Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Arbeitskreis Integration meiner Fraktion hat vor Kurzem ein Gespräch mit den jesidischen Vereinen Niedersachsens geführt und dabei die Erkenntnisse vertieft bekommen, die aus dieser Petition hervorgehen, nämlich dass es mehr als bedenklich ist, jetzt sozusagen ungeprüft Abschiebungen vorzunehmen. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass der Bundesinnenminister das Rückübernahmeabkommen durch eine Verfügung, durch einen Erlass ausgesetzt und an die Länder das Verfahren herangetragen hat, das die Kollegin Zimmermann eben erläutert hat.
Da es hier um keinen Einzelfall, sondern um eine pauschale Petition geht, kann der Niedersächsische Landtag heute weder „Berücksichtigung“ noch „Sach- und Rechtslage“ beschließen; beides wäre unangemessen. Wir würden mit „Sach- und Rechtslage“ konterkarieren, dass es diese Weisung des Bundesinnenministers gibt. Deswegen halten wir es für angemessen, „Erwägung“ zu beschließen, was dazu führen würde, dass dem Parlament nach Durchführung der Nachprüfungen durch das BAMF, wie eben erläutert, darüber zu berichten wäre, wie die Landesregierung mit einer solchen Meinungsäußerung des Parlaments umgeht.
Bei Einzelfällen müssten wir jeden Einzelfall prüfen, aber bei einer pauschalen Petition ist das so nicht möglich. Deswegen haben wir diesen Kompromiss vorgeschlagen, der im Innenausschuss zumindest die Unterstützung der Fraktion der Grünen gefunden hat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir haben einen Änderungsantrag zu dieser Petition eingebracht und empfehlen dem Landtagsplenum, sie der Landesregierung zur Erwägung zu überweisen, um eine Prüfung zu
Viele von Ihnen haben heute über die Medien mitbekommen, dass das Unwort des Jahres 2009 gewählt worden ist. Ganz eng in der Auswahl war ein Wort, das die Kanzlerin letztes Jahr in einem Vortrag bei der Bertelsmann-Stiftung erwähnt hat, nämlich das Wort „Flüchtlingsbekämpfung“. Ich erwähne dies deshalb - es ist zwar nicht Unwort des Jahres geworden, sondern hat nur den zweiten Platz errungen -, weil gerade dieses Wort zeigt, welches Verständnis die CDU, die CSU, die Landesregierung, aber auch die Bundesregierung und die Bundesvorsitzende der CDU von einer humanitären Verantwortung gegenüber zunehmenden Flüchtlingsströmen und von einer Verantwortung gegenüber Flüchtlingen haben.
Diese Petition - Herr Bachmann hat es gesagt - steht exemplarisch für eine Gruppe, die in Syrien verfolgt wird. Es ist wirklich absurd, dass, obwohl das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht schreibt, dass die Menschenrechtssituation in Syrien kritisch ist, mit einem solchen Staat, der von vielen Organisationen, auch vom Hohen Flüchtlingskommissariat, als „Folterstaat“ bezeichnet wird, ein Rückführungsabkommen geschlossen wird. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass sich das Verwaltungsgericht Osnabrück mit einem Abschiebefall beschäftigt hat, den wir hier im Landtag thematisiert haben, nämlich mit einer 25-jährigen schwangeren Jesidin, die die Landesregierung abgeschoben hat.
Ich habe einen Brief an den Ministerpräsidenten geschrieben, auf den ich noch immer keine Antwort bekommen habe. Ich habe auch an die Sozialministerin geschrieben, weil sie eine Verantwortung gegenüber Frauen hat, die in diesem Land verfolgt werden.
In diesem Fall hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil gesagt: Wir können in das Land nicht abschieben. - Deshalb gibt es jetzt einen Erlass des Bundesministers des Innern. Einige Länder haben mit einem Erlass reagiert. Nur unser Innenminister versucht durch eine Verwässerung der Sach- und Rechtslage in diesem Erlass wieder, den Ausländerbehörden keine sachliche Prüfung möglich zu machen; denn es wird weiterhin abgeschoben.
Wir wollen mit dieser Petition, die die Jesiden auf den Weg gebracht haben, die Möglichkeit eröffnen, durch einen Abschiebestopp sowohl den Betroffenen als auch den Ausländerbehörden Rechtssicherheit zu bieten, damit sie genau wissen, dass jetzt nicht abgeschoben werden darf - es werde sorgfältig geprüft, so das Bundesministerium des Innern -, und damit den Menschen der Weg des Asylfolgeantrags ermöglicht werden kann. Dies versuchen wir mit unserem Petitum der Erwägung.
