Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

(David McAllister [CDU]: Jetzt geht das wieder los!)

Die Linke wird diese Zustände weiter mit allen ihren Bildungsinitiativen anprangern und alle Initiativen unterstützen - hin zu mehr Chancengleichheit und Gerechtigkeit in unserem Bildungssystem.

In Niedersachsen wird viel zu wenig Geld in Bildung investiert. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Grundkonsens, dass ungleich mehr Investitionen notwendig sind für die Zukunft unserer Kinder und um Schäden und Folgekosten für nachfolgende Generationen abzuwenden. Wer an Bildung spart, macht Schulden.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu unseren Änderungsvorschlägen zum Bildungshaushalt: Im Koalitionsvertrag war den Bürgerinnen und Bürgern seitens der Regierungskoalition ein zweites beitragsfreies Kita-Jahr versprochen worden, finanziert ohne zusätzliche Belastungen für die Kommunen. Von diesem Vorhaben hat sich die Landesregierung inzwischen verabschiedet. Wir fordern nun für das zusätzliche beitragsfreie Jahr 75 Millionen Euro zusätzlich. Dies ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur vollständigen kostenfreien Nutzung der Kindertagesstätten, der in den darauf folgenden Jahren verwirklicht werden soll.

Die Bundesregierung hat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterzeichnet. Die UN-Konvention fordert in Artikel 24 ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen. Inklusive Bildung geht über einen integrativen Ansatz hinaus. Das ist mit dem gegenwärtigen System in Niedersachsen nicht kompatibel.

(Beifall bei der LINKEN)

Alle Kinder haben das Recht auf eine gemeinsame Betreuung. Niemand darf aufgrund seiner Behinderung ausgeschlossen werden. Das Recht auf Inklusion gilt für den Bereich der frühkindlichen Bildung ebenso wie für unsere Schulen. Damit kommen gewaltige Aufgaben auf das Land Niedersachsen zu, allein schon durch die notwendige Umstrukturierung des Förderschulsystems.

Die Kindertagesstätten müssen für eine solche inklusive Betreuung entsprechend ausgestattet und saniert werden. Das Land ist dabei in der Pflicht, finanzielle Unterstützung bereitzustellen. Wir fordern für den Einstieg in den barrierefreien Umbau aller Kitas 20 Millionen Euro als Anfangsfinanzierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Bildung muss für alle kostenfrei zugänglich sein. Das heißt, alle Arten von Schulgeld müssen abgeschafft werden. Wir haben dafür 81 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen.

Die Beantwortung unserer Großen Anfrage „Schule muss man sich leisten können“ hat, wenn überhaupt geantwortet wurde, gezeigt, wie viele versteckte Kosten es in unserem Schulsystem gibt. Die Linke will diese versteckten Schulgebühren, die sich im Monat problemlos auf über 100 Euro summieren, abschaffen. Wir fordern daher für das kommende Haushaltsjahr zusätzliche Landesmittel für die kostenfreie Mittagsverpflegung für Bedürftige, einen Sachmittelfonds für arme Familien, die Abschaffung des Büchergeldes sowie den kostenfreien Schülertransport auch nach Klasse 10.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren aufseiten der Regierungskoalition, wir betrachten es als eine zentrale Aufgabe, immer wieder auf diese sozialen Widersprüche hinzuweisen. Wir wollen Wege aufzeigen, diese sozialen Ungerechtigkeiten, die Sie nicht bestreiten können, auszugleichen. Ich wünschte mir, Sie würden unseren Initiativen zu mehr Chancengleichheit und Durchlässigkeit wenigstens zum Teil folgen, z. B. wenn es um die Versorgung mit Schulmittagessen oder um die Schülerbeförderung geht.

Meine Damen und Herren, in Niedersachsen kommt eine Schulpsychologenstelle auf ca. 35 000 Schülerinnen und Schüler. Das ist schlicht und einfach skandalös!

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Sie selbst geben zu: Schulsysteme in Skandinavien sind auch deshalb so leistungsstark, weil die Rahmenbedingungen von Schule, die bei uns sträflich vernachlässigt werden, völlig anders sind.

Schulpsychologie ist nur ein Aspekt. Denken Sie auch an die Schulsozialarbeit und die Klassenfrequenzen. Die Schulpsychologie ist der Landesschulbehörde zugeordnet. Die noch immer desolate Situation der Landesschulbehörde, deren eine zentrale Aufgabe eben die Unterstützung und Beratung der Schulen ist, ist hier und im Ausschuss immer wieder diskutiert worden. Neben dem Stopp des Stellenabbaus in der Landesschulbehörde ist es enorm wichtig, im Bereich der Schulpsychologie die Kürzungen der vergangenen Jahre zurückzunehmen. Wir wollen, dass im Haushaltjahr 2010 60 zusätzliche Schulpsychologinnen und -psychologen eingestellt werden. Die Kosten veranschlagen wir mit etwa 3,4 Millionen Euro.

Die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen ist in zahlreichen Fächern nach wie vor mangelhaft. Wir

fordern die Einstellung von 2 000 neuen Lehrkräften und veranschlagen dafür 112 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren, ich sage es offen: Für mich ist auch das eine bei Weitem nicht ausreichende Entlastung. Die Klassenfrequenzen in den Gymnasien und Gesamtschulen im Sekundarbereich I mit über 30 Schülerinnen und Schülern sind völlig unakzeptabel. Eine theoretische Verbesserung nach 2011, die Sie in Aussicht stellen, bedeutet eine erhebliche Qualitätsminderung auf Jahre hinaus zulasten unserer Kinder.

