Nun gibt es ja noch das Schulstarterpaket. 100 Euro sind besser als nichts. Aber warum eigentlich nur bis zur 10. Klasse?
Ich sage es Ihnen: Die CDU hat verhindert, dass dieses Geld auch in der Oberstufe gezahlt wird. Dies verdeutlicht wieder einmal, wes Geistes Kind die Familien- und Bildungspolitik der Union ist.
Sie gibt mit der Beschränkung des Starterpakets bis zur 10. Klasse das fatale Signal, dass Kindern aus sozial schwachen Haushalten der Weg zum Abitur nicht zugetraut wird. Noch schlimmer: Die Union erschwert diesen Weg sogar für diese Kinder und zementiert damit einmal mehr die Auslese im deutschen Bildungssystem.
Übrigens hat die Bundesregierung jetzt flugs angekündigt, dass mit der kleinen Maßnahme, den Regelsatz für die 6- bis 13-Jährigen zu erhöhen, aus ihrer Sicht dem Anliegen des Bundesrates, die Regelsätze zu überprüfen und dem Bedarf anzupassen, Rechnung getragen wurde. Das ist eine Verhöhnung der armen Familien, aller Menschen, die in den Tafeln arbeiten, die sich um diese Kinder kümmern, und auch aller Sozialverbände, die seit Langem die Anpassung der Regelsätze fordern.
Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Landtag schon des Öfteren über das Ausmaß der Kinderarmut in diesem Land diskutiert, und wir haben Sie immer wieder zum Handeln aufgefordert. Immer wieder stellen wir fest, dass die Armen außer warmen Worten von Ihnen nicht viel zu erwarten haben. Von warmen Worten sind aber noch
kein Wintermantel und kein Schulranzen gekauft, sind keine Musikstunde und kein Schulausflug bezahlt.
Wir wollen deshalb drei Dinge: Erstens. Wir wollen als Sofortmaßnahme die Regelsätze der Kinder nach dem SGB XII - also der Sozialhilfe - rückwirkend ab dem 1. Januar um den Betrag der Kindergelderhöhung erhöhen. Dies kann das Land übrigens in eigener Verantwortung beschließen; es muss dabei nicht auf Bundesratsinitiativen oder sonst irgendetwas warten. Das wäre ein erstes Zeichen.
Zweitens fordern wir die Landesregierung auf, im Bundesrat eine Gesetzesinitiative einzubringen mit dem Ziel, im SGB II, also beim Arbeitslosengeld II, die Regelsätze für Kinder sofort rückwirkend ab 1. Januar 2008 um den Betrag der Kindergelderhöhung zu erhöhen. Das ist wirklich nicht mehr als gerecht.
Dazu gibt es drittens noch unseren Antrag vom September 2008 im Verfahren, mit dem wir Sie zu einer Gesetzesinitiative mit dem Ziel auffordern, die Regelsätze für Kinder bedarfsgerecht zu ermitteln und zu erhöhen. Nach den jüngsten Entwicklungen, nämlich den Ankündigungen, dass der Bund jetzt wirklich überhaupt nichts mehr machen will, sollte die Beratung darüber so schnell wie möglich geführt werden.
Jedes Kind, das in Armut lebt, ist eines zu viel. Ich sage Ihnen: Wenn dieses Land das Geld dafür hat, das Verschrotten eines Autos mit 2 500 Euro zu subventionieren, dann muss auch das Geld da sein, um Kinder aus der Armut zu holen und ihnen gerechte Chancen zu geben.
(Beifall bei den GRÜNEN - Astrid Vo- ckert [CDU]: Die stellen Sie auch al- lein auf! - Norbert Böhlke [CDU]: Hier geht es um Arbeitsplätze!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder unfassbar, mit welchen Krokodilstränen die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier auftritt und Inhalte vertritt und Sachen anprangert, für deren Umsetzung sie in Berlin maßgeblich mit beigetragen hat. Das ist so etwas von verlogen! Das ist zynisch, das ist wirklich zynisch.
