Protokoll der Sitzung vom 18.02.2010

Das Niedersächsische Kultusministerium hat dagegen in Antworten auf zwei Kleine Anfragen der SPD-Fraktion (Heinrich Aller u. a.) mit den Titeln

- „Boom für private schulische Ersatzangebote: Nachhilfe - Teure und unsoziale Reaktion auf schulpolitische Mängel“ (Drs. 15/1106, 22. Ju- ni 2004) und

- „Unzufriedenheit mit Unterrichtsversorgung und schulischen Leistungen fördert Boom für Nachhilfeangebote - auch über das Internet“ (Drs. 16/1297, 28. Mai 2009)

festgestellt:

„Aus diesen Zahlen“ (VBE-Zeitschrift zeitnah, März/April 2004, S. 2) „einen ‚Boom’ für private schulische Ersatzangebote abzuleiten, wie es Titel wie Text der Kleinen Anfrage unterstellt, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr weisen Ergebnisse der Befragung eher darauf hin, dass - zumindest im Bereich der traditionellen ‚Nachhilfe’ - es im Vergleichszeitraum eher einen leichten Rückgang bei der aktuell in Anspruch genommenen Unterstützung gegeben hat.“

Und die Antwort auf die (Teil-) Frage 16 aus dem Jahr 2009 lautet:

„Sie“ (die Landesregierung) „sieht daher keine Notwendigkeit, mögliche Zusammenhänge zwischen Schule und Nachhilfeangeboten aufzuarbeiten.“

Die HAZ berichtet am 29. Januar 2010 unter der Überschrift „Geschäft mit Nachhilfe boomt“ über die Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung. Danach haben die Bildungsforscher Annemarie und Klaus Klemm dort festgestellt:

- Bundesweit nehmen regelmäßig 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler bezahlten Nachhilfeunterricht.

- Eltern zahlen jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro für Nachhilfe außerhalb des öffentlichen Schulsystems.

- Kinder erhalten immer früher Nachhilfe.

- Es sind nicht die schlechtesten, sondern Schülerinnen und Schüler mit mittleren bis guten Leistungen, die Nachhilfe in Anspruch nehmen.

- In Niedersachsen soll vergleichsweise wenig Geld für Nachhilfe ausgegeben werden.

Diese Kernbotschaften der Bertelsmann-Studie werfen wichtige Fragen auf, die zur Nachfrage über die Situation in Niedersachsen veranlassen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung ihre in den o. a. Kleinen Anfragen dargestellten Positionen zur Entwicklung des „Nachhilfemarktes“ in Kenntnis der Ergebnisse der neusten Studie der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel: „Ausgaben für Nachhilfe - teurer und unfairer Ausgleich für fehlende individuelle Bildung“?

2. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass sich neben einem leistungsfähigen, kostenfreien öffentlichen Schulsystem kein kostenpflichtiges und profitables Parallelangebot entwickelt, das die Chancenungleichheit im Bildungssystem weiter verschärft?

3. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung dem subjektiv wahrgenommenen und objektiv bestehenden Bedarf an besserer individueller Förderung von Schulkindern im täglichen (Ganztags-) Unterricht für alle Kinder nachkommen und so einem boomenden, teuren und unfairen Nachhilfemarkt wirksam entgegenwirken?

Alle bildungspolitischen Maßnahmen der Niedersächsischen Landesregierung dienen der Sicherung und Steigerung der Qualität von Schule und Unterricht. Beispiele hierfür sind: die Entwicklung und Umsetzung des Orientierungsrahmens Schulqualität, die Einführung der Kerncurricula, ein Beratungs- und Unterstützungssystem mit eigens für die Unterrichtsqualität geschulten Kräften, Förder

programme und Projekte für Jugendliche, deren Schulabschluss gefährdet ist, Programme gegen Schulabsentismus, vielfältige Maßnahmen, um die Quote der Schulabbrecher zu reduzieren, die nahezu flächendeckende Einrichtung von Kooperationsverbünden „Hochbegabung fördern“, die Steigerung der Anzahl von Ganztagsschulen von 155 im März 2003 auf 880 im Schuljahr 2009/2010. Dazu zählen natürlich auch Maßnahmen zur Integration und besonderen Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund und nicht zuletzt die Einführung einer verpflichtenden Dokumentation der individuellen Lernentwicklung für alle Schülerinnen und Schüler im Primarbereich und im Sekundarbereich I. Diese Aufzählung ist nicht abschließend.

Alle Konzepte, Schritte und Programme setzen den Anspruch der begabungsgerechten individuellen Förderung um, wie er im Niedersächsischen Schulgesetz verankert ist, und verfolgen das erklärte Ziel der Landesregierung: „Keiner darf verloren gehen.“ Damit ist selbstverständlich auch impliziert, dass der Zugang zu Bildungsgerechtigkeit nicht über kommerzielle, privat zu finanzierende Dienstleistungen führt. Dies hat die Landesregierung bereits bei der Beantwortung früherer parlamentarischer Anfragen zur Inanspruchnahme von Nachhilfe deutlich gemacht, auf deren Beantwortung verwiesen wird.

Der Nachhilfemarkt ist ein privatwirtschaftlicher Sektor, auf den die Landesregierung keinen Einfluss nehmen kann. Sie sorgt aber dafür, dass die Lernentwicklung jeder Schülerin und jedes Schülers in den Blick genommen wird und dass Eltern hinsichtlich möglicher Lernprobleme ihrer Kinder differenziert beraten werden. Zum Beispiel wurden hierzu flächendeckend Schulungsangebote für die Klassenlehrkräfte des 4. Schuljahrganges der Grundschulen vorgehalten, um Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schule kompetent zu beraten. Die ebenfalls flächendeckende Einführung der Dokumentation der individuellen Lernentwicklung sieht verpflichtend regelmäßige Gespräche mit den Eltern vor. Aus den Erfahrungsberichten der Einführungsphase ist bekannt, dass sowohl Lehrkräfte als auch Eltern hier eine deutliche Verbesserung der Kommunikation wahrnehmen. Insbesondere in Bezug auf erkennbare Leistungsschwächen von Schülerinnen und Schülern und die schulischen Unterstützungsmaßnahmen, die zu deren Behebung erforderlich sind, verläuft die Verständigung direkt und zeitnah.

Die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie zeigen, dass die Landesregierung auf dem richtigen Weg ist: Die Nachhilfequote liegt in Niedersachsen sowohl im Primarbereich als auch im Sekundarbereich erkennbar unterhalb des Bundesdurchschnitts. Gleiches gilt für die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben für Nachhilfe. In Niedersachsen liegen diese bei 98 Euro bei einem Bundesdurchschnitt von 108 Euro.

Außerdem berichtet die Bertelsmann-Studie, dass es überwiegend nicht die schlechten schulischen Leistungen sind, die zur Inanspruchnahme von Nachhilfe führen. Die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler, die Nachhilfe erhalten, liegt mit ihren Leistungen im mittleren oder sogar im oberen Bereich. Die Motive der Eltern, ihren Kindern Nachhilfeunterricht zukommen zu lassen, sind vermutlich in dem Wunsch begründet, ihren Kindern einen sozialen Aufstieg zu ermöglichen und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Bei der Aussage, dass Nachhilfeunterricht aufgesucht werde, weil Eltern unzufrieden mit der individuellen Förderung an der Schule seien, handelt es sich wie bei allen angenommenen Motiven lediglich um Hypothesen.

Es ist demnach keinesfalls hinreichend geklärt, dass Eltern nur aufgrund schulischer Aspekte Nachhilfe für ihre Kinder wünschen. Vielmehr dürften die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und insbesondere die Entwicklung am Arbeitsmarkt sowie in den Medien entworfene Szenarien nicht ganz ohne Einfluss sein.

Die Landesregierung setzt die Entwicklung der Qualität von Schule und Unterricht mit dem Ziel der begabungsgerechten individuellen Förderung fort. Ein regelmäßiger und kontinuierlicher Dialog zwischen Schule und Eltern soll dafür sorgen, dass die Schule der Ort bleibt, an dem sich die individuellen Lern- und Leistungspotenziale optimal entwickeln können.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Die Studie der Bertelsmann-Stiftung bestätigt die Landesregierung darin, den bildungspolitischen Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung von Unterrichtsqualität und individueller Förderung von Schülerinnen und Schülern zu legen. Im Weiteren siehe Vorbemerkung.

Zu 2: Die Landesregierung wird weiterhin ihre Schulpolitik auf die individuelle Förderung der

Schülerinnen und Schüler ausrichten. Einfluss auf privatwirtschaftliche Nachhilfeangebote und deren Nutzung kann sie nicht nehmen.

Zu 3: Die in der Vorbemerkung dargelegten Maßnahmen, die die Landesregierung bereits ergriffenen hat, zeigen positive Wirkung. So ist beispielsweise der Anteil von Schülerinnen und Schülern ohne Hauptschulabschluss von 10,3 % im Jahr 2003 auf 7,4 % (davon 4,2 % Förderschüler/innen) im Jahr 2008 gesunken.

Anlage 14

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 15 der Abg. Daniela Behrens (SPD)

Gute Arbeit für gute Löhne: Welche Impulse für den Arbeitsmarkt bringt die Windenergie dem Standort Cuxhaven?

Die Entwicklung der Häfen ist ein wichtiger Baustein für eine gute wirtschaftliche Entwicklung in Niedersachsen. Vor allem im strukturschwachen Raum des Landkreises Cuxhaven sind große Hoffnungen mit dem weiteren Ausbau des Cuxhavener und des Bremerhavener Hafens verbunden. Priorität hat dabei die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, die Menschen ein angemessenes und sicheres Einkommen ermöglichen.

Der niedersächsische Wirtschaftsminister hat jüngst die Entwicklung der Seehäfen und die vorgesehenen Investitionen von öffentlichen Mitteln vorgestellt. Er führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 1. Februar 2010 u. a. aus: „Die Offshoreindustrie wird Wachstumsimpulse für den gesamten niedersächsischen Küstenraum mit sich bringen und die Wirtschaftsachse Küste stärken. Die Zahl der direkt in der niedersächsischen Offshoreindustrie Beschäftigten ist bereits vor der Installation des ersten kommerziellen deutschen Offshorewindkraftwerks auf über 2 000 angestiegen.“ Und der Weser-Kurier schreibt in seiner Ausgabe vom 2. Februar 2010 - bezugnehmend auf die Pressekonferenz des Wirtschaftsministers - unter der Überschrift „Niedersachsen klotzt in seinen Häfen“: „…In Cuxhaven sind durch den Ausbau des Hafens zur Offshorebasis in gerade mal anderthalb Jahren bereits 2 000 neue Arbeitsplätze entstanden, bis 2012 könnten es 5 000 werden, hofft Wirtschaftsminister Bode …“

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Arbeitsplätze im Bereich der Windenergie sind bei welchen Unternehmen in Cuxhaven in den vergangenen zwei Jahren neu geschaffen worden?

2. Welche Qualifikationen bzw. Fachkräfte sind dabei eingestellt worden, und konnten diese

Fachkräfte in Cuxhaven und in der Region gefunden werden, oder hat es einen Zuzug/Import von Fachkräften gegeben?

3. Wie viele der in den vergangenen zwei Jahren neu geschaffenen Arbeitsplätze sind mit Tariflohn geregelt und werden laut gültigem Tarifvertrag entlohnt?

Der Standort Cuxhaven ist in den vergangenen Jahren zum führenden Offshorebasishafen in Deutschland entwickelt worden. Das Land hat gemeinsam mit der Stadt Cuxhaven eine einzigartige Infrastruktur für Unternehmen geschaffen, die dort Offshorewindkraftanlagen mit allen erforderlichen Komponenten bauen und verschiffen können. Dank dieser Investitionen haben sich in den Jahren 2007 und 2008 die Unternehmen Cuxhaven Steel Construction GmbH (CSC) und AMBAU GmbH in Cuxhaven angesiedelt, die wiederum mit einem dreistelligen Millionenbetrag neue Produktionsstätten und Umschlagseinrichtungen geschaffen haben.

Die CuxHafEn GmbH hat bereits damit begonnen, weitere Industrie- und Gewerbeflächen zu entwickeln, und NPorts wird in Kürze den Auftrag zum Ausbau des Offshorehafens erteilen können. Parallel dazu werden Erbbaurechtsverträge mit der STRABAG Offshore GmbH geschlossen, die in den nächsten zwei Jahren Produktionsstätten für Schwerkraftfundamente aus Beton schaffen wird. Gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern plant STRABAG Offshore, ab 2012 in Cuxhaven komplette Windenergieanlagen zu montieren und über den neuen Spezialanleger zu verschiffen.

Cuxhaven profitiert damit erheblich von dem riesigen Investitionspotenzial, das vom Ausbau der Offshorewindenergie ausgelöst wird. Die Offshoreindustrie wird weitere Wachstumsimpulse für den gesamten niedersächsischen Küstenraum, so auch an Standorten wie Emden, Brake, Nordenham, Lemwerder und Stade, mit sich bringen und die Wirtschaftsachse Küste stärken.

Unter Beschäftigungsaspekten bietet der Ausbau der Offshorewindenergie große Chancen für die Küstenregion; denn sie schafft viele qualifizierte Arbeitsplätze u. a. bei Herstellern von Anlagen, Projektbetreibern, Transport- und Logistikunternehmen, Schiffbau-, Stahlbau-, Betonbau- und Maschinenbauunternehmen und Reedereien. Die Zahl der direkt in der niedersächsischen Offshoreindustrie Beschäftigten ist bereits bis Ende des Jahres 2009, also noch vor der Installation des ersten kommerziellen deutschen Offshorewindkraftwerks, auf über 2 000 angestiegen. Auf

der Grundlage der Ansiedlungs- und Investitionsvorhaben, die der Landesregierung bekannt sind, dürfte sich die Zahl bis Ende 2012 auf 5 000 erhöhen.

Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1: In den beiden vergangenen Jahren sind in Cuxhaven bei CSC 310 und bei AMBAU 100 Arbeitsplätze geschaffen worden. Etwa 70 Arbeitsplätze sind insgesamt bei anderen Unternehmen wie Otto Wulf GmbH & Co. KG (Offshorelogistik und Transporte), STRABAG Offshore Windenergy GmbH (Projektbüro), DEWI-OCC und dem Offshorekompetenzzentrum Cuxhaven entstanden. Mit der Ansiedlung der Produktionsstätten von STRABAG Offshore und seiner Kooperationspartner sowie durch den Ausbau der Werke von CSC und AMBAU sollen bis 2012 bis zu 2 000 Menschen direkt in Unternehmen der Offshorebranche in Cuxhaven tätig sein.

Zu 2: Die erforderlichen Qualifikationen sind weit gefächert. Eingestellt wurden vor allem Ingenieure, Schweißer, Stahlbauschlosser, Schlosser, Elektroinstallateure, Industrielackierer, Lageristen, Logistiker, Auszubildende zum Konstruktionsmechaniker und Helfer. Darüber hinaus ist mit örtlichen und überörtlichen Bildungsträgern eine Reihe von Qualifizierungsmaßnahmen entwickelt worden, die aus Mitteln des Landes und des Europäischen Sozialfonds gefördert wurden. Die weit überwiegende Zahl der eingestellten Arbeitskräfte kommt aus der Elbe-Weser-Region. Es wurden aber auch zum Teil Fachkräfte aus anderen Regionen z. B. über Jobmessen akquiriert.

Zu 3: Die beiden großen Arbeitgeber CSC und AMBAU sind nicht tarifgebunden, beide Unternehmen zahlen nach eigenem Bekunden Löhne und Gehälter, wie sie in den einschlägigen Tarifverträgen geregelt sind. Dies gelte auch für die dort beschäftigten Zeitarbeitskräfte. Angesichts des Fachkräftemangels bei den nachgefragten Qualifikationen ist eine markt- und leistungsgerechte Vergütung oder Entlohnung Voraussetzung für die Personalgewinnung.