Protokoll der Sitzung vom 19.01.2010

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben Sie, Frau Kollegin Staudte, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir als Grüne-Fraktion haben Ihnen einen ziemlich ausführlichen Antrag zum Thema Tagespflege vorgelegt. In acht Punkten haben wir Forderungen aufgelistet, die die Rahmenbedingungen von Tagespflege in Niedersachsen verbessern sollen. Wir als Fraktion haben von denen, die sich damit am besten auskennen, von den Tagesmüttern, ausschließlich positive Rückmeldungen dazu bekommen. Sie sind einhellig der Auffassung, dass Niedersachsen hier Handlungsbedarf hat.

Doch durch die rosa Brille der Regierungsfraktionen sieht das naturgemäß etwas anders aus. Im Sozial- und im Kultusausschuss wurden zum Teil Positionen vertreten, die in der Fachwelt wirklich nur für Kopfschütteln sorgen können. Deswegen muss ich an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Tagespflege ist keine Nachbarschaftshilfe und kann auch nicht von jeder Frau, die Mutter ist, ausgeübt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- ruf)

- Auch nicht von jedem Vater, selbstverständlich.

Wir wollen und müssen - das sagt auch das Kinder- und Jugendhilfegesetz, das KJHG - Tagespflege professionalisieren, und zwar nicht nur wenn es um die Besteuerung geht - sie ist ja neu eingeführt worden; die armen Tagesmütter haben leider keine 1,1 Millionen Euro für die FDP übrig, um eine bessere Lobbyarbeit zu betreiben. Tagespflege darf nicht länger die Billigalternative zur Krippenbetreuung sein; denn dieser Bereich hat eine rasant wachsende Relevanz. Die Zahl der Betreuungsverhältnisse hat sich von 2007 bis 2009 auf 6 120 mehr als verdreifacht.

Ein Indikator dafür, dass die Tagespflege nicht optimal aufgestellt ist, ist allerdings die mangelnde Stabilität der Betreuungsverhältnisse unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen. Dabei muss man wirklich kein Kinderexperte und keine Kinderexpertin sein, um zu wissen, dass die Verlässlichkeit der Betreuungsverhältnisse und der Bezugspersonen für das Aufwachsen von Kindern sehr entscheidend ist.

Ich kritisiere, dass die CDU und die FDP sich einer Anhörung im Ausschuss verweigert haben und sie sich auch nicht die Mühe gemacht haben, einen Änderungsantrag zu formulieren. Sie müssen ja nicht jeden Punkt unterstützen. Aber immer nur gebetsmühlenartig zu wiederholen: „Wir machen doch alles, die Landesregierung macht doch alles“, ist wirklich zu wenig.

(Zustimmung von Patrick-Marc Hum- ke-Focks [LINKE])

Sie machen nicht alles. Es gibt z. B. keine Mindestqualifizierung von 160 Stunden. Es gibt keine Pflicht zur Hospitation bei einer erfahrenen Tagesmutter. Die Fachdienste für Kindertagespflege werden personell nicht gestärkt, können also wie bisher nur Krisenintervention betreiben. Die Weiterbildungsangebote werden nicht ausgebaut. Ein niedersächsischer Mindestlohn wird nicht angestrebt; es wird absolut akzeptiert, dass man in einigen Kommunen unter 2 Euro pro Kind und Stunde verdienen kann. Die maximale Anzahl der Betreuungsverhältnisse wird nicht reduziert. Die Großtagespflegestellen werden nicht in das Kitagesetz aufgenommen, obwohl sie mit der klassischen Tagespflege tatsächlich so gut wie nichts mehr zu tun haben.

Ein Punkt, der mich wirklich ärgert: Erzieherinnen dürfen in Niedersachsen weiterhin während der Randzeiten in ihrer Kita zu Dumpinglöhnen als Tagesmütter arbeiten. Das ist nicht in Ordnung.

