier Jahre auf eine Entscheidung des Sozialgerichts in Osnabrück warten musste.