Die Hartz-IV-Empfänger werden Ihnen das nicht abnehmen, besonders bei diesem dünnen Antrag, den Sie hier vorgelegt haben. Erklären Sie mir einmal, wie das, was Sie hier angesprochen haben, nämlich eine Erhöhung um 10 Euro für Hartz-IV-Empfänger - Sie sprechen auch von Winterkleidung, Schulmaterial usw. - - -
Indirekt geben Sie noch nicht einmal zu, dass Sie für die Umsetzung der Agenda 2010 verantwortlich sind. Das ist schäbig.
- Ich hoffe, Sie hören trotzdem noch weiter zu. Denn ich möchte Sie auch noch daran erinnern, dass Sie im Bundestag sämtliche Initiativen der Linken, die genau in die Richtung zielen, die Sie hier anprangern, nach wie vor ablehnen. Das ist auch in den letzten Bundestagsdebatten geschehen. Stellen Sie es hier dann nicht so dar, als wären Sie sozialpolitisch engagiert im Sinne von Hartz-IV-Empfängern!
(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Das ist ja hier eine schwere Stunde für die Grünen!)
Fakt ist, dass gerade Hartz-IV-Empfänger, gleich welchen Alters, Leistungsempfänger nach dem SGB XII oder Empfänger sonstiger Transferleistungen an der Armutsgrenze leben müssen. Ich erinnere insbesondere an Alleinerziehende. In Deutschland erhalten etwa 500 000 Kinder von Alleinerziehenden und 800 000 Kinder von alleinerziehenden Beziehern von Unterhaltsvorschussleistungen Leistungen nach Hartz IV, und bei wei
teren 2 Millionen Kindern von Alleinerziehenden werden bei dieser Kindergelderhöhung ohnehin nur 5 Euro ankommen. Sie wissen genauso wie wir alle, dass 2,5 Millionen Kinder in Deutschland in Armut leben. Das ist eine Schande!
Gerade diese wollen die Regierungsparteien in Berlin und Hannover weder an der Kindergelderhöhung partizipieren lassen, noch wollen sie die längst überfälligen Erhöhungen der Regelsätze vornehmen, wie sie u. a. der Paritätische Wohlfahrtsverband gefordert hat. Selbst die Berechnungen der Caritas gehen unter Berücksichtigung der Steigerung der Inflationsrate davon aus, dass man die Regelsätze für Kinder und Jugendliche eigentlich um 18 % erhöhen müsste.
Selbst diese Hinweise von Organisationen und Fachleuten, die man bestimmt nicht als Vorfeldorganisationen der Partei DIE LINKE bezeichnen kann, werden von den Regierenden ignoriert.
Vor diesem Hintergrund ist der Antrag der Grünen - ich habe bereits am Anfang darauf hingewiesen - eher sehr bescheiden. Sie wollen erreichen, dass die Regelsätze der Kinder um den Betrag der Kindergelderhöhung aufgestockt werden. Ich wollte das erst nicht glauben. Zu diesem Punkt sage ich aber nichts weiter. Das ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein, der die Probleme dieser Klientel nicht lösen hilft.
Sie möchten mit diesem Antrag eher Ihre Regierungskompatibilität auch in Niedersachsen unter Beweis stellen - mehr nicht. Gleichzeitig stimmen Sie in Berlin gegen die Initiativen der Linken, die genau das, was Sie kritisieren, beseitigen wollen.
Erinnern möchte ich Sie auch daran, dass es die erste Kindergelderhöhung seit 2002 ist. In dem gleichen Zeitraum von 2002 bis 2008 sind die Verbrauchspreise um 12 % angestiegen,
Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Antrag mit seinen Forderungen alles andere als ein sozialpolitischer Meilenstein. Nach meiner Auffassung ist er eher peinlich.
Die Linke fordert zur Armutsbekämpfung und für soziale Gerechtigkeit die deutliche Anhebung aller Sätze und eine Abkehr von der Agenda 2010. Ich habe hier bereits einige Beispiele angeführt. Die Linke wird in ihren Forderungen auch von den Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften unterstützt. Das ist auch gut so.