Guten Morgen! Ich eröffne die 38. Sitzung im 13. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.
Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, Tagesordnungspunkt 32. Es folgt dann die Fortsetzung von Punkt 2, Eingaben. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte 33 bis 38 und danach die Tagesordnungspunkte 40 und 44.
Die Tagesordnungspunkte 39, 41 bis 43 und 45 wurden bereits gestern an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Justizminister Busemann ab 10 Uhr, von der Fraktion der CDU Herr Ahlers, von der Fraktion der SPD Frau Leuschner und das fraktionslose Mitglied des Hauses Frau Wegner.
Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt voraus. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich auch schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
„Der Haushalt fliegt der Regierung um die Ohren“ - Niedersachsen muss ein dramatisches Ergebnis der Steuerschätzung erwarten
Gestellt wird diese Frage von den Abgeordneten Renate Geuter, Markus Brinkmann, Dieter Möhrmann, Wiard Siebels und Detlef Tanke. Ich bitte, diese Mündliche Anfrage einzubringen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vom 12. bis 14. Mai 2009 tagt der Arbeitskreis Steuerschätzung und wird seine aktuelle Einschätzung der Einnahmeentwicklung von Bund, Ländern und Gemeinden veröffentlichen. Am 15. Mai 2009 soll das regionalisierte Ergebnis der Schätzung vorliegen, das die Steuereinnahmen für die einzelnen Bundesländer prognostiziert.
Bereits heute ist jedoch klar, dass die bisherigen Einnahmeerwartungen dramatisch nach unten korrigiert werden müssen. Die Rezession von 6 %, aber auch die steuerrechtsbedingten Mindereinnahmen, z. B. aus der Umsetzung der Verfassungsgerichtsentscheidung zur Pendlerpauschale, und die Rechtsänderungen aus den Konjunkturpaketen führen zu deutlichen Einnahmeverschlechterungen. Für das Jahr 2010 besteht bereits unter Zugrundelegung der alten, positiven Steuerschätzungen eine Unterdeckung von 985 Millionen Euro. In den Jahren 2011 und 2012 bestehen Defizite von 489 Millionen Euro bzw. 64 Millionen Euro. Diese „Handlungsbedarfe“ werden sich extrem vergrößern.
Am 29. April 2009 bewertete der Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler in Niedersachsen und Bremen, Bernhard Zentgraf, in der Bild die Lage in Bezug auf das Jahr 2010 wie folgt:
„Ich rechne mit einem Defizit zwischen 2,7 und 3 Milliarden Euro. … Jetzt sinken die Steuereinnahmen, und der Haushalt fliegt der Regierung um die Ohren.“
Pressemeldungen zufolge strebt Bundeskanzlerin Merkel Steuersenkungen nach der Bundestagswahl an. Ihr Ziel ist es, einen „Dreiklang von Schuldentilgung, Investition in Innovation und steuerlicher Entlastung“ zu erzielen.
Ministerpräsident Wulff hingegen unterstützt die Position der Kanzlerin in der Frage der Steuersenkungen.
„Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff sagte: ‚Ich halte eine große Steuerreform für Deutschland für zwingend erforderlich.‘“
1. Wie bewertet die Landesregierung die bereits vorliegenden Informationen aus der Steuerschätzung 2009, und welche Vorsorge hat sie für die sich seit mindestens sechs Monaten abzeichnende negative Entwicklung getroffen?
2. Wie wird die Landesregierung mit den sich konkret abzeichnenden dramatischen Einnahmeausfällen im laufenden Jahr und in den nächsten Jahren umgehen, und wird sie für 2009 einen weiteren Nachtragshaushalt vorlegen?
3. Wie bewertet die Landesregierung die Kritik an der Forderung der Bundeskanzlerin und anderer nach weiteren Steuersenkungen und die Zweifel verschiedener CDU-Ministerpräsidenten an deren Finanzierbarkeit, und welche Auswirkungen würde
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Arbeitskreis Steuerschätzung tagt, wie bereits bekannt, vom 12. bis zum 14. Mai 2009, also bis heute. Seit 8.30 Uhr wird schon weiter geschätzt. Für den 15. Mai 2009 wird das regionalisierte Ergebnis der Steuerschätzung erwartet, das die Steuereinnahmen für die einzelnen Bundesländer prognostiziert. Konkrete Zahlen können wir Ihnen deshalb nur in Vorausschau auf diese Regionalisierung vorlegen.
