Protocol of the Session on December 7, 2012

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Im Zuge der Beratungen im Umweltausschuss haben wir einen meiner Meinung nach hochinteressanten Vortrag von Herrn Paulus von der Bundesnetzagentur gehört. Dem, der genau zugehört hat, wird aufgefallen sein, dass die Streckenlängen, die er genannt hat, von dem, was wir bisher kannten, deutlich abweichen. Vor wenigen Tagen ist herausgekommen, dass jetzt statt der ursprünglich anvisierten vier Nord-Süd-Leitungen plötzlich nur noch drei vonnöten sind. Das sind mal eben so rund 1 000 km weniger.

Ich will das der Netzagentur gar nicht zum Vorwurf machen. Das zeigt aber, dass die von der Bundesregierung erbrachten Vorleistungen offenkundig sehr mangelhaft sind. Jeder weiß, dass das Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium in Berlin nicht wirklich optimal zusammenarbeiten und nichts wirklich voranbringen.

(Karl-Heinz Klare [CDU] unterhält sich mit Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])

- Wenn ich euch störe, Karl-Heinz, dann müsst ihr das nur sagen.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Machen Sie mal weiter!)

Das ist das Kernproblem der Energiewende. Deshalb sind für deren erfolgreiche Umsetzung die Inhalte unserer Anträge notwendig; egal, ob sie hier jetzt beschlossen werden oder nicht. Notwendig sind sie allemal.

Eine vorhandene Netzstruktur muss in wenigen Jahren so umgebaut werden, dass sie den Wandel von der zentralen Energieproduktion hin zur dezentralen Produktion bei gleichzeitig unausgewogener regionaler Verteilung verkraftet. Will heißen: Wenig Produktion im Süden Deutschlands, aber ein hoher Verbrauch. Wenig Verbrauch, aber erhebliche Überschüsse von Strom hier bei uns im Norden. Wir brauchen technische Innovationen, um die Schwierigkeiten zu überwinden, die es ohne Frage noch gibt. Wir brauchen in der Tat einen staatlichen Masterplan, damit in diesem Zusammenhang nicht jeder vor sich hinwurstelt.

Ich möchte das einmal an einem Beispiel deutlich machen. In der letzten Legislaturperiode hatten wir hier ja den Kollegen Klaus Fleer - einige kennen ihn ja noch -, der in diesem Haus als Diplomingenieur mitgearbeitet hat. Er fragte: Wieso ist es eigentlich nicht möglich, dies auf Gleichspannungsebene zu machen? - Also mit Gleichstrom. Da wurde gesagt: Nein, das geht alles gar nicht. Utopie. Funktioniert nicht. - Kurze Zeit später ging

es doch. Heute reden wir wie selbstverständlich davon, dass es geht.

Dass es in der Tat aber noch ein paar technische Probleme bei der praktischen Umsetzung gibt, ist uns Politikern sozusagen meist fremd. Wir sind für die Generallinie zuständig, aber in der Praxis müssen die Ingenieure das bewältigen. Auch das nimmt ein bisschen Zeit in Anspruch.

Wir brauchen auch mehr Speicherkapazitäten. Wir brauchen mehr Forschung und mehr Vernetzung von Forschung. Das EFZN leistet gute Arbeit. Es wünscht sich - das erfährt man, wenn man mit den Betroffenen spricht - aber mehr Unterstützung, damit es diese Arbeit umsetzen kann.

Der Ausbau von sogenannten Smart Grids, also die Aufrüstung des konventionellen Elektrizitätsnetzes durch Kommunikations-, durch Mess- und Regeltechnik, ist kein technisches Kinderspiel. All das muss bewältigt werden können. Dafür muss die Politik einen Rahmen schaffen.

