Protokoll der Sitzung vom 08.11.2012

Ich möchte es ebenso wie meine Vorredner nicht versäumen, mich bei allen zu bedanken, die unsere Arbeit begleitet haben, die Akten gesucht, gefunden und kopiert haben und mit helfender Hand unsere Arbeit stets hervorragend unterstützt haben, die schnell und zuverlässig Protokoll geschrieben haben, die die Ausschussarbeit gründlich vor- und nachbereitet haben, die über unsere Arbeit medial berichtet haben, und auch bei den interessierten Bürgerinnen und Bürgern, die Sitzung für Sitzung den Weg in den Leibniz-Saal des Landtags gefunden haben, wo der Ausschuss überwiegend getagt hat.

Es ist gut, dass der umfangreiche Aktenbestand jetzt dauerhaft für die Nachwelt gesichert werden soll. Darauf haben sich alle Fraktionen hier im Landtag einmütig verständigt. In diesem Punkt haben wir nicht nur Vergangenheit betrachtet, sondern etwas ganz Konkretes für die Zukunft geschaffen. Es ist mehr als erfreulich, dass das Bundesforschungsministerium in Aussicht gestellt hat, die Aufarbeitung und Ordnung der Akten für die nächsten Jahre zu unterstützen. Dafür gebührt

der Bundesforschungsministerin Annette Schavan ein ganz besonderer Dank. Sie hat in diesem Falle Wort gehalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Die Betonung liegt auf „in diesem Falle“! - Zuruf von der SPD: Frau Doktor!)

Als zentrales Ergebnis der Arbeit unseres Untersuchungsausschusses kann festgehalten werden: Die Asse hätte niemals als Lager für radioaktive Stoffe ausgewählt werden dürfen. Das wissen wir heute, aber damals - daran möchte ich gerne erinnern - war es noch üblich, radioaktive Fässer aufs Meer hinauszufahren und im Atlantik zu versenken. Mit dem Ausbau der Kernenergie in den 60er- und 70er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts wurden Alternativen zu dieser unverantwortlichen Praxis notwendig, und so wurde damals das Bergwerk Asse II ins Spiel gebracht. In mehreren Schriftwechseln und Gutachten wurde damals die Eignung der Asse für die Einlagerung radioaktiver Abfälle für möglich gehalten, obwohl die Schwesterbergwerke Asse I und Asse III schon abgesoffen waren. Die Gesellschaft für Strahlenforschung erwarb die Schachtanlage, und dann ging es mit der Einlagerung los: mehr als 10 000 Abfallgebinde im Zeitraum von 1967 bis 1971, insgesamt fast 127 000 Fässer bis zum 31. Dezember 1979.

Wir wissen heute, dass der Hauptteil der Fässer nach 1971 eingelagert wurde. Hatte man vorher noch von einem Forschungsbergwerk gesprochen, so war die Asse ab dem Jahr 1971 de facto zu einem Endlager geworden, ohne, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Mehrheit der Bevölkerung vor Ort das so gewollt hatte, geschweige denn, darüber vernünftig informiert worden ist. Die SPD träumte damals auf Bundes- und Landesebene von bis zu 100 Kernkraftwerken in Deutschland. Das ist die historische Wahrheit, und da war die Asse als Endlager für radioaktiven Abfall mehr als willkommen.

Viel zu sehr, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurde damals denen geglaubt, die Gutachten geschrieben haben. Ein funktionierendes Vieraugenprinzip, überall gang und gäbe, gab es damals nicht. Und die Zweifel des Oberbergamtes Clausthal-Zellerfeld wurden nur unzureichend berücksichtigt. Denen, die damals vor der Einlagerung gewarnt haben und die vier Jahrzehnte später recht bekommen sollten, wurde zu wenig Gehör geschenkt. Die Asse, meine sehr geehrten Damen und Herren, mahnt uns, heute sehr genau zu über

legen, welche Entscheidungen wir gerade im Bereich der Technik treffen, vor allem dann, wenn sie nicht mehr revidierbar sind.

Die Einführung der sogenannten Abkipptechnik in den 70er-Jahren war das offenkundige Signal dafür, dass an eine Rückholung der Fässer ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu denken war. Spätestens ab dem Zeitpunkt muss klar gewesen sein, dass die damals Verantwortlichen die Fässer nicht wieder herausholen wollten.

Politische Verantwortung für die Asse haben in den vergangenen 50 Jahren Repräsentanten nahezu aller politischen Parteien getragen. Eine CDU-geführte Bundesregierung hat die Asse gekauft, in der Großen Koalition von CDU und SPD auf Bundesebene wurde mit der Versuchseinlagerung begonnen, in der SPD-geführten Bundesregierung wurde der Schalter von „Versuchseinlagerung“ auf „Endlagerung“ umgelegt, und die CDUgeführte Landesregierung hier in Niedersachsen unter Ministerpräsident Ernst Albrecht hat damals dafür gesorgt, dass keine weiteren Fässer mehr eingelagert wurden. SPD und Grüne haben dann in ihrer Regierungszeit in Niedersachsen die Asse trotz verlautbarter Antiatompolitik nur mit spitzen Fingern angefasst, sich leider nicht gekümmert. Erst unter dem früheren Umweltminister hier in Niedersachsen, Hans-Heinrich Sander, FDP, bekam die Öffentlichkeitsarbeit den notwendigen Stellenwert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine Koalition von CDU, FDP und SPD hat dann für den Betreiberwechsel und die Überführung der Asse in das Atomrecht gesorgt. Sie sehen, Meine Damen und Herren: Es waren alle dabei, mal positiv, mal negativ und mal gar nicht.

