Protokoll der Sitzung vom 15.01.2009

Meine Damen und Herren, ein Freiwilliges Soziales Jahr Politik ist für uns ein Jahr für die Zukunft, ein Jahr für unsere Demokratie. Analog zu den bisherigen FSJ-Plätzen sollte nach unserer Einschätzung das Land jeweils monatlich einen bestimmten Betrag übernehmen. So sind wir der Landesregierung ausgesprochen dankbar, dass sie diesen bereits für unsere Beratung im Dezember 2008 in den Haushaltsplanentwurf 2009 eingesetzt hat.

Wir gehen von einem breiten Konsens zu diesem Antrag aus. Ich habe aus der Vergangenheit noch in Erinnerung, wir waren uns auch beim Freiwilligen Sozialen Jahr in den Bereichen Soziales und Kultur einig, und beantrage insofern ganz optimistisch sofortige Abstimmung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt Herr Klein von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Klein!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Vockert hat sehr dezidiert ausgeführt, was das FSJ im Konkreten bedeutet, und auch die Hintergründe ihres Antrages dargelegt. Da stimme ich Ihnen in vielen Punkten durchaus zu. Wir begrüßen Ansätze, die zur größeren Transparenz in der Politik, zur höheren Beteiligung junger Menschen an politischen Prozessen und damit auch zu einer besseren Akzeptanz unseres Systems führen.

Dazu dient unserer Ansicht nach aber vordringlich, dass junge Menschen an politischen Entscheidungen beteiligt und nicht nur aus polittaktischen Gründen einbezogen werden. Da liegt es hier vor allem an jedem Einzelnen von uns, inwieweit wir die Bedürfnisse gerade dieser Wählergruppe in unserem politischen Alltag ernst nehmen und damit Vertrauen schaffen können.

(Beifall bei der SPD)

Da liegt der Schlüssel zu mehr Interesse und zu einer höheren Wahlbeteiligung; Sie sprachen das Fernbleiben von den Wahlen an. Junge Wählerinnen und Wähler - das gilt übrigens für ältere gleichermaßen - wählen dann, wenn sie ihren Kandidaten kennen und sehen, und zwar nicht nur sporadisch immer wieder vor Wahlen, und wenn sie wissen, dass dieser ihre Sorgen ernst nimmt und sich für sie einsetzt, ihnen gegenüber aber auch ehrlich ist, wenn eine Hilfe nicht möglich scheint. Viel Vertrauen und damit Verständnis für Politik können Sie über Multiplikatoren in der ehren- und hauptamtlichen Jugendarbeit schaffen, die genau einschätzen können, ob Ihnen etwas an Politik und an der Jugendarbeit liegt. Das merken übrigens auch FSJler in ihrem täglichen Arbeitsablauf.

Nun scheint Ihnen Jugendarbeit ja ganz besonders am Herzen zu liegen, zumindest führen Sie das immer wieder aus.

(Zustimmung von David McAllister [CDU])

Die Realität sieht leider etwas aus. Ihre Kürzungen in der letzten Wahlperiode im Bereich der Jugendarbeit haben Sie mitnichten zurückgenommen, nicht einmal unbedingt reduziert.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Ich darf das hier einmal ausführen: die komplette Streichung der Fördermittel für zentrale modellhafte Freizeit- und Erholungsmaßnahmen, die komplette Streichung der Fördermittel zum Ausgleich von Verdienstausfall für Jugendleiterinnen und Jugendleiter, die komplette Streichung der Fördermittel für die Jugendarbeit in strukturschwachen Gebieten, die komplette Streichung der Programme für Mädchenförderung in der Jugendarbeit, die massive Kürzung der Fördermittel für verbandliche Bildungsstätten auf jetzt 50 000 Euro je Jahr, die zum Verkauf von verbandseigenen Häusern geführt hat, und natürlich die Streichung von millionenschweren Impulsprogrammen im Rahmen unseres Kinder- und Jugendplans 2002/2003. Dafür haben Sie ein Modellprojekt mit 50 000 Euro ausgestattet. 2003 hatten Sie aber über 2 Millionen Euro gestrichen.