Aus jetziger Sicht ist davon auszugehen, dass der Arbeitskreis Steuerschätzung eine deutliche Reduzierung der bisherigen Einnahmeerwartungen prognostizieren wird. Anhaltspunkt ist die gesamtwirtschaftliche Wachstumsprognose - mit Wachstum hat das eigentlich nichts zu tun - der Bundesregierung, die nunmehr von einem Minuswachstum für dieses Jahr von real 6 % ausgeht.
Minus 6 % - das wäre ein bisher noch nie dagewesener Negativrekord. Wenn bisher negative Veränderungsraten auftraten, lagen diese höchstens bei minus 0,9 oder minus 0,8 %, etwa in den 70er- oder in den 90er-Jahren. Erfahrungen damit, wie sich ein Minus von 6 % als Folge einer Finanzmarktkrise für Beschäftigung und Steuereinnahmen tatsächlich auswirkt, wie schnell die Wirkungen eintreten und wie rasch eine Erholung möglich ist, gibt es folgerichtig nicht.
Um die Größenordnungen zu verdeutlichen: Nominal beinhaltet die Prognose der Bundesregierung einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 5,3 % oder in absoluten Größen einen Rückfall der Wirtschaftsleistung auf ein Niveau, wie es zwischen den Jahren 2006 und 2007 lag. Ein Rückfall der Steuereinnahmen in Niedersachsen auf ein Niveau zwischen den Jahren 2006 und 2007 würde Mindereinnahmen gegenüber 2009 in einer Größenordnung von etwa 2 Milliarden Euro bewirken. Nach vorläufigen Zahlen gehen wir im Moment davon aus - das müssen wir aber noch auf 50 bis 100 Millionen Euro genau korrigieren -, dass
wir in diesem Jahr ein regionalisiertes Steuerergebnis von minus 1,75 Milliarden Euro und im Jahr 2010 von minus von 3,25 Milliarden Euro bekommen, also für die beiden Jahre 2009 und 2010 ein Minus von 5 Milliarden Euro.
Die realwirtschaftlichen Folgen der Finanzmarktkrise erreichen Deutschland auf der Exportseite über eine Verringerung der Auslandsnachfrage und treffen daher exportorientierte Branchen schneller und härter als eher auf den Binnenmarkt orientierte Bereiche wie das Handwerk. Wirkungen und zeitliche Struktur der realwirtschaftlichen Folgen der Finanzmarktkrise werden daher ein sehr differenziertes Bild abgeben.
Die Erwartungen dramatischer Einnahmeausfälle stehen im Moment allerdings in einem gewissen Widerspruch zu der bisherigen Istentwicklung der Steuereinnahmen bis einschließlich April in Niedersachsen. In den ersten vier Monaten haben wir Mindereinnahmen gegenüber dem Soll in Höhe von knapp 150 Millionen Euro festzustellen. Die tatsächliche Einnahmeentwicklung in Niedersachsen ist also bisher im Saldo vergleichsweise stabil. Die Entwicklung einzelner Steuerarten zeigt dagegen durchaus extreme bis absurde Ausschläge: Der Landesanteil an den Umsatzsteuereinnahmen ist in den ersten vier Monaten zwischen 20 % und 103 % gegenüber dem jeweiligen Vorjahresmonat gestiegen, ohne dass hieraus eine tatsächlich dauerhaft positive Entwicklung hergeleitet werden könnte.
Normalerweise würde man sagen: Wenn die Umsatzsteuer deutlich über dem Soll liegt, dann ist das ein positives Zeichen. - Es ist aber ein negatives Zeichen. Warum? - Weil die Umsatzsteuer saldiert wird. Das heißt, wenn wir weniger exportieren, behalten wir mehr Umsatzsteuer, weil wir weniger Auslandsumsatzsteuer erstatten müssen. Wenn wir 100 Euro einnehmen und 50 Euro wieder erstatten müssen, dann behalten wir 50 Euro. Wenn wir diese 50 Euro nicht erstatten müssen, bleiben uns zwar 100 Euro. Aber gesamtwirtschaftlich ist das eine negative Entwicklung, weil wir nichts exportiert haben.