(Johanne Modder [SPD]: Alle waren dabei, auch mal gar nicht! - Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was die Rolle der Grünen angeht, so will ich mir persönlich kein eigenes Urteil anmaßen. Ich will lieber das zitieren, was der heutige SPD-Bundesvorsitzende in der Ausgabe der TAZ vom 1. August 2009 gesagt hat. Dort heißt es:

„Die Grünen haben sich in ihrer Regierungszeit überhaupt nicht um die Asse gekümmert“.

So war das, meine sehr geehrten Damen und Herren. Aber auch Wolfgang Jüttner, SPD, hat sich in seiner Amtszeit als Umweltminister in Niedersachsen in der Asse nicht blicken lassen.

(Heiner Schönecke [CDU]: Nein?)

Frau Griefahn, SPD, aus Niedersachsen hat auf eine entsprechende Frage nach ihrem Engagement für die Asse gesagt:

„Es war nicht das Thema.“

Jürgen Trittin, Grüne, auch aus Niedersachsen, angehender Spitzenkandidat seiner Partei für die nächste Bundestagswahl, hat im Juni 2010 gesagt:

„Die Frage ist rhetorisch, weil bekannt sein dürfte, dass ich nie in der Asse gewesen bin.“

Edelgard Bulmahn, SPD-Mitglied und ebenfalls aus Niedersachsen, macht mit ihrer Aussage das rot-grüne Kleeblatt der bewussten Ahnungslosigkeit komplett. Sie sagte im Mai 2010:

„Nein, ich habe die Asse nicht besucht.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun muss man sich nicht um alles kümmern - das verlangen die Bürger auch gar nicht -, aber selten haben Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander gelegen wie in diesem Fall. Auf der einen Seite profiliert man sich in Wahlkämpfen als Antiatompartei, und auf der anderen Seite hat man dann, wenn man konkret in der Verantwortung steht, nichts getan. Auch das, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehört zur Wahrheit rund um die Asse dazu.

(Beifall bei der CDU)

Gerne hätten wir den einen Verantwortlichen gefunden, der die alleinige Schuld an dem Desaster in der Asse trägt. Aber es gibt ihn nicht. Alle seinerzeit betrieblich, wissenschaftlich, administrativ und politisch Beteiligten, die in verantwortlicher Funktion auf dem Bergwerg Asse II tätig waren und dafür politisch verantwortlich waren, tragen für die aus heutiger Sicht festzustellenden Missstände Verantwortung, obwohl sich - ich sage bewusst: leider - ein konkretes Fehlverhalten einzelner Akteure nicht nachweisen lässt.

Ich wiederhole mich da gerne: Das Beispiel Asse mahnt uns, immer dann vorsichtig zu sein, wenn getroffene Entscheidungen nicht mehr reversibel sind, wenn fast alle davon überzeugt sind, dass die

Dinge ungefährlich sind, und man nur oberflächlich denen zuhört, die kritisch sind.

Aber dank des Ausschusses Asse ist die Asse heute kein Randthema mehr, sondern sie steht fest im Mittelpunkt der Politik hier in Niedersachsen. Es ist unsere Aufgabe, Verantwortung für die Asse zu übernehmen. Wir sind dazu bereit. Es macht zwar wenig Spaß, den Mist wegzuräumen, den andere einem hinterlassen haben, aber nicht zu handeln, ist auch keine Lösung. Im Interesse künftiger Generationen muss es nun darum gehen, die Asse in einem transparenten Verfahren unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Daten stillzulegen.

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat im Jahre 2009 im Rahmen eines Optionenvergleichs die Rückholung der radioaktiven Abfälle als einziges Stilllegungsverfahren identifiziert, bei dem sich die begründete Erwartung ergibt, dass nach derzeitigem Stand des Wissens ein Langzeitsicherheitsnachweis geführt werden kann. Der Rückholung der radioaktiven Abfälle ist deshalb vor allen anderen Optionen der Vorrang einzuräumen, soweit deren Durchführung technisch möglich ist und für die Bevölkerung wie auch die Beschäftigten aus radiologischen und sonstigen sicherheitsrelevanten Gründen vertretbar ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben, dass dieser Ausschuss ein Erfolg geworden ist. Ich wünsche mir, dass wir vielleicht zukünftig keinen Ausschuss mehr erleben, der so lange tagen muss. Aber ich glaube, dieser Ausschuss war es wert. Ich denke, die Anwohnerinnen und Anwohner an der Asse wissen, dass wir damit einen großen Beitrag dazu geleistet haben, dass das Thema wieder dort ist, wo es hingehört, und über die Asse gesprochen wird - anders, als es früher der Fall war.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Bäumer. - Nun hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Herzog das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich 37 Jahre nach meiner ersten Demonstration an der Asse

