Protokoll der Sitzung vom 10.12.2008

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Jetzt gib schon klein bei!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal kann man schon erstaunt sein.

(Björn Thümler [CDU]: Erschüttert!)

Da schüttet sich DIE LINKE über die angeblich negativen Folgen des Neoliberalismus aus, und dann wird einer der Fundamentaltexte des Neoliberalismus, nämlich die Freiburger Thesen, zitiert. Herr Sohn, Sie müssten einfach einmal begreifen, dass Sie mit dem, was Sie hier vorgetragen haben, Ihrer gesamten Argumentation der letzten Monate und Jahre den Boden wegziehen, weil Neoliberalismus bedeutet, dass man den Markt nicht laufen lässt, dass man staatliche Ordnungen braucht, wenn er über einen bestimmten Punkt hinausläuft. Das ist doch völlig klar.

(Lebhafter Widerspruch und Lachen bei der SPD und bei der LINKEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Oh ja! Gucken Sie mal bei Eucken!)

- Das können Sie bei Eucken nachlesen - da hat er völlig recht - und bei Röpke usw. usf. - Das ist hier aber nicht das Thema.

Herr Minister Hirche, ich muss Sie trotzdem unterbrechen und fragen, ob Sie gestatten, dass Frau Kollegin Flauger eine Zwischenfrage stellt.

Nein. - Ich will diese Diskussion mit falschen Thesen hier nicht fortsetzen, sondern nur sagen, dass sie mich an die uralte Geschichte von dem Syllogismus mit dem Fuchs erinnert. Sie wissen: Aristoteles war ein alter Fuchs. Füchse haben vier Beine. Also hatte Aristoteles vier Beine. - Das ist die Art der Argumentation, die hier von der Linken kommt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich darf Folgendes in Erinnerung rufen: Der Landtag hatte mit der Novelle zum 1. Januar 2006 das

Landesvergabegesetz auf den Baubereich beschränkt und eine Befristung bis 2008 beschlossen. Damals wurde zugleich die Eingangsschwelle für Vergabeverfahren auf 30 000 Euro heraufgesetzt. Schwerwiegende Nachteile infolge der Änderungen am Gesetz wurden damals von der Opposition, insbesondere von den Gewerkschaften und auch von einigen Verbänden heraufbeschworen. Nichts davon ist eingetreten, meine Damen und Herren. Deswegen besteht heute auch überhaupt kein Grund dafür, den Anträgen der SPD zu folgen. Sie wollen in die eigene Vergangenheit zurück, in die Zeit vor 2003. Aber eine wirkliche Notwendigkeit dazu wird nicht genannt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben gerade gehört, dass die Linke das Gesetz gar auf alle öffentlichen Aufträge ausdehnen und die Gelegenheit nutzen will, in etlichen Branchen einen Mindestlohn von 8 Euro einzuführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber - das hat die Kollegin König eben gesagt, und Herr Schminke hat es bestätigt -: Sie ignorieren dabei, dass es für das Baugewerbe einen bundesweit für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag gibt, an den auch Unternehmen aus Entsendestaaten gebunden sind.

Meine Damen und Herren, uns liegt jetzt ein schlanker Gesetzentwurf vor, der sich auf wenige Regeln beschränkt. Ich sage ausdrücklich: Formal hätte auch ein Erlass genügt. Mit der gesetzlichen Regelung wird aber der Bedeutung des Vergabeverfahrens Rechnung getragen.

Ich will extra noch auf zwei Punkte hinweisen. Einen dieser Punkte hat Herr Schminke angesprochen. Zu der Schwelle von 30 000 Euro ist zu sagen, dass wir parallel eine Änderung der NGO vorgenommen haben, mit der für den Innenminister eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen wurde, für die Gemeinden Vergaberegeln unterhalb der erwähnten Schwelle zu treffen. Wir haben ausdrücklich eine solche Regelung getroffen.

Zweitens weise ich noch einmal auf § 5 des Gesetzes hin, in dem das Prüfungsrecht bei nach unten abweichenden Angeboten und die Pflicht zur Prüfung bei Angeboten, die um mehr als 10 % von dem nächsten darüber liegenden Angebot abweichen, festgelegt werden. Ich glaube, dass dies berechtigt ist. Es handelt sich hier um einen wichtigen Punkt.

Eine wichtige Regelung betrifft natürlich auch die Tariftreueerklärung. Diese Regelung musste getroffen werden, nachdem der Europäische Gerichtshof die bisherige Vorschrift als europarechtswidrig eingestuft hatte. Auf weitergehende Regelungen, insbesondere ob und unter welchen Voraussetzungen die Bezugnahme auf regionale, nur in Niedersachsen geltende Tarifverträge mit dem europäischen Recht zu vereinbaren ist, wurde im Gesetzentwurf aus guten Gründen verzichtet. Es gibt meines Wissens bisher in der gesamten Bundesrepublik keine derartigen regionalen Tarifverträge, die den Anforderungen der EuGH-Entscheidung entsprechen würden. Am Vorrang der Regelungsbefugnis für Tarifvertragsparteien ist aber unbedingt festzuhalten. Die Tarifautonomie ist in diesem Zusammenhang für mich das überragende Gut.