(Zustimmung bei der SPD - Johanne Modder [SPD]: Unglaublich!)

Sie haben den Landesjugendhilfeausschuss durch ein - mit Verlaub - zahnloses Gremium ersetzt, das Landesjugendamt aufgelöst, und - das finde ich besonders interessant und auch scheinheilig, gerade weil Sie in Ihrem Antrag für Verständnis von und für Politik sprechen und mehr Interesse an Politik erreichen wollen - Sie haben die hervorragende Arbeit der Landeszentrale für Politische Bildung mit einem Federstrich vom Tisch gefegt.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Oh! bei der CDU)

Der Ansatz, den Sie in Ihrem Antrag ausführen und dargestellt haben, ist im Grunde ja nicht verkehrt. Aber ich appelliere an Sie, sich auch in konkreten politischen Entscheidungen für Jugendarbeit stark zu machen. Mir fehlt etwas - ich hoffe, zu Unrecht - der Glaube daran; denn auch in dieser Legislatur fehlen deutliche Signale. Bei der Einbringung des Haushalts im Ausschuss: kein Wort zur Jugendpolitik, nicht einmal zur teilweisen Wiedereinführung des Ausgleichs bei einem Verdienstausfall. Das ist scheinbar nicht Ihr Thema. Auch wenn Sie im Anschluss vielleicht wieder Ihre Maßnahmen beim Kinderschutz, mit Runden Tischen und Preisauslobungen nennen werden: Das ist für uns nicht die Jugendarbeit, die wir wollen und der Sie in den letzten fünf Jahren massiv geschadet haben.

Um für mehr Akzeptanz für Politik bei jungen Menschen zu werben und diese zu erreichen, gibt es in erster Linie andere Wege, vor allem durch eine gute Jugendpolitik. Hier, meine Damen und Herren, haben Sie noch reichlich Luft nach oben.

(Beifall bei der SPD)

Aber wir stehen Ihrem Antrag offen gegenüber

(Zustimmung von Gesine Meißner [FDP])

- das muss ich ja zugeben -, weil wir für eine Ausdehnung der freiwilligen Dienste sind. So ist auch Ihre Intention. Wir gehen aber auch davon aus, dass Sie auch unserem Antrag, nämlich dem Freiwilligen Sozialen Jahr bei der Freiwilligen Feuerwehr - das haben wir in einem anderen Entschließungsantrag parallel beantragt -, zustimmen werden, weil Ihre Argumente da genauso zutreffen wie beim FSJ Politik.

(Beifall bei der SPD - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Da können wir ja auch direkt abstimmen!)

Es sind noch viele Fragen bezüglich der Stellen zu klären, an denen Plätze angeboten werden können. Die FDP hat z. B. in Sachsen-Anhalt, meine ich, vorgeschlagen, solche Angebote auch bei Stadtrats- und Kreistagsfraktionen anzusiedeln. Diesen Ansatz könnte man auch verfolgen. Es stellt sich auch die Frage, ob die 30 000 Euro, die Sie in den Haushalt eingestellt haben, eine Anschubfinanzierung sind oder ob diese Mittel dauerhaft eingestellt werden. Das würden wir begrüßen; denn dann wäre der Effekt längerfristig und nachhaltig. In diesem Sinne könnten wir dann auch Ihrem Antrag zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus unserer Sicht ist der von den Regierungsfraktionen vorgelegte Antrag quantitativ und qualitativ noch nicht zu Ende gedacht - Ich muss mein Konzept jetzt etwas über den Haufen werfen, da ich gerade gehört habe, dass sofortige Abstimmung beantragt worden ist.

Da wir auf der einen Seite der Auffassung sind, dass Engagement im Politikbereich notwendig ist und dem auch über ein freiwilliges Jahr oder über einen freiwilligen Dienst in ehrenamtlicher Tätigkeit Rechnung getragen werden kann, aber auf der anderen Seite meinen, dass der vorliegende kurze und nur sehr kurz begründete Antrag nicht in das FSJ-Konzept passt, appelliere ich an Sie, den Antrag zunächst in den Ausschuss zu überweisen, damit wir ihn zumindest noch einmal im Ausschuss beraten können, um zu einer Umbenennung zu kommen.

