Protokoll der Sitzung vom 28.04.2010

ten über 500 Millionen Euro hinzu. Und die Beschlüsse des FDP-Bundesparteitags kosten die niedersächsischen Kommunen 280 Millionen Euro im Jahr.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist falsch!)

Meine Damen und Herren, diese Politik ruiniert die Kassen der Kommunen! Dann geht Herr Wulff zum Städte- und Gemeindebund, die bitten ihn, sich für die Sicherung der kommunalen Finanzen stark zu machen, und er sagt „Ja, ja, ich werde mich kümmern“. Nein, Sie haben sich schon darum gekümmert und das Gegenteil gemacht, nämlich den Kommunen in die Kassen gegriffen!

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Die größten Räuber müssen am dollsten klatschen!)

Herr Wulff spricht vom schlanken Staat, für den er kämpfen will, den es in Zukunft geben soll. Aber ich sage Ihnen: Bei den Beschlüssen, die Sie gegenwärtig verantworten, und den Planungen, die Sie vor sich haben, wird das kein schlanker, sondern ein handlungsunfähiger Staat, meine Damen und Herren. Vor dem Hintergrund wirken die Handlungsschwerpunkte, die Herr Wulff aufgezählt hat, eher lapidar; denn sie sind gar nicht realisierbar. Denn wie will man Bildungschancen gewährleisten, wie will man sozialen Zusammenhalt herstellen, wenn die materiellen Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben sind, meine Damen und Herren? - Das ist das Dilemma, in dem Sie stecken.

Ich will auf die drei Schwerpunkte eingehen, die Herr Wulff genannt hat. Beim Thema sozialer Zusammenhalt predigt er das Ehrenamt. Ich finde das richtig. Ich freue mich, dass ganz viele in Niedersachsen ehrenamtlich aktiv sind. In RheinlandPfalz übrigens, wo die SPD allein regiert, ist der Anteil genauso hoch wie in Niedersachsen. Diese Tatsache scheint also nicht automatisch mit Ihrer Person verbindbar zu sein.

(Björn Thümler [CDU]: Das ändert sich bald!)

Es ist gut, dass es das ehrenamtliche Engagement gibt. Aber Herr Wulff hat dabei einen Zusammenhang mit der Rückführung staatlicher Aufgaben hergestellt.

(Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Augenscheinlich ist in Ihrem Konzept das Ehrenamt die Substitution für die staatlichen Leistungen

und das öffentliche Personal, die wegfallen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Sie werden sich noch wundern; denn das bürgerschaftliche Engagement wird schnell zurückgehen, wenn die Menschen merken, dass sie instrumentalisiert werden sollen. Das kann nicht gut gehen.

Sie heben weiter das Thema Pflege hervor und loben Frau Ross-Luttmann, weil sie in diesem Bereich so aktiv war. Darüber haben wir hier monatelang miteinander diskutiert. Wo ist denn die Initiative zur Altenpflegeausbildung, mit der endlich gesichert wird, dass Pflege in Zukunft noch professionell erbracht werden kann? - Totalversagen an der Stelle! Nichts ist passiert!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wo war denn die Landesregierung, als im Februar im Bundesrat über das Thema „Mindestlohn in der Pflege“ abgestimmt worden ist? - Aus Niedersachsen kam eine Neinstimme!

(Zuruf von der SPD: Unerhört!)

Der neuen Sozialministerin sage ich an dieser Stelle: Wir haben Informationen aus Hamburg, nach denen Sie in Ihrer beruflichen Tätigkeit in den letzten Jahren besonders beim Thema „Lohndumping“ aktiv tätig waren und sich für Minilöhne eingesetzt haben nach dem Motto „Den Rest können Sie sich ja bei der Arbeitsverwaltung abholen“.

(Oh! bei der SPD)

Wenn dies das Motto niedersächsischer Sozialpolitik ist, dann werden wir hier keine Freunde. Darauf können Sie bauen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Christian Dürr [FDP]: Ich glaube, dar- auf legt die Sozialministerin keinen gesteigerten Wert!)

Herr Wulff hat bei dem Thema „Sozialer Zusammenhalt“ auch auf die Integration abgehoben. Herr Wulff, warum war in Ihrer Rede nicht der Hinweis enthalten, dass Zuwanderung weiter notwendig ist?

(Ingrid Klopp [CDU]: Das hat er ge- sagt!)

In der Koalitionsvereinbarung steht das noch. Sie haben sich in Ihrer Rede darauf bezogen, dass die

Zuwanderung in den 90er-Jahren stattgefunden hat. Ja, wir waren in den 90er-Jahren weltoffen; das stimmt. Aber zur aktuellen Situation kam von Ihnen kein Wort.

Warum haben Sie in Ihrer heutigen Regierungserklärung nicht gesagt, dass es nicht in Ordnung ist, dass sich Jugendliche im Alter von 18 Jahren in Niedersachsen und Deutschland entscheiden müssen, ob sie einen deutschen oder einen türkischen Pass haben wollen, meine Damen und Herren? - Ich finde, das ist mit der Menschenwürde nicht gut vereinbar.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Warum äußern Sie sich auch nicht dazu, dass es sinnvoll ist, dass jeder und jede in Niedersachsen über ein kommunales Wahlrecht verfügen muss, damit eine demokratische Mitwirkung in den Kommunen möglich ist, die Sie eben so gelobt haben?

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir haben gestern ausführlich über Bildung geredet. Aber da Herr Wulff dies aufgegriffen hat, will ich einige Bemerkungen dazu machen. Vielleicht hat Herr Albrecht Ihnen einmal erzählt, warum er 1990 abgewählt worden ist. Er ist abgewählt worden, weil er in der Bildungspolitik total versagt hat, insbesondere im Bereich der frühkindlichen Bildung. Deshalb haben wir 1990 gewonnen.

(Dr. Karl-Ludwig von Danwitz [CDU]: Wegen Ihrer falschen Versprechun- gen!)

Sie haben in Ihrer Rede gerade erläutert, Niedersachsen sei in der frühkindlichen Bildung Schlusslicht gewesen, und dann haben Sie erzählt, wie sehr es vorangegangen ist. Sie sind heute, im Jahre 2010, mit einer Betreuungsrate von 12 % im nationalen Vergleich Schlusslicht in der frühkindlichen Bildung!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben gelobt, wie viel Geld Niedersachsen in den Bildungsgipfel hineingegeben hat. Warum haben Sie nicht darauf hingewiesen, dass das Land dafür gesorgt hat, dass die Eltern mit 350 Millionen Euro beteiligt worden sind? Das ist doch auch eine interessante Geschichte! Dies machen andere Länder übrigens nicht, z. B. Rheinland-Pfalz, sozialdemokratisch regiert.

Und wo sind die Vorstöße hinsichtlich der Qualität in diesem Bereich oder hinsichtlich der Ausbildung für den Erzieherberuf, bei dem es in wenigen Jahren riesige Probleme geben wird? - Alles geschönt, gerade in diesem Bereich der frühkindlichen Bildung!

Inzwischen glaube ich, dass Sie die Gesamtschulen sogar erfunden haben, wenn ich von Ihnen höre, wie viele Sie hier zugelassen haben. Das ist ja wirklich eine dolle Nummer!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen: Die Gesamtschulen sind Ihnen von Eltern in Niedersachsen abgetrotzt worden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auch beim Thema Ganztagsschulen will ich ein bisschen Wasser in Ihren Wein gießen: Das, was Sie als Ganztagsschulen verkaufen,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wollen die Eltern!)

erfüllt an keiner Stelle die pädagogischen Voraussetzungen von Ganztagsunterricht. Das ist eine Mogelpackung, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Fragen Sie mal die Eltern!)

- Ja, die Eltern.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Die wollen das so!)

- Die wollen das so, genau.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Deswegen haben sie auch zugestimmt!)

Nun noch eine Bemerkung zum Thema „Die Stärken stärken“. Herr Wulff hat deutlich gemacht, dass es Stärken der Wirtschaft in Niedersachsen gibt. Das ist so. Die gab es übrigens auch vor 2003. Das ist über die Jahrzehnte organisch gewachsen. Die Menschen wohnen hier, auch die Unternehmer, die bei sich zu Hause Unternehmen aufbauen und entwickeln wollen. Das ist an vielen Stellen gut gelaufen. An ein paar Stellen bleiben sie trotz der Bildungspolitik der CDU-Landesregierung hier. Das ist alles in Ordnung.

Ich finde, an einer Stelle können Sie Meriten für sich reklamieren, nämlich beim Thema Volkswagen. Da haben Sie die Finger dazwischengehabt, und das haben wir auch uneingeschränkt unterstützt. Sich den Rest gutzuschreiben, ist ein bisschen anmaßend, finde ich. Das sollte man nicht machen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist in der Wirtschaftspolitik die entscheidende Frage, an welcher Stelle Politik Wirtschaft begünstigen kann. Hier nehme ich die beiden Beispiele auf, die Sie in Ihrer Rede verwendet haben: das Thema Energie und das Thema Landwirtschaft und Verbraucher.