Zum ersten Fazit, nämlich unseren Schuldenmachern: Richtig ist, Herr Möllring, dass Sie die Landesregierung in einer schwierigen Finanzsituation übernommen haben. Die Einnahmen waren 2002 um 2 Milliarden Euro eingebrochen. Hinsichtlich der Neuverschuldung gab es eine hohe Ausgangslage. Sie war dieser Einnahmereduzierung und einigen Sonderlasten geschuldet; dies wissen Sie. Aber Sie haben in der 15. Wahlperiode sehr davon profitiert, dass die Einnahmen wieder gestiegen sind, und zwar bis 2007 um über 3 Milliarden Euro und im Jahr 2008 um 4 Milliarden Euro gegenüber der Ausgangslage 2002. Trotz dieser Situation haben Sie in der 15. Wahlperiode ausweislich Ihrer Haushaltsbeschlüsse eine Neuverschuldung von 10,245 Milliarden Euro vorgenommen, Sie haben 2,4 Milliarden Euro in Schattenhaushalte gesteckt, und Sie haben Vermögen des Landes in Höhe von 2,1 Milliarden Euro verkauft.
Kommen wir zur 16. Wahlperiode: Die jetzt von Ihnen vorgesehene Neuverschuldung liegt bei 8,7 Milliarden Euro. Wir haben davon auszugehen, dass noch ein Handlungsbedarf von 3,2 Milliarden Euro besteht, also aktuell ein Finanzloch von 11,9 Milliarden Euro.
Herr McAllister, Sie sind auf die Schuldenuhr in Ihrem Fraktionssaal doch immer so stolz. Wenn Sie dieses Finanzloch aus der 16. Wahlperiode abtragen würden - legen Sie jede Sekunde 1 Euro auf Ihre Schuldenuhr -, was meinen Sie, wie lange Sie brauchen? - 377 Jahre! Ich glaube, wenn er
sich das einmal genau vorstellt, denkt er vielleicht doch darüber nach, ob er nicht lieber Generalsekretär in Berlin werden will.
Ich stelle fest: Wir haben es mit einer eklatanten Neuverschuldung zu tun. Das sind Ihre Zahlen, Herr Möllring!
Sie erdreisten sich, nach der Kabinettsklausur über die Presseerklärung, in der Sie die Gesetzentwürfe vorstellen, die Überschrift zu schreiben - man stelle sich das einmal vor; ich zitiere -: Konsolidierungskurs wird fortgesetzt.
Die tatsächliche Neuverschuldung ist das eine, Herr Wulff. Ihre Reden zum Thema Neuverschuldung sind das andere. Im Jahre 2008 haben Sie im Bundesrat gesagt, Neuverschuldung sei unmoralisch. Es ist schon ganz ungewöhnlich, in der Finanzpolitik mit moralischen Kategorien zu agieren. Aber so sind Sie gestrickt; das haben wir zur Kenntnis zu nehmen. Sie haben in Ihrer Neujahrsrede 2009 am Silvesterabend gesagt, man dürfe nicht maßlos auf Pump leben, und deshalb dürfe es keine Neuverschuldung geben.
Diese Landesregierung war dreist genug, im Juni dieses Jahres - zu einem Zeitpunkt, zu dem der Haushaltsbeschluss im Kabinett schon vollzogen war - eine Broschüre zu veröffentlichen, die im finanzpolitischen Teil damit endet, Herr McAllister, dass die Schuldenuhr gerade angehalten werden kann.
(Lebhafter Beifall bei der SPD - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Ignorant! - Gerd Ludwig Will [SPD]: Unglaublich!)
Herr Wulff, Sie als gläubiger Katholik sind doch in der Kirchengeschichte bewandert und werden sicherlich den Kirchenvater Augustinus kennen. Für die Nichtgläubigen: Das war ein sehr sexbesessener Mann.
- Entschuldigung, ich kann nichts dafür! - Herr Wulff, Sie und Ihre Finanz- und Steuerpolitik erinnern mich an den heiligen Augustinus. Von dem stammt nämlich der schöne Satz: Lieber Herr, gib mir Keuschheit und Enthaltsamkeit - aber bitte etwas später.
Kommen wir zum zweiten Vorwurf, nämlich zu den Taschenspielertricks: Diese Landesregierung hat einen Nachtrag eingereicht und will die Neuverschuldung in diesem Jahr auf 2,3 Milliarden Euro erhöhen, meine Damen und Herren. Ist das eine Überraschung? - Für Kenner eigentlich nicht.
Interessant ist, dass Herr Wulff in diesem Haus am 14. Mai erklärt hat: Wir brauchen eigentlich gar keinen Nachtragshaushalt. - In der gleichen Woche ist aber die Steuerschätzung zu dem Ergebnis gekommen, dass auf Niedersachsen in diesem Jahr im Worst-case-Fall Mindereinnahmen von 1 Milliarde Euro zukommen.