Abschließend möchte ich noch einen letzten Aspekt ansprechen, auf den Carl Friedrich von Weizsäcker vor wenigen Tagen beim Energiedialog der SPD-Landtagsfraktion hingewiesen hat. Er hat noch einmal ganz deutlich betont: Am wichtigsten ist die Einsparung von Energie. Dann muss die Effizienz bei der Produktion von Energie gestärkt werden. Dann kommt der Transport von Energie hinzu. - Bei uns wird aber häufig leider nur über die Stromebene diskutiert; von Wärme reden wir viel zu wenig.

Politik muss Anreize und Rahmenbedingungen schaffen, damit alle Menschen das ernst nehmen und umsetzen. Wir haben nur diese eine Erde, und wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen.

Die SPD-Fraktion wird beiden Anträgen zustimmen. Dies war mein letzter Satz als Abgeordneter in diesem Plenum.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Meyer, auch Ihnen für Ihre konstruktive Arbeit hier im Niedersächsischen Landtag. Wir wünschen auch Ihnen viel Glück für all die Vorhaben, die Sie sich im Anschluss an diese Legislaturperiode vorgenommen haben. Herzlichen Dank, Herr Meyer!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine weitere Wortmeldung liegt mir jetzt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Herr Wenzel!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen über einige grundsätzliche Themen der Energiewende, über Stromnetze, über Energieforschung und über Energiespeicherung. Ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass die Fraktionen von CDU und FDP zwar beide Anträge ablehnen, aber nichts eigenes Konstruktives zu diesem Thema auf den Tisch legen, keinen Änderungsantrag, keine Alternativen.

Meine Damen und Herren, die Energiepolitik in Niedersachsen ist auf einem denkbar schlechten Weg. Ich hätte eigentlich erwartet, dass hier nach dem Beschluss über den Atomausstieg in zentralen Fragen mehr Einigkeit herrscht und mehr gemeinsamer Wille vorhanden ist, um Planungssicherheit und Verlässlichkeit für alle Beteiligten herzustellen, und zwar für Unternehmen, die investieren wollen, aber auch für Bürgerinnen und Bürger, die sich selbst aktiv an der Energiewende beteiligen und selbst dazu beitragen wollen, dass sie gelingt.

Stattdessen erleben wir eine Debatte wie die heute Vormittag. Stattdessen erleben wir einen Umweltminister, der noch immer lieber ein Kohlekraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 45 % hat als ein Gaskraftwärmekopplungskraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 85 %, wie es die Stadtwerke Düsseldorf planen. Das sind die Effizienzfragen, um die es geht, Herr Birkner.

Deswegen verstehe ich auch nicht, warum die Bundesregierung ihren Bundesumweltminister zur Klimakonferenz nach Doha fahren lässt, ohne vorher zu klären, welche Klimaziele man in Doha vertreten will. Meine Damen und Herren, so macht sich eine Industrienation lächerlich.

Wenn Sie, Herr Birkner, hier Ihre Maßnahmen im Bereich der Entlastung des EEG für Unternehmen, die überhaupt nicht im internationalen Wettbewerb stehen, kaschieren wollen, so war es dennoch ein Fehler, den wir korrigieren müssen.

Ich habe auch Zweifel daran, ob es wirklich einen Sinn macht, dem Bund die Kompetenzen für die Netzplanung zu überlassen. Wenn ich sehe, welch eine Misswirtschaft dort in den letzten Monaten geherrscht hat, dann vermag ich nicht zu erken

nen, dass Herr Rösler und Herr Altmaier die Dinge besser in den Griff bekommen.

Der Netzentwicklungsplan ist ein Fortschritt. Ich sehe bisher aber nicht, wie die Bundesregierung und die Landesregierung auf die Situation bei Tennet angemessen und konsequent reagieren.

Zwangskapitalisierung, Einstieg der KfW oder Deutsche Netzgesellschaft. Was wollen Sie? Wann können wir mit Taten rechnen?