Wir haben immer wieder kritisiert, dass die Zuständigkeit für die Betreuung von unter Dreijährigen in Niedersachsen zwischen Kultusministerium und Sozialministerium aufgesplittet ist. Das ist auf jeden Fall ein Punkt, der sich in den nächsten Jahren zu ändern hat. Wenn Sie als Regierungsfraktionen das nicht machen, dann werden das - da bin ich mir sicher - die Nachfolgekoalition und die Nachfolgeregierung tun.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Patrick-Marc Humke- Focks [LINKE])

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Nun hat sich von der SPD-Fraktion Herr Kollege Klein zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine lieben, sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute bereits zum zweiten Mal mit dem Thema der frühkindlichen Bildung und nicht nur mit dem Bereich der Betreuung. Während der vorhin besprochene Ausbau der Krippenkapazitäten deutlich im Fokus der Öffentlichkeit stand und steht, führte die Kindertagespflege manchmal eher ein - so möchte ich sagen - Schattendasein und diente in den Augen einiger eher dazu, die fehlenden Plätze in den Kindertagesstätten auszugleichen. Die Tagespflege ist aber deutlich mehr als ein Lückenfüller. Diese Auffassung setzt sich langsam aber sicher durch, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie bietet flexiblere Betreuungsmöglichkeiten und kann eine familienähnliche individuelle Kinderbetreuung vielfach besser realisieren. Das Bundesfamilienministerium nennt darauf bezogen Punkte, wie die gesamte Kindertagespflege systematisch zu einer - das ist ja der Sinn des Antrages - hochwertigen Form der Kinderbetreuung zu entwickeln sei. Dazu zählen die Auswahl der Betreuungspersonen, die Qualifikation, die Beratung und Begleitung, aber auch der Austausch und die Vernetzung der Tagespflegekräfte. Das Bundesministerium macht deutlich, dass die Voraussetzungen und das Angebot vor Ort von den Ausführungsbestimmungen der Länder bestimmt werden. Also sind wir hier, liebe Frau Ministerin, am Zuge. Ob der Zug schnell oder langsam fährt, ob die Fahrgäste - in diesem Fall die Kinder und Eltern, aber auch die Tagespflegekräfte - zufrieden sind, liegt maßgeblich auch an Ihnen, Frau Ministerin. Bisher fährt in Niedersachsen eher eine Regionalbahn statt eines ICE.

(Beifall bei der SPD)

Ich erkenne das Engagement im Programm „Familien mit Zukunft“ an, auch die Punkte, die das Ministerium im Ausschuss dargelegt hat.

(Roland Riese [FDP]: Warum kürzt Ihr dann die Gelder?)

- Sie haben noch Zeit zu reden, Herr Riese. Sie sind ja nach mir dran.

(Roland Riese [FDP]: Das mache ich auch!)

Es ist aber entweder nur halbherzig, oder die Kommunen werden von Ihnen nicht angemessen einbezogen.

Das Landesprogramm - immer wieder gerne als Entgegnung auf Kritik genannt - hat ein Volumen von 100 Millionen Euro, verteilt auf vier Jahre - theoretisch. In den ersten beiden Jahren wurden pro Jahr gut 12 Millionen Euro abgerufen. Frau Ministerin, das ist doch wohl eher enttäuschend.

(Beifall bei der SPD)

Ob die Betreuung gut ist, der Bildungsaspekt die ihm zugedachte wichtige Rolle spielt und die Eltern von dem Produkt Tagespflege überzeugt werden, hängt entscheidend von den Menschen ab, die als Tagespflegepersonen gewonnen werden und tätig sind. Hierfür ist ganz bedeutend, unter welchen Bedingungen die Kräfte arbeiten und natürlich auch wie sie vergütet werden. Die Situation in den Kommunen stellt sich sowohl bei den Anforderungen zur Grundqualifizierung als auch bei den Praxishospitationen vor allem als größtenteils heterogen dar. Das hatte Frau Staudte eben noch einmal dargestellt.

Bei der Vergütung ist die Unterschiedlichkeit ebenfalls sehr ausgeprägt. Beispielsweise in Wolfsburg werden meines Wissens 4,50 Euro bezahlt, in Salzgitter - obwohl CDU-regiert - lediglich 3,20 Euro. Nach Angaben des Ministeriums zahlten Mitte des letzten Jahres immerhin noch 32 % der Kommunen unter 3 Euro. Da frage ich mich, wie unter diesen Voraussetzungen genug und gut qualifizierte Kräfte gewonnen und gehalten werden können.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Anzahl der zugelassenen Betreuungsverträge und der gleichzeitig zu betreuenden Kinder schwankt bei den Pflegeerlaubnissen zwischen den kommunalen Gebietskörperschaften, obwohl mittlerweile bekannt sein dürfte, dass die Qualität ganz entscheidend von der Erzieher/KinderRelation abhängig ist.

