Nur eines hätte diese Situation verhindert: ein Moratorium schon für den Architektenwettbewerb, wie es die Linke bereits im Mai 2009 gefordert hat.
Gefordert hatten wir noch mehr, z. B. eine ungefähre Schätzung der Kosten für eine rein energetische Sanierung im Bestand. Diese Schätzung haben wir mehrfach gefordert, allerdings ohne Erfolg. In einer Besprechung der letzten Wochen wurde mir zurückgeworfen, man könne uns keine Zahl nennen, wenn die Linke nicht sage, was ihrer Meinung nach an diesem Landtag eigentlich saniert werden müsse. Erstaunlich! War der Sanierungsbedarf den Verantwortlichen nicht bekannt?
Als ich wenige Tage später die heutige Beschlussvorlage das erste Mal sah, traute ich dann meinen Augen nicht. Dort ist im ersten Abschnitt sehr genau aufgeführt, welcher Sanierungsbedarf besteht. Dankenswerterweise ermöglichen die Spiegelstri
che 4 und 5 - dort geht es um zusätzlichen Platzbedarf - unserer Fraktion, auch bei diesem Teil der Entschließung mit Nein zu stimmen. Bei den anderen unter Nr. 1 aufgeführten Punkten hätten uns in den letzten Monaten Zahlen sehr weitergeholfen.
Machen wir uns nichts vor: Bei diesem Bauvorhaben ist von Anfang an versucht worden, die Entscheidung hin zu einem Abriss des Oesterlen-Baus zu beeinflussen - durch nicht gestellte Fragen, indem man die komplizierte rechtliche Situation in den Diskussionen in den Hintergrund drängte, durch eine Auslobung, deren Raumprogramm von vornherein eine Lösung im Bestand nur noch sehr theoretisch möglich machte. Entsprechend war das Ergebnis des neuen Wettbewerbs. Zum Schluss haben alle Befürworter oder Gegner eines der Entwürfe irgendwie versucht zu tricksen.
Aufgrund der aktuellen katastrophalen Entwicklung der Landes- und Kommunalfinanzen hat sich unsere Fraktion als einzige gegen jegliche Um- oder Neubaupläne ausgesprochen. Konsequent haben wir in den Haushaltsberatungen des letzten Jahres gegen die Finanzierungspläne gestimmt. Mein Kollege Dr. Sohn wird noch einiges dazu sagen.
Ich habe noch nichts zum Thema Denkmalschutz gesagt. Hier vereinen sich bei den Abrissgegnern die Denkmalschützer mit denen, die an die finanzielle Vernunft dieses Hauses appellieren. Im Verlauf der Planungen habe ich mich zunehmend an den Oesterlen-Bau gewöhnt. Aber nicht nur das - ich muss das nicht sagen -, der Oesterlen-Plenarsaal gefällt mir inzwischen. Das liegt vermutlich auch daran, dass mich das Wettbewerbsergebnis von 2010 insgesamt enttäuscht.
Trotz der Vorgaben des Denkmalschutzes bleibe ich dabei: Ein Parlament darf auch über seinen eigenen würdigen und dem eigenen Auftrag angemessenen Rahmen entscheiden. Aber was entscheiden wir heute? - Das ist die Frage, die ich am
Anfang gestellt habe. Entscheiden überhaupt wir, oder entscheidet das Staatliche Baumanagement, das jetzt entsprechend den Wettbewerbsvorgaben die Verhandlungen mit den Preisträgern führt? Irgendwie soll unsere Entscheidung da einfließen. Vielleicht führen die Verhandlungen aber auch zu einem abweichenden Ergebnis. Der erste Preisträger hätte da eventuell Vorteile. Nein, stopp, hier existieren ja auch unterschiedliche Rechtsauffassungen.
Meine Damen und Herren, das haben Sie alle doch auch nicht gewollt. Dieses Parlament hat sich in eine Situation hineinmanövrieren lassen oder ist, von wem auch immer, in eine Situation hineinmanövriert worden, aus der kaum noch zu entkommen ist. Auch wenn ich für diesen Ausdruck einen Ordnungsruf bekommen sollte, weil er der Bedeutung der heutigen Debatte nicht gerecht wird: Die letzten Wochen kamen mir zunehmend vor wie ein Kasperletheater. Oder lassen Sie es mich vielleicht angemessener mit Johann Wolfgang von Goethe sagen:
„Und sie laufen! Nass und nässer Wird’s im Saal und auf den Stufen. Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister! Hör mich rufen! - Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, Werd ich nun nicht los.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Baukommission Anfang letzten Jahres ein Konzept auswählte, das den Abriss des heutigen denkmalgeschützten Plenargebäudes voraussetzte, hagelte es Kritik, die sich in der Frage des Heimatbundes verdichtete: Leichtfertig und geschichtsvergessen - sind so die Niedersachsen?
Der Landtagspräsident zog dann die Notbremse und ergänzte den erneuten Architektenwettbewerb scheinbar um eine Umbauoption, die allerdings durch die völlig auf den Neubau ausgerichteten Anforderungen bei Fläche und Belichtung nicht wirklich ernst gemeint war. So nahm die Sache ihren Verlauf.
Meine Damen und Herren, im Grunde stehen wir hier heute vor einem Scherbenhaufen: Beauftragt man den Sieger des 2010-er Wettbewerbs, wird der Sieger aus 2002 klagen, beauftragt man diesen, klagt jener. Die Oesterlen-Witwe klagt wegen des Urheberrechts auf jeden Fall gegen den Abriss und auch gegen zu starke Eingriffe in den Bestand.
Der Finanzminister behauptet, das Parlament habe überhaupt nichts mehr zu sagen, und bei Abriss des Denkmals stehen wahrscheinlich deswegen Klagen ins Haus.
Durch eine Kette von Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen ist das Parlament in diese fatale Situation manövriert worden. Dieses unkluge Verhalten droht sich heute durch Unbelehrbarkeit und vielleicht auch Halsstarrigkeit fortzusetzen. Die CDU hat sich an dieser Stelle und in dieser Frage ziemlich zerlegt.
Herr McAllister, es ist wirklich aller Ehren wert, wie Sie hier eben versucht haben, die Zerrissenheit Ihrer Fraktion in Stärke umzudeuten. Aber zwischen der Position der Tempel-Befürworter und der - ich nenne sie einmal - Sparkommissare, die am liebsten gar nichts mehr machen wollen, liegen in Wirklichkeit natürlich Welten.
Was Sie hier vorgetragen haben, ist aus meiner Sicht nichts anderes als eine Art von Memorandum of Understanding: Wir sind uns in der CDU-Fraktion darin einig, dass wir uns nicht einig sind. - Ich hätte von Ihnen eigentlich etwas anderes erwartet. Sie hätten auch die Macht dazu gehabt und kurzfristig, glaube ich, auch die Weisheit.
(Ulf Thiele [CDU]: Was meinen Sie damit? - Karl-Heinz Klare [CDU]: Fra- gen Sie doch einmal, was bei Ihnen 2007 alles vorgefallen ist! Wann wa- ren Sie weise? - Weitere Zurufe)
Meine Damen und Herren, von einem Sorgenfall der Demokratie sprach die Hannoversche Allgemeine Zeitung im Zusammenhang mit dem Landtag und warf die Frage auf, wie weit sich das Par
lament vom eigentlichen Souverän, nämlich dem Volk, entfernen darf. Für mich stellt sich auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Volksvertretung.
Bei dem Bau, gegen dessen Abriss wir Grünen hier heute streiten, geht es um das wichtigste und symbolträchtigste Baudenkmal der jungen Demokratie in Niedersachsen. Es ist so wichtig, dass Stimmen aus der gesamten Republik bis hin nach New York sich für seinen Erhalt einsetzen.
Wir alle müssen uns fragen: Wie gehen wir mit dem Baudenkmal um? Können wir den Abriss verantworten?
Wie viel Respekt haben wir vor Oesterlens Werk? Wie viel Respekt haben wir vor der demokratischen Geschichte unseres Landes?
Und: Wie viel Respekt haben wir vor unserem eigenen Denkmalschutzgesetz? Gerade wir stehen doch in besonderer Verantwortung dafür, dieses Gesetz ernst zu nehmen!
Wir können uns doch nicht einfach mal eben über unser eigenes Gesetz hinwegsetzen. Mit welchem Recht sollen wir dann eigentlich noch von den Bürgerinnen und Bürgern verlangen, sich dem Denkmalschutzgesetz zu beugen?
Meine Damen und Herren, gibt es überhaupt das im Gesetz geforderte überwiegende öffentliche Interesse für den Abriss? Unsere Antwort an dieser Stelle heißt: Nein. Denn wie bei vielen anderen unwilligen Denkmalbesitzern wurden und werden Scheinargumente ins Feld geführt, um den Abriss zu begründen.
Wir brauchen für einen verkleinerten Landtag nicht mehr Platz als vorher. Es müssen auch nicht alle Besprechungsräume möglichst Tageslicht haben. Das sind zwei wesentliche Kriterien, um eine Lösung zu verhindern und eine andere herbeizuplanen. Wir sind in diesem Plenarsaal vielleicht 40 Tage im Jahr, in den Besprechungsräumen jeweils einige Minuten, vielleicht einmal eine Stunde. Das lässt sich aushalten, auch wenn es nicht superoptimal ist. Ein Baudenkmal muss deshalb jedenfalls keinesfalls abgerissen werden!
Der Vorschlag des zweiten Preisträgers Gebhardt erfüllt alle Anforderungen und ist inzwischen vom Leiter der Denkmalschutzbehörde als denkmalsgeeignet eingestuft worden. Mein Kollege hat darauf hingewiesen.
Der zweite Punkt, bei dem es um unsere Glaubwürdigkeit und um unsere Verantwortung geht, sind die Kosten. Es gibt ja einige hier im Hause, die inzwischen eine Nullvariante - will heißen: keine der Wettbewerbslösungen umzusetzen - vertreten. Wie man hört, gehören dazu der Ministerpräsident Wulff und auch der Fraktionsvorsitzende der CDU, die sich an dieser Stelle in interessanter Allianz gemeinsam mit Frau Flauger von der Linken in die Büsche schlagen wollen.
(Große Heiterkeit im ganzen Hause - Björn Thümler [CDU]: Frau Helmhold, Frau Helmhold! - Glocke des Präsi- denten)