Interessant ist auch, Herr Möllring, dass in meiner früheren Heimatzeitung, den Schaumburger Nachrichten, in der letzten Woche von Ihnen das Zitat gebracht wird, dass die Einnahmeseite des Landes stabil und erfreulich gut ist. Das heißt, sie ist gar nicht so brisant, wie in der Steuereinschätzung im Mai veranschlagt, meine Damen und Herren. Gleichwohl wird ein Kabinettsbeschluss gefasst, der 1 Milliarde Euro mehr Neuverschuldung zum Ziel hat, als es überhaupt denkbar und notwendig ist, meine Damen und Herren. Was steckt dahin
ter? - Man kann es sich so einfach machen wie Herr Möllring. Er wird mit dem Satz zitiert: Bis zu 1 Milliarde Euro kann man ruhig einmal hin und her schieben.
Mit Klarheit, Wahrheit und den Anforderungen des Haushaltsrechts hat dies wohl nichts zu tun; dies muss jedem klar sein.
Es geht gar nicht um Wahrheit und Klarheit, sondern bei diesem Nachtragshaushalt geht es um reine, schnöde Taktik, meine Damen und Herren. Herr Wulff, Sie waren so offen, im Mai hier im Plenum zu sagen, dass Sie bei der Haushaltspolitik für dieses und nächstes Jahr nur ein Ziel haben, nämlich beim Thema Nettoneuverschuldung auf jeden Fall die Drei vorne zu verhindern. Sie glauben, die These aufrechtzuerhalten, dass Sie die solideren Finanzler sind als die Sozialdemokraten.
Deshalb muss zwischen 2009 und 2010 hin und her geschoben werden, meine Damen und Herren. Jeder durchschaut diesen Trick aufs Erste. Das ist doch selbstverständlich.
(Lebhafter Beifall bei der SPD - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Das haben sogar wir gemerkt! Und wir sind neu hier!)
Deshalb werden wir Sie mit unserem Antrag zum Nachtragshaushalt konfrontieren, dass die Neuverschuldung nicht auf 2,3 Milliarden Euro, sondern auf 1,3 Milliarden Euro festgesetzt wird. Dann müssen Sie hier der Öffentlichkeit erzählen, weshalb Sie 1 Milliarde Euro mehr brauchen, ohne darauf zu verweisen, dass das nur die Misere im nächsten Jahr verdecken soll. Das werden Sie nicht schaffen, meine Damen und Herren, dafür werden wir schon sorgen.
Nun zum dritten Thema: Was hat diese Haushaltsberatung eigentlich mit der Zukunft des Landes Niedersachsen zu tun, meine Damen und Herren?
Erstens. Wir sind - Herr Möllring hat es leicht anklingen lassen - in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 80 Jahren - nicht nur Deutschland, auch Niedersachsen. Wir sind in der Situation, dass die öffentlichen Haushalte in Deutschland in
den letzten 60 Jahren eine Staatsverschuldung von 1,6 Billionen Euro angesammelt haben. Wir stehen davor, dass in den nächsten vier Jahren diese Summe um ungefähr 30 %, um 500 Milliarden Euro erhöht wird, meine Damen und Herren. Das ist eine Herausforderung für diese Gesellschaft, auf die man sich einlassen muss.
Zweitens. Der Export bricht gegenwärtig zusammen. Herr Möllring hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir einige Sonderaspekte in Niedersachsen haben. Das hat mit der Nahrungsmittelindustrie zu tun. Das hat vor allem auch mit der Umweltprämie zu tun, die dazu beigetragen hat, dass die Wirtschaft in Niedersachsen in diesem Jahr von der Krise noch nicht voll erwischt worden ist. Das ist richtig, meine Damen und Herren. Aber wir wissen doch alle, wie die Situation in zahlreichen Branchen ist. Wir haben uns - Sie auch - in der letzten Woche mit dem Thema der maritimen Wirtschaft, mit dem Schiffbau beschäftigt. Das gilt auch für viele andere Branchen im Lande. Hier bricht die Wirtschaft in großen Teilen des Landes zusammen. Damit haben wir uns auseinanderzusetzen.
Drittens. Die Bundesregierung hat beim Thema Kurzarbeitergeld klug reagiert. Aber wir wissen doch alle miteinander, dass die Arbeitslosigkeit in den nächsten Wochen und Monaten - ich sage es zurückhaltend - deutlich steigen wird mit weitreichenden Konsequenzen für das Land, für die Arbeitsverwaltung und die öffentlichen Haushalte. In dieser Situation, in der in Deutschland niemand richtig weiß, wohin es geht, welche Antworten wir geben müssen, tagt das Landeskabinett zum Thema Haushalt 2010, und die Überschrift zu dieser Tagung lautet: Es war ganz unspektakulär, es gab keinen Streit, es war im Kern auch gar nichts zu entscheiden.
Meine Damen und Herren, augenscheinlich haben Sie die Augen und die Ohren so gut verschlossen, dass die Krise und Ähnliches bei Ihnen überhaupt nicht ankommen! Das sind Verdrängungskapazitäten. Respekt, sage ich da nur.