Insofern zeigt der vorliegende Entwurf, dass die Koalitionsfraktionen einen sachlich und politisch soliden Text vorgelegt haben. Er richtet sich an dem obersten Ziel aus, das dieser Landtag hat, nämlich an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger, nicht an den Interessen einzelner Gruppen, weder einzelner Wirtschaftsverbände noch einzelner Gewerkschaften. Ein Parlament, ein Landtag muss sich immer an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger orientieren. Dem trägt dieser Gesetzentwurf Rechnung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst über Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses ab, führen also die Einzelberatung und die Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP durch, der Ihnen zur Annahme empfohlen wird.

Zu Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses, die den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD betrifft, liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/725 vor. Da die Beschlussempfehlung auf Ablehnung des Gesetzentwurfes lautet, entfernt sie sich inhaltlich weiter vom Gesetzentwurf als der Änderungsantrag, der eine Annahme des Gesetzentwurfes mit Änderungen zum Ziel hat. Wir stimmen daher logischerweise zunächst über die Beschlussempfehlung des Aus

schusses und, falls diese abgelehnt wird, dann über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/725 ab.

Anschließend kommen wir zur Abstimmung über Nr. 3 der Beschlussempfehlung, die auf Ablehnung des Antrages der Fraktion DIE LINKE lautet.

Wir kommen jetzt also zunächst zur Abstimmung über Nr. 1 der Beschlussempfehlung. Ich rufe auf:

§§ 1 bis 9 und Gesetzesüberschrift. - Insgesamt unverändert.

Wir kommen damit schon zur Schlussabstimmung.

Wer möchte dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben? - Wer dagegen stimmt, möge sich bitte jetzt erheben. - Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es rückt zu- sammen, was zusammengehört! - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das können nur diejenigen sagen, die in einer Sandwichposition sind!)

- Möchten Sie zwischen den Gängen noch weiter diskutieren? Dann unterbreche ich die Sitzung kurz.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Nr. 2 der Beschlussempfehlung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD in der Drs. 16/48 ablehnen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit wurde der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt. Nach § 31 Abs. 3 und 4 der Geschäftsordnung des Landtages ist damit zugleich der Änderungsantrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/725 abgelehnt worden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Nr. 3 der Beschlussempfehlung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/43 (neu) ablehnen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit wurde der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt. Herzlichen Dank.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung dienst

rechtlicher Vorschriften - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 16/540 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/713 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/744

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme mit Änderungen.

In der allgemeinen Aussprache hat als Erster Herr Kollege Wiese für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe vor der spannenden Aufgabe, Ihnen die Regelung dienstrechtlicher Vorschriften zu erläutern und gleichzeitig etwas Zeit einzusparen. Ich stelle es mir so vor, dass ich die allgemeine Regelung vorstelle, die unstrittig ist, und dann einige wenige Sätze zu dem sage, was im Ausschuss strittig war. Darauf könnten sich auch die Redner aller anderen Fraktionen beschränken. Dann hätten wir das anvisierte Ziel gemeinsam erreicht.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Worum geht es? - Wir regeln mit diesem Vorgriff auf die eigentliche Dienstrechtsnovelle, die wir im Frühjahr 2009 gemeinsam verabschieden werden, einige Dinge, die sinnvoller- und vernünftigerweise jetzt schon im Vorfeld geregelt werden sollten. Diese Regelungen sind im Ausschuss unstrittig gewesen. Ich will an dieser Stelle einen Punkt besonders herausheben. Dieser Punkt ist unter dem Stichwort unterhälftige Teilzeitbeschäftigung zusammenzufassen. Unterhälftige Teilzeitbeschäftigung ist etwas, was wir im Bund und in vielen Bundesländern haben. In Niedersachsen hatten wir es bisher nicht. Wir werden heute unseren Beitrag dazu leisten, dass wir auch in diesem Bereich eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Wir erreichen dieses Ziel gemeinsam. Zukünftig wird es den Beamtinnen und Beamten aus dem Land, aber auch aus den Kommunen möglich sein, auch unterhälftig beschäftigt tätig zu sein, bei Betreuung oder Pflege mindestens eines Kindes unter 18 Jahren ihre Arbeitszeit also auf weniger als die Hälfte zu reduzieren.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Das gilt im Übrigen auch für den Bereich der Pflege. Wer die Vereinbarkeit von Familie und Beruf will, muss sich eben dazu bekennen, dass das Tragen von Verantwortung in einer Familie zwischen den Generationen nicht nur in einer Richtung, sondern in beiden Richtungen stattfindet, dass also auch die jüngere Generation Verantwortung für die ältere übernimmt.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Die maximal mögliche Nutzung dieser Regelung haben wir verlängert. Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass wir damit auch Mehrkosten für den Landeshaushalt verursachen. Damit tun sich CDU und FDP tendenziell vielleicht etwas schwerer als die andere Seite des Hauses. Wir stehen in diesem Fall aber trotzdem dazu, und zwar aus drei wesentlichen Gründen.

Erstens. Wer von Vereinbarkeit von Familie und Beruf redet, muss auch handeln. In diesem Bereich müssen wir auf persönliche Lebenssituationen Rücksicht nehmen. Die persönliche Lebenssituation von Familien bedeutet eben nicht, dass man in der Frage, wie viel man arbeiten kann, nur eine Aufteilung im Sinne von gar nicht, zur Hälfte oder komplett vornehmen kann, also nur im Sinne von Schwarz, Grau oder Weiß aufteilen kann. Das Leben ist bunt. Deshalb erhöhen wir hier die Vielfalt und erweitern die Möglichkeiten, Familie und Beruf miteinander zu verbinden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)