Protokoll der Sitzung vom 07.12.2012

Anlage 58

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 59 des Abg. Enno Hagenah (GRÜ- NE)

Tarifstreik bei Neupack: Einführung eines Mindestlohnes stoppt Fall der Löhne

Seit Anfang November befinden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hamburger Verpackungsherstellers Neupack mit Standorten in Stellingen und Rotenburg (Wümme) im Streik. Hintergrund des Arbeitskampfes, dem die Belegschaft zu fast 90 % zugestimmt hatte, waren laut der Welt vom 16. November 2012 niedrige Stundenlöhne bis unter 8 Euro, ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeiten, willkürlich gezahlte Zuschläge und Urlaubsgelder. Seit einem Jahr soll danach die zuständige Gewerkschaft IG BCE versuchen, mit dem Unternehmen einen Haustarifvertrag auszuhandeln. Einen Haustarifvertrag lehne Neupack aber generell ab.

Währenddessen verhärteten sich die Fronten: Das Unternehmen hat Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt. Von Schubsen und Tritten gegen rund 50 Streikende berichtet die Tageszeitung in ihrer Ausgabe vom 1. November 2012. Auf Warnstreiks soll das Familienunternehmen mit Lohnkürzungen zwischen 200 und 400 Euro reagiert haben. Aus dem Bürogebäude sollen Streikende gefilmt worden sein, „sodass sich die Polizei zum Eingreifen genötigt sah“. Im Vorfeld zum Streik soll der Betriebsratsvorsitzende zweimal fristlos gekündigt worden sein. In beiden Fällen hatte das Arbeitsgericht die Kündigungen für unwirksam erklärt. In der Resolution der IG BCE vom 12./13. No

vember ist gar die Rede davon, dass die Inhaberfamilie Krüger „Sicherheitsleute mit scharfen Hunden gegen die Streikenden“ einsetzt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wird sie, gegebenenfalls in welcher Weise, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verpackungsfirma Neupack unterstützen?

2. Wird sich die Landesregierung, gegebenenfalls wann und in welcher Weise, für die Einführung eines allgemeinen Mindestlohnes von 8,50 Euro mit Fortschreibung durch eine paritätisch besetzte Mindestlohnkommission einsetzen, der künftig verhindern würde, dass Löhne unter 8 Euro gezahlt werden?

3. Kann die Landesregierung hier ein faires Miteinander der Tarifpartner sicherstellen, damit der tariflose Zustand der Beschäftigungsverhältnisse in faire und geordnete Bahnen gelenkt wird, gegebenenfalls in welcher Weise?

Nach den Vorbemerkungen der vorliegenden Anfrage befinden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Neupack seit Anfang November im Streik, um verbesserte Entgeltbedingungen zu erreichen.

Unabhängig von den Handlungen und Verhaltensweisen, die das bestreikte Unternehmen laut Fragesteller im Rahmen der Tarifauseinandersetzung an den Tag gelegt haben „soll“ (z. B. Lohnkürzung als Reaktion auf Warnstreiks, Einsatz von Leihar- beitern als Streikbrecher), verlangt bereits der Umstand eines laufenden Arbeitskampfes, dass sich die Landesregierung mit Bewertungen und Kommentierungen der widerstreitenden Interessen der sozialen Gegenspieler/Tarifvertragsparteien zurückhält.

Die Landesregierung ist insoweit zur passiven Neutralität verpflichtet. Dies bedeutet, dass u. a nicht durch Solidaritätsbekundungen staatlicher Organe zugunsten einer Seite auf den Ablauf von Arbeitskämpfen Einfluss genommen werden darf. Genau das täte sie aber, wenn sie - wie vom Antragsteller gefragt - die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Neupack unterstützen würde.

Soweit der Fragesteller ein unrechtmäßiges Verhalten darstellt, steht der zivilrechtliche Rechtsweg offen bzw. die strafrechtliche Verfolgung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Nein, auf die Vorbemerkungen wird verwiesen.

Zu 2: Nein. Die Landesregierung hat die Ablehnung eines gesetzlichen Mindestlohns im Niedersächsischen Landtag bereits mehrfach begründet -

zuletzt am 9. November 2012 zu einem entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion. Unter Hinweis auf die dortigen Ausführungen und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen werden die Ablehnungsgründe vorliegend noch einmal kurz wie folgt zusammengefasst:

- Lohnfestsetzung ist Aufgabe der tarifautonom handelnden Tarifvertragsparteien im Rahmen der durch Artikel 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie.