Ich hoffe, dass Sie sich doch noch dazu durchringen können. Ich habe vorhin mit Herrn Oetjen gesprochen. Darin ist mir zumindest von der FDPFraktion ein Entgegenkommen signalisiert worden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass die Einschätzung der Lage in Syrien, wie ich glaube, unstrittig ist. Sie entspricht in der Tat dem, was Frau Polat hier richtigerweise dargestellt hat, nämlich dem Lagebild, das das Auswärtige Amt erstellt hat. Wir haben uns in dieser Hinsicht noch einmal erkundigt.
Wir haben im Innenausschuss ja beschlossen, „Sach- und Rechtslage“ zu empfehlen. Wir haben dies übrigens deshalb beschlossen - das will ich hier noch einmal deutlich sagen -, weil in der Petition ein genereller Abschiebestopp gefordert wird. Damit ist das Problem aber nicht gelöst; denn ein genereller Abschiebestopp kann immer nur höchstens für ein halbes Jahr verhängt werden. Es ist sicherlich auch im Sinne der einzelnen Betroffenen vernünftiger - Sie haben ja eben einen Fall genannt -, dass es eine Chance gibt, in jedem Einzelfall durch das Bundesamt noch einmal überprüfen zu lassen, ob ein dauerhafter Aufenthalt oder ein zeitlich begrenzter Aufenthalt möglich ist, ob man also im Einzelfall jeweils helfen kann. Ein genereller Abschiebestopp - das ist eigentlich der Grund, weshalb wir uns für Sach- und Rechtslage ausgesprochen haben - hilft dort aber nicht weiter.
Ein zweiter Punkt. Das Bundesinnenministerium hat alle Landesregierungen erstens darüber informiert, dass das Auswärtige Amt derzeit ein neues
Lagebild erstellt, und zweitens alle Landesregierungen gebeten, darauf hinzuwirken, dass jetzt nicht einfach nach geltender Rechtslage abgeschoben wird, sondern jeder Einzelfall wirklich noch einmal überprüft wird. Ich habe mich erkundigt und dabei Folgendes festgestellt: Das niedersächsische Innenministerium hat die Ausländerbehörden angewiesen, dafür zu sorgen, dass die Einzelfälle überprüft werden. Meiner Meinung nach kommt es hier nicht so sehr darauf an, ob man „Sach- und Rechtslage“, „Erwägung“ oder sonst etwas beschließt, sondern es kommt vielmehr darauf an, dass sichergestellt wird, dass diesen Menschen geholfen wird und dass verhindert wird, dass durch eine Abschiebung eine Gefahr für Leib und Leben dieser Personen entsteht. Wenn das sichergestellt ist, können wir hier durchaus beschließen, nach Sach- und Rechtslage zu verfahren.
Frau Polat, ich habe eine Bitte. Man kann hier über alles sachlich und vernünftig reden, zumal es um die betroffenen Menschen geht. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Sie hier Ihre Polemik gegen die Bundeskanzlerin oder Mitglieder der Bundesregierung unterlassen. Das hilft den betroffenen Syrern am allerwenigsten.
Zu einer anderen strittigen Eingabe, der Eingabe 928 betreffend Abschaffung der Studiengebühren, erteile ich Herrn Kollegen Poppe von der SPDFraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche, wie angekündigt, zu der Eingabe 928, eingereicht von der Klasse 9 f des Artland-Gymnasiums in Quakenbrück. Diese Klasse fordert die Abschaffung der Studiengebühren bzw. - dies ist die Mindestforderung - die Senkung der Studiengebühren. Die SPD-Fraktion empfiehlt diese Petition zur Berücksichtigung. Ich will unsere Empfehlung in aller Kürze begründen.
Erstens. Das, was die Schülerinnen und Schüler fordern, ist seit Jahren übereinstimmende Position in der SPD-Fraktion.
Zweitens. Es wird Zeit, dass auch die Niedersächsische Landesregierung klüger wird und ihre verfehlte Hochschulpolitik in Bezug auf die Studiengebühren korrigiert.