Ich will auch begründen, warum dieser Antrag nicht in das FSJ-Konzept passt. Seit 1964 gibt es die gesetzliche Grundlage für das Freiwillige Soziale Jahr. Das Konzept hat sich immer weiter entwickelt. Dabei werden bestimmte Maßstäbe angelegt, welche Ziele erreicht werden sollen. Ich nenne die Punkte Entfaltung und Stabilisierung der Persönlichkeit, Förderung von Kritik- und Kooperationsbereitschaft - insoweit passt der Antrag ins Konzept -, Anregung zu eigenverantwortlichem sozialen Handeln, Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle im Arbeitsfeld, Kennenlernen der typischen sozialen Berufsfelder, Erarbeitung praxisrelevanter Themen, Diskussion brisanter gesellschaftlicher Themen. Die Angebote im Rahmen des FSJ sollen zusätzlich sein; andere Beschäftigungsverhältnisse sollen nicht tangiert werden. Zum einen passt aus unserer Sicht Ihr Konzept zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr Politik vor diesem Hintergrund nicht in das Konzept des FSJ. Ihr Konzept müsste noch überarbeitet oder zumindest umbenannt werden, damit es passt.

Zum anderen werden für das FSJ auch Bundesmittel zur Verfügung gestellt. In Vorbereitung auf diese Debatte habe ich mich darüber informiert, aus welchen Töpfen die FSJ-Mittel - z. B. für das FSJ Kultur oder das Freiwillige Ökologische Jahr - kommen. Mir ist gesagt worden, dass das Mittel aus unterschiedlichen Töpfen sind, mit denen unterschiedlich umgegangen wird. Wir haben die Sorge, dass bei dem aktuellen Istzustand noch nicht einmal der zurzeit existierende Bedarf an Plätzen - z. B. für das FSJ Kultur und das FÖJ - gedeckt werden kann. Die Mittel reichen schon jetzt nicht aus, um entsprechende Angebote vorhalten zu können. Das ist aus unserer Sicht ein Riesenproblem. Wir wollen zunächst eine Anpassung des Angebots an die Nachfrage erreichen, bevor wir ein neues Konzept, das in das FSJKonzept integriert werden soll, auf den Weg bringen.

Von einem Träger des FSJ in Göttingen - ich nenne nicht den Namen, aber es gibt dort nur zwei; das können Sie selbst recherchieren - habe ich gehört, dass derzeit 50 Stellen zur Verfügung stehen, die auch besetzt werden. Aber nur 27 Stellen davon werden gefördert. Das ist ein Missverhältnis. Auch vor diesem Hintergrund bitte ich darum, dass wir das von Ihnen vorgeschlagene Konzept im Ausschuss diskutieren und prüfen, ob es in das FSJ-Konzept integrierbar ist.

(Glocke des Präsidenten)

Sicherlich ist es unser gemeinsames Interesse, etwas gegen die allgemeine Politikverdrossenheit zu tun. Darüber besteht Konsens. Aber ob der von Ihnen vorgelegte Antrag dazu das richtige Mittel ist, stellen wir infrage. Deshalb appelliere ich an Sie, noch einmal in sich zu gehen.

Ich bin ein bisschen davon überrascht worden - ich komme jetzt auch zum Schluss, Herr Schwarz -, dass sofort über diesen Antrag abgestimmt werden soll. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir heute schon einen Änderungsantrag einbringen können; das hatten wir uns für die Ausschussberatungen vorbehalten. - Also, denken Sie noch einmal darüber nach.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt spricht Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu diesem Tagesordnungspunkt. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Regierungsfraktionen bereits mit ihrem Änderungsantrag zum Haushaltsplanentwurf entsprechende Mittel eingestellt haben, reichen Sie nun zum Zwecke der öffentlichen Abfeierung diesen Antrag nach. Er kommt relativ schlank daher, vor allem in der Begründung: Sie führen im Wesentlichen die sinkende Wahlbeteiligung und das mangelnde Interesse junger Menschen an Politik an. Dem soll nun durch das Freiwillige Soziale Jahr Politik entgegengewirkt werden. Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen, meine Damen und Herren.