- Ein gesetzlicher Mindestlohn hätte beschäftigungspolitisch gravierende Nachteile insbesondere für nur gering Qualifizierte, deren Chancen, in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden zu können, erheblich sänken.

- Der gesetzliche Mindestlohn ist kein taugliches Mittel zur Armutsbekämpfung.

- Mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz und dem Mindestarbeitsbedingungengesetz bestehen schon heute sehr wirkungsvolle rechtliche Instrumente unterhalb eines gesetzlichen Mindestlohns. Mit ihnen können die besonderen Umstände und Gegebenheiten der einzelnen Branchen besser berücksichtigt und Lohndumping sowie Niedriglohnkonkurrenz bereits jetzt vermieden werden.

Zu 3: Nein. Für das faire Miteinander der sich nach vorliegender Anfrage in einer tariflichen Auseinandersetzung gegenüberstehenden Tarifpartner sind diese bzw. die für sie handelnden Personen allein verantwortlich. Hinsichtlich der indirekt gewünschten Lenkung des vorliegenden tariflosen Zustands der Beschäftigungsverhältnisse in faire und geordnete Bahnen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Anlage 59

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 61 der Abg. Meta Janssen-Kucz und Helge Limburg (GRÜNE)

Fehler im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2011? Nachfragen

Das Innenministerium beantwortete am 6. Juni 2012 die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Fehler im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2011?“ in der Drs. 16/1393 der Abgeordneten Helge Limburg, Meta Janssen-Kucz und Christian Meyer. In der Antwort führte die Landesregierung zur Frage 6, einer Frage zu Verletzten durch die mit

Schrauben gespickten Golfbälle im Rahmen des Castortransportes, aus, dass ihr seit dem 10. Februar 2012 bekannt sei, dass die Golfbälle nicht als Wurfgeschosse, sondern als „Krähenfüße“ gegen Oberleitungen eingesetzt werden sollten. Bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes im Mai 2012 im Innenausschuss des Landtages und im vorläufigen Verfassungsschutzbericht 2011 waren die Golfbälle noch als Wurfgeschosse bezeichnet worden.

Bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes im Mai 2012 im Innenausschuss des Landtages wurden als Beispiele für linksextremistische Gewalt Brandanschläge auf Autos in Berlin und Hamburg genannt. Auf konkrete Nachfrage in oben genannter schriftlicher Anfrage, wie denn die Landesregierung die inzwischen erfolgten gerichtlichen Feststellungen zu den in diesen Städten bislang aufgeklärten Brandanschlägen beurteile, denen zufolge jeweils kein politischer Hintergrund der Taten vorliege, erklärte die Landesregierung, sie könne Autobrandstiftungen außerhalb Niedersachsens nicht beurteilen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Warum hielten die Landesregierung und der Verfassungsschutz auch nach dem 10. Februar 2012 an der Darstellung der Golfbälle als Wurfgeschosse fest, und wann hatte sie vor, die Öffentlichkeit über den wahren Sachverhalt zu informieren?

2. Warum wurden die Brandstiftungen aus Hamburg und Berlin als Beispiele für linksextremistische Straftaten vom niedersächsischen Verfassungsschutz genannt, obwohl dieser offenbar über keinerlei Erkenntnisse über diese Fälle verfügte?

3. Wer hat entschieden, die Golfbälle als Wurfgeschosse und die Autobrandstiftungen aus Berlin und Hamburg in den vorläufigen Verfassungsschutzbericht 2011 aufzunehmen, und auf welchem Wege erfolgt eine Korrektur der Darstellungen?

Um Parlament und Öffentlichkeit frühzeitig über die aktuelle Entwicklung im Bereich Extremismus und Terrorismus zu informieren, geht der endgültigen Druckfassung des niedersächsischen Verfassungsschutzberichts eine Vorabfassung voraus. Sofern sich zwischenzeitlich weitergehende Erkenntnisse ergeben, ist es auf diese Weise möglich, bis zur Fertigstellung der endgültigen Druckfassung erforderliche inhaltliche Änderungen vorzunehmen. Die Vorabversion kann somit gegebenenfalls vor Erstellung der endgültigen Druckfassung noch aktualisiert werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass - wohl versehentlich - im Fragetext nicht Drs. 16/5097, sondern fehlerhafter Weise Drs. 16/1393 genannt wird. Außerdem ist darauf