Zwei andere Bundesländer haben das inzwischen getan, nämlich Hessen und das Saarland. Beides sind keine roten Frontstaaten. Andere Bundesländer haben Studiengebühren nie eingeführt. Der Hintergrund war bei diesen u. a. eine erkennbare Tendenz zur Abwanderung in andere Bundesländer ohne Studiengebühren. Das wiederum hat ganz eindeutig etwas mit dem Abschreckungseffekt zu tun, der insbesondere bei Betroffenen aus nicht sehr begüterten Elternhäusern deutlich zu verzeichnen ist. Ich brauche in diesem Zusammenhang nicht die ausführlichen Debatten der letzten Jahre in diesem Hause zu wiederholen.
Was die Wahrnehmung unter Schülerinnen und Schülern angeht, so ist diese Eingabe aber drittens ein Beispiel unter vielen dafür, dass die Regierungsfraktionen schiefliegen, wenn sie meinen, Schülerschaft und Studentenschaft hätten Studiengebühren inzwischen längst akzeptiert. Die Proteste des letzten Jahres und die Diskussionen in Besuchergruppen sprechen eine ganz andere Sprache.
Ein vierter und letzter Punkt. Die Klasse 9 f der erwähnten Schule hat Engagement gezeigt und in vorbildlicher Weise den parlamentarischen Weg gewählt, um ihr Anliegen zu verdeutlichen. Sie verdient unsere Unterstützung. Deshalb plädieren wir für Berücksichtigung der Petition.
Zu dieser strittigen Eingabe und zu einer weiteren Eingabe, nämlich der Eingabe 1272, erteile ich Herrn Kollegen Perli von der Fraktion DIE LINKE das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den beiden Eingaben, zu denen ich hier jetzt Stellung nehmen möchte, geht es jeweils um das Recht auf gebührenfreie Bildung. In der einen Eingabe - dazu hat Herr Poppe eben bereits Stellung bezogen - machen sich die Schülerinnen und Schüler einer neunten Klasse bereits vier Jahre, bevor sie eine Hochschule besuchten können, Gedanken darüber, ob sie sich die Studiengebühren leisten können. Diese Klasse fordert, die Studiengebühren
abzuschaffen. Diese Forderung teilen wir völlig. Es sind sehr viele gute Argumente dafür angeführt worden.
Die Landesregierung zieht sich oft darauf zurück, dass man abwarten müsste, was bei der Evaluation, die uns ja bis Mitte des Jahres vorgelegt werden soll, herauskommt. Das Problem bei dieser Evaluation ist, dass bereits heute feststeht, dass sich die Landesregierung weigert, eine ergebnisoffene Evaluation vorzunehmen. Deshalb kann ich Ihnen schon jetzt sagen: Sie sollten sich nicht zu früh freuen. Die Landtagswahlen in NordrheinWestfalen werden hoffentlich das Ergebnis bringen, dass Schwarz-Gelb abgewählt wird und danach das bevölkerungsstärkste Bundesland die Studiengebühren abschafft. Danach bleibt Niedersachsen neben Bayern und Baden-Württemberg einsam in der Front derjenigen Bundesländer, die Studiengebühren erheben. Niedersachsen wird sich dann genau überlegen müssen, ob man es weiterhin hinnehmen möchte, dass Schülerinnen und Schüler nicht zur Hochschule gehen, dass sie nicht das Abitur machen, weil es für sie keinen Sinn mehr ergibt. Wir haben aus den Zeitungen zur Kenntnis genommen, dass die Abiturientenzahlen in Niedersachsen zurzeit rückläufig sind. Ich bitte Sie, einmal darüber nachzudenken, woran das liegt.
(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Erklären Sie einmal, woran das liegt!)
Die andere Eingabe betrifft einen Petenten, der an der Berufsakademie in Lüneburg ein wirtschaftswissenschaftliches Studium im dualen System absolviert und dafür Studiengebühren in Höhe von 205 Euro pro Monat zahlen muss. Es ist üblich, dass diese Gebühren von dem Unternehmen übernommen werden, in dem jemand die Ausbildung macht. Es gibt allerdings - darauf weist die Landesregierung auch hin - in den letzten 20 Jahren drei Fälle, in denen das Unternehmen die Kosten von 205 Euro pro Monat nicht übernommen hat.
Der Petent bemängelt erstens, dass kein BAföG zur Verfügung steht, und zweitens, dass er Schwierigkeiten hat, sein tagtägliches Überleben zu sichern. Es ist problemlos möglich, dass wir als Niedersächsischer Landtag das Niedersächsische Berufsakademiegesetz dahin gehend ändern, dass die Gebührenfreiheit per Gesetz festgelegt wird,