Dass es wichtig sei, Qualität zu erzielen und ein gleiches Niveau zu erreichen, sagte auch der Kollege Försterling von der FDP bei der ersten Bera

tung zu Recht. Zur Qualität gehören Grundqualifikation, Begleitung, Fortbildung und Elternarbeit. Geradezu fahrlässig ist es, das genau zu wissen, aber - wie eben hier in Niedersachsen - nicht entsprechend zu handeln.

Die vorgenannten Beispiele zeigen, dass das Land für Rahmenbedingungen sorgen kann und sollte, die die Kommunen zur Einhaltung von Qualitätsstandards verpflichten. Das kostet mehr Geld, aber Qualität gibt es nicht zum Nulltarif.

Wir unterstützen größtenteils die Intentionen der Grünen. Problematisch ist Punkt 8, bei dem es um die Zusammenlegung der Zuständigkeiten geht. Dieses ist nicht primär Aufgabe des Landtags, aber wir bewerten es als sinnvolle Anregung für die Landesregierung. Zustimmen werden wir Ihrem Antrag jedoch nicht, sondern wir werden uns enthalten, vor allem weil Sie entgegen Ihrer sonstigen Argumentation in Punkt 3 die Konnexität verneinen und die Kosten für die verpflichtende Fortbildung den Kommunen zuschieben. Das halten wir für nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Frau Ministerin Ross-Luttmann, liebe Frau Kultusministerin Heister-Neumann - auch wenn sie gerade nicht da ist -, kümmern Sie sich bitte um die Qualität in den Einrichtungen und in der Tagespflege, aber nicht so zaghaft und langsam wie beim Krippenausbau, wo es nur dürftig vorangeht. Bei einem Anstieg der Betreuungsquote um 0,4 Prozentpunkte pro Jahr sind wir 2013 bei gut 11 % statt bei 35 %. Das ist ein Armutszeugnis für die Landesregierung.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Die Kultusministerin kann ja auch einmal ein paar Dinge aus ihrem und meinem Wahlkreis mitnehmen: Salzgitter hat bei den unter Dreijährigen eine Quote von über 20 %. Das wäre doch eine gute Anregung für die Regierungsfraktionen, um diese Kinder- und Familienfreundlichkeit auch im Lande Niedersachsen auf den Weg zu bringen. Schön wäre es, wenn das so kommen würde.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Ein gu- ter Oberbürgermeister!)

Wie gesagt: Wir werden uns enthalten, sind aber offen für Ihre Anregungen und halten den Großteil der Ansätze für richtig, um die Situation derer zu verbessern, um die es uns hier in erster Linie gehen muss, nämlich die Situation unserer Kinder.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Herzlichen Dank, Herr Kollege Klein. - Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Focke das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Modell der Kindertagespflege ist in Niedersachsen eine Erfolgsgeschichte. In nur zwei Jahren ist die Zahl der Betreuungsverhältnisse um 350 % gestiegen.

(Zustimmung von Norbert Böhlke [CDU])

Nahmen noch 2007 Eltern von 1 770 Kindern dieses Betreuungsangebot in Anspruch, so waren es 2009 bereits über 6 100. Frau Staudte hat richtigerweise darauf hingewiesen. Das ist eine beispiellose Entwicklung, die zeigt, dass die Eltern in diesem Land dieser Betreuungsform ebenso vertrauen und Qualität zusprechen wie den anderen Betreuungsangeboten.

(Zustimmung von Norbert Böhlke [CDU] und von Dr. Max Matthiesen [CDU])

Wir wollen, dass die Eltern in Niedersachsen Wahlfreiheit haben. Wir wollen, dass sich die Eltern die Betreuungsform aussuchen können, die am besten in ihre Lebenssituation passt und von der sie der Überzeugung sind, dass ihr Kind dort gut betreut und gefördert wird.

(Zustimmung von Dr. Max Matthiesen [CDU])