hier darüber reden würde, was der 21. Untersuchungsausschuss an unglaublichen Machenschaften offenbarte. Der PUA sollte den größten Umweltskandal in Deutschland aufklären, Zusammenhänge, Manipulationen, Vertuschungen und Lügen aufdecken und vor allem Verantwortlichkeiten, Taten und Personen. Ein kleiner Kreis narrte die Republik, nannte der Historiker Möller Deutschlands Wunsch nach Atommacht, den Blindflug in die unfriedliche Nutzung der Atomkraft.

Das dicke Ende heißt bis heute mit ausgeklügeltem Kunstbegriff „Entsorgung“. Als ich im Juni 2008 hier einen Antrag zur Asse einbrachte - gegen die geplante Flutung und für die Rückholung - und dabei erstmalig die Laugenkontaminationen benannte, musste ich mich von Herrn Oesterhelweg beschimpfen lassen, und in seinem beengten Weltbild setzte er mich gleich auf die NPD-Bank.

(Clemens Große Macke [CDU]: Hey, hey, hey!)

Von Beleidigungen versuchen wir Abstand zu nehmen, Herr Kollege Herzog!

(Heinz Rolfes [CDU]: Eine so billige Beleidigung akzeptieren wir nicht! - Ulf Thiele [CDU]: Er heißt zwar Herzog, aber kann sich nicht so benehmen!)

Der heutige Umweltminister Birkner blamierte sich vier Tage später im Umweltausschuss mit drei Thesen: Alle Tatsachen seien lange bekannt. Die Verseuchungen stammten von Unfällen aus der Einlagerungszeit. Der Umgang mit kontaminierten Laugen erfolge im Einklang mit der Strahlenschutzverordnung. - Alle drei waren falsch. Dies zeigte, wie weit die Atomaufsicht, das NMU von Minister Sander, von der Realität entfernt war. Linke und Grüne wollten sofort einen Untersuchungsausschuss, die SPD brauchte ein Jahr. Manche kommen eben langsam.

(Daniela Behrens [SPD]: Aber gewal- tig! - Heiterkeit bei der SPD)

CDU und FDP mussten mit, aber taten im Ausschuss alles, um die geliebte Kernkraft und ihren verhätschelten Salzstock Gorleben reinzuwaschen. Der so wichtige Fragenteil 5, der die Auswirkungen des Asse-Desasters auf die Eignung von Salzstöcken, die Übertragbarkeit auf andere potenzielle

Salzstöcke klären sollte, wurde von Ihnen schlicht boykottiert.

(Der Redner hält eine Seite hoch)

Ihr Bericht enthält diese halbe popelige Seite zum Fragenteil 5,

(Clemens Große Macke [CDU]: Was ist das für eine Ausdrucksweise!)

dazu noch glatt am Thema vorbei. - Ein Armutszeugnis, aber politisch wohl kalkuliert: keine Schramme für Gorleben.

Unerträglich auch, Herr Nacke, wie Sie massiv versuchten, Fragen zu unterbinden. Untragbar für einen aufklärungswilligen Vorsitzenden. Wer so agiert, dethematisiert, wie es der Historiker Möller nannte. Überhaupt versuchten Sie von CDU und FDP, die haarsträubenden Versäumnisse mit Floskeln wie „Aus heutiger Sicht hätte man nicht...“ zu relativieren. Dabei hat der Sachverständige Eck nachgewiesen, dass auch aus damaliger Sicht der Kauf der Asse fahrlässig war und dass Kritiker gnadenlos zur Seite gedrängt worden sind, oft um den Preis ihrer wissenschaftlichen Karriere. Wer rehabilitiert Wissenschaftler wie Hans-Helge Jürgens, der die Wassereinbrüche exakt vorausgesagt hat? Oder Professor Duphorn, den die Ministerien wegen Gorleben-kritischen Beurteilungen als Projektleiter „aussortierten“? Wer sanktioniert die Manipulationen von Gutachten und Einflussnahmen auf Doktor- und Diplomarbeiten?

Seitens der Regierungsfraktionen können Sie nicht umhin, viele der skandalösen Verfehlungen anzuerkennen. Aber mit der Formel „Fehlverhalten einzelner ist nicht nachweisbar“ wollen Sie die AsseVorgänge auf die Ebene quasi einer Naturkatastrophe herunterspielen - einmalig und zufällig.

Da war aber Klaus Kühn, mit einem Bundesverdienstkreuz dekoriert, der wider besseres Wissen elementare geologische K.-o.-Kriterien gesundbetete, der massiv gegen Kritiker vorging, der nach Wassereinbrüchen die Gefahren wegwischte und die Öffentlichkeit nach Strich und Faden belog.