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Wenzel. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Herzog!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die blauäugigste Binsenweisheit hatte nach dem kürzlichen Energiegipfel Angela Merkel parat. Zitat: „Wir haben heute festgestellt, dass alles mit allem zusammenhängt.“ Das hatte ungefähr so viel Karat wie das Bonmot unseres schwäbischen Englischlehrers Oettinger: „We all sit in one boat.“

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Immerhin sagen aber beide damit irgendwie auch, was die SPD bisher nicht schnallt: Es müssen endlich 17 protektionistische, egoistische deutsche Energieprogramme zusammengeführt werden.

Die Netzagentur rudert bei ihren Netzausbauplänen um bis zu ein Drittel zurück. - Das sagen wir hier seit Jahren. - Dabei beachtet sie noch nicht einmal eine klug über Deutschland verteilte, arbeitsteilige, erneuerbare Erzeugung. Sie bleibt lämmerschwänzig bei Lastverschiebung und Lastabwurf und blind beim Zusammenschalten von Offshorewindkraft mit Norwegens Pumpspeichern.

(Beifall bei der LINKEN)

Schnellstens brauchen wir die Rückführung der Leitungshoheit in die öffentliche Hand, und zwar im doppelten Sinne.

Herr Hocker, Herr Bäumer, Ihre eigene Große Anfrage zur Energie hat alle Mankos entlarvt: eine zersplitterte Forschungslandschaft, ganze sechs Forschungsprojekte in Niedersachsen, halbierte Haushaltsansätze z. B. bei der Brennstoffzelle und obendrauf noch Rösler als schlechter Planwirtschaftler, Missionar gegen die Erneuerbaren, der höchst effizient alles auf die Verbraucher abwälzt.

Auch nach diesen fünf Jahren ist diese Regierung ein lame duck, die das Blaue vom Himmel salbadert.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Stratmann das Wort.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich war es über die Jahre immer wieder bemerkenswert, wie es die Opposition jeweils schafft, auch aus Themen, bei denen im weitesten Sinne Konsens vorherrscht, wieder kritische Debatten zu basteln, wie gerade wieder geschehen.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Früher war das einmal anders, nicht wahr?)

Die Regierungsfraktionen sind doch viel weiter, als Sie hier den Anschein erwecken. Ihre Forderungen sind längst weitestgehend in das Energiekonzept der Landesregierung übernommen worden. Die Mittelsteigerung im Bereich der Energieforschung - das sage ich mit meiner Vergangenheit als ehemaliger Forschungsminister - ist wirklich signifikant. Darauf können und dürfen wir stolz sein. Wir spielen heute im oberen Drittel der deutschen Länder, was die Energieforschung anbelangt, mit. Das war 2003 - das muss ich Ihnen leider so sagen - mitnichten der Fall.

(Martin Bäumer [CDU]: Hört, hört!)

Natürlich kann man alles noch besser machen, natürlich kann man für alles noch mehr Geld ausgeben. Aber auch Sie wissen doch, dass da die Grenzen durchaus gezogen sind.

Lassen Sie mich einen Punkt aufgreifen, der mir in den letzten Monaten immer stärker aufgefallen ist und der sich weder in Ihren Anträgen wiederfindet noch zugegebenermaßen im Energiekonzept der Landesregierung. Wenn wir über steuerbare Smart Grids sprechen, dann müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass diese Smart Grids - also, wenn man so will, intelligente Leitungssysteme - nur dann wirklich funktionieren und einen echten Beitrag zur Energiewende leisten werden, wenn sie auch mit einem Paradigmenwechsel im Verbraucherverhalten verbunden sind, und dies sowohl bei den gewerblich-industriellen Verbrauchern als auch bei den privaten Verbrauchern.

Alle Forderungen, die sich hier finden, lieber Herr Wenzel, werden - da beißt die Maus keinen Faden ab - auch zu weiteren Strompreiserhöhungen führen. Das hat überhaupt nichts mit Hysterie zu tun. - Hierzu könnte ich mir fast eine Rede von Herrn Lies vorstellen; denn Hysterie kann er ja gut. - Das hat vielmehr damit zu tun, dass eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von 2 500 Euro nicht mehr in der Lage sein wird, diese Strompreiserhöhungen abzufangen.