hinzuweisen, dass die Antwort auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Fehler im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2011?“ vom 6. August 2012 datiert und nicht, wie ebenfalls fehlerhaft im Fragetext erwähnt, vom 6. Juni 2012.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Eine wesentliche Grundlage für die Erstellung des Verfassungsschutzberichtes ist das niedersächsische „Lagebild politisch motivierte Kriminalität“ des Landeskriminalamtes Niedersachsen. Für das Jahr 2011 wurde dieses Lagebild dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport am 28. Februar 2012 vorgelegt.

Auf Basis dieser Informationen wurde die Vorabfassung des Verfassungsschutzberichtes formuliert. Im Zusammenhang mit der zeitlich nachfolgenden Berichterstattung der Polizeidirektion Lüneburg wurden die Aussagen in der Internetveröffentlichung der Kampagne „Atomstaat stilllegen! Castor 2011 - weiträumig - unkontrollierbar - renitent“ vom 10. Februar 2012, die bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Fehler im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2011?“ vom 6. August 2012 in der Drs. 16/5097 erwähnt wurde, von der Landesregierung einer erneuten Bewertung unterzogen. Darauf wurde die für die Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht vorgesehene Sachverhaltsdarstellung aktualisiert.

Zu 2: Der niedersächsische Verfassungsschutz informiert gemäß seinem gesetzlichen Auftrag in seinen Jahresberichten in erster Linie über den niedersächsischen Extremismus. Um die bundesweite Dimension bestimmter Geschehnisse zu verdeutlichen, werden in Einzelfällen auch über Niedersachsen hinausgehende Vorfälle exemplarisch aufgegriffen.

Brandstiftungen, insbesondere an Kraftfahrzeugen, mit linksextremistischem Hintergrund, sind nicht nur ein in Niedersachsen, sondern ein bundesweit zu beobachtendes Phänomen. Daher wurden entsprechende Vorkommnisse aus anderen Bundesländern in den Verfassungsschutzbericht 2011 mit aufgenommen.

Ein Teil der Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge konnte mittlerweile aufgeklärt werden, ohne dass eine politische Motivation nachgewiesen wurde. Dieses widerspricht jedoch nicht der Erkenntnis des Verfassungsschutzes, wonach es auch poli

tisch motivierte Brandstiftungen gegeben hat. Die Erkenntnisse über einen linksextremistischen Hintergrund stützen sich dabei auf Selbstbezichtigungsschreiben und Publikationen aus der linksextremistischen Szene, z. B. wie „radikal“, „interim“ oder „prisma“, die konkrete Anleitungen zur Begehung entsprechender Straftaten enthalten.

Zu 3: Die Verfassungsschutzberichte des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport werden anhand der Auswertungsergebnisse von den jeweiligen Fachreferaten der Abteilung Verfassungsschutz inhaltlich vorbereitet und über den behördenüblichen Dienstweg zur Veröffentlichung freigegeben. Im Übrigen vergleiche die Ausführungen zu Frage 1.

Anlage 60

Antwort

des Justizministeriums auf die Frage 62 des Abg. Helge Limburg (GRÜNE)

Wer ist der „Maulwurf“ bei den Ermittlungen gegen Christian Wulff?

Verschiedene Tageszeitungen und der Spiegel berichteten Mitte November erneut über die Herkunft der Details aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff. Die Neue Presse berichtete am 19. November über das Protokoll der Vernehmung von Christian Wulff vom 29. Juni 2012, dessen Inhalt schon am 13. August (Focus) und am 20. August (Spiegel und Focus) detailliert „ausgebreitet“ wurde. Bereits zuvor habe das Protokoll den „kompletten Dienstweg“ durchlaufen und sei auf dem Schreibtisch von Justizminister Bernd Busemann gelandet, wie offensichtlich auch der Ministeriumssprecher bestätigt hat. Hieraus zieht die Neue Presse den Schluss, dass „die Akte aus den Kreisen von Justiz oder Landesregierung an die Öffentlichkeit gelangt sein“ könnte. Mittlerweile ist Strafanzeige gegen Unbekannt erhoben worden, wobei der Kreis der „Geheimnisträger“ zu groß sei, um einen Verdacht zu konkretisieren.