(Beifall bei der LINKEN)

Individuelle Förderung ist in solchen Klassen nicht möglich. Die Folgekosten werden immens steigen, weil unsere Kinder schlechter ausgebildet sind und weil viele in diesem System verloren gehen.

Meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, ich wiederhole es: Auch damit machen Sie Schulden, die nachfolgende Generationen zahlen müssen. Im Übrigen habe ich dazu gerade eine sehr interessante Studie der Bertelsmann-Stiftung auf dem Tisch.

Die geforderten 2 000 Lehrkräfte sollen zumindest die Unterrichtsversorgung im gegenwärtigen System sichern. Eine Vertretungsreserve für vorübergehend abwesende Lehrerinnen und Lehrer ist in allen Fällen derzeit nicht vorhanden. Hinzu kommen große Klassen und hoher Leistungsdruck. Das Ergebnis sind gestresste Lehrkräfte sowie unzufriedene Schülerinnen und Schüler. Die Strategie der Landesregierung, den bestehenden Mehrbedarf vor allem zulasten der bereits Beschäftigten zu decken, muss gestoppt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die zweite Phase der Lehrerausbildung bleibt die entscheidende Stellschraube zu mehr qualifiziertem Lehrernachwuchs. Wir fordern deswegen eine Aufstockung der Kapazitäten um 750 Stellen an den Studienseminaren inklusive einer Erhöhung der Bezahlung um ein Drittel. Parallel dazu müssen die Lehrkapazitäten und die Infrastruktur ausgebaut werden. Wir brauchen mehr und ausreichend motivierte Ausbilder an den Schulen.

In einem Parlament befindet sich in der Regel immer eine ganze Reihe von Lehrerinnen und Lehrern, die alle wissen - ich beziehe mich mit ein -, wie wichtig diese Ausbildung in der Praxis im Vorbereitungsdienst ist, auch wenn unbestritten mehr Praxisanteile in die ersten Phasen der Ausbildung gehören.

Die Qualität der zweiten Phase der Lehrerausbildung darf bei einer Ausweitung der Kapazitäten keineswegs leiden. Für die Ausweitung der Kapazitäten an den Studienseminaren fordern wir 39 Millionen Euro.

Ich fasse zusammen: Alle diese zusätzlichen Investitionen sind für uns nur erste, allernotwendigste Schritte zu einer gerechteren Bildungslandschaft in Niedersachsen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie belaufen sich auf insgesamt 340 Millionen Euro inklusive des Bereichs politische Bildung, auf den ich noch zu sprechen komme. Den wirklichen Bedarf sehen wir weitaus höher. Man muss dafür in Kategorien von deutlich über 2 Milliarden Euro denken. Sicher ist jedoch, dass das, was uns der Haushaltsentwurf der Landesregierung anbietet, hinten und vorne nicht ausreicht.

Sie berufen sich immer wieder auf den Zuwachs der Bildungsausgaben in Niedersachsen der letzten fünf Jahre. Ich zitiere dazu die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 1. Dezember:

„Während in den westdeutschen Flächenländern die Staatsausgaben für Bildung... um fast 5 %... stiegen, hat Niedersachsen einen Zuwachs von weniger als 1 %... veranschlagt.“

Das zeigt, wie viel Gewicht diese Landesregierung der Bildung gibt. Dieser Haushaltsentwurf setzt eine Politik des Bildungsnotstands in Niedersachsen zulasten der Kinder aller Altersgruppen fort.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: So wie in Berlin!)

Lassen Sie mich zum Schluss auf den Bereich politische Bildung zu sprechen kommen. Vor wenigen Wochen haben wir hier in diesem Saal auf die ausgezeichnete Arbeit der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten in den letzten fünf Jahren zurückblicken und die Ausstellung über die Arbeit der Stiftung besuchen können. Ein Änderungsantrag der CDU und der FDP zum Haushaltsentwurf zeigt, dass die Notwendigkeit der Unterstützung weiterer Gedenkstättenarbeit erkannt wurde. Wir fordern für diese Arbeit noch weitere Landesmittel.

(Beifall bei der LINKEN)

Zwei Anträge zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte in unseren Schulen und zum Mauerfall sind derzeit im parlamentarischen Ablauf in den Ausschüssen und werden dort hoffentlich ausgie

big und differenziert beraten werden. Hier wird für mich aber wieder ein großes Manko niedersächsischer Bildungspolitik deutlich. Niedersachsen hat als einziges Bundesland keine Landeszentrale für politische Bildung. Die Linke fordert daher die sofortige Wiedereinrichtung dieser Institution.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kosten für die Wiedereinrichtung veranschlagen wir für das erste Jahr auf 1,5 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Das nun zu Ende gehende Jahr 2009 war bereits ein katastrophales Jahr für die Bildung in Niedersachsen. Viele konstruktive Vorschläge wurden gemacht, viel Destruktives wurde umgesetzt. Angesichts der Vorlage der Landesregierung und der Regierungsfraktionen befürchte ich, dass wir vom Jahr 2010 nicht viel anderes erwarten können, es sei denn, Sie stimmen unseren Änderungsvorschlägen zu. Dann gäbe es Hoffnung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr von Danwitz das Wort. Bitte sehr!

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Sagen Sie doch einfach: Ja, Sie haben recht!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bildung hat in Niedersachsen einen sehr hohen Stellenwert. Das sieht man wieder ganz deutlich am Kultusetat für das Jahr 2010.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bei allen, die daran mitgewirkt haben, bei den Fraktionskolleginnen und -kollegen, aber insbesondere beim Kultusministerium und unserer Kultusministerin, möchte ich mich dafür ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)