(David McAllister [CDU]: Ach wie großzügig!)

Allerdings wundert mich das Verfahren etwas. Es finden offensichtlich schon Gespräche des Sozialministeriums mit infrage kommenden Institutionen statt, dabei hat das Parlament über den Antrag bis jetzt weder beraten, geschweige denn ihn beschlossen. Im Wesentlichen geht es heute also um eine Showveranstaltung. Wenigstens wird es eine sofortige Abstimmung geben, sodass die Gespräche, die nächste Woche stattfinden, auf einem Beschluss des Parlaments beruhen. Das finde ich jedenfalls beruhigend. So viel zum Verfahren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Zum Inhalt des Antrags ist schon einiges gesagt worden. Ich finde den Antrag jedenfalls vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie es an anderer Stelle mit der Beteiligung junger Menschen nicht ganz so ernst meinen, schon bemerkenswert. Wir haben im Landtag beispielsweise bei der Änderung des Schulgesetzes darüber diskutiert, wie viele Mitsprachemöglichkeiten junge Menschen im Schulvorstand haben sollen. Sie haben sich unseren weitergehenden Vorstellungen verweigert. Dabei ist gerade die Schule der Bereich, in dem Kinder und Jugendliche wesentliche Partizipationserfahrungen sammeln können - oder auch nicht, wenn es nach Ihnen geht.

Wenn Sie sich unserem von Jugendforschern unterstützten Vorschlag, das Wahlalter abzusenken, angeschlossen hätten, dann wäre viel für das Interesse junger Menschen an Politik getan worden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erinnere auch an die Abschaffung der Landeszentrale für Politische Bildung. Auch dies war in diesem Zusammenhang kein Meisterstück.

Meine Damen und Herren, Jugendliche sind ja nicht per se desinteressiert, wie verschiedene Studien immer wieder erläutern. Sie engagieren sich in großer Zahl in Vereinen, Schulen und Hochschulen. In den Kommunen sieht es anders aus: 60 % der Jugendlichen gaben laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung an, nie oder selten in ihrem Wohnort mitgewirkt zu haben. Hier bleibt noch viel zu tun; denn gerade in ihrem Wohnort können Jugendliche sehr wichtige Erfahrungen sammeln. Wir werden ja sehen, wie Sie sich zu unserem Vorschlag verhalten, die Landesbauordnung zu ändern und Kindern und Jugendlichen bei der Gestaltung von Spielplätzen - also ihres ureigensten Lebensraums - mehr Mitspracherecht zu geben und sie verbindlich in die Planungen mit einzubeziehen. Ich fürchte allerdings, dass Sie auch hier Ih

ren Lippenbekenntnissen keine Taten folgen lassen werden.

An einer genehmigten Demonstration teilgenommen haben übrigens 26,6 % der Jugendlichen - auch dies ist ein Ausdruck politischen Interesses, würde ich sagen. Es ist natürlich zu befürchten, dass gerade in Niedersachsen, wie die Reaktionen auf die letzte Schülerdemonstration gezeigt haben, Kinder und Jugendliche eher davon abgeschreckt werden, von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen, wenn sie pauschal kriminalisiert werden. Dabei hat die überwiegende Zahl von ihnen die Bannmeile nur aus Versehen verletzt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ein Problem im Zusammenhang mit diesem Vorschlag ist auch, dass die Finanzierung nicht klar geregelt ist. Sie ist schon bei den bestehenden Sozialen Jahren sehr kritisch. Grundsätzlich gibt es eine Bundesförderung, die allerdings seit zwei Jahren nicht aufgestockt worden ist. In Niedersachsen gibt es für die Sozialen Jahre regelmäßig deutlich mehr Bewerber, als Plätze zur Verfügung stehen. Die Träger können die Finanzierung alleine nicht schaffen, weil die Förderung des Landes dafür nicht ausreicht.