nen, ist auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erforderlich. Wir brauchen Betreuungsplätze. Wenn man sachlich an dieses Thema herangeht, kann man feststellen, dass die Anzahl der Betreuungsplätze in Niedersachsen sowohl im Krippenbereich als auch bei den Ganztagsschulen enorm zugenommen hat. Die Behauptung der Grünen stimmt nicht, die Landesregierung würde hier zögerlich vorangehen. Diese Behauptung finde ich geradezu dreist,
wenn man sich vergegenwärtigt, dass von 1990 bis 2003 lediglich 174 Ganztagsschulen eingerichtet wurden, bis 2010 aber über 1 000 eingerichtet sein werden.
Die Maßnahmen dieser Landesregierung sind vielfältig. Sie werden vom Bund, von den Kommunen und auch von vielen privaten Förderern ergänzt. Es lohnt sich, jedem einzelnen Menschen zu helfen, damit er nicht zum Leistungsempfänger wird. Wenn doch, müssen wir wiederum mit aller Kraft helfen, damit er aus der Empfängerlandschaft herauskommt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut überhaupt einen Sinn erfüllen soll, dann müssen wir uns sicherlich nachhaltig mit der finanziellen Förderung befassen. Aber wir müssen noch einen Schritt weiter gehen: Wir müssen unseren Sozialstaat modernisieren, damit die Möglichkeiten und Anreize noch besser greifen, um die sozialstaatliche Aktivierungspolitik besser zu machen, als sie es zur Zeit ist.
Für eine Kurzintervention auf den Beitrag von Frau Kollegin Mundlos hat sich Herr Humke-Focks gemeldet. Sie anderthalb Minuten. Bitte!
Frau Präsidentin! Ich weiß, dass alle ungeduldig sind. Aber, Frau Mundlos, ich möchte noch eines zu unserem Antrag klarstellen. Damit wir sauber vergleichbare Zahlen bekommen können, damit es genau nicht dazu kommt, dass man keine Vergleichbarkeit mehr erreichen kann, wenn ein Bürger Piëch in einen Ort zieht und sich das Durchschnittseinkommen dadurch erhöht, möchten wir, dass z. B. Herrn Professor Eichhorn und sein Team die Mittel zur Verfügung gestellt werden, die ihn in die Lage versetzen, mit einer vereinheitlichten Methodik, die uns im Sozialausschuss sehr ausführlich und anschaulich dargestellt worden ist - Sie erinnern sich sicherlich noch an den Anfang des letzten Jahres -, regionalisierte Daten zu erheben, um vergleichen zu können.
Uns geht es weniger darum, an dieser Stelle unser Sozialstaatsverständnis im Vergleich zu Ihrem zu diskutieren. Uns geht es um eine reine Methodikdiskussion. Unser wie sicherlich auch Ihr Ziel ist es, einen zielgerichteten Einsatz von Mitteln zu erreichen, um Menschen die Teilhabe am Leben überhaupt ermöglichen zu können.
Schon deshalb brauchen wir aus unserer Sicht eine umfangreichere Berichterstattung. Es geht hier wirklich nur um die Frage der Methodik und weniger um eine Sozialstaatsdebatte mit Ihnen.
Frau Präsidentin! Herr Humke-Focks, ich glaube, ich habe deutlich gemacht, dass drei Berichte existieren bzw. kurz vor der Fertigstellung sind. Ich glaube einfach, dass jeder Cent, der in weitere Berichterstattung und Datenerhebung fließt, ein Cent zu viel ist, der nicht mehr zur Verfügung steht, um gerade diesen Menschen, die unsere Hilfe brauchen, z. B. Sprachförderung zu ermöglichen. Jeder Cent, den wir für Dinge ausgeben, die wir eigentlich schon haben, ist ein Cent zu viel, den wir nicht mehr denen geben können, die unsere volle Unterstützung brauchen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Was Sie sa- gen, ist einfach unlogisch!)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe aus den Reihen meiner Fraktion den dezenten Hinweis erhalten, dass ich mich in meinem Redebeitrag auf das Nötigste beschränken sollte.
Insofern will ich auf die durchaus umfassenden Anregungen der Kollegin Mundlos und den sehr interessanten Beitrag des Kollegen Riese, über den ich wohl noch lange nachdenken muss, nicht weiter eingehen, sondern es kurz machen.
Die Bekämpfung von Kinder- und Familienarmut gehört zweifelsohne zu den dringenden sozialpolitischen Aufgaben. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bemessung der SGB-IIRegelsätze macht das wieder einmal deutlich. Das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010 soll das Bewusstsein für diese Problematik nicht nur in der breiten Öffentlichkeit schärfen, sondern vor allem auch in den Regierungen. Dazu liegen uns die beiden Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE vor, auf die ich im Folgenden kurz eingehen möchte.
Die Notwendigkeit von qualitativ hochwertiger Berichterstattung als Handlungsgrundlage, wie sie die Fraktion DIE LINKE einfordert, wird auch von der SPD seit Langem erkannt. Dazu gehören im Übrigen aber auch ein Kinderschutzbericht und eine qualifizierte sozialpsychologische Berichterstattung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Redebeiträge von vergangenem Dienstag.
Genügend alarmierende Daten liegen uns allerdings schon jetzt vor. Frau Helmhold hat es angesprochen: Wie die am Mittwoch erschienene Studie des DIW belegt, lebten im Jahr 2008 11,8 Millionen Deutsche in Armut. Das bedeutet für Niedersachsen fast 15 %. Jedes fünfte Kind ist davon betroffen. Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden mit Kindern unter drei Jahren liegt bei über 50 %, und das in einer der reichsten Industrienationen der Welt.
Die wesentlichen Ursachen für Armut können wir benennen. Allein, zusätzliche Expertengruppen helfen uns in der jetzigen Situation nicht weiter, wir brauchen vielmehr Taten. Eines muss doch klar
sein: Die Bekämpfung von Armut gelingt nur mit einem umfassenden Gesamtkonzept. Eine bedarfsdeckende und gerechte finanzielle Unterstützung von Familien muss mit einer Politik für gute Arbeit und Entlohnung verbunden werden.
Die Schaffung bzw. Erhaltung einer leistungsfähigen Infrastruktur vor Ort und die Verbesserung der Chancengleichheit in der Bildung für alle Kinder sind weitere dringende Aufgaben. Insbesondere die Gruppe der Alleinerziehenden dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.
Der weitergehende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist insofern durchaus zielführender, weil Handlungsfelder klar beschrieben werden: Wo können wir ansetzen? Welche Maßnahmen sind im Kampf gegen die Armut geeignet? Welche Strukturen müssen geändert oder aber gegebenenfalls aufgebaut werden? - Natürlich müssen die Regelsätze für Kinder angepasst werden, und wir müssen den zukünftigen Umgang mit den pauschalierten Sonderbedarfen klären.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine gute Waffe gegen Kinderarmut ist eine gute Arbeit für die Eltern, von der sie sich und ihre Kinder ernähren können. Dafür brauchen Eltern zum einen die Möglichkeit, Berufstätigkeit und Familie unter einen Hut zu bringen, und zum anderen gute Arbeit und Entlohnung. Es darf nicht sein, dass Eltern den ganzen Tag hart arbeiten und dann trotzdem mit ALG II aufstocken müssen, weil ihr Arbeitgeber Hungerlöhne zahlt.
Ich weiß noch nicht, ob die Einsetzung einer Mindestlohnkommission, wie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gefordert, die geeignetste Maßnahme ist. Das Urteil des Verfassungsgerichts macht jedoch klar: Schwarz-Gelb muss die ideologische Blockade aufgeben und einen gesetzlichen Mindestlohn einführen.
(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Patrick-Marc Humke-Focks [LIN- KE] - Unruhe - Glocke der Präsiden- tin)
Herr Kollege Möhle, Sie können 100-prozentig sicher sein, dass die Unruhe nicht Ihnen gilt. Gerade wurde eine K-Karte gezogen, und deswegen muss ich jetzt wieder für Ruhe sorgen. - Ich weiß, die Sitzung dauert dann möglicherweise noch drei Minuten länger, aber ich finde es unfair, das jetzt dem Kollegen Möhle anzulasten. Ich bitte um etwas mehr Ruhe. - Sie haben noch 4:45 Minuten.
Wenn wir von Armut reden, meine Damen und Herren, reden wir zuallererst über Armut von Kindern. Kinderarmut ist meistens mehr als materielle Armut. Sie ist meistens auch Armut an Chancen, vor allem an Bildungschancen. In keinem anderen Industrieland ist der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen so ausgeprägt wie in Deutschland. Oberstes Ziel muss es daher sein, allen Kindern gleiche Chancen auf beste Bildung zu geben, damit sich Familienarmut nicht vererbt und negativ auf die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen niederschlägt.
Die schwarz-gelbe Koalition streitet seit Wochen um das geplante Betreuungsgeld. Der schwarzgelbe Koalitionsvertrag sieht vor, 2013 eine Prämie für Eltern einzuführen, deren Kinder nicht in einer Kita betreut werden. Schwarz-Gelb streitet darüber, ob das Betreuungsgeld in bar oder in Form von Gutscheinen ausgegeben werden soll. Aber dieses Koalitionsgezänk geht am Kern des Problems vorbei. Denn unabhängig von der Form hätte ein Betreuungsgeld katastrophale Konsequenzen. Es setzt falsche Anreize vor allem für sozial schwächere Familien, deren Kinder von frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten ferngehalten werden. Damit wird Bildungsarmut verschärft und wird Chancengleichheit verhindert. Das Betreuungsgeld wäre eindeutig eine bildungspolitische Fehlinvestition.
Wir fordern deshalb, auf das Betreuungsgeld zu verzichten und besser in die frühkindliche Bildung zu investieren. Das Geld wäre bei Krippen und Kita-Plätzen sehr viel besser aufgehoben.
Eine gemeinsame Beschulung aller Kinder in Ganztagsschulen mit einem gemeinsamen Mittagessen wäre ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Das kann sich hierzulande allerdings etwas schwierig gestalten, wenn nicht einmal das kostenlose Verteilen von Schulobst möglich sein soll.
Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit und die Einführung von Studiengebühren haben nicht gerade dazu beigetragen, der Chancengleichheit im Bildungsbereich näherzukommen - und das, obwohl wir doch wissen, dass gerade die Bildung eine Schlüsselfunktion im Kampf gegen die Armut hat. Nur genügend Qualifizierte werden in einer technologisch immer komplizierter werdenden Arbeitswelt ihren Weg gehen können.
Frau Helmhold, den Bildungssoli zur Mitfinanzierung bildungspolitischer Aufgaben fordern wir als SPD seit Jahren, wobei ich doch gelegentlich zweifele: Solange die schwarz-gelbe Bundesregierung Steuergeschenke in Milliardenhöhe verteilt, muss eigentlich Kohle genug da sein.
Nichtsdestotrotz sehe ich eine grundsätzliche Übereinstimmung mit vielen Punkten des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen nicht, dass am Ende der Staat die Reparaturkosten für eine verfehlte Politik bezahlen muss. Hilfen für Kinder und Jugendliche können die Ursachen der Armut bekämpfen und kurieren nicht nur deren Symptome.
Insbesondere die Lage betroffener Kinder und ihrer Familien erfordert eine rasche, konzertierte Aktion aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte. Denn jedes Jahr, in dem wir nicht handeln, ist ein